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Buk 1/93 Points and Positions – Teil 1

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Bukumatula 2/1993

Die Technik von Points and Positions – Teil 1

Will Davis – Skizze einer neo-reichianischen Methodologie
Übersetzung: Monika Urbach

Ich fing 1984 an, die Points-and-Positions Arbeit zu entwickeln. Zuerst war sie für mich eine einfache Technik zur Mobilisierung energetischer Prozesse, ähnlich wie Atem-Techniken, willkürliche Übungen, Bildarbeit, etc. Sie kann in diesem begrenztem Maß benutzt werden, indem sie der Standard-(Neo)-Reichianischen Körperarbeit angepaßt wird. Aber als sich die Technik entwickelte und sich die Arbeit vertiefte, erkannte ich, daß diese Herangehensweise mehr anbot. Die Behandlungstechnik der „Points and Positions“ erlaubte mir, das nachfolgend beschriebene Verständnis zu entwickeln. Die Technik selbst wurde zweitrangig in Bezug auf die Methodologie, die sich aus ihr entwickelte.

URSPRÜNGE

Die Technik der „Points and Positions“ ist eine Art direkter Manipulation, die die spontane bioenergetische Koordination des Organismus wiederherstellen soll. Sie hat ihren Ursprung in den energetischen Konzepten von Wilhelm Reich und einer zuerst von Lawrence Jenen, einem amerikanischen Osteopathen, entwickelten Behandlungstechnik, sowie von einigen Ideen aus meiner eigenen Arbeit.

Konzeptionell basiert „Points and Positions“ auf Reichs Beschreibungen vom Wirken der Lebenskraft in der Natur und wie diese sich in die Abläufe menschlicher Funktionen transformieren.

Obwohl sie sich schwerpunktmäßig von Reich herleitet, ist die Points-and-Positions-Arbeit keine klassische Reichianische Arbeit, so wie sie von den meisten Körperpsychotherapeuten praktiziert wird. Sie benutzt stattdessen Reichs späteres Verständnis vom Ablauf der funktionalen Orgonomie, welche sich von den emotionalen, strukturellen und psychologischen Modellen zum Verständnis menschlicher Funktionen wegbewegte. Sie betont daher den energetischen Ablauf, aber eben nicht über das übermäßig genutzte und mißverstandene kathartische Modell. Kathartische Befreiungsarbeit wird fälschlicherweise als „energetischer“ und/oder physischer Teil der Arbeit angesehen. Danach müsse dann unbedingt psychologisch, historisch usw. gearbeitet werden.

Dieses begrenzte Verständnis von „Energetik“ verstärkt die bestehende Geist-Körper-Spaltung. Eine funktionale energetische Herangehensweise schließt notwendigerweise Emotionen, physikalische Strukturen und psychische Konstruktionen ein, ohne sie berühren oder mit ihnen per se arbeiten zu müssen. Sie sind nicht irrelevant, aber funktionell gesehen sind sie Sichtweisen, Nebenproduktsyptöme und Manifestationen eines tieferen Prozesses. Sie haben selbst keinen wirklich Wert.

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, die Reich gefolgt sind. Sie können in drei Kategorien unterschieden werden: Körperpsychotherapie, psychosomatische Arbeit und eine funktionelle Herangehensweise.

In der Körperpsychotherapie gibt es eine Psyche, die einen Körper hat, aber primär wird damit gearbeitet, Erfahrungen durch den „mind“ (Verstand/Geist/Bewußtsein) in den Prozeß zu bringen. Lowens Bioenergetik ist psychoanalytische Charakterarbeit, die den Körper benutzt. Auch Hakomi und sogar Gestaltarbeit gehören zu dieser Gruppe. Sie sind alle aus Reichs Charakteranalyse-Periode hervorgegangen.

Psychosomatische Arbeit will die Beziehung zwischen Psyche und Soma verstehen und mit ihr arbeiten: wie beeinflußt das eine das andere. Die Orgonomie der New Yorker Schule ist ein Beispiel für diese Herangehensweise. Verallgemeinernd gesprochen geht es immer um Reichs „Funktion des Orgasmus“.

Funktionelle Arbeit ist ein Verständnis der energetischen Abläufe im Menschen. Sie beschäftigt sich nicht mit der Beziehung zwischen Psyche und Soma, sondern mit deren Verhältnis zu energetischen Abläufen. Es geht ihr nicht um den Strom des Bewußtseins (z.B.), sondern um das Strömen von Energie, die sich in einem Bewußtseinsstrom oder -inhalt manifestieren kann … oder auch nicht. Es ist irrelevant, ob sie es tut oder nicht. Bewußtsein und Inhalt sind hochentwickelte Manifestationen energetischer Funktionen. Es gibt nichts außerhalb von natürlichen (energetischen) Abläufen. So werden in dieser Herangehensweise alle physischen und psychischen Strukturen eingeschlossen. Den ursprünglichen energetischen Ablauf beeinflussen heißt, alles auf eine Weise beeinflussen.

GEGRUENDET AUF ENERGIE

Points-and-Positions Arbeit interessiert sich in erster Linie für zwei Abläufe des Orgons: dem spontanen Weiterfluß der Energie und der Pulsation, sowohl beim „instroke“ (dem nach innen gerichteten Fluß der Pulsation) als auch beim „outstroke“. Meistens wird bei der Arbeit im Reichianischen Stil die sogenannte „Ausdehnungsphase“ der Pulsation betont.

Die Points-and-Positions Arbeit will den Organismus mobilisieren. Einige Klienten fangen dabei an, nach außen zu fließen – hin zum Ausdruck – einige andere fließen spontan nach innen – hin zum Eindruck. Beides ist heilend. Der blockierte Pulsationsfluß wird vollendet und nun ist bio-energetische Koordination – d.h. vegetatives Ausbalancieren – möglich. Wir definieren den nach innen gerichteten Fluß der Pulsation nicht unbedingt als Kontraktion und den nach außen gerichteten Fluß nicht unbedingt als Expansion. Der qualitative Aspekt beider Bewegungen muß zuerst ausgewertet werden, um zu bestimmen, ob sie nützlich sind – wir müssen eine ‚funktionale Auswertung“ vornehmen.

Das grundlegend Verständnis von „Ausdehnung“ und „Kontraktion“ ist weiterentwickelt worden, wie durch die folgende Auflistung deutlich wird:

  • Expansion – Kontraktion
  • Expansion – Sammlung
  • Expansion – Organisierung
  • Expansion – Konzentration
  • Explosion – Kontraktion
  • Explosion – Sammlung
  • Zerstreuung – Sammlung
  • Zerstreuung – Organisierung

Die am besten beschreibenden und neutralsten Begriffe hierfür sind „instroke“ und „outstroke‘. Sie beschreiben den spontanen, natürlichen und wünschenswerten Fluß der Energie vom Kern zur Peripherie und wieder zurück. „Kontraktion“ hat eine negative Bedeutung, was die Haltung spiegelt, daß dies „schlecht“ oder bestenfalls nicht so wichtig ist (siehe „Die Arbeit mit dem Instroke“, BUKUMATULA 2/88).

Kelemans Begriff der ‚Sammlung“ oder der ‚Organisierung“ ist eine ausgewogenere Herangehensweise. ‚Explosion“ ist der Entladungsprozeß der ‚Expansion“ aber nicht synonym mit ihr. Wenn wir Expansion eine negative Bedeutung geben, bekommen wir ‚Zers’treuung“, eine unorganisierte, unproduktive Bewegung nach außen. Eine Expansion ist ein koordinierter Fluß vom Zentrum zur Peripherie und sogar darüber hinaus. Eine Explosion ist ein Stoß nach außen, gegen etwas, im Versuch, es zu überwinden (entweder einen inneren Blockierungsprozeß oder einen äußeren Widerstand). Eine Zerstreuung ist ein Versuch der Vermeidung, ein Weggehen aus dem Kontakt, kein Ausbrechen. Sie ist unproduktiv, ohne Richtung, nicht mit dem Kern verbunden oder vereinigt. Sie ist Ausagieren anstelle von wirkungsvollem Agieren.

Nicht jeder nach innen gerichtete Fluß der Energie ist zusammenziehend (kontrahierend). Zentrieren, Fokussieren, Sammeln und Konzentrieren sind alles Bewegungen auf etwas zu. Eine Kontraktion ist eine Bewegung von etwas weg, sie ist eine Vermeidung, ein Festhalten an „Nicht-Erfahrung“ wie in Kelleys „Gegen-Pulsation“ und Boadellas „Übertragungs-Muster“.

Kontraktion bietet der nach innen gerichteten Pulsation das gleiche Resultat an wie Zerstreuung der nach außen gerichteten Pulsation – eine Vermeidung tieferen Kontaktes von außen oder innen.

BEWUSSTSEIN: VON DER VERGANGENHEIT ZUR GEGENWART

Das Erleben und Erfahren des gegenwärtigen Momentes ist der Haupt-Fokus meines Ansatzes. Funktionell gesehen gibt es keinen Gegensatz zwischen Vergangenheit und Gegenwart; sie sind funktionell identisch, genauso wie Psyche und Soma identisch sind. Auch die Gestalt-(Therapie) betont die Wichtigkeit des gegenwärtigen Moments. Die Vergangenheit lebt in der Gegenwart, oder sie ist abwesend und von daher unwichtig für den Heilungsprozeß.

Eine funktionale Herangehensweise schließt die geschichtliche Vergangenheit mit ein, aber es geht nicht darum, in die Vergangenheit zu regredieren. Eher heißt es, die Vergangenheit im Funktionieren des gegenwärtigen Momentes sein zu lassen. Kindheitserfahrungen, Erinnerungen, Träume werden in der Gegenwart als Erwachsener erfahren, wo Bewußtsein und Bewußtheit betont sind und deshalb für sie Verantwortung übernommen werden kann. Hier gilt Reichs Verständnis des ursprünglichen Motivs und der übergeordneten Funktion des VerteidigungsSystems, wobei die Bedeutung von „was mir in der Vergangenheit von anderen getan wurde“ zu “ was ich jetzt selbst tue“ übergeht (vgl. intrapsychisch/inter-psychisch).

Die Idee ist: nicht die Vergangenheit verändern, eine ohnehin nutzlose Angelegenheit, sondern meine Beziehung zu mir selbst in der Gegenwart verändern. Wir haben kaum etwas davon, die Vergangenheit wiederzuerleben, aber sehr viel, sie im gegenwärtigen Moment als verantwortlicher, bewußter, betroffener Erwachsener wiederzuerfahren. Diese Konzepte beziehen sich auf die Radix-Arbeit mit den Augen und auf Boadellas Verständnis der Kommunikation von Erfahrung.

DAS LEBENS-MODELL UND DAS ENTLADUNGS-MODELL

Trotz ihrer starken Betonung des Energetischen benutzt die Points-and-Positions-Arbeit kein entladungs-kathartisches Modell. Wir etablieren -Fähigkeit“ für vegetative Entladung neu, so wie von Reich und anderen beschrieben. Aber es ist kein Arbeitsmodell, weil Entladung kein Modell für das Leben ist, für das Leben von Tag zu Tag. Das Leben ist kein ständiger Orgasmus. Die Jahreszeiten explodieren nicht eine in die andere, die Nacht nicht in den Tag, die inneren biologischen Rhythmen von Verdauung, Kreislauf, Gehirnwellen etc. arbeiten nicht in einem explosions-kathartischen Modell. Sie fließen und pulsieren.

Entladung erfordert einen „Verlust des Bewußtseins“, das Überwältigt-Sein, ein „Reiten der Stromschnellen“, eine generelle Einschränkung des Bewußtseins und des Verantwortungsnehmens. Nach der Explosion müssen wir die Teile aufsammeln und integrieren, interpretieren und einen Sinn daraus entnehmen. Das ähnelt dem hysterischen Lebensstil: explodieren und wieder organisieren. Nicht sehr ökonomisch.

Ein Lebensmodell für energetisches Funktionieren zu benutzen erweitert bzw. klärt, was es heißt, energetisch zu arbeiten. Wir konzentrieren uns auf den pulsatorischen Fluß nach innen und außen, was dichter an den natürlichen Ablauf heranreicht. Leben ist kein Sturm oder eine Krise. Es gibt diese Vorfälle im Leben, man muß deshalb die Fähigkeit zur Entladung besitzen. Wenn sich das Entladungsmodell also weder dem Leben noch essentiellen natürlichen Abläufen annähert, warum sollten wir es dann bei unseren Klienten benutzen, wenn wir versuchen, deren Verbindung mit ihrem natürlichen energetischen Fluß zu vertiefen?

Nach zehn Jahren der Erforschung des nach innen gerichteten Energieflusses („instroke“) sehe ich den Entladungsprozeß in einem anderen Licht. Es könnte sein, daß das Bedürfnis nach Entladung in direktem Verhältnis zum Ausmaß der Blockierung steht und daß Entladung für gesundes energetisches Funktionieren nicht notwendig ist. Das Bedürfnis nach Entladung hängt davon ab, wie blockiert das energetische System ist. Wenn es nicht blockiert ist, ist Entladung nicht notwendig. Pulsation ist nötig für gesundes Funktionieren und Entladung kann, aber muß nicht wesentlich sein für diesen Prozeß.

Diese Sichtweise steht in direkter Gegenaussage zu Reichs energetischem Verständnis, daß die Vier-Takt-Formel von Spannung-Ladung-Entladung-Entspannung universell ist und wesentlich für energetisches Funktionieren. Denn im Laufe der vergangenen Jahre zeigte sich, daß eine Erleichterung der Vervollständigung des „instroke“ dieselbe oder sogar eine effektivere Veränderung in einer Person bewirkte, wie es die Aktivierung des entladenen „outstroke“ tut. Man könnte also argumentieren, daß es auch beim „instroke“ eine Entladung gibt. Ich bevorzuge jedoch eine andere Erklärung.

Die Vier-Takt-Formulierung Reichs ist das grundlegende Verständnis davon, wie alle pyhsikalischen Energien operieren. Weil aber Orgon keine „Energie“ in diesem Sinne ist, gibt es keinen Grund, warum es diesen mechanischen Gesetzen folgen sollte. Orgon wirkt nicht direkt im mechanischen Bereich, sondern in transformierten Zuständen. Es manifestiert sich sowohl als elektrische Energie als auch als Gefühle, Bewegungen und Gedanken. Diese transformierten Zustände – Orgon in elektrischer Energie oder Gefühlen – müssen mechanischen Gesetzen folgen.

Da es einmal transformiert wird und in der
physischen Welt als mechanische Energie funktioniert, hält sich die Vier-Takt-Formulierung und Entladung ist notwendig.

Aber wenn man mit der ursprünglichen Quelle arbeitet, dem untransformierten inneren Fluß, wird die Notwendigkeit von Entladung nicht länger gebraucht, weil sich auf dieser Ebene solche Gesetze nicht anwenden lassen. Die Pulsation direkt zu mobilisieren ist genug.

Deshalb müssen wir nicht länger an der Befreiung von Blockaden und Widerständen arbeiten. Wir müssen muskuläre Blockierungen nicht befreien, indem wir alte Gefühle entladen oder ihr psychisches äquivalent, die Vergangenheit, verstehen und interpretieren. Wir können „unter“ dieser Ebene direkt mit der mehr ursprünglichen organismischen Pulsation arbeiten. Dies ist eine Ebene bevor sie sich in Gefühlen, Gedanken, Bewegungen, Erinnerungen, etc. manifestiert.

KEIN ENGAGEMENT DER VERTEIDIGUNGSSYSTEME

Deshalb arbeiten wir auch nicht mit der Verteidigung. Wir vermeiden, daß die Verteidigungen in irgendeiner Art aktiviert werden. Dies schließt Symptome, Störungen, Probleme, Ausagieren, zweitrangige Manifestationen oder Erfolge, Panzer, Gefühle aus dem Panzer, Übertragungen, Projektionen, Widerstände, Vermeidung etc. ein. Alls Regel: trenn vir irgendeine von diesen Verhaltensweisen im Klienten erwecken, müssen wir uns fragen, vas vir falsch gemacht haben. Im allgemeinen können Verteidigungsmuster entweder berührt, aktiviert und dann herausgearbeitet werden oder aber berührt, aber nicht aktiviert oder alles zusammen vermieden werden. Diese Methode achtet darauf, jeglichen Kontakt mit und jede Aktivierung von Verteidigungsmustern zu vermeiden.

Wir wollen den Kern erwecken und nicht die Verteidigung provozieren, die natürlichen Heilungs- und Wachstumsprozesse unterstützen, mit Leuten arbeiten, nicht gegen ihre Verteidigungsmuster. Wir unterscheiden zwischen unfähig und unwillig, zwischen schützend und verteidigend.

AUSDRUCK UND ERFAHRUNG

Der Schwerpunkt verlagert sich vom Ausdruck hin zur Erfahrung. ‚Ausdruck‘ orientiert sich auf etwas hin: Blockaden überwinden, vergangene Erfahrungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Entladung und Deutung, etc. Die ‚Erfahrung‘ ist dagegen auf etwas konzentriert: die Gegenwart, neue Erfahrungen machen, die Beziehung zum Selbst, Bewußtheit, Pulsation nach innen und außen und in Zuständen sein, sodaß, wie Joseph Campbell schreibt, „…unser Leben Erfahrungen auf der rein physischen Ebene macht, die Resonanzen in unserem eigenen innersten Sein haben werden…, so daß wir tatsächlich den Raub von Lebendigkeit spüren“.

DAS LERNMODELL

Die Arbeit ist klienten-zentriert und ein „Lern-Modell“ im Gegensatz zu einem medizinischen oder pathologischen Modell. Es ist kein erzieherisches Modell, wir lehren die Klienten nicht so viel, wie wir sie für sich selbst lernen lassen. Das medizinische oder therapeutische Modell basiert auf der, um mit Freud zu sprechen „Empfänglichkeit für äußeres Eingreifen“. Im medizinischen Modell „tut“ der Arzt etwas mit dem Patienten, er operiert, spritzt Arzneien etc. Dieses von außen erhaltene Stimulans ist verantwortlich für den Heilungsprozeß genauso wie es die Intervention des Therapeuten ist, ob er als Projektionsfläche dient oder Blockaden befreit. Das im Gegensatz zur homöopathischen Herangehenswelse, wo das, was man von außen erhält, etwas bereits in einem vorhandenen stimuliert. Und darin besteht der Heilungsprozeß. Meine Arbeit steht daher der Homöopathie näher als der Medizin oder der traditionellen Therapie:

Betont wird die Lernmethode von Versuch und Irrtum, einer unperfekten Suche nach Perfektion. Betont wird weiterhin, „richtiges“ Verhalten im funktionellen Sinn zu erlernen und sich nicht auf die „falschen“ oder unangemessenen Verhaltensweisen zu konzentrieren oder sie verstehen zu wollen, es geht um ein Nähren der Stärken und nicht um ein Auflichten der Schwächen.

HUMANISTISCH ORIENTIEREN

Wenn man Reichs Verständnis des energetischen Funktionierens hernimmt und es in psychologische Konzepte übersetzt, kommen die grundlegenden Inhalte der humanistischen Psychologie heraus. Aus diesem Grund ist die Arbeit im psychologischen Bereich auf eine existentiell humanistische Herangehensweise hin orientiert.

MIT BESTEHENDEN ENERGIEN ARBEITEN

Es gibt das Verständnis, dass, wenn es einen Panzer gibt, etwas im Zustand der Blockierung ist. Dieses „Etwas“ kann ein Gedanke, eine Erinnerung, ein Gefühl und/oder eine Bewegung sein. Sie alle haben die Qualität des „Zuvielseins“ der blockierten Erfahrungen gemeinsam.- Der Organismus kann es nicht ordnungsgemäß weiterverarbeiten; energetisch ist es ein „zuviel“. Da der Organismus ohnehin an seinen Grenzen ist, arbeiten wir mit bestehenden Energieebenen und bewirken keine weitere Aufladung, weder physisch noch psychisch. Es gibt keinen Bedarf nach Aufladung. Das Problem kann funktional als zuviel Ladung im Gefühl, der Erinnerung etc. definiert werden. Warum also noch mehr hinzufügen?

Also, es gibt keine „zu wenig geladenen“ Menschen. Jeder hat genug Energie für sich selbst; es gibt kein Bedürfnis, mehr hinzuzufügen. (Deprimierte Menschen unterdrücken etwas und sie brauchen eine Menge Energie, um dieses „Etwas“ unten zu halten.)

Es geht also darum, die bestehende Energie zu mobilisieren und nicht darum, sie weiter aufzuladen.

Mit der Points-and-Positions-Arbeit können wir die bestehende Energie direkt und sicher mobilisieren. Sie holt hervor, sie leitet nicht ein, sie kommt von innen, nicht von der Peripherie oder von außen.

Die Verteidigung wird nicht aktiviert. Alle Verteidigungen, physische und psychische, sind energetische Prozeß-Portionen aufgesaugter Energie. Nun wird der Nachteil des „Aufladens“ offensichtlich (das Aufladen ist nicht begrenzt auf das Konzept von Atem- oder Körperübungen, denn auch Bildarbeit, das „Füttern mit Sätzen“, Rollenspiele, das Fördern von Projektionen, etc., laden alle den Organismus auf). Wenn man dem Organismus Ladung hinzufügt, fügt man Ladung im gleichen Verhältnis der Verteidigung hinzu. Das Verhältnis bleibt das gleiche. Man kann nicht nur den Kern aufladen.

INNER-PSYCHISCH UND ZWISCHEN-PSYCHISCH

Die erste Beziehung, die wir haben, ist nicht, wie üblicherweise gedacht wird, die mit der Mutter. Deswegen arbeiten wir inner-psychisch. Die erste Beziehung ist die mit uns selbst- In der Gebärmutter und mährend der ersten paar Monate des Lebens, wenn der Organismen in einem undifferenzierten Zustand ist, kennt er nur sich selbst. Er ist sich nur der Erfahrung seiner selbst bewußt. Er differenziert nicht zwischen sich selbst und dem Rest der Welt, ein omnipotenter Zustand. Von der Empfängnis bis zu den ersten Lebensmonaten außerhalb der Gebärmutter hat er über ein Jahr damit verbracht, eine Persönlichkeit zu „entwickeln“, die er dann in allen weiteren Beziehungen zum Tragen kommen läßt, angefangen gewöhnlich bei der Mutter. Trotz allem Wissen über die Erfahrungen des Kindes im Mutterleib und während der Geburt, gibt es keine Information, die Freuds ursprünglicher Erkenntnis widerspricht, daß

…wir bestimmt nicht von vornherein annehmen sollten, daß der Fötus irgendeine Art von Wissen hat, das in Gefahr ist, geleugnet zu werden; der Fötus kann nur eine Störung im großen fühlen, die die Ökonomie seiner narzißtischen Libido angeht!“ (Hinsic and Campbell: Psychiatrie Dictionary, 4th Edition., Oxford University Press, N.Y., 1970).

Die Points-and-Positions-Arbeit konzentriert sich auf das Individuum und seine Beziehung zu sich selbst. Wir befassen uns zuerst mit der Erfahrung des Menschen mit sich selbst und nur zweitrangig mit seiner Beziehung zu anderen. Wenn man seine Beziehung zu sich selbst ändert, ändern sich alle Beziehungen dementsprechend. Dies ist ein inner-psychisches Modell (innerpersönlich) im Gegensatz zu einem zwischenpsychischen Modell (zwischen-persönlich). Die Beziehung zwischen Klient und Therapeut wird soweit wie möglich auf ein Minimum eingeschränkt. Die therapeutische Beziehung ist nicht länger – um Freuds Ausdruck zu gebrauchen – das „Schlachtfeld“, auf dem Veränderungen, geschehen.

Die meinten Probleme, die sich in zwischenmenschlichen Beziehungen niederschlagen – mit Freunden, Partnern, Eltern, Therapeuten – sind eigentlich Probleme, die der Klient mit sich selbst hat. Zum Beispiel ist ein sexuelles Problem – organische Probleme ausgenommen – in seiner Essenz ein Problem, das die Person damit hat, das, eigene Potential zu leben. Sexuelle Probleme treten auf, wenn man das Herz nicht öffnen oder das Herzzentrum nicht mit dem genitalen Zentrum verbinden oder nicht genug vertrauen kann. Diese Probleme hat man auch beim Erfüllen des eigenen Potentials. Es sind keine Probleme, die man mit einer anderen Person hat. Sie manifestieren sich nur in Begriffen von Verlust Und Kontakt mit einem selbst und der anderen Person.

Der zweite Grund der Betonung des innerpsychischen Modells geht auf Reichs klares Verständnis von der Entwicklung und Aufrechterhaltung des Verteidigungs-Systems zurück. Wie früher schon erwähnt, unterscheidet Reich zwischen dem ursprünglichen Motiv für ein Verteidigungssystem und seiner Hauptfunktion. Das ursprüngliche Motiv für den Organismus, eine Verteidigung zu et wickeln, ist, sich vor einem „Angriff“ von „außen“ zu schützen. Die Verteidigung hat ihren Ursprung in der geschichtlichen Vergangenheit und dem, was dem Organismus von anderen angetan wurde. Reichs Hauptbeitrag ist jedoch die „Hauptfunktion der Verteidigung“» Was tut der Organismus -jetzt‘ mit sich selbst, um sich vor dem zu schützen, was von sinnen‘ aufsteigen könnte. Mein Vater z.B. hat mich mit seinem ungerechtfertigten Ärger verletzt, als ich versuchte, mich selbst zu behaupten. Ursprünglich habe ich mich vor seinem Arger geschützt. Er ist jetzt nicht mehr da, sodaß es keinen „Grund“ gibt, mich weiterhin zu schützen und doch mache ich damit weiter. Der Grund: ich bin jetzt im Haupt-Funktions-Modus, da das ursprüngliche Motiv – mich vor dem ärger meines Vaters zu schützen – nicht länger anwendbar ist. Ich „schütze“ mich jetzt vor meinem eigenen emotionalen Schmerz und vor dem ärger auf meinen Vater, der ja in der Vergangenheit bestraft wurde (in psychologischen

Begriffen Introjektion und/oder Identifikation). Genauso blockiere ich meine ursprünglich gesunde Aggression. Nun gibt es zwei wirksame Komponenten: Ich schneide meinen natürlichen Impuls, mich in der Welt einzurichten, ab.

Ich blockiere die gesunden, angemessenen Gefühle, die wegen der Unterdrückung des ursprünglichen Impulses entstanden. Im gegenwärtigen Moment halte und blockiere ich mich also wegen etwas, das in meiner geschichtlichen Vergangenheit geschah. Es ist nicht länger etwas, was mir in der Vergangenheit von einem anderen angetan wurde. Es ist etwas, das ich mir in der Gegenwart selbst antue. Ich schaffe mir ein Problem für mich selbst, ganz ich selbst zu sein. Es ist jetzt ein inner-psychisches Problem, kein zwischenmenschliches.

Wir können nun klarer zwischen „schützen“ und „verteidigen“ unterscheiden. Verteidigung ist das verdrehte Reagieren der Hauptfunktion des Verteidigungssystems; es ist nicht im Kontakt mit der Realität des gegenwärtigen Moments.

QUALITÄT UND QUANTITAT

Wir konzentrieren uns auf die Qualität der
Erfahrung, nicht auf die Quantität des Ausdrucks oder Inhalts. Ein schmaler offener Fluß ist heilsamer als eine angestrengte, kontrahierte Explosion. Wir schauen auf Bewegung und vermeiden Anstachelung; wir unterscheiden zwischen schützen und verteidigen, zwischen unfähig und unwillig. Die Qualität bestimmt die Erfahrung.

ZIELE

Kurzgefaßt ist das Ziel der Arbeit, den Organismus zu mobilisieren: wahre Bewegung in jede Richtung, sowohl nach innen wie nach außen. Energetisch gesprochen hilft dies dem Organismus, über seine gewöhnlich beschränkenden Grenzen hinaus zu pulsieren. Wie sehr oder wie schnell, ist nicht wichtig. Auf Dauer soll sich der verlorengegangene, natürliche Zustand bioenergetischer Koordination wieder einrichten können. Physisch repräsentiert sich dies in freien, spontanen, dem Leben zugewandten Bewegungen, offener Empfindung und offener Emotion. Psychisch ist eine Klarheit des Gedankens, Einsicht, charakterliche Flexibilität und Intuition vorhanden. Wir wollen die Toleranz-Ebenen der energetischen Erfahrung anheben. Wir wollen der Person helfen, diese Kapazität zu verstärken, höhere und noch höhere Ebenen von Intensität in der eigenen energetischen Erfahrung anzunehmen. Funktional und energetisch gesprochen heißt das „Problem“ nicht Mutter oder Vater, Sexualität oder Vertrauen, blockierter ärger oder daß man eine phallische Struktur ist. Dies sind alles Symptome von Ausrichtungen auf ein ursprünglicheres Problem. Sie sind im physischen Bereich von Psyche und Soma Manifestationen einer tieferen Ursache.

In Wirklichkeit besteht das Problem nicht darin, biophysisch in der Lage zu sein, die ganze Fülle der eigenen energetischen Erfahrung auszuhalten. Das Problem ist für uns alle das gleiche: das „Zuviel-sein“ von all dem auf der funktionalen Ebene. Dies ist der funktionale Zugang: Wie organisiert der Organismus seine eigene Energie? Nicht warum, sondern „wie“?.

FORTSETZUNG IN Bukumatula 2/93

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  • Buk 2/93 Wilhelm Reich im Ausverkauf?

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    Bukumatula 2/1993

    Wilhelm Reich im Ausverkauf?

    Zur Situation der Körper(psycho)therapie in Österreich
    Wolfram Ratz:

    Auch für das Wilhelm Reich Institut stand das Jahr 1992 im Zeichen der Folgen des neuen Psychotherapiegesetzes, das für Ausbildungsinstitute Ausbildungsrichtlinien mit sehr hohen Anforderungen vorgesehen hat. Seit Jahren steht das Thema „WRI-Wohin?“ – auch bezüglich der Schritte um eine gesetzliche Anerkennung – auf der Tagesordung der jährlichen Vollversammlung.

    Die interne Diskussion um ein Engagement auf berufspolitischer Ebene geht viele Jahre zurück. Schon damls regte Peter Bolen die Gründung eines Dachverbandes für Körperpsychotherapie an, der dem bestehenden Dachverband psychotherapeutischer Vereinigungen gegenüberstehen sollte. Diese Idee wurde jedoch nie tatkräftig weiterverfolgt. Derzeit finden Absolventen von körperpsychotherapeutischen Ausbildungsvereinen bei Ansuchen um Aufnahme in die „Psychotherapeuten-liste“ aufgrund der nicht nachgewiesenen „Wissenschaftlichkeit“ der Methode keine Anerkennung. Und für einschlägige Ausbildungsinstitute wird aus gleichem Grunde – wie es derzeit absehbar ist – mit Schwierigkeiten bezüglich einer Anerkennung zu rechnen sein.

    Die Gruppierungen die sich in Österreich den Ideen Wilhelm Reichs zur Psychotherapie angenommen haben, stammen aus verschiedenen Traditionen und haben bisher eher kontaktlos nebeneinander existiert.

    Mit der Gründung und den Aktivitäten der EABP (European Association of Bodypsychotherapy) und durch die gesetzliche Regelung von Psychotherapie hat sich eine Arbeitsgruppe von Vertretern sämtlicher in Österreich bestehender körperorientierten Ausbildungsvereinigungen gebildet. Neben einer inhaltlich längst fälligen Auseinandersetzung werden auch mögliche Schritte betreffend die Anerkennung von Reichscher Therapie als wissenschaftliche Methode diskutiert.

    Daß Wilhelm Reich, dem ersten Assistenten bzw. klinischen Direktor der psychoanalytischen Poliklinik und dem langjährigen Leiter des Technischen Seminars der Psychoanalytischen Vereinigung im Wien der zwanziger Jahre vom Psychotherapiebeirat die Wissenschaftlichkeit seiner Methode der „charakteranalytischen Vegetotherapie“ nicht zuerkannt wird, ist jedenfalls derzeit ein (vereins)politisches Faktum.

    WILHELM REICH 1930 BZW. 1950

    Nach dem Psychoanalytischen Kongreß in Berlin nahm das von Sigmund Freud 1922 in Wien initiierte „Technische Seminar“ seine Arbeit auf, das von Wilhelm Reich von 1924 bis 1930 geleitet wurde. Freuds Problemstellung, an deren Lösung man im Seminar arbeitete, läßt sich zu zwei Fragen umformulieren: _Die erste Frage war: Was bedeutet eigentlich ‚Heilung‘ in der psychoanalytischen Therapie? Die zweite: Wann gelingt die Heilung? Oder besser: Warum gelingt die Heilung so oft nicht?

    Zehn Jahre dauerte es, bis Reichs „Charakteranalyse“, diese Probleme zugänglich machte. Die Entwicklung von Orgasmustheorie und charakteranalytischer Therapie, die zeitlich parallel stattgefunden hat, führte Reich, nicht unerwartet, in den somatischen Bereich. Die von ihm „Vegetotherapie“ genannte Technik bezeichnete Reich als „… die Antwort auf die Fragestellung der Psychoanalyse von 1922“.

    Dadurch, daß Reich das Libidokonzept Freuds konsequent weiterverfolgte, begann Reich in seiner Forschungstätigkeit sich mehr und mehr mit energetischen Phänomenen auseinanderzusetzen, die schließlich in seiner „Orgontheorie“ ihren Ausdruck fanden und die er konsequenterweise auch in sein therapeutisches Handeln einfließen ließ.

    Über ein Umstrukturierieren von Denken und Handeln schreibt der ’späte‘ Reich in seinem 1949 erschienen Buch „Äther, Gott und Teufel“: „Ist die Panzerung völlig gelöst, so werden orgonotische Strömungsempfindungen lustvoll erlebt. Dadurch verändert sich alles Reagieren in so grundsätzlicher Weise, daß man von zwei einander fremden und wesentlich andersartigen biologischen Zuständen sprechen darf.- Wo eine Veränderung gelingt, gehen mit ihr auch fundamentale Veränderungen der Organempfindungen einher; und mit den Organempfindungen verändert sich das gesamte ‚Weltbild‘ rasch und radikal.“ (W. Reich, „Äther, Gott und Teufel“, Seite 60, Nexus Verlag, 1984)

    Wilhelm Reich hat über die Psychologie bzw. die Biologie des Menschen sehr radikale Entwürfe vorgelegt; die Diskussion darüber, ob nun der Reichsche Ansatz tiefenpsychologisch oder energetisch zu verstehen ist, geht jedenfalls schon Jahre zurück und ist weiterhin im Gange.

    ZUR THERAPEUTISCHEN PRAXIS
    Energie- vs. tiefenpsychologische Arbeit

    In der EABP sind derzeit mehr als dreißig(!) reichianische bzw. neoreichianische Vereinigungen vertreten, deren (Ausbildungs)schwerpunkte auf psychologischer und/oder energetischer Ebene liegen.

    Wer weiß denn tatsächlich noch, wie der Reich der zwanziger Jahre bzw. der „Äther, Gott und Teufel“-Reich der Orgonomie therapeutisch gearbeitet hat und wer mag behaupten, ob dieser oder jener in seiner Arbeit effizienter war?

    Myron Sharaf, der von 1948 bis 1954 Mitarbeiter Reichs in Orgonon war und als einer von wenigen Mitarbeitern selbst von Reich therapiert wurde, schreibt in seinem Artikel „Einige Äußerungen von Reich aus dem Jahr 1948“: „Reich selbst ging in der Therapie fließend von nonverbalen biophysikalischen Reaktionen zu psychologischen Erfahrungen über und umgekehrt (Dezember 1948). Nachdem Reich einiges unbewußte Material interpretiert hatte, sagte er einmal: ‚Siehst du, das ist gute Psychoanalyse. Unsere Therapie ist mehr als nur Arbeit mit den Muskeln“.“ (EMOTION Bd. 10, 1992, S. 53, 62).- Sharaf selbst deklariert seine therapeutische Arbeit als „Integration von analytischen und Reichschen Ansätzen“.

    Tatsächlich ist Reichsche Körpertherapie – auch dreißig Jahre nach Reichs Tod – immer noch Pionierarbeit, für die es wenige Autoritäten bzw. Orientierungshilfen gibt.

    Im Ringen um seine therapeutische Identifikation schreibt Volker Knapp-Diederichs 1989 in seinem Artikel „Das Kind mit dem Bade oder: Körpertherapie als funktionelle Orgonomie“:
    „Über eines bin ich mir klargeworden: Der Scheideweg von psychologischem und energetischem Ansatz in der Körpertherapie ist nicht irgendeine theoretische Spitzfindigkeit, kein kleinlich-reichianischer Dogmatismus und kein Rettungsversuch der ‚reinen Lehre‘. Er ist ein konkreter Ausdruck davon, wie bahnbrechend der Gang der Körperarbeit und vor allem der Körperarbeit auf orgonomischer Grundlage war und ist. Und ebenso ein Ausdruck davon, wie verführerisch der bequeme Weg in die Fahrwasser der traditionellen Psychotherapie – vielleicht mit körpertherapeutischen Akzenten – lockt.“ (Ströme Bd. 3, Seite 27, 1989. )

    Im redaktionellen Teil der im Herbst 1992 erschienenen Ausgabe von EMOTION, Bd. 10, ist beim selben Autor jedoch nachzulesen: „Das STRÖME-Zentrum (Praxisgemeinschaft reichianischer bzw. neoreichianischer Therapeuten in Berlin, Anm. d. Verf.), das inzwischen seit sechs Jahren existiert und entsprechende personelle Veränderungen mitgemacht hat, ist immer noch eine wichtige Anlaufstelle für neo-reichianische Methoden, wenn auch nicht mehr alle Mitarbeiter so deutlich an Reichscher Arbeit orientiert sind, wie in der Anfangsphase.- Hier spiegelt sich deutlich eine Entwicklung wider, die sich auch anderswo beobachten läßt: eine allmähliche Abkehr von der biologisch-energetischen Körperarbeit, ein Trend zu Vermischungen und Integration der Reichschen Arbeit mit anderen psychotherapeutischen Methoden, schlichtweg die Entwicklung hin zu einer Körperpsychotherapie oder sogar zur ‚Psychotherapie mit körpertherapeutischen Elementen-„.

    Aus persönlicher Sicht meine ich, daß die Teilung zwischen dem psychologischen und dem energetischen Reich aus mancherlei (z.B. pragmatischen) Gründen von Interesse sein kann, behaupte aber, daß in der therapeutischen Praxis niemand an diesem und/oder jenem tatsächlich vorbeikommen kann. Einen Körpertherapeuten, der sich auf das energetische Konzept Reichs beruft und dem der Reich der Charakteranalyse fremd ist, kann ich mir in seiner Arbeit jedenfalls nicht vorstellen.

    „ES GIBT ZWAR NUR EINE WAHRHEIT, ABER DIE HAT VERSCHIEDENE GESICHTER“

    Es gibt zwar nur eine Wahrheit, aber die hat verschiedene Gesichter. Um das auf die Reichsche Therapie umzulegen: Wilhelm Reichs Ideen zur Therapie der zwanziger Jahre sind in diesem Sinne genauso wissenschaftlich, wahr und im Recht, wie die Wilhelm Reichs der fünfziger Jahre.

    Wozu also die Debatte, gäbe es da nicht noch einen Absatz in „Äther Gott und Teufel“, der an dieser Stelle nicht vorenthalten bleiben soll: „Es gibt über eine und dieselbe Tatsache nur EINE Aussage, die objektiv richtig ist; es gibt nicht zehn verschiedene Richtigkeiten. Die Frage nach der Herkunft der Energie der Biopathien läßt nur eine einzige und nicht zehn Antworten zu: Die Energie der biopathischen Reaktionen stammt aus aufgestauter biologischer sexueller Energie. Es gibt wohl verschiedene Schichten oder Stufen in der Entwicklung einer Biopathie. Es kann verschiedene Wege geben, zu dieser einen Antwort zu gelangen. Aber es gibt auch ein Gemeinsames, die Grundfunktion der Energiestauung. Die Details mögen variieren, je nach besonderer sozialer Situation oder kindlichem Erlebnis. Doch das, was alle Details, sie mögen noch so verschieden sein, zusammenhält und als biopathische Verbiegung der Lebensfunktion grundsätzlich zum Ausdruck bringt, ist immer wieder nur die Stauung der biologischen (biosexuellen) Energie und der Panzerung. Diesem unausweichlichen Schluß wird sich auf die Dauer trotz aller Anstrengungen keine medizinische Wissenschaft entziehen können.“ (Seite 60, 61).

    WISSENSCHAFTLICHKEIT UND ANERKENNUNG

    „Dokumentation der besonderen Therapierichtungen und natürlichen Heilweisen in Europa“ ist das mehrere tausend Seiten umfassende Werk, das im Auftrag des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr im Auftrag der deutschen Bundesregierung zur Empfehlung für die EG-Komission im letzten Jahr ausgearbeitet wurde. In dieser Dokumentation (2. Halbband des 1. Gesamtbandes) ist die „Vegeto-/Orgontherapie“ unter dem Titel „Ganzheitliche Medizinsysteme“ vertreten.

    Während also zumindest in Deutschland die Vegeto-/Orgontherapie von der Medizin als ‚besonderes Heilverfahren‘ anerkannt ist, findet sich der Reichsche Ansatz meines Wissens nach als Psychotherapie nirgendwo legalisiert vertreten „…» und sollte auch nirgendwo vertreten sein“ meinte zumindest Heiko Lassek in einem Vortrag im Oktober letzten Jahres in Wien: „Ich halte es für eine Sackgasse, daß sich die an Reich orientierten Therapien jetzt als körperorientierte Psychotherapien zu bezeichnen beginnen. Reichsche Arbeit setzt doch am biologischen Fundament an, wo der menschliche Organismus noch nicht in Körper und Psyche geteilt ist.“

    Für eine Anerkennung als psychotherapeutische Ausbildungseinrichtung sind dem Bundesministerium für Gesundheit neben der Erfüllung von formalen Kriterien ein detailiertes methodenspezifisches Ausbildungscurriculum, bzw. entsprechende Unterlagen über Zahl, Bestellung und Qualifikation des erforderlichen Lehrpersonals, etc., vorzulegen. Diese Informationen dienen vorab als Entscheidungsgrundlage für die Erstellung eines gesetzlich vorgeschriebenen Gutachtens durch den Psychotherapiebeirat.

    In erster Linie geht es beim Anerkennungsverfahren um die Ermittlung von psychotherapeutischen Methoden, die praktisch erprobt wurden, eine wissenschaftliche Fundierung entwickelt haben und international verankerten Standards entsprechen. Eine Anerkennung ist mit der „Bewährung“ der Methode eng verbunden.

    „Jede psychotherapeutische Methode basiert auf kommunikativen Vorgängen und unverzichtbaren verbalen Austauschprozessen, die über die Beeinflussung der psychischen Ebene (Erleben, Bewußtsein, emotionale und kognitive Prozesse, Motivationsprozesse) zu einer konstruktiven Veränderung von Krankheitssymptomen und Leidenszuständen und zu einer Neuorganisation des Erlebens und Verhaltens führen.“- Körperorientierte Ausbildungseinrichtungen, die in Österreich um eine Anerkennung bemüht sind, werden sich diesem Gesetzestext entsprechend jedenfalls zu deklarieren haben.

    Es ist schwer vorstellbar, daß Körperpsychotherapie auf Dauer von der Gesetzgebung ausgeschlossen bleiben wird. Ob für eine gesetzliche Anerkennung aber nicht auch wesentliche, Reichs Menschenbild betreffende Ideen „verkauft“ werden (müssen), mag an dieser Stelle vorläufig unbeantwortet bleiben.

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  • Buk 2/93 Vor-bild hinter dem Arlberg

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    Bukumatula 2/1993

    Vor-bild hinter dem Arlberg

    Interview mit Dr. Luggi Rhomber
    Vorstand der Abteilung Soziales, Jugend, Familie und Frauen im Amt der Vorarlberger Landesregierung
    über die psychotherapeutische Versorgung in Vorarlberg
    :

    B: Das „Vorarlberger Psychotherapiemodell“ hatte für das 1990 in Österreich in Kraft getretene Psychotherapiegesetz Vorbildcharakter. Wie sieht dieses Modell aus?

    R: Tatsächlich hat dieses Modell bis zum heutigen Tag einzig und allein in Vorarlberg existiert. Und zwar in der Weise, daß das Land mit dem Krankenversicherungsträger und der Arztekammer eine sogenannte „Dreierregelung“ konzipiert hat, wonach diese drei Kostenträger für die Psychotherapie in Vorarlberg aufkommen. Im Vollzug dieser Dreierregelung haben die 15 im Land praktizierenden ärztlichen Psychotherapeuten die Möglichkeit pro Klient quartalsmäßig vier Psychotherapiestunden abzurechnen.

    Dieses Modell hat bis heute sehr gut funktioniert. Derzeit sind Verhandlungen im Gange, wie die nichtärztlichen Psychotherapeuten – nach dem neuen Gesetz ist ja der Quellberuf an sich nicht von Bedeutung – in dieses Modell eingebunden werden können. Auch bisher schon haben frei praktizierende, bzw. in sozialen Institutionen tätige Therapeuten ebenfalls Psychotherapie angeboten.

    Die Kostenregelung in diesem Bereich ist unterschiedlich. Für jene Therapeuten, die in Institutionen tätig sind, ist das Land Kostenträger nach dem Rehablititationsgesetz, wobei die Patienten je nach ihren Einkommensverhältnissen einen bescheidenen Selbstbehalt zu leisten haben. Für die frei praktizierenden, also nicht ärztlichen Psychotherapeuten, haben wir einen Tarif festgesetzt, wobei diese darüber hinaus einen Selbstbehalt von ihren Klienten einheben können.

    B: Welche Therapiemethoden waren anerkannt?

    R: Bis zum Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes hat es ja keine Regelung gegeben. Praktiziert aber wurde in Methoden, die nach den Erkenntnissen der Wissenschaft Anerkennung gefunden haben.

    B: Ist körperorientierte Psychotherapie nach Wilhelm Reich in Vorarlberg bekannt?

    R: Auch diese Therapie wird in Vorarlberg angeboten. Der beste Informant über diese Therapiemethode aber war bisher für mich der Sekretär des Reich-Institutes selbst.

    B: Wie ist jetzt, nach Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes, die Versorgung der Bevölkerung gesichert?

    R: Vorab möchte ich festhalten, daß die psychotherapeutische Versorung in Vorarlberg eine ganz hervorragende ist. Wenn man davon ausgeht, daß österreichweit 550 Psychotherapeuten derzeit zur bedarfsgerechten Versorgung notwendig sind, würde das auf unser Land umgelegt bedeuten, daß in etwa 20 bis 25 Psychotherapeuten notwendig wären.

    Allerdings ist zu bemerken, daß vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger für Vorarlberg lediglich 15 Psychotherapeuten vorgesehen sind; mir ist nicht klar, wie man auf diese Zahl kommt, da der Indikator seriöserweise der Bevölkerungsschlüssel sein müßte und dann käme man auf 20 bis 25. Wenn man die vom Hauptverband angenommene Zahl anschaut, so wäre allein durch die schon jetzt integrierten ärztlichen Psychotherapeuten die Versorgung in Vorarlberg bereits abgedeckt. Tatsache ist jedoch, daß wir heute in Vorarlberg bereits etwa 70 eingetragene Psychotherapeuten haben, die natürlich nicht ausschließlich Psychotherapie anbieten.

    Da darf man sich keinen falschen Tatsachen hingeben, daß alles, was von diesen Therapeuten angeboten wird, nur Psychotherapie ist. Ich meine, daß einiges davon psychologische Beratung und Betreuung ist, aber nicht medizinische Psychotherapie im Sinne des Therapiegesetzes. Sicher ist, daß wir diesen Stand an psychotherapeutischer Versorgung aufrechterhalten werden können. Darüber, wie die Kosten dafür getragen werden können, finden derzeit zwischen dem Land und dem Krankenversicherungsträger, insbesondere der Gebietskrankenkassa Gespräche statt. Ich gehe davon aus, daß wir in den nächsten Wochen darüber eine Einigung erzielen werden.

    B: Ist Psychotherapie überhaupt eine notwendige Einrichtung, um von der Gesellschaft finanziert zu werden?

    R: Ich gehe davon aus, daß das Thema Psychotherapie eine lange Geschichte hat, die schlußendlich mit einem Gesetz des Bundes ihren gesellschaftlich anerkannten Niederschlag gefunden hat. Allein aus dieser Tatsache – das sind alles, wie gesagt, gesellschaftliche Entwicklungen – wird man wohl festhalten können, daß Psychotherapie eine Notwendigkeit darstellt, um gewissen Krankheitsbildern – im Sinne eines ganzheitlichen Gesundheitsbegriffes – hilfreich begegnen zu können.

    B: Zwischen den Interessensvertretungen gibt es derzeit Uneinigkeit …

    R: Das ist so: Der österreichische Berufsverband für Psychotherapie hat einen Vertrag mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger ausgehandelt. Tatsache ist, daß dieser Vertrag in den einzelnen Landesverbänden wegen der offenbar zu niedrig angebotenen Tarife keine Anerkennung gefunden hat. Da kein Gesamtvertrag zustande gekommen ist, wird es auch keine Kassenverträge geben; jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Das heißt, es wird Wahlpsychotherapeuten geben, so wie es auch Wahlärzte gibt. Patienten, die solche Therapeuten aufsuchen, haben dann die Möglichkeit einen Kostenrückersatz bei der jeweiligen Krankenkassa zu beantragen; der beläuft sich derzeit auf S 360.-.

    B: Ist Psychotherapie auf Krankenschein auf Dauer überhaupt finanzierbar?

    R: Ich denke, daß mit dem Psychotherapiegesetz im besonderen bei den nichtärztlichen Psychotherapeuten gewaltige Hoffnungen bezüglich der Finanzierung erweckt wurden. Ich glaube, daß diese Hoffnungen nicht erfüllt werden können. Wenn man bedenkt, daß unsere Wirtschaft sich derzeit in einer Krise befindet und die Einnahmen der Krankenversicherungsträger sich in Grenzen halten, heißt das, daß wir uns alle nach der Decke zu strecken haben. Ärzte wie Psychotherapeuten. Wir sind in Vorarlberg in der glücklichen Lage, daß wir auf sozialer Ebene kontinuierlich Leistungen und Angebote auf- und ausgebaut haben. Wir haben Jahr für Jahr Steigerungsraten im Budget gehabt, die weit über der Normalbudgetsteigerung des Gesamtlandesbudgets liegen. Das kommt daher, weil wir seit jeher eine auf Effizienz ausgerichtete Budgetpolitik betrieben haben. Wir haben nie das Füllhorn ausgeschüttet oder Gießkannenpolitik betrieben.

    B: Da kommt jetzt eine politische Kritik …

    R: Ja, natürlich auf die Budgetpolitik des Bundes, das ist überhaupt keine Frage.

    B: Es ist angeblich eine häufige Praxis von Wahlpsychotherapeuten, die bisher z.B. S 500.-für eine Sitzung verlangt haben, daß sie einfach die S 360.-, die jetzt von der Krankenkassa übernommen werden, dazuschlagen. Damit bekommen sie für eine Sitzung also S 860.-

    R: Davon ist mir nichts bekannt. Ich gehe davon aus, daß es nicht sehr viele Menschen gibt, die für Psychotherapie unangemessen hohe Tarife zahlen können. Auch die Therapeuten werden sich nach den finanziellen Verhältnissen der Patienten richten müssen. Und für jene Therapeuten, die allenfalls Verträge mit der Krankenkassa haben, ist eine derartige Vorgangsweise gar nicht möglich. Grundsätzlich meine ich aber, daß ein Selbstbehalt, so bestätigen das jedenfalls auch alle in unserem Land tätigen Therapeuten, ein wichtiges Element ist, daß Psychotherapie ihre Wirkung zeigt.

    B: Noch kurz zu einem anderen sozialpolitischen Thema. Im letzten Herbst wurde das Pflegevorsorgegesetz vom Nationalrat beschlossen. Es ist interessant, daß Vorarlberg diese Pflegesicherung initiiert hat und dies auf Bundesebene übernommen wurde.

    R: Zuerst eine Klarstellung. Das Bundespflegegeldgesetz wurde am 19. Jänner 1993 vom Parlament verabschiedet. Es ist richtig, daß Vorarlberg bei diesem Gesetz eine Vorreiterrolle gespielt hat. Wenn man so will, wurde unser Modell, das wir im Jahre 1990 eingeführt haben, praktisch eins zu eins vom Bund übernommen. Dabei ist es gelungen, dem Finalitätaprinzip zum Durchbruch zu verhelfen.

    Das heißt, die Ursache der Behinderung ist für den Anspruch auf Pflegegeld nicht maßgebend. Allein das Ausmaß des Betreuungs- und Hilfebedarfs bestimmt die Höhe der Leistung. Ich meine, daß diese Pflegesicherung einzigartig in Europa ist; damit haben wir eine, wenn nicht gar die letzte Lücke in unserem an sich schon hervorragenden sozialen Sicherungssystem schließen können.

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  • Buk 2/93 Points and Positions – Teil 2

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    Bukumatula 2/1993

    Die Technik von Points and Positions – Teil 2

    Will Davis Skizze einer neo-reichianischen Methodologie
    Fortsetzung von Bukumatula 1/93
    Übersetzung: Monika Urbach

    In der Praxis geht es um eine direkte Manipulation des Körpers des Klienten, während er auf der Matratze liegt. Die Wirkung und wie der Klient sie verarbeitet – sein oder ihr Funktionieren während oder nach der Arbeit – entscheidet darüber, wie weitergemacht wird. Eine Hälfte der Manipulations-Technik – „positioning“ – wurde von Jones als eine Technik entwickelt, um physischen Streß und Schmerz freizusetzen, der durch ein Aus-der-Balance-sein der physischen Struktur verursacht wird. Sie ist eine rein physische Behandlungs-Technik, die „… das Konzept somatischer Fehlfunktion von dem eines mechanischen Typs struktureller Unordnung zu dem einer reflex-neuromuskulär bedingten Fehlfunktion“ entwickeln half.

    Ich habe diese Technik zu einem Konzept energetischer Fehlfunktion weiterentwickelt (siehe „Releasing Muscular Armor“ in: Energy & Character, Vol.16, No.1, 1985).

    Bei Jones“ Technik wird der kontrahierte Muskel isoliert und gedrückt, wie um ihn zu verkürzen. Das erzeugt eine neuromuskuläre Antwort, die die muskuläre Kontraktion freisetzt. Aus bioenergetischer Perspektive: da der Muskel jetzt künstlich in seinem kontrahierten „Sicherheits-“ Zustand gehalten wird, kann er zunehmenden Energiefluß durch- und zulassen_ Gleichzeitig ist die Energie, die bei dem anfänglichen Blockierungs-Prozeß „aufgesaugt“ und benutzt wurde, befreit, sodaß sie sich wieder dem Hauptenergiefluß anschließen kann. Sie steht dem Organismus wieder zur Verfügung.

    Der zweite Teil der Manipulation-Technik, die „Points“, wurde von mir entwickelt. Es gibt einige Überschneidungen mit Akupunktur-Punkten, aber das ist zufällig. Diese Punkte sind, geschichtlich gesehen, näher an den „Auslöser“-Punkten, die in erster Linie von Chapman und Travel beschrieben wurden. Aber das bedeutet nicht, daß es dieselben Punkte sind, oder dasselbe konzeptionelle Verständnis habe. Das Ziel bzw. Ergebnis beim Stimulieren von Auslöse-Punkten ist gänzlich verschieden davon, wie sie in der Points-and-Positions-Arbeit benutzt werden. Anatomisch liegen diese Punkte am Ursprung und an den Einschlüssen von Muskeln und gelegentlich im Muskel selbst.

    Die Betonung liegt nicht auf den Muskel-Kontraktionen, sondern auf der Faszien-Strukturierung. Willkürliche und kurzfristige unwillkürliche Kontraktionen dieses Typs sind in der physischen Struktur zu erkennen und zu bearbeiten. Ihr Effekt auf die Charakterstruktur ist nicht die muskuläre Kontraktion per se, sondern eine zunehmende Faszienstrukturierung. Dieses Verständnis ähnelt dem des Rolfing, wo ein chronisch gestresster Muskel sich selbst wieder stärkt, indem er zusätzliche Faszienstränge mit seinem Gewebe entwickelt und sie wieder absorbiert, wenn der Streß weg ist. Die Arbeit, die „muskuläre Kontraktionen“ befreit, ist tatsächlich Faszien-Arbeit_ Die Muskeln werden dementsprechend reagieren.

    VORTEILE UND NACHTEILE

    Es gibt einige Vorteile, wenn man sich dieser Methode bedient. Die aufkommende energetische Erfahrung kann kontrolliert und ausgerichtet werden. Damit vermeidet man die oft überwältigenden und kontrahierenden Aspekte von Aufladungs- und Entladungsarbeit. Der Klient lernt mit der Zeit für sich selbst, wie der auftauchende Fluß zu eröffnen – noch wichtiger -wie er bewußt zu verringern bzw. zu schließen ist. Das schafft Vertrauen, Sicherheit und Erleichterung. Es verhindert die Angst vor dem, was hochsteigt, dem am meisten üblichen Blockierungsprozeß. Wenn der Klient einmal hinter die Angst vor dem, was aufsteigt, gekommen ist, bewegt sich die Arbeit auf der Prozeß-Ebene. Auch macht es die Klienten mehr zum Teilnehmer an ihrem eigenen Heilungsprozeß. Außerdem läßt es sie mehr Verantwortung für ihn übernehmen. Es ist nicht etwas von außen Verwaltetes, sondern etwas, das von innen kommt.

    Dies ist Peter Levines Position ähnlich, obwohl der ja speziell über die Entladungs-Formel schreibt und hier für einen „biologischen Regulierungs-Rhythmus“ argumentiert, wodurch die Erfahrung des Klienten voller sei „als wenn er manipuliert worden und deshalb ganz von der Lehrer-Therapeuten-Beziehung abhängig wäre, um zu entspannen“ (Peter Levine: Autonomic Stress and Vegetotherapy, in: Energy & Character, Vol.10, No.2, 1979).

    Mit Points-and-Positions kann man entweder die nach innen oder die nach außen gerichtete Pulsation der Energie vereinfachen. Unterschiedliche Charakterstrukturen blockieren verschiedene Richtungen der Pulsation. Z.B., in Radix-Begriffen, blockiert eine „Angst“-Struktur die nach innen gerichtete Pulsation, während die „Ärger“-Struktur die nach außen gerichtete blockiert. Es ist nützlich zu wissen, welche Richtung unterbrochen wurde, um dem Klienten zu helfen, diese Richtung zu vervollständigen. Gewöhnlich ergibt sich dies aus der Reaktion der Klienten auf die Arbeit; sie vervollständigen spontan die unvollständige Richtung, wenn sie beginnen, ihre gesamte Pulsation zu erhöhen.

    Ein Nachteil von hoher Ent- oder Aufladungsarbeit ist gewöhnlich das Nachlassen der Bewußtheit und der übernommenen Verantwortlichkeit. Wie Ron Kurtz in „The Hakomi Manual“ hervorhebt: wenn einer „die Welle reitet“, bleibt wenig Zeit, einen Baumstamm zu ergreifen und die Lage zu überprüfen. Das wird in ruhigeren Gewässern getan. Wenn man mit bestehender Ladung arbeitet und ihre steigende Intensität kontrolliert, ist der Klient bewußter für die Erfahrung und kann sie weiterführen, wenn sie auftritt. Er ist in einer besseren Position, um die geschichtliche Vergangenheit im gegenwärtigen Moment als verantwortlicher, mitfühlender Erwachsener zu erfahren.

    Er erlebt die Vergangenheit nicht nur als machtloses Kind. Mit dieser Veränderung des Schwerpunktes kann er etwas mit dieser Erfahrung anfangen, während er bei ihrem ersten Auftreten nur reagieren konnte. Die Erfahrung des Klienten kommt mehr von innen. Sie wird als das eigene Selbst erfahren und nicht als etwas, was einem in der Vergangenheit von jemandem angetan wurde oder im Zusammenhang mit den Interventionen des Therapeuten steht. Es gibt weniger Projektion, Interpretation, Widerstand, Abhängigkeit vom Therapeuten, etc.

    Symbole werden benötigt, wenn die Realität nicht erhältlich ist. Points-and-Positions scheint eine konkrete, klare und gegründete Erfahrung davon zu enthalten, wer die Person ist und was zu tun bzw. zu unterlassen ist. Die Person fühlt weniger Erwartungen und Anforderungen an sich gestellt, es gibt mehr Raum zum Erforschen.

    Aber es gibt auch einige Nachteile. Die Arbeit
    von den emotionalen und psychologischen Modellen wegzunehmen, läßt die Klienten manchmal in der Leere. Z.B. kann ihr Verständnis vom Ablauf der Dinge in der Welt abhängig sein vom Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen. Wie hilft es meinem Liebesleben, wenn ich der linken Schulter erlaube, zu zittern? Was hat „tief hineingehen“ mit meinen Autoritätsproblemen zu tun? Sie können auch glauben, daß es wesentlich ist, daß sie den Arger auf ihren Vater verstehen oder daß sie ihn durcharbeiten müssen, um davon befreit zu sein. Sie können den übergang vom Psychologischen zum Funktionellen nicht vollziehen. Für die meisten Leute ist Energie nur eine Metapher und sie sind nicht willens, sie aufsteigen und ihren eigenen Verlauf nehmen zu lassen.

    Ich fand es z.B. einfacher in Japan mit dieser Methode zu arbeiten, verglichen mit traditionellen Neo-Reichianischen Techniken. Die Japaner sind vertrauter mit energetischen Prozessen, sie haben kein pathologisches therapeutisches Modell. Wenn ihnen niemals gesagt wurde, daß sie, wenn sie die Beziehung zu ihrer Frau klären wollen, die Beziehung zu ihrer Mutter durcharbeiten müssen, macht es ihnen auch nichts aus, es nicht zu tun. Sie sind offener für die funktionale Ebene.

    SCHLUSSBEMERKUNG

    Diese Methodologie ist ein Versuch, tief in das einzudringen, was Reich bereits entdeckt und entwickelt hatte. Es ist ein Versuch „nach“ ihm etwas einzufügen, als er in seiner Arbeit immer tiefer ging.

    Übersetzung: Monika Urbach
    Kontaktadresse: Will Davis
    Viktor Scheffel-Str. 18
    D-8000 München 40

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  • Buk 3/93 Aus dem Charakter treten

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    Bukumatula 3/1993

    Aus dem Charakter treten

    Loil Neidhöfer:

    LOIL: Man kann die Ziele unserer Arbeit unter verschiedenen Aspekten, aus verschiedenen Perspektiven beschreiben. Ein solcher Aspekt ist zum Beispiel, daß wir eine direkte und umfassende gesamtorganismische Lösung der körperlichen Abpanzerungen anstreben. Oder, daß wir die Atemsperre auflösen. Oder, daß wir den natürlichen Körperenergien zu einer ungehinderten Zirkulation und einem vollständigeren Ausdruck verhelfen. All das ist dasselbe, eine Arbeit, verschieden akzentuiert.

    Ein weiterer Punkt, den man machen kann, betrifft mehr die Auswirkung unserer Arbeit auf den psychischen Aspekt der Panzerung, den Charakter. Wir arbeiten darauf hin, den Charakter zu transzendieren, aus dem Charakter zu treten.

    „Charakter ist die langweiligste Sache der Welt“, hat Michael Smith immer gesagt. Das können wir alle aus unserer ganz persönlichen Erfahrung mit uns selbst nur bestätigen. Wenn wir in unserem Charakter sind – und das sind wir oft, jedenfalls öfter, als uns lieb ist – sind wir kaum mehr als Roboter, Slapstick-Figuren, Seifenoper-Gestalten, ferngesteuerte Idioten: berechenbar, mechanisch, sentimental, egozentrisch, schein-lebendig u.s.w. Mit einem Wort: langweilig.

    Alles, was wir tun, zielt letztlich darauf ab, Wege zu finden, diese Mechanik außer Kraft zu setzen, aus dem Charakter zu treten, wiederwirklich lebendig zu werden. Viele Ansätze haben diesen Anspruch. Und viele scheitern an dem mangelnden Verständnis von Panzerung. Auch in vielen Veröffentlichungen von Autoren, die sich ausdrücklich auf Reich berufen, fehlt dieser zentrale Reichsche Begriff, oder spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein hinreichendes Verständnis davon, was Panzerung wirklich ist, wie tief sie tatsächlich körperlich verankert und verwoben ist, ein solches Verständnis ist absolut erforderlich, wenn man im charakterlichen Bereich etwas bewegen will. Daher muß die Charakterarbeit immer an der biologischen Basis ansetzen.

    Es gibt populäre Meinungen, die insbesondere von den Kognitiven dagegen gesetzt werden: daß zum Beispiel alle Aspekte menschlichen Seins interdependent seien, Körper, Geist, Emotionen, Seele, usw. Und daß es daher genüge, einen Aspekt, zum Beispiel den leicht zugänglichen kognitiven, zu beeinflussen, um Auswirkungen auf allen anderen Ebenen, zum Beispiel der körperlichen, zu bewirken. Das klingt logisch, ist aber nicht wahr.

    Um eine tiefsitzende identitätsbestimmende oder charakterformende körperliche Kontraktion indirekt über Arbeit am Kognitiven oder Emotionalen lockern zu können, bedarf es Erschütterungen in der Preislage einer schweren existentiellen Krise, wie es etwa der Verlust eines geliebten Menschen ist, oder auch eine tiefe spirituelle Erfahrung, oder anderes, das einen aus der Bahn wirft. Das läßt sich nicht in jeder Sitzung machen. (Lachen)

    Daher ist es sinnvoller und effektiver, direkt und systematisch am Körper und an der Atmung zu arbeiten. Man muß also kräftig im biologischen Fundament rühren, wenn man wirkliche charakterliche Veränderungen erreichen will, wenn man diesen Roboter in uns ins Stolpern bringen will.

    Daher ist die erste Zeit, das erste halbe Jahr oder das erste Jahr in der Körperarbeit, meistens eine sehr bewegte Angelegenheit, eine Zeit des inneren Aufruhrs, vieles kehrt sich von unten nach oben, wird de-konstruiert, erschüttert. Eine Zeit mit vielen losen Enden, noch fehlenden Verknüpfungen. Eine Zeit des Umpflügens, man kann viele Bilder finden, die das beschreiben.

    Wenn eine genügende Auflockerung an der biologischen Basis erreicht ist – wenn also die Atmung ein ganzes Stück freigelegt ist und die gröbsten muskulären Blockaden in Bewegung gekommen sind – dann kann man beginnen, mit dem Charakter zu spielen. Eine Voraussetzung dafür ist die Erfahrung und die Erkenntnis, daß man mindestens zwei choices hat… Laßt uns ein Beispiel konstruieren: Da ist der Typ, dem jeden Morgen in der U-Bahn einer auf die Füße tritt. Jeden Morgen, seit zwanzig Jahren. (Lachen) und jeden Morgen sagt der Typ mit einem schiefen Grinsen: „Aber das macht doch nichts.“ (Lachen)

    In Wirklichkeit ist er stinkesauer, er könnte sie alle würgen, aber er kann nicht anders. Sein ganzes vegetatives, motorisches System nimmt automatisch diese Haltung ein: „Aber das macht doch nichts.“ Jetzt macht dieser Mann eine Körpertherapie. (Lachen) Er will wieder schief grinsen und seinen Spruch aufsagen, aber das geht nicht mehr. Er hat kaum Zeit, das zu bemerken, denn sein ganzes System formt sich auf einmal blitzschnell in eine andere Richtung, und er hört sich plötzlich brüllen, außer sich vor Wut, es bricht aus ihm hervor: „Laß das, Arschloch!“ (Lachen)

    Das ist ihm erstmal peinlich, so unangemessen, vor allen Leuten, hätt ich bloß nicht mit der Therapie angefangen undsoweiter. Aber innerlich frohlockt er, triumphiert er: Er hat es gebracht! Er hat mitten ins Wohnzimmer geschissen. Filmreif, spontan. Live on stage. Er jubelt klammheimlich. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten im Repertoire, zwei Möglichkeiten körperlich erfahren: das sind 100 Prozent Zuwachs, eine immense Bereicherung.

    Das versetzt ihn aber noch nicht in die Lage, mit seinem Charakter zu spielen. Er hat erstmal eine Erweiterung erfahren, ein Ausschöpfen der neurotischen Polarität. Jeder Psychotherapeut wird sagen, daß dies nur ein neurotischer, reaktiver, rebellischer Ausbruch war. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Uns interessiert erst mal nur, daß im Vegetativen eine gewisse Verbreiterung, eine gewisse Bahnung stattgefunden hat. Etwas ist in Bewegung geraten, die extreme Zurückhaltung des ganzen Organismus ist zumindest an einer Stelle durchbrochen worden, der Staudamm hat einen Riß bekommen, ein Anfang ist gemacht.

    Die Fähigkeit mit dem Charakter zu spielen, entwickelt sich später im Prozeß. Sie setzt einiges voraus: zunächst eine weitere Freisetzung und Vertiefung der Atmung und eine weiter fortgeschrittene Entpanzerung vor allem in den charakteristischen Knoten in der Stirn, im Hals, in der Brust und im Zwerchfell, also längs und abwärts der Frontallinie. Damit sind zwei Arten von Erfahrung zwangsläufig verknüpft: Erstens ein gelegentliches Aufblitzen von tiefen Strömungserfahrungen, Momente, Intuitionen größerer oder großer Freiheit von Panzerung und zweitens ein hoher Level allgemeinen Wohlbefindens, eine beständigere Erfahrung von Gesundheit und Kraft, trotz aller Turbulenzen, ups and downs, die der Prozeß mit sich bringt. Die Identifikation mit der Panzerung, mit dem Chrarakter, mit Kummer, Schmerz, Sorgen, Angst usw. ist in fortgeschrittener Weise unterminiert.

    Damit verbunden ist noch ein weiteres: eine Art Selbstbeobachtung hat sich spontan entwickelt, ein beständiges Gewahrsein der eigenen Panzerungsmuster, auch der subtileren charakterlichen Windungen und Tricks, mit denen man sich totstellt. Dazu kommt eine realistischere Einschätzung der Endlosigkeit, der Beliebigkeit, der komplizierten Verwickeltheit der eigenen Charaktertendenzen und ein Gefühl der Ernüchterung, manchmal der Verzweiflung, angesichts der nunmehr deutlich spürbaren tiefen und tiefsten körperlichen Verwobenheit und Verankerung der Panzerung und des Charakters.

    Diese Nüchternheit bringt einen Abbau bestimmter idealistischer Ansprüche hinsichtlich InstantHeilung und anderer perfektionistischer Haltungen im Zusammenhang mit dem Veränderungsprozeß. Eine Einsicht in die nötige Tiefe und die nötige Dauer des Prozesses macht sich breit, ebenso eine größere Bereitschaft dafür. Und auch eine Portion… humbleness heißt das im Englischen, eine Art wahrhafter menschlicher Demut Bescheidenheit, erwachsen aus einem tieferen Verständnis für die menschliche Kondition.

    Und natürlich auch eine größere echte Wertschätzung der eigenen Person, so, wie sie ist, ein Anerkennen der eigenen charakterlichen Verbogenheit als Ausdruck einer in der Biographie notwendig gewesenen Überlebensstrategie. Und – last not least: ein wohltuender und heilsamer Humor hat sich eingefunden, ein Humor bezüglich des eigenen Charaktertyps, seiner absurden und grotesken Manöver. Man nimmt sich als Charakter immer weniger ernst, alle Verbissenheit verschwindet allmählich, auch in bezug auf die zahllosen Charaktere um einen herum, in bezug auf das ewige und alltägliche menschliche Drama.

    Nehmen wir an, unser U-Bahn-Fahrer hat inzwischen einen solchen Prozeß durchlaufen. Er ist dabei geblieben, hat jetzt zwei oder drei Jahre Körperarbeit hinter sich – und fährt immer noch U-Bahn. (Lachen) Aber es tritt ihm keiner mehr auf die Füße. (Lachen) Nicht etwa, weil er so wild und furchterregend aussieht, sondern einfach, weil er eine andere Ausstrahlung hat. Früher hat er alles zum Kern hin kontrahiert unddamit ständig Einladungen ausgeschickt, ihm auf die Füße zu treten. Jetzt hat er gelernt, seine Energie vom Kern her beständig auszusenden, bzw. sich immer wieder daran zu erinnern… Früher war er so kontrahiert, daß man ihn kaum wahrgenommen hat; erst, wenn man ihm auf die Zehen stand. Jetzt hat er Volumen, ein größeres Feld, ausgedehntere Grenzen. Früher war seine Grenze fünf Zentimeter unter der Hautoberfläche, jetzt liegt sie einen Meter darüber oder davor.

    Und er ist auf den Geschmack gekommen, er hat Lust, immer weiter zu expandieren. Zum Beispiel in der U-Bahn. Es ist ihm mit der Zeit dort langweilig geworden. Er will jetzt was für seine Unterhaltung tun. Er fängt nun seinerseits an, Leuten auf die Zehen zu treten, einfach so, aus Zeitvertreib, um mal zu sehen, was passiert. (Lachen)

    Jetzt hat er angefangen, mit seinem Charakter zu spielen. Er hat seinen Charakter in den letzten Jahren sehr gründlich ausgelotet und kennengelernt. Jetzt fängt er an, Dinge zu tun, die eigentlich überhaupt nicht seine Art, sein Stil sind, die vielleicht genau seinem gegenteiligen Charakter entsprechen. Er tut dies nicht als strategische Gegenmaßnahme, um sich zu verändern, um irgendwas zu erreichen.

    Nein, er macht es einfach nur – aus Bock, zu seinem Vergnügen, zu seinem excitement. Er hat es nun gelernt und wagt es, kleine, erregende, belebende Risiken einzugehen, in seinen Alltag einzubauen. Er kann diese Verrücktheiten jetzt mehr und mehr genießen. Es wird fast zu einer Art Hobby: Wann immer er ein Stück Mechanik an sich entdeckt, fängt er an, damit herum zu spielen, das Gegenteil auszuprobieren oder es sonstwie auf eine erregendere Art als gewohnt zu tun.

    Übrigens – eine kleine Fußnote – das ist der Grund, weshalb wir meistens ein Setting mit kombinierter Einzel- und Gruppenarbeit anbieten.

    Jeder Fortschritt, der in der Therapie erreicht wird, erweist sich bekanntlich in der Interaktion. Wir brauchen die Einzelsitzungen für die direkte, körperliche, panzerlösende Arbeit und die Gruppenwochenenden für unsere „verbale Energiearbeit“. Gruppenarbeit besteht bei uns zum großen Teil darin, in der Gruppe die eigenen charakterlichen Besonderheiten ans Licht zu befördern und so vollständig wie möglich zum Ausdruck zu bringen- Das geht am besten, wenn man in der Gruppe einen Konsens herstellen kann, ein Verständnis dafür, was Charakter und Panzerung ist; vor allem, daß wir uns alle als Charaktere nicht sonderlich ernst nehmen müssen. Daß alles, was wir als Charaktere produzieren, im Grunde nicht wahr ist, keine Substanz hat, kontaktlos ist, Drama ist.

    Ist dieser Konsens einmal hergestellt – das kann eine ganze lange Weile dauern, und manche schnallen es nie – kann eine weitere Übereinkunft getroffen werden: daß wir es wagen und uns gegenseitig gestatten, uns in unserem Charakter so vollständig wie möglich zu zeigen, daß wir uns als Charaktere nicht verstecken voreinander, daß wir all dies Häßliche, Peinliche, Triefende, Gierige, Sentimentale, Moralistische und das darübergestülpte Edle, Hilfreiche und Gute, daß wir die Fassade und die komplette zweite Schicht zum Vorschein kommen lassen, damit wir sie so bald wie möglich loswerden können. Deshalb machen wir auch soviel Theaterarbeit: auf der Bühne stehen heißt unter Streß stehen, und unter Streß tritt der Charakter deutlich, für alle sichtbar, zu Tage.

    Ein besonderer Aspekt dieser Charakter-Gruppenarbeit in einem fortgeschritteneren Stadium ist, daß die endlosen, wechselseitigen Verträge, die in so einer Gruppe bestehen, erkannt und gebrochen werden, all die konspirativen Tabus, all die wortlosen Absprachen. Ich meine vor allem das berühmte Drei-Affen-Syndrom: nichts sagen, nichts hören, nichts sehen. Ich sage nicht, was ich an dir sehe, und du siehst nicht, was du an mir siehst. Ich höre nicht hin und tue so, als wär nichts, wenn du Schwachsinn redest, und umgekehrt.

    Damit, mit diesen Verträgen, muß radikal aufgeräumt werden, wenn es in einer solchen Gruppe weitergehen soll. Und das tun wir. Es ist schmerzhaft, die eigenen charakterlichen Begrenzungen zu spüren und damit, in seiner hilflosen Befangenheit, gesehen zu werden. Es ist aber ein notwendiger Schmerz, ein notwendiges Leiden an der eigenen Panzerung, um den Impuls zur Transzendierung dieser scheinbar unverwüstlichen klebrigen Gummischicht zu stärken.

    …So, was macht unser U-Bahn-Fahrer? Er hat also diesen ganzen Prozeß durchlaufen. Er hat weitere zwei, drei Jahre damit verbracht und inzwischen eine Ausbildung zum Körpertherapeuten angefangen. (Lachen) Er hat wirklich viel erreicht. Nach all dem Spielen und Experimentieren mit seinem Charaktertyp hat er gemerkt, daß noch eine Menge mehr erforderlich ist. So oft schien die Charakterschicht nur hauchdünn wie Geschenkpapier zu sein, bereit, jeden Moment zu zerreissen.

    Im nächsten Moment war sein Charakter wieder das unbesiegbare, zählebige Monster, das mit ihm spielte. Vor allem hat er gemerkt, daß das Auflösen von Blockaden allein noch nicht glücklich macht, daß es viel Kraft, Ausprobieren und Disziplin erfordert, die freigewordenen Energien für ein kreativeres Leben zu nutzen. Er hat dies getan und sich damit beträchtliche Freiräume geschaffen – innerhalb seines Charakters. Er hat mehr und mehr die Erfahrung des Strömens gemacht und gelernt, sein Leben danach auszurichten – von Augenblick zu Augenblick.

    Er weiß genau, was er tun und lassen muß, um sein Strömen zu erhalten, zu verstärken und es nicht den permanenten Anfällen von Selbst-Kontraktion zum Opfer fallen zu lassen. In diesem Sinne hat er profunde Änderungen in seiner ganzen Lebensart erfahren; er hat seine Ernährung, seine Sexualität, sein Atmen, sein alltägliches banales Handeln in ein stetig wachsendes Zelebrieren seiner Strömungserfahrungen verwandelt. Es geht ihm gut. Der Körper ist durchgearbeitet, der Orgasmusreflex ist da, sein Therapeut hat ihn als geheilt entlassen und ihm mit auf den Weg gegeben, daß er jetzt grundsätzlich genital ist. (Lachen)

    Er hört viel Lob, vor allem von Leuten, die ihn lange nicht mehr gesehen haben und ihm bescheinigen, wie sehr er sich doch verändert habe.

    Nur er weiß, daß sich nichts verändert hat. Absolut nichts, wenn man genau hinsieht. Sicher, es gibt alle diese Verbesserungen, Veränderungen innerhalb der Charakterstruktur. Aber es gibt auch immer noch diese eine, starke, unangetastete Basis-Kontraktion, diese allmächtige Tendenz, diesen besonderen Typ, diesen Charakter, der er ist. Für Illusionen und Hoffnungen auf große Veränderungen ist jetzt kein Platz mehr. Das Leiden an sich selbst, an der eigenen Panzerung, wird nun tief, echt, existentiell, ausweglos. Er sieht sich in aller Ungeschminktheit als genau den Charakter, der er ist und den er so erfolgreich zu kompensieren, zu verwischen gelernt hat: dieser Schizo, dieser Maso, dieser Gottweißwas. Er sitzt immer noch in diesem Gefängnis, das nur etwas oder sehr viel komfortabler geworden ist.

    Jetzt, an diesem Punkt, wo er auf Grund gekommen ist, im Angesicht tiefer Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Desillusionierung, kann die entscheidende charaktertransformierende Arbeit beginnen. Er hat alles versucht und nichts erreicht. Wenn er den Mut hat, dieser Wahrheit ins Auge zu sehen, dann macht sich in ihm wahrscheinlich eine mittlere bis riesige Heiterkeit breit. Er schaut sich um. Um ihn herum sieht er nur Leute im Film, voller verzweifelter Hoffnung und Selbsttäuschung. Er sieht nur Sucher. Für ihn aber gibt es nichts mehr, was er tun kann. Er gibt auf.

    Er fügt sich radikal in sein Schicksal. Er ist nun wirklich traurig und wirklich amüsiert. Er lacht und weint zugleich. Alles Verändernwollen hat aufgehört. Er akzeptiert es zu hundert Prozent, dieser Charakter in dieser Welt zu sein. Jeder kann es sehen. Jeder darf ihn sehen. Es gibt nichts mehr zu verbergen. Er muß sich nicht mehr bedeckt halten. Eine tiefe, tiefe Erleichterung stellt sich ein. Es ist, als ob er aufgefüllt wird mit einer heilsamen Kraft. Er akzeptiert vollständig, dieser Charakter zu sein, vollständig- Und in diesem Augenblick verliert er ihn unwiederbringlich. Er ist nicht mehr dieser Charakter, er ist jeder Charakter und keiner. Er ist charakterlos geworden. (Lachen) Er hat geschafft, was nur wenigen gelingt.

    Aber er ist immer noch kontrahiert, immer noch nicht frei. Er hat das Menschenmögliche getan, was man aus eigener Kraft tun kann. Das abgegriffenen Bild von der Unmöglichkeit, sich an den eigenen Haaren aus dem Morast ziehen zu können, geistert durch sein Hirn. Er hat sein Menschenmögliches getan und fühlt sich unfreier denn je. Er ist immer noch diese abgekapselte Entität, mittlerweile undefinierbaren Charakters, aber voller Angst. Todesangst, wenn er ehrlich genug ist, und das ist er. Und immer noch voller brennender Sehnsucht. Er ahnt diffus, daß er etwas völlig anderes braucht als Therapie, Yoga, Fallschirmspringen, um aus diesem Dilemma herauszukommen.

    Was er braucht, ist Gnade. Er lechzt nach Gnade. Er weiß mittlerweile, daß es sie gibt. Aber wo? Was er noch tun kann ist eines: diese Gnade ausfindig zu machen und sich ihr ohne Zögern hinzugeben, sich dieser Gnade zu Füßen zu werfen und den Rest seines Lebens dort zu verbringen. Wehe ihm, wenn er diesen letzten Schritt, der eigentlich der erste ist, nicht tun kann. Alles wäre dann umsonst gewesen. Alles ginge wieder von vorne los. Im nächsten Leben. In der U-Bahn. (Lachen)

    TEILNEHMERIN: Die Geschichte kommt mir aber bekannt vor…

    LOIL: Ja, es ist deine Geschichte. Es ist meine Geschichte. Es ist eine Geschichte über uns U-Bahn-Fahrer.

    Vorabdruck aus dem Buch von Loil Neidhöfer: „Disziplin der Lust“, das im Herbst 1993 im Transform Verlag, Oldenburg, erscheinen wird.

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    Bukumatula 4/1993

    Die ersten zehntausend Sitzungen sind die härtesten

    Geschichte einer Therapiebeziehung
    Interview mit einer die (sich) auszog, um Reichsche Therapie zu machen
    Wolfram Ratz:

    Die nachfolgende Beschreibung einer Therapiebeziehung aus den Jahren 1985 bis 1988 entstammt einer Idee von – ich nenne sie hier Anna -, die in Form eines Eigeninterviews zu ihren Erfahrungen als Klientin Stellung nahm. Bedingung für eine Veröffentlichung war die gleichzeitige Stellungnahme ihres Therapeuten, die ebenfalls in Form eines Eigeninterviews, unter Zuhilfenahme von Briefzitaten, erfolgte.
    Interviews können ein Element spielerischer Jagd an sich haben; wenn der Interviewte am Ende des Interviews mehr über sich selber weiß als am Anfang, dann ist es dem Interviewer gelungen, gemeinsam mit dem Befragten ein Stückchen Wahrheit aufzustöbern. Freilich, das kommt selten vor, ist ein Glücksfall und Geschenk, das durch gute Interviewtechnik allein nicht erreicht werden kann.

    Bisher hat sich keine/r gefunden, der mich über meine Therapie in dieser Weise befragt hätte also probiere ich, Interviewer und Interviewter zugleich zu spielen.

    Wer ein Interview macht fragt anders, als wer privat mit einem anderen spricht: der Interviewer ist sich seiner potentiellen Leser/Hörer/ Zuseher bewußt; er wird daher keine Fragen stellen, die sein Publikum nicht interessieren. Auch der Interviewte wird sich mit seinen Antworten dieser Situation anpassen. Das Interview ist für ihn eine Möglichkeit, sich vor dem Publikum darzustellen, seinen Beliebtheitsgrad zu steigern, zu provozieren, usw.

    Mein Publikum für dieses Interview seid vordergründig ihr, die ihr’s lest. Aber ich habe keine Ahnung wer Ihr seid, und es liegt mir daher wenig daran, daß Ihr was von mir wißt. Doch einer von Euch Lesern ist mein Therapeut. Sein Gesicht in Eurer Menge ist es, das ich anspreche.

    Frage: Du hast eine Therapie nach Wilhelm Reich gemacht?

    Antwort: Na ja, also jedenfalls, als ich damals angefangen habe, dacht ich schon, es wär ein.

    F: Wieso, kannst Du das genauer erklären?

    A: Na ja, ich mußte mich gleich am Anfang ausziehen. (lacht) Nein, das war eher ein Witz jetzt, aber was Wahres ist schon dran: Das war für mich irgendwie das Signal: Jetzt geht wirklich was Großes los, also nix mit Reden, sondern mit Energiefluß im Körper aktivieren und so.

    F: Wenn wir also davon ausgehen, daß es eine Reichsche Therapie war – wie bist Du darauf gekommen?

    A: Vor etwa 10 Jahren habe ich ein Buch von Reich gelesen – den „Christusmord“ – und bin voll ausgeflippt. Also ich weiß heute nicht einmal mehr genau, was drin steht, aber es ging in etwa darum, daß Reich erklärte, daß alle Menschen mit Panzerungen, also die, die ihre Gefühle im Körper einsperren und keinen Zugang mehr zu ihnen haben, die Ungepanzerten wahnsinnig hassen und sie letztendlich umbringen. Er hatte im Buch so Tabellen, wo das Verhalten von gepanzerten und ungepanzerten Menschen einander gegenübergestellt wurde – ich war einer von den gepanzerten, das war gar keine Frage. Und ich wollte so sehr das haben, was auf der anderen Seite der Tabelle stand: das natürliche Liebevolle, nicht meine krampfhafte Freundlichkeit.

    F: Du wolltest Schneewittchen sein und nicht mehr die böse Stiefmutter.

    A: Genau. Klingt irgendwie nach Reagan; ich wollte zum „Reich des Guten“ gehören und nicht mehr zum „Reich des Bösen“. Apropos Reagan: Das politische Element beim Reich – sein Engagement für den Kommunismus, aber auch, daß er von denen dann auch bekämpft wurde, daß er die Arbeiter bewundert hat und bei ihren Streiks mit–marschierte, – er hat nie geleugnet, daß die Probleme seiner Patienten auch politische Ursachen hatten, und in der Massenpsychologie

    F: Du kannst einem den Wilhelm Reich wirklich nahebringen, das ist sehr interessant. Hast Du dann eigentlich Reichsche Therapie begonnen, weil Du von Reich so begeistert warst?

    A: Beim Reich selber hätt ich vielleicht rein aus Begeisterung Therapie gemacht – ich habe eine Schwäche für Gurus – aber nein, es ist mir einfach sehr schlecht gegangen und zufällig bekam ich die Adresse von einem Therapeuten, der in dieser Richtung arbeitet.

    F: Welche Erwartungen hast Du in die Therapie gesetzt?

    A: Also, ich hab das eigentlich so verstanden, wie wenn man ein Auto zur Reparatur bringt: Ich bekomme einen Kostenvoranschlag und ungefähre Angaben, wie lange die Reparatur dauert. Und wenn ich genug Geld und Geduld hab, krieg ich das Auto wieder fahrtüchtig zugestellt. Ich meine, ich war ganz sicher, daß ich „geheilt“ werde, meine Aufgabe sah ich eigentlich hauptsächlich darin, daß ich das Geld hergebe und durchhalte, bis alle Blockaden gelöst sind und die liebevolle Anna mit den ozeanischen Gefühlen aufersteht.

    F: Und wie lief es tatsächlich?

    A: Na ja, am Anfang wars genauso, wie ich mirs vorgestellt hatte: ich bin dort also gelegen und hab tief geatmet und geweint und ich weiß noch, nach ein paar Wochen kam endlich der große Augenblick – da hat er mal so richtig fest zwischen meine Augen gedrückt, es tat weh, aber nachher wars einfach super, traumhaft – ich hatte ein wundervolles Gefühl um die Augen; etwas später dasselbe mit den Kiefern – ich merkte nachher zum ersten Mal, was essen bedeuten kann – ich hab den Mund aufgebracht und konnte richtig kauen.

    F: Und wie ging es weiter?

    A: Ich wurde langsam ungeduldig, weil ich an der Uni nur Mißerfolge hatte – ich bekam Existenzangst, weil ich die Zeugnisse fürs Stipendium nicht zusammenbrachte – ich konnte mir nichts merken, habe auch nichts verstanden, schlief tagelang, weil mir das Lernen so schwer fiel.

    F: Du wolltest rasch einen konkreten Nutzen von der Therapie haben?

    A: Na ja, nicht direkt. Ich hatte den Reich so verstanden, daß man zuerst völlig zusammenbrechen muß, bevor überhaupt irgendetwas Positives passieren kann. Und ich wollte diesen Zusammenbruch forcieren, damit die Aufbauphase schneller kommt; außerdem war ich in den Therapeuten verliebt und wollte ihm beweisen, daß ich gut bin, ich wollte „Fortschritte“ machen, um wenigstens ihm zu imponieren.

    F: Eine andere Frage: Du sagtest am Anfang, eines der typischen Anzeichen, daß die Therapie was Besonderes ist, war für Dich, daß Du Dich ausziehen mußtest. Was hat das für Dich bedeutet?

    A: Ich hab mich nackt extrem häßlich gefühlt, aber ich war überzeugt, daß ich das eben durchstehen muß. Andererseits habe ich auch viele angenehme Sachen erlebt in der Körperarbeit -aber im ganzen gesehen hat es meine Vorstellung bestärkt: ob ich was Angenehmes oder was Unangenehmes erlebe, das hängt ganz vom Therapeuten ab – ich kann nichts dazu tun, daß die Reparatur an meinem Körper gelingt.

    F: Aber wenn Du mit dem Service zufrieden warst, warum hast Du die Therapie dann abgebrochen?

    A: Ich bin religiös geworden und hab versucht, das in der Therapie zu verstecken.

    F: Was meinst Du mit «religiös geworden'“?

    A: Vertrauen haben.

    F: ?

    A: Bei Problemen davon ausgehen, daß Gott das sozusagen inszeniert, um mir zu zeigen, daß ich es bewältigen kann.

    F: Gott inszeniert Probleme? Wie ein Lehrer Schulaufgaben zusammenstellt, damit die Kinder üben?

    A: Nein. Nein. Ich meine das eher so: Was
    immer ich erlebe, ist von der Liebe für mich
    bereitet. Und diese Liebe ist gleichzeitig etwas Universales, ist das Universum – damit auch „ich“ – aber auch etwas Persönliches.

    F: Wenn Du Teil dieser Liebe bist, dann bist eben doch Du es, die sich ihre Probleme schafft.

    A: Ja und Nein. Wenn mein Therapeut fragte: „Zu welchem Zweck hast Du Dir das Problem geschaffen?“, dann hörte ich nur heraus, daß ich ein Arschloch bin, das selber schuld ist und das das jetzt nicht zugeben will.

    F: Er hätte also im Nev-Age-Ton sagen müssen: Warum glaubst Du, hat Dein Höheres Selbst zugelassen, daß Du Dir dieses Problem schaffst?

    A: (lacht) Genau.

    F: Was hat sich für Dich durch die Therapie verändert?

    A: Ich bin jetzt überzeugt, daß es falsch ist, zu glauben, es gäbe für jedes Problem einen Experten. Das gaukeln wir uns selber vor und das wird uns von der Gesellschaft eingeredet. Dadurch können alle jene Teile in uns und in der Gesellschaft, die nicht „funktionieren“, ausgegrenzt werden. Wenns jemandem schlecht geht: „Er soll Therapie machen“; wenn einer keine Arbeit findet: „Weiterbildung“; wenn einer krank wird: „zum Facharzt gehen“. Und jeder, bei dem das nicht funktioniert, der krank, komisch und arbeitslos bleibt, der glaubt dann, er ist der einzige. Ich glaube schon, daß man Hilfestellung geben kann und Hilfe bekommen kann – aber damit sich was ändern kann, muß man zuerst wirklich zu dem stehen, was weh tut.

    F: Hat sich in Deinem Verhalten etwas geändert?

    A: Ich könnte nichts Konkretes anführen.

    F: Also bist Du kein liebevolles Schneewittchen geworden?

    A: Nein, aber eine zufriedene Stiefmutter, die täglich genau hinhört, wenn das Spieglein sagt: „Frau Königin, ihr seid die Schönste hier“.

    F: Du möchtest nicht mehr Schneewittchen sein?

    A: Ich bin beides, Stiefmutter und Schneewittchen. Nur hier seh ich halt die Stiefmutter – weit drüben, hinter den sieben Bergen, ist auch das Schneewittchen.

    F: (grinsend) Dein höheres Selbst?

    A: Kusch.

    F: Ich danke für das Gespräch.

    ZWEI KATZEN UND EIN FREUND

    Frage: Wie war das mit der Therapie mit Anna?

    Antwort: Anna kam zu mir und schien über die Arbeiten Wilhelm Reichs und über Körpertherapie sehr informiert zu sein. Unter anderem erzählte sie mir von einem Buch von Reich („Christusmord“). das ich damals noch nicht gelesen hatte und das sie offenbar sehr beeindruckt hatte. Ein wenig hilflos versuchte ich mich meiner Uninformiertheit zu entziehen. Das Thema „Leiden“ stand in allen Variationen im Vordergrund. Ich ließ sie gleich in der ersten Stunde ausziehen und forderte sie auf zu atmen und ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Nach wenigen Atemzügen begann sie heftig zu weinen. Ich muß gestehen, daß mich dieser plötzliche Ausdruck offenkundiger Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sehr betroffen machte. Das Weinen blieb auch der vorrangige Gefühlsausdruck während der gesamten Therapiezeit.

    F: Wieso hat dich das betroffen gemacht; warst du darauf nicht vorbereitet?

    A: überrascht hat mich die Plötzlichkeit.

    Irgendetwas davon war da wohl auch in mir, das sich angesprochen fühlte.

    F: Wie ging es dann weiter in der Therapie?

    A: Wir sahen uns einmal in der Woche. Das Weinen als Gefühlsausdruck war immer sehr schnell da. Nach einiger Zeit begann ich es als Abwehrfunktion zu begreifen. In einem Brief, den ich Jahre später von Anna erhielt, schreibt sie darüber:

    „Ich weiß jetzt, was Du mit neurotischem Weinen gemeint hast! Bisher glaubte ich, Tränen seien etwas Unwillkürliches, ich konnte sie ja tatsächlich nicht zurückhalten, aber sie hindern mich daran zu sehen, was ich mir wünsche, was ich will …sie sind der Zement meiner Mutlosigkeit.“

    In der Folge begann ich mehr verbal zu arbeiten. Einmal im Reden, konnte ich sie kaum mehr zum Innehalten bringen. Es wurde mir immer klarer, daß diese Art zu Reden wieder eine Abwehrfunktion erfüllte.- Es schien, als spielten wir ein Spiel. Sie war stets ein Feld voraus.

    F: Und wie hast Du Dich dann vorhalten?

    A: Ich bin wieder mehr zu körperlichen Interventionen übergegangen. Sie hatte eine ganz schlechte Beziehung zu ihrem Körper. „Ich hasse meinen Körper“ pflegte sie immer wieder zu sagen.- Irgendwie schien es nicht möglich über die Traurigkeit hinaus die Ebene von Wut und Ärger zu erreichen.

    F: Was wollte sie eigentlich von Dir?

    A: Ich glaube, sie war auf der Suche nach einem Halt, einer starken Autorität. Ich merkte den Anspruch, sie heilen zu sollen.

    F: Und wie hast du darauf reagiert?

    A: Ich fühlte mich hilflos und ich glaube sie verachtete mich dafür. Darüber schrieb sie mir etwa auch später in einem Brief:

    „Solange irgendeine ‚Autorität‘ bei mir um die Wege ist, verlasse ich mich auf sie (und beschimpfe sie innerlich). Ganz nebenbei habe ich auch erkannt, wodurch meine Sucht nach „Wunderheilungen“ (Jesus heilt dich – hier und jetzt) bewirkt wird: es ist eine phantastische Abart einer Überzeugung, die eine Kombination aus Autoritätsglauben und aus Minderwertigkeitsgefühl ist.“

    Sie wollte auch Angenehmes nicht akzeptieren: „Wenn ich etwas Schönes erlebe, dann stürze ich viel tiefer, so daß ich glaube, daß ich das nicht aushalte. Daher bleibe ich lieber in meinem Unglück, das ist sicherer, das ertrage ich eher! Und zur Vergangenheit: „Ich versuchte mit allen Mitteln meinen Lehrern in der Schule zu gefallen. Bei denen es mir gelang, die verachtete ich. Bei denen es mir nicht gelang, das waren für mich die ‚Starken‘, die verehrte ich! Das war auch bei meiner Mutter so. Es stimmt, daß ich gar keinen Erfolg haben wollte, nur um meine Mutter bestrafen zu können.“ Tatsächlich war der Auftrag ihres Vaters, daß sie Jus oder ‚irgendetwas mit Sprachen‘ studiere; und von ihrer Mutter: „…daß ich verrecke!“.

    Ich habe versucht, sie verstärkt auf ihre eigenen Ressourcen und auf ihre Eigenverantwortlichkeit aufmerksam zu machen. Dabei bekam ich zu hören: „Murphey gibt mir viel mehr und steht im Gegensatz zu deiner ‚Awareness-„. Oder: „Therapie hat keinen Sinn! Es geht mir nach der Sitzung so wie wenn ich nach einem Glas Bier angetrunken wäre; da geht es mir gut, aber das ist mir zu wenig!“ Und: „Ich bin böse auf Dich, weil es mir nicht besser geht!“ Oder: „In der Stunde habe ich so viel Angst bekommen, daß ich die folgenden Tage im Bett verbrachte. Dort lag ich mit ständigen Gedänken an die nächste Prüfung.- Du hast immer gesagt, daß ich die Angst akzeptieren soll, aber das hat mich noch mehr fertig gemacht!“.

    F: Wie lange habt ihr miteinander gearbeitet?

    A: Ungefähr ein Jahr. Ich glaube, sie hatte einfach genug, es schien sich für sie nichts verändert zu haben. „Ich möchte mit der Therapie aufhören, es geht mir jetzt schlechter als zuvor!“. Sie tat mir das so kund. Eigenartigerweise empfand ich jedoch diese und ähnliche Äußerungen ihrerseits als Erfolg unserer Arbeit. Ihr Studium ging zwar langsam aber doch voran. Sie lebte mit einem Freund zusammen. Und sie war „schöner“ geworden; ihr Gesicht war weicher geworden und sie begann sich hübsch zu kleiden.- Unsicher, aber entschieden hat sie sich von mir verabschiedet. Nach der letzten Stunde erhielt ich von ihr eine Karte mit folgendem Inhalt:

    „Ich habe das starke Bedürfnis, mich endlich einmal für Deine Therapie wirklich zu bedanken, weil ich immer mehr sehe, daß sich in meinem Leben doch was tut. Obwohl Deine strikte Aufrichtigkeit sicher daran beteiligt war, daß ich die Therapie abgebrochen habe, weiß ich, daß es nicht gescheite Reden und schlaue Griffe sind, sondern der Same Deines Aufrichtigseins, der sich in mein Bewußtsein gebohrt hat und dort als Wunsch nach Echtheit wächst.“

    F: Und dann hast du nichts mehr von ihr gehört?

    A: Oh ja, ein halbes Jahr später hat sie mich angerufen und gefragt, ob ich mit ihr weiterarbeiten würde. Ich war doch sehr überrascht und stimmte zu. Sie stellte jedoch die Bedingung nur mehr verbal therapiert werden zu wollen.

    F: Weshalb nur verbal?

    A: Ich glaube, sie hatte Angst sich „aufzulösen“, ihre Verzweiflung über ihren Körper spüren zu müssen. Sie kam dann etwa ein halbes Jahr zu mir, bevor wir uns neuerlich trennten. Es war irgendwie eine Wiederholung unserer ersten gemeinsamen Zeit, nur in einem anderen Setting. Beim Abschied meinte sie: „Es hat mir überhaupt nichts gebracht. Sprechen hat mir schon damals nicht geholfen!“ (sie war früher in Gesprächstherapie).- Wieder erhielt ich von ihr einen Brief:

    „Ich meine ich bin ehrlicher beim Schreiben als beim Reden. Daher möchte ich Dir schreiben, warum ich nicht mehr komme.

    Ich spüre, daß mein Nein zum Leben, zu den anderen, zum Da-Sein das ist, was mich zusammenhält. Ich weiß, es gibt auch ein JA, dieses lebende und arbeitende JA, von dem Reich und auch Jesus gesprochen haben.

    Ich glaube nicht, daß ich in der Therapie zu diesem JA je durchdringen kann. Ich habe Dir gesagt, ich möchte einen Guru. Ein Guru ist für mich jemand, bei dem ich spüre, daß die kosmische Energie in ihm fließt. Der Heilige Geist, den die Apostel kriegten, kam durch die Nähe von Jesus, obwohl er sich sicherlich nicht autoritär verhielt, sondern nach der Autorität, die in der Wahrheit des JA liegt. Wenn Du mich selber zurückführst, indem Du sagst, „daß von Dir keine „Lösung“ kommt, dann wirfst Du mich auf mein NEIN zurück.

    Aber Reich hatte auch ein JA in sich, an dem sich das JA des Patienten aufrichten konnte. Und mein JA bräuchte dazu wohl einen Guru, einen Menschen, der von Liebe zu Gott und den Menschen (im Sinne dessen, daß das untrennbar, aber nicht ganz dasselbe ist) erfüllt ist.

    Das mag für Dich nur Symptom für mein „Nicht erwachsen werden wollen“ sein. Ich finde es o.k., wenn Du das so siehst. Aber ich glaube, daß Erwachsen-werden gleichzeitig „Kind Gottes“ werden bedeutet.

    Ich weiß nicht genau, was das für mich bedeutet, aber ich bin Dir dankbar, daß ich meine Ablehnung, mein NEIN, so deutlich spüre; meinen Haß, meine Angst.“

    F: Weißt du, wie es ihr jetzt geht, was sie jetzt macht?

    A: Ja. Es war der Briefe zu setzten Worte sehr schätzte. einem Jahr:

    „Es geht mir ganz gut; das Spielerische in meinen Träumen ist zugunsten einer Traumreihe über Einsamkeit und vom Leben ausgeschlossen zu sein“ gewichen.

    Es ist beinahe wie eine verfilmte Essaysammlung zum Thema Einsamkeit mit mir als Hauptdarstellerin.“ Und einige Zeit später, in einem weiteren Brief:

    „Hoffentlich geht’s Dir im Wachen so gut wie mir in meinen Schlafträumen! (Schlafträumen im Gegensatz zu Wachträumen) – da zischt Du nämlich nach wie vor gutgelaunt als Artist herum und machst eine ganz abstruse Therapie mit mir, die aus lauter Spaß bestehet. (Du siehst, ich schaffe es also doch eine kostenlose Therapie zu kriegen; wenn Du Dich morgens zerschlagen fühlst, brauchst Du Dich jetzt nicht mehr zu wundern).

    Mir gehts-s gut. Ganz besonders freue ich mich über meine zwei Katzen.- Katzen waren schon immer für mich die einzige Art von Lebewesen, die ich wirklich ganz ohne Einschränkung um mich haben wollte.

    Unlängst habe ich geträumt, ich sehe mir zu, wie ich mich selber gefangen halte. Ich war alle drei Personen in einem: Der Zuseher, der Gefängniswärter und der Gefangene. Ich fühlte alle drei Zustände (der Gefängniswärter war zweifellos der selbstsicherste). Im wachen Leben ist momentan bei mir alles ein einziges Durcheinander. Aber Innsbruck ist wunderschön! Ich war noch nie draussen, ohne einfach glücklich zu sein, daß ich die Berge sehe (ich komme mir vor wie das Heidi in dem Buch von Johanna Spyri); dabei war ich noch nie im Gebirge. Eigenartigerweise freue ich mich jetzt immer wieder auch auf Wien, wohin ich von Zeit zu Zeit reise.

    Wenn ich jetzt noch eine Tätigkeit wüßte, die mir Freude macht, dann wäre ich wohl einer der glücklichsten Menschen. Und weil ich Dir so lange geschrieben habe, wie schlecht es mir geht, muß ich Dir doch auch schreiben, wenn es mir gut geht.“

    P.S.: Anna lebt jetzt mit ihren zwei Katzen und mit ihrem Freund in Innsbruck. Sie hat ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und erwartet ein Kind.

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    Bukumatula 5/1993

    Psychotherapy is a rotten Business

    Loil Neidhöfer:

    Wilhelm Reichs Arbeit bewegte sich lange Jahre im Rahmen der Psychoanalyse Freuds. Auch seine Arbeiten zur Sexualökonomie und zur Orgasmustheorie sah er als Beitrag zur Optimierung und Restrukturierung innerhalb des übergreifenden psychotherapeutischen Freudschen Konzepts. Er lotete dabei die Grenzen des psychoanalytischen Ansatzes so weit aus, daß Freud sich zu folgender Bemerkung veranlaßt sah: „Entweder Sie gehen vollkommen fehl oder Sie werden ganz alleine die schrecklichen Lasten der Psychoanalyse zu tragen haben.“ (1)

    Mit der Charakteranalyse von 1933 war schließlich der Endpunkt von Reichs psychoanalytisch orientierter Arbeit erreicht und gleichzeitig der Ausgangspunkt und Übergang zur Orgonbiophysik, zur Vegetotherapie und Orgontherapie. Die Abkehr von der Psychoanalyse war perfekt. Schon wenige Jahre später schrieb Reich an Neill: „Psychotherapy is a rotten business“. (2)

    Und 1947 schreibt er rückblickend, ebenfalls an Neill: „Seit nunmehr 15 Jahren hat meine Arbeit nicht das geringste mehr mit Psychoanalyse und ihren verschiedenen Spielarten zu tun. Seit nunmehr 15 Jahren ist es keine Psychologie mehr, sondern ein neuer Zweig der Naturwissenschaft, der sich in voller Entwicklung befindet. Vor 15 Jahren wollten die Psychoanalytiker nichts davon wissen. Heute wollen sie alles vereinnahmen, aber ich werde einer Usurpation meines Werkes nicht zustimmen.

    Wegen dieser orgon-biophysikalischen Arbeit bin
    ich niemandem irgendetwas schuldig; ich mußte im Gegenteil falsche idealistische und mystische Konzepte der Psychologie, der Psychoanalyse und anderer Wissenschaften erst überwinden, um den Weg zu jener bläschenbildenden biologischen Energie zu finden, die man im Dunklen sehen kann.

    Deshalb liegen die Probleme, die Philipson (3) interessieren, weit hinter der gegenwärtigen Arbeit zurück, Dekaden zurück. Philipson würde nicht wie Jung und Stekel mit seinen Klienten langatmige Gespräche führen, wenn er verstünde, daß ich mit den Patienten nicht Psychologie, sondern Biologie treibe und daß es die biophysikalische Arbeit erfordert, daß der Patient sich auszieht und man seinen Körper sieht.“ (4)

    Von der Psychotherapie zur Körperarbeit – diese Strecke haben auch die meisten Körpertherapeuten meiner Generation in den Siebziger und Achtziger Jahren in Westeuropa zurückgelegt. Eine typische professionelle Karriere begann oft mit Gesprächs- oder Verhaltenstherapie. Das machte man ein paar Jahre, bis man merkte, daß man damit nicht weiterkam, persönlich und in der Arbeit. Man wechselte zur Gestalttherapie, zum Psychodrama oder zur Transaktionsanalyse.

    Besonders die Gestalttherapie schien zunächst den erhöhten Bedarf an authentischem emotionalen Ausdruck und interaktioneller Lebendigkeit und Tiefe befriedigen zu können; ebenso das Bedürfnis nach vertiefter, sinnlich-konkreter Selbst-Wahrnehmung und solcherart fundiertem Selbst-Verständnis.

    Auch dies machte man ein paar Jahre, bis man wiederum an die Grenzen dieser im Prinzip sprach- und konzeptgebundenen Ansätze stieß. Man hatte inzwischen eine Ahnung davon bekommen, daß noch mehr drin war.

    Dazu mußte man sich jedoch an die biologische Basis heranwagen, in die Tiefe des Vegetativen hinabsteigen und die Sprache des Lebendigen lernen. Und man begann, sich umzusehen.

    Rebirthing, Aikido oder Dynamische Meditation war für manche der nächste Schritt; aber die meisten landeten früher oder später bei einer sich auf Reich berufenden Schule.

    In den letzten Jahren kann man eine andere Entwicklung erkennen. Viele jüngere Körpertherapeuten oder Trainees haben keinen psychotherapeutischen Hintergrund und klagen oft über ein Defizit an verbalen Interventionsmöglichkeiten. Sie versuchen, aus diesem Dilemma zu entkommen, indem sie ein Training in einer verbalen Therapieform anhängen.

    Dabei nehmen sie bewußt in Kauf, sich mit „falschen idealistischen und mystischen Konzepten“ der Psychotherapie überfrachten zu lassen und sich mit einer Menge verbaler Strategien befassen zu müssen, die – gemessen an ihren bereits erworbenen körpertherapeutischen Möglichkeiten – deutlich weniger effizient sind.

    Ein spezielles verbales Training für Körpertherapeuten scheint daher sinnvoll zu sein. Wir arbeiten seit einiger Zeit daran, eine Art „verbaler Energiearbeit“ im Rahmen der SKANAusbildung zu vermitteln.

    Der Trend zurück zur Psychotherapie geht jedoch weit über solche pragmatische Fragen hinaus und ist von weitaus grundsätzlicherer Art. Die EABP, die europäische Vereinigung der meisten körpertherapeutischen Schulen, legt großen Wert darauf, sich eine Vereinigung für KörperPSYCHOtherapeuten zu nennen.

    Sie setzt die Psychotherapie gleichwertig neben die Körperarbeit. Allgemein besteht die Auffassung, daß die Ergebnisse körpertherapeutischer Arbeit früher oder später psychotherapeutisch „integriert“ werden müssen bzw. in einem psychotherapeutischen Kontext stattfinden müssen, wenn einen Heilung stattfinden soll.

    Und immer öfter kommt einem zu Ohren, daß Kolleginnen und Kollegen, die man aus der Aufbruchszeit der Körperarbeit kennt, mittlerweile wieder dazu übergegangen sind, mit ihren Klienten „langatmige Gespräche“ zu führen.

    EIN ANDERSARTIGER BIOLOGISCHER ZUSTAND

    Ich bin der Meinung, daß diese Rückwendung zur Psychotherapie nicht in objektiven Erfordernissen des Veränderungsprozesses, sondern in einer verkürzten Sichtweise und unvollständigen Erfahrung des körpertherapeutischen Prozesses begründet ist.

    Die verkürzte Sichtweise äußert sich vor allem in einem falschen Verständnis des Kernstücks der Reichschen Körperarbeit, der Wieder-Herstellung des gesamtorganismischen orgonotischen Strömens.

    Für Reich war das Strömen nicht weniger als ein letzlich dauerhafter „andersartiger biologischer Zustand“, auf dessen Grundlage die neurotischen und biopathischen Seiten der Betreffenden transformiert und geheilt werden konnten.

    Diese Auffassung vom Strömen bleibt vielen offenbar-unverständlich. Typischerweise wird das Strömen nicht als ein dauerhafter Zustand des entpanzerten Organismus angesehen, sondern als eine begrenzte, meist auf Momente in der Therapie beschränkte energetisch-emotionale Erfahrungsmöglichkeit, die zudem noch in Gegensatz zum Denken und zur Bewußtheit gestellt wird.

    Man muß nicht lange suchen, um solche Auffassungen von exponierten Personen der Körpertherapie-Szene artikuliert zu sehen. Ein Blidk in die letzten Ausgaben zweier einschlägiger Fach-Journale, „Energie 8 Charakter“ und „StröMe Rundbrief“ genügt. Zum Beispiel wird Manfred Thielen, der Vorsitzende des Vereins für Biodynamik, in „Energie 11 Charakter“ folgendermaßen zitiert:

    „Sicherlich ist die vegetative Wahrheit wichtig und unbedingt ernst zu nehmen, sonst kommt es z.B. zu psychosomatischen Symptomen, doch ebenso muß die kognitive Wahrheit ernst genommen werden, um zu adäquaten Entscheidungen kommen zu können. Z.B. habe ich, wenn ich mich vegetativ im Fluß fühle, häufig keine Lust, Realitätskonflikte wie z.B. Wohnungssuche, Fallberichte, Rechnungen schreiben, anzupacken, obwohl z.B. arbeiten notwendig ist, um mein Geld zu verdienen usw.“ (5)

    Vegetative versus kognitive Wahrheit, Arbeit als Notwendigkeit und Last, die nicht so recht zum „vegetativen Fluß“ paßt: da haben wir sie wieder, die Spaltung.

    Und Volker Knapp-Diederichs, der Herausgeber des Ströme-Rundbriefs fragt in seinem Artikel „Brauchen wir nicht unser Bewußtsein, um die Botschaften aus dem Strömen überhaupt wahrzunehmen, zu verarbeiten und praktisch umzusetzen? Benötigen wir nicht auch unser Bewußtsein, unseren klaren Verstand, um eben nicht orientierungslos im konfluenten Kosmos herumzuirren?“ (6)

    Auch hier wieder die Spaltung: Strömen auf der einen und klarer Verstand auf der anderen Seite. Strömen ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Intuition und Fühlen, dem Bewußtheit und Rationalität gegenübergestellt werden können. Strömen ist die bio-energetische Grundlage für ein kreatives Funktionieren aller menschlichen Fähigkeiten, also auch des Denkens, der Bewußtheit usw. (7)

    Eine solcherart verkürzte Auffassung vom Strömen, vom „vegetativen Fluß“, muß früher oder später notwendigerweise zum Rückgriff auf psychologische Konzepte führen.

    Wer Strömen nur als isolierte Ausnahme-Erfahrung erlebt, dem ist die transformierende und wahrhaft integrierende Kraft des dauerhaften gesamtorganismischen Strömens unbekannt. Der muß auf kognitiv-identitätsbestimmende Integrationsversuche psychotherapeutischer oder sonstwie weltanschaulicher Art zurückgreifen, der muß sich fortwährend definieren oder neu definieren, weil er nicht in fühlender Verbindung mit seiner eigenen bioenergetischen Natur ist.

    TRANSFER ERFOLGT MIT VERZÖGERUNG

    Körpertherapeuten, die diesen zentralen Punkt der reichianischen Körperarbeit nicht begriffen und erfahren haben, werden auch die anderen reichianischen Essentials in ihrer Arbeit nicht hinreichend verstehen und handhaben können: Panzerung, vegetative Identifikation, Feldüberlagerung und Selbstregulation.

    Das ist an sich keine Schande und kein Grund, die Nase zu rümpfen; man kann in verschiedenster Weise körpertherapeutisch tätig sein. Allerdings kann man solche Arbeit dann nicht mehr „reichianisch“ nennen.

    Auch Körpertherapeuten, die mit ihrem eigenen Prozeß noch nicht „durch“ sind, sehen sich in ihrer Arbeit immer wieder mit großen Frustrationen, Stolpersteinen und Fallstricken konfrontiert, die einen Rückgriff auf das bequemere und weniger risikoreiche Psychotherapieren nahelegen:

    – Eine Körpertherapie dauert in der Regel länger als eine Psychotherapie und erfordert jahrelange, beständige und konsequente, direkte, panzerlösende Arbeit am Körper.

    Man kann mit einem Klienten nur so weit arbeiten, wie man selbst im eigenen Körper gekommen ist.

    Die Effektivität der Körpertherapie (und des Körpertherapeuten) kann Sitzung für Sitzung überprüft werden. Der Erfolg jeder Sitzung kann daran gemessen werden, ob ein Stück Panzerung oder Kontraktion gelöst werden konnte. Die Sitzung mag zwischendurch frustrierend oder schmerzhaft gewesen sein; am Ende ist jedoch zu erwarten, daß zumindest ein Teil der chronischen gesamtorganismischen Spannung gelöst worden ist und der Klient mit einem deutlichen Gefühl von -zumindest partieller – subjektiver Befreiung, Erleichterung, Vitalisierung aus der Sitzung geht.

    Psychotherapie-Klienten sehen es als selbstverständlich an, daß sie im Verlauf ihrer Therapie wochen- oder monatelange Phasen quälenden Feststeckens erleben. Psychotherapeuten können es sich leisten, ihre Klienten lange Zeit im Saft ihres eigenen Widerstandes schmoren zu lassen; die Regeln der Branche sehen es vor, daß der schwarze Peter immer erstmal beim Klienten liegt.

    Das geht nicht in unserer Arbeit, für die wir uns Reichs späte Auffassung vom „Widerstand“ zu eigen machen: „Der Begriff ‚Widerstand“ ist zwar noch gültig, aber in einem ganz anderen Sinn als dem, den er in der psychoanalytischen Technik hat. Wenn ein Patient ‚Widerstand leistet‘, so heißt das, daß du nicht die richtigen Worte gebraucht und nicht mit den richtigen Handlungen an spezifischen Körperstellen angesetzt hast, die mit dieser spezifischen emotionalen Situation korrespondieren.“ (8)

    Eine weitere starke Herausforderung besteht für Körpertherapeuten darin, daß sie oft gefordert sind, ihre „therapeutische Haltung“ über Bord zu werfen. Spätestens dann, wenn die „Kernschicht „berührt wird und die Klienten oft mit vehementer emotionaler Wucht – zu einem authentischen Ausdruck finden und – zumindest für Augenblicke – einen unneurotischen Kontakt zum Therapeuten herstellen, muß der Therapeut in der Lage sein, ebenso authentisch mitzuschwingen, ohne das Netz und den doppelten Boden der professionellen therapeutischen Attitüde.

    Körperarbeit ist biologische Basisarbeit und ist nicht am psychotherapeutischen common sense der Problem- und Konfliktlösungshaltungen orientiert. Der Transfer ins alltägliche Leben erfolgt oft mit Verzögerung. was – besonders für beginnende Klienten – frustrierend und demotivierend wirken kann.

    Ich kann nicht erkennen, daß „Körperpsychotherapie“ eine fundierte Therapieform ist, bei der psycho- und körpertherapeutisches Vorgehen sinnvoll miteinander verzahnt zur Anwendung kommt. In der Praxis scheint es darauf hinauszulaufen, daß viele Therapeuten beliebig auf eine Methode umschalten, sobald sie mit der anderen in Schwierigkeiten geraten sind, und umgekehrt hin und her.

    Dieser körperpsychotherapeutische Eklektizismus ist eine Auswirkung der desolaten Ausbildungssituation, die wir auf dem westeuropäischen und nordamerikanischen „Psycho-Markt“ seit zwanzig Jahren vorfinden. überall wurde und wird auf Teufel komm raus ausgebildet, auch unter der Schirmherrschaft großer Namen.

    Tausende von Schmalspurtherapeuten bevölkern mittlerweile die Szene, die oft nur die Anwendung einiger Techniken erlernt haben und dringend selbst in Therapie gehen müßten, statt an Klienten herumzudoktern

    KÖRPERARBEIT IST EINE KUNST

    Körperarbeit im klassischen reichschen Sinne ist eine Kunst, die lange und gründlich gelernt werden muß, was eine längere eigene Therapie einschließt. Nach meinen Erfahrungen dauert es allein zwei bis drei Jahre, bis man eine Ahnung davon bekommen hat, worauf es in der Arbeit ankommt. Weitere zwei bis vier Jahre sind notwendig, einen persönlichen Erfahrungshintergrund aufzubauen, um den meisten Herausforderungen, die die Arbeit mit sich bringt, gewachsen zu sein.

    Fünf bis sieben Jahre dauert es also im Schnitt, bis ein Körpertherapeut soweit qualifiziert und gereift ist, daß er selbständig und eigenverantwortlich und mit gutem professionellem Standard arbeiten kann.

    Wer sich soweit durchgearbeitet hat, wird vermutlich große Lust haben, die weiten Möglichkeiten der Körperarbeit noch vollständiger und tiefer auszuloten und wenig Neigung verspüren, sich die Arbeit mit psychotherapeutischen Einlagen zu verlangweilen. Denn, soweit kann man Reich inzwischen zustimmen: „Psychotherapy is a rotten business“.

    ANMERKUNGEN:

    Zeugnisse einer Freundschaft. Der Briefwechsel zwischen Wilhelm Reich und A.S.Neill 1936-1957.
    Kiepenheuer 43 Witsch. Köln 1986. S.33.
    Record of a Friendship. The Correspondence of Wilhelm Reich and A.S.Neill. Farrar, Straus 8 Giroux. New York 1981.
    Tage Philipson, schwedischer Psychoanalytiker Zeugnisse einer Freundschaft, Seite 278
    (5)Energie & Charakter, Zeitschrift für Biosynthese und Somatische Psychotherapie Nr.6 (Dezember 1992), Seite 159.
    (6) Ströme Rundbrief Reichianische Körperarbeit. Nr.5 (1992), Seite 40.
    Siehe hierzu auch: Loil Neidhöfer, Die Disziplin der Lust. Endlese Sky Publications. Hamburg 1992. Seite 207-220.
    Zeugnisse einer Freundschaft. Seite 185

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  • Buk 5/93 Äther, Gott und Bussibär

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    Bukumatula 5/1993

    Äther, Gott und Bussibär

    Interview mit Alfred Zopf: Über Kinder und schwierige Jugendliche in unserer Gesellschaft
    Wolfram Ratz:

    Alfred Zopf ist Sozialpädagoge, Reichscher Körpertherapeut und Psychoanalytiker:

    BUKUMATULA: Was sagt Dir das Wort „Äther“?

    Alfred: Betäubung

    B: Und „Gott“?

    A: Der Glaube der Menschen, daß es ein höheres Wesen gibt.

    B: Und Felix?

    A: (lacht) Felix ist mein Sohn. der ist seit drei Wochen auf der Welt. Ich bin jetzt 38 Jahre alt und habe als junger Mensch so hoilodrio in die Welt hineingelebt. Zu spüren, daß man plötzlich Verantwortung für ein Kind hat, verändert sehr viel. Der Spaß am Leben aber soll bleiben. Das ist das wichtigste.

    B: Na ja, Du bist ja Pädagoge …

    A: Bezüglich der ganzen Ideale, was gut oder was schlecht für ein Kind ist, da komme ich immer mehr auf den Standpunkt von „Scheißdrauf“; es ist so wie es ist. Die Beziehung wächst und wird sich weiterentwickeln. Man Kann nicht von Anfang an alles supergut machen und sofort sämtliche Bedürfnisse erfüllen. Damit bin ich überfordert. Und wahrscheinlich ist es gar nicht richtig, daß man das tut. Auch unsere Partnerschaft ist stark gefordert, wenn Felix schreit und Jutta, meine Frau, und ich unter-schiedliche Wahrnehmungen haben. Ich meine dies und Jutta meint das. So geht’s halt pausenlos dahin. Das ist derzeit eine zentrale Situation in unserem Leben.

    B: Jetzt ist es für Dich also ernst geworden.

    A: (lacht) Ja, ja …

    B: Irgendwann hast Du Dich für die Arbeiten Wilhelm Reichs zu interessieren begonnen …

    A: Ja, während meines Pädadogikstudiums habe ich auch die Bücher von Wilhelm Reich zu lesen begonnen. über meine praktische Tätigkeit als Bewährungshelfer hat sich mein Eindruck bestätigt, daß -Reich in vielem recht hatte. Dafür gab es für mich gleich einige Schlüsselerlebnisse: Etwa mit einem jungen Mann mit ganz weichen Gesichtszügen, zu dem ich sehr guten Kontakt hatte und der zum erstenmal vor Gericht stand.

    Nach einer unbedingten Verurteilung habe ich ihn ein halbes Jahr später in der Jugendstrafanstalt in Gerasdorf besucht. Da stand plötzlich ein ganz anderer Mensch vor mir. Die Gesichtszüge waren knallhart, die Scnultern angespannt… Bumm.- Der Reich mit seiner Panzerung hat doch recht, schoß es mir durch den Kopf …. aber da gab es noch ein eindrucksvolles Erlebnis. Ich habe bei Professor Strotzka die Vorlesung „Einführung in die Psychotherapie“ besucht. Vor der mündlichen Prüfung sprach ich mit einem Kollegen, der auch zur Prüfung vorgeladen war, ganz zufällig über Wilhelm Reich.

    Als Professor Strotzka ihn dann fragte, was für psychotherapeutische Literatur er gerade lese, sagt der, daß er sich mit den Arbeiten Wilhelm Reichs beschäftige. Und da wird der Professor Strotzka, den man auf der Uni in Wien nur als humorvollen und gutmütigen Papa kennt, in seinem Gehabe plötzlich aggressiv, ja ausfällig. Die Studenten hatten ihn schon oft zu provozieren versucht, aber er hat stets gelassen darauf reagiert. Und auf den Reich wird er derart aggressiv. Angeblich leidet Professor Strotzka an Hodenkrebs. Tragisch, nicht wahr? Für mich ist der Zugang zu Reich aber noch ein anderer: Mir wurde verständlich, daß jemand abgelehnt wird, der nach der Wahrheit sucht.

    Aufgrund meiner Erfahrungen in der Sozialarbeit habe ich mitbekommen, daß man dabei sehr schnell an gesellschaftliche Grenzen stößt: Die Sozialarbeit soll nämlich möglichst oberflächlich sein – und bleiben. In Wirklichkeit will man sich gar nicht mit kriminellen Jugendlichen auseinandersetzen. Es besteht bei dieser Haltung die Gefahr, daß man als Sozialarbeiter kritiklos bis zur Pension dahinarbeitet und dabei übersieht, daß das ganze System darauf aufgebaut ist, daß es Kriminelle geben muß. Das tragische ist, daß sich die Wahrheit nicht durchsetzen kann, ja sie darf sich sogar nicht durchsetzen, weil dann würde sich das System verändern, dann würden wir eine reifere Gesellschaft werden, aber das darf nicht sein.

    B: Wieso nicht?

    A: Damit das System funktioniert. Das heißt, wir brauchen Außenseiter und Sündenböcke, damit der sogenannte „Normale“ auf die anderen hinunterschauen und sagen kann: „Dir gehts schlechter als mir“.

    B: Und wie könnte das anders sein?

    A: Wir leben halt in einer Konkurrenzgesellschaft. Es gibt kein Miteinander, es gibt keine Solidarität, weder im Kindergarten, noch unter den Erwachsenen; auch nicht unter den Psychotherapeuten. Da geht es beinhart darum, Marktaneile zu erringen, die anderen herunterzumachen, usw. Und deshalb wird sich auch nichts ändern.

    B: Mit „System“ meinst Du unser kapitalistisches System?

    A: Ja, unser kapitalistisches System. Patriarchalische Strukturen, Geldvermehrung, ständiges Wachstum, etc.

    B: Wenn das System so schlecht ist, wieso setzt es sich dann durch?

    A: (lacht) Na ja, also das ist schon eine etwas schwierige Frage. Daran hat auch schon der Reich gekiefelt und wenn ich’s richtig in Erinnerung habe, stellt er sich in seinem Buch „Massenpsychologie des Faschismus“ die Frage, wie es das geben kann, daß sich Millionen von Menschen von ein paar Wahnsinnigen wie Hitler und Stalin unterdrücken ließen. Das ist ja wirklich interessant.

    Was wird in die Politiker hineinprojeziert, welche Fähigkeiten die denn hätten? Erstaunlicherweise setzen sich immer wieder Menschen durch, die alleine wegen der Art ihres Auftretens mit Macht ausgestattet werden. Da denke ich jetzt an den Jörg Haider. Der Haider ist nicht das Problem, der ist ein armer Mensch. Das Problem sind diejenigen, die den Haider wählen. Wenn man ein kritisches Bewußtsein hat, dann sieht man doch, daß der auch nichts weiter bringt.

    B: Steht dahinter nicht die Sehnsucht nach Freiheit? Freiheit bei uns heißt halt mehr an Einkommen, keine Ausländer, etc…

    A: Aber die Freiheit fängt doch bei einem selber an. Ich muß mein Leben so gestalten, daß ich mich halbwegs wohl fühle, daß ich frei … ich muß jetzt wirklich aufpassen mit dem Wort Freiheit …, hm, das ist schwierig. Man muß sich jedenfalls fragen, wie es das gibt, daß Menschen, die kreativ geboren wurden so einfach im Schwarz-Weiß-Denken enden. Darin liegt für mich die Tragik. Da hat unsere Gesellschaft total versagt.

    B: Und Du meinst es läuft immer noch falsch?

    A: Es läuft sicher immer noch falsch. Vor allem wenn man weiß, daß die Kindergärten überfordert sind, wenn man weiß, daß immer mehr verhaltensauffällige Kinder dort sind. Wenn man mit 10 Kindern noch pädagogisch arbeiten kann, aber 24 in der Gruppe sind, dann ist das nur mehr ein hilfloses Herumagieren; da ist schon der Grundstock gelegt für Fehlentwicklungen. Es ist niemand verantwortlich für die Erziehung.

    Die Eltern machen es nicht, und die Kindergärten und die Schulen sind überfordert. Im gesamten Sozial- und Bildungsbereich wird beinhart gespart anstatt daß investiert wird. Ein junger Mensch ist wie eine Pflanze, die günstige Wachstumsbedingungen braucht und gepflegt werden muß. Wenn das mehr Verständnis fände, würden wir doch alle davon profitieren. Obwohl es uns materiell immer besser geht, sehe ich für die persönliche Entwicklung der Kinder und der Jugendlichen eine Verschlechterung.

    Zur Erziehung braucht man viel an Wissen, das man zu einem selber in Beziehung setzen muß. Man ist biologisch Vater bzw. Mutter und das ist schon ein Recht. Wenn es Probleme gibt, dann gibt es Beratungsstellen, Pflegefamilien, Heime, etc. Eine funktionierende Gesellschaft aber bedarf keiner Sozialarbeit. Es ist auch mein persönliches Ziel, daß ich arbeitslos werde. Leider ist es aber umgekehrt. Es gibt immer mehr Handlungsbedarf.

    B: Du bist jetzt als Sozialarbeiter tätig?

    A: Ja, als Sozialpädagoge in einem Heim für dissoziierte jugendliche Mädchen in Wien-Nußdorf. Im Sozialbereich gibt es, soweit es die schwierigen Jugendlichen betrifft, die immer mehr auf der Straße landen und gar nicht mehr in Institutionen aufgefangen werden können, die Tendenz zur Resignation.

    B: Du meinst jetzt Drogensüchtige?

    A: Jugendliche, die am Karlsplatz landen. Alle schwierigen Jugendlichen sind heutzutage auch drogensüchtig. Früher hat es die Trennung gegeben zwischen Kriminellen und Drogensüchtigen. Heute ist das vermischt. Drogensüchtige, wie es sie früher gab, die gegen die Gesellschaft rebellierten, die gibt es heute nicht mehr. Man kann klar sehen, welche Richtung diese Entwicklung nimmt. Momentan werden jedenfalls von den Institutionen lediglich Abwehrkämpfe geliefert.

    B: Hast Du eine einfache Lösung, oder willst Du gleich die ganze Gesellschaft verändern?

    A: Vielleicht bin ich zu pessimistisch, aber ich sehe keine Lösung. Es ist ein ewiger Kreislauf. Das fängt bei den Kindern an. Ich glaube schon, daß man, wenn man stark neurotisiert ist, unbewußt seine Neurose einfach weitergibt. in der stärkeren Position des Erwachsenen kann man dem Kind viel an Leid zufügen. In meiner Rolle versuche ich kritisch zu bleiben. Ich muß mir auch immer wieder bewußt machen, wie mein Kampf mit den Institutionen mit meinem Kampf gegen meinen Vater zusammenhängt.

    Man muß es aushalten, daß man dabei oft als verrückt empfinden wird. In der MA 11 bin ich eher ein rotes Tuch, als daß mir die Fähigkeit zur Entwicklung neuer Modelle zugetraut wird.- Wir in Nußdorf sind überhaupt die Wahnsinnigen auf einem Hallten. Das ist aber schön (Lachen). Wir werden hoffentlich einmal von anderen als Modell angesehen werden. Daß wir gut arbeiten hängt damit zusammen, daß wir Erzieher uns mit dem Modell identifizieren. Wir haben wenige Regeln, die wir konsequent durchsetzen; wir arbeiten mit wenig Strafen und legen Wert darauf, daß die Jugendlichen möglichst viel Kontakt zu Freunden und Bekannten haben können. Wir konfrontieren die Mädchen mit der Verantwortung für ihr Handeln.

    Damit sind wir viel erfolgreicher als mit angewandter „Kindergartenpädagogik“. Das muß sich aber erst herumsprechen. So zu arbeiten ist aber nur mit Menschen möglich, die keine Angst vor Jugendlichen haben und die mit ihnen leben wollen. Als junger Erzieher habe ich es auch oft so gemacht, daß ich meine Autorität ausgespielt habe, um mich über Wasser zu halten. Wenn ich darin steckenbleibe, daß meine Autorität immer gewahrt bleiben muß, kann ich nie zielführend arbeiten.

    B: Kinder der Zukunft?

    A: Da denke ich jetzt an den Felix…

    B: Reich hat eine große Hoffnung darin gesehen, daß Kindern ein möglichst neurosenfreies Heranwachsen ermöglicht wird.

    A: Meine Eltern haben bei mir Fehler gemacht und genauso wird das auch bei mir und Jutta sein. Ein Ideal soll nicht erdrückend sein_ Ich will mir das nicht aufpfropfen, „Kinder der Zukunft“ und zack, jetzt gib ihm. Das wäre eine Katastrophe. Ich bin nicht der Reich, sondern der Alfred, und das muß von meiner Person ausgehen.

    B: Felix ist im Geburtshaus in Nußdorf zur Welt gekommen. Magst Du als frischgebackener Papa zu den Vorfällen in Oberpullendorf etwas sagen? Dr. Jaskulski, der Leiter der dortigen geburtshilflichen Station, ist vor etlichen Wochen von einem Eisenstädter Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Es heißt, daß der Tod zweier Babys hätte verhindert werden können und die Organisation zuwenig straff gewesen sei.

    A: Das hat eine Alibifunktion. In Oberpullendorf gibt es ein öffentliches Krankenhaus, dort kann man kostenlos gebären. Dem Geburtshaus in Nußdorf gegenüber gibt es eine Toleranz. Dort gehen nämlich nur solche hin, die sich für eine Geburt 35.000.- leisten können. Die Gewaltfreie Geburt soll damit schön brav in einem elitären Eck bleiben.

    B: Um …?

    A: Da sind wir jetzt wieder bei den patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen. Da geht es darum, daß die, die an der Macht sind, es auch unter allen Umständen bleiben wollen. Es ist ja merkwürdig, daß die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe Männersache ist. In keinem anderen Fach der Medizin sonst stehen 100 Prozent weiblicher Patienten Ärzten gegenüber, von denen 85% männlich sind. Und die Männer verteidigen eisern einen Platz, der einst durch die Verbrennung heilkundiger Hebammen als „Hexen“ geschaffen wurde. Das sind alles männerorientierte Geschichten. Man muß alle, die neue Entwicklungen aufzeigen, verurteilen, um sich selber nicht in Frage stellen zu müssen. So sehe ich das. Die Geburt zu kontrollieren heißt jedenfalls auch das Leben zu kontrollieren.

    B: Ich glaube, der Felix schreit wieder.

    A: (lacht) Das wolltest Du jetzt bewußt als Abschluß machen, aber er schläft doch noch.

    B: Gut. Vielleicht noch einen Satz zu Dir…

    A: Zu mir? (Kopfschütteln) Daß ich in letzter Zeit ziemlich fertig bin.

    B: Das hältst Du aber leicht aus mit Deiner Konstitution.

    A: Na ja. Wir wollen ja ein zweites Kind.- Jetzt fällt mir aber doch noch etwas ein. Es ist interessant, daß wir über alles Mögliche geredet haben. Ober das Wichtigste, worum es eigentlich beim Reich geht, über Sexualität, haben wir überhaupt nicht gesprochen.

    Gut, fangen wir noch einmal von vorne an…

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  • Buk 6/93 Posturale Integration

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    Bukumatula 6/1993

    Posturale Integration

    Eine Methode der körperorientierten Psychotherapie
    Heinrich Kraus:

    Die Posturale Integration (P.I.) wurde Anfang der 70er Jahre von Jack Painter, einem Philosophieprofessor, der sich sowohl mit funktional-übungszentrierten als auch konfliktzentriert-aufdeckenden Methoden der körperorientierten Psychotherapie auseinandersetzte, in den USA entwickelt. In seinem Bemühen die körperlichen, emotionalen und geistigen Aspekte seiner Persönlichkeit miteinander in Einklang zu bringen beschäftigte er sich darüber hinaus mit fernöstlichen Heilsystemen und Philosophien wie Akupunktur, Taoismus und Yoga und setzte sich intensiv mit der Gestalttherapie und der Strukturellen Integration nach Ida Rolf auseinander.

    Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Aspekte all dieser verschiedenen Ansätze in die Posturale Integration miteingeflossen sind. Dementsprechend charakterisiert er diese Methode als eine „Körperarbeit, die westliche und östliche Ansätze miteinander verbindet: Bindegewebsarbeit, Akupressur, Reichianisches Atmen, Gestalt, Bioenergetik.“ (Painter, J., 1991, S.4)

    Diese Umschreibung mag angesichts Jack Painters persönlicher Entwicklung durchaus richtig sein, niemand kann allerdings allen Ernstes behaupten, daß diese verschiedenen Ansätze in dem ihnen gebührenden Ausmaß in die P.I.-Ausbildungen miteinfließen. Ich habe daher bereits an anderer Stelle vorgeschlagen P.I. als offenes System

    therapeutischer Interventionen, die sich um die Arbeit mit der Atmung und am Bindegewebe ansetzenden manuellen Griffen gruppieren zu charakterisieren. Damit werden nicht nur die zwei tragenden, im Zentrum jeder Ausbildung stehenden Elemente der Posturalen Integration deutlich, sondern auch ein großer Vorteil dieser Methode, nämlich ihre Offenheit und ihr großes Integrationspotential bezüglich anderer Ansätze.

    ATEMARBEIT UND GRIFFTECHNIK

    Seit Wilhelm Reich bereits um 1930 erkannte, daß ein gestörtes Atemmuster zu den wirkungsvollsten Mechanismen der neurotischen Triebunterdrückung zählt, gehört die Atemarbeit zu den zentralen Elementen vieler neoreichianischer Ansätze. Ich kann mich daher kurz fassen.

    Dysfunktionale Atemmuster entstehen nicht nur durch Verspannungen der Brust-, der Rücken-, der Zwischenrippenmuskeln oder des Zwerchfells, sondern werden auch entscheidend vom autonomen Nervensystem, das seinerseits wieder eng mit dem emotionalen Gleichgewicht in Beziehung steht, mitgeprägt. Jede Veränderung des individuellen Atemstils ist daher in einen emotionalen Kontext eingebettet. Atemarbeit ist gleichzeitig auch emotionale Arbeit.

    Die große Aufmerksamkeit, die die individuellen Atemmuster sowohl am Anfang als auch während und am Ende einer Sitzung erfahren, charakterisiert die Posturale Integration als eine Form von Vegetotherapie. Jack Painter benutzt in diesem Zusammenhang auch die Reichschen Termini von „Ladung“ und „Entladung“. Vereinfacht und verkürzt geht es darum, die neurotische Inbalance zwischen dem Sympathikus, dessen Innervation zu einer Anregung der Einatmung durch Erweiterung der Bronchien führt, und dem Parasympathikus der die Ausatmung anregt, zu stören, indem dieses Ungleichgewicht zunächst verstärkt wird. Dadurch beginnt das starre, neurotische vegetative System zu schwingen und, wie die Erfahrung lehrt, sich wieder auf einem ausgeglicheneren Niveau einzupendeln.

    Das zweite charakteristische Element der Posturalen Integration sind manuelle Manipulationen am myofaszialen System (= Schichtsystem von Muskel- und Bindegewebe) des Klienten mit dem Ziel, dieses weicher und geschmeidiger zu machen bzw. zu reorganisieren. Das myofasziale System durchzieht wie eine Zwiebelschale den gesamten Organismus. Je nach Art und Lage der zu behandelnden Faszien werden die unterschiedlichsten Grifftechniken eingesetzt.

    Die Manipulation der unter der Haut liegenden, den ganzen Körper einhüllenden Oberflächenfaszie, die zuerst behandelt wird, erfolgt großflächig. Der Behandler setzt seine Fingerkuppen, Knöchel oder den ellenbogennahen Teil seiner Elle in einem flachen Winkel zum Gewebe und in einer Weise ein, die es ihm ermöglicht, die Schwerkraft des eigenen Körpers auszunützen.

    Als generelle Strategie erfolgt nach der Bearbeitung der Oberflächenfaszie ein, den individuellen Erfordernissen des Klienten angepaßtes, tieferes Eindringen in das myofasziale Gewebenetz des gesamten Organismus.

    In der anschließenden Integrationsarbeit liegt das Hauptaugenmerk auf der Beziehung der einzelnen Teile zum Gesamtorganismus. Es werden großflächige und tiefe Doppelgriffe über Gelenke appliziert, um den Körper gegen die Schwerkraft neu zu organisieren.

    NEUROTISCHE BLOCKIERUNG DES STOFFWECHSELS

    Das körpereigene fasziale Netz spielt nicht nur eine wichtige Rolle in der Bewegungsmechanik, sondern ist durch seine enge Beziehung zum Wassermetabolismus auch ein bedeutender Faktor für den Austausch von Flüssigkeiten und den Stoffwechsel auf den verschiedensten organismischen Ebenen. Eine Reihe von verschiedensten chemischen Komponenten beeinflußt seine Struktur und Dynamik. So betont etwa Ida Rolf die bedeutende Rolle von Vitamin-C für seine adäquate Funktionstüchtigkeit. Auch viele Hormone beeinflussen und verändern die Bindegewebschemie.

    Seit Wilhelm Reich wissen wir, daß sich der neurotische Konflikt u.a. im muskulären System niederschlägt. Die Charakterpanzerung und die muskuläre Hypertonie bzw. Hypotonie sind mit anderen Worten funktional ident.

    Gerda Boysen, die ihre eigenen Ansätze nachträglich durch die grundlegenden Arbeiten Wilhelm Reichs bestätigt fand, erkannte als eine der ersten die funktionalen Konsequenzen der neurotischen Blockierung auf das Stoffwechsel-geschehen. In ihrem Chemostasekonzept geht sie von der Hypothese aus, daß im neurotischen Organismus nicht alle Stoffwechselprodukte, die in einer emotional geladenen Situation produziert werden, ausreichend ausgeschieden werden können, sodaß ein gewisses Quantum an hormonellen Flüssigkeiten, die ja hoch wirksam sind, im Organismus verbleiben. Als Hauptdeponie für diese biochemischen Reste ortet sie das Bindegewebe. Sie schreibt: „Wegen der schwammigen Konsistenz des Bindegewebssystems können die Membranen desselben riesige Mengen an Chemostase in der extrazellulären Umgebung enthalten.“ (Boysen, 1987, S.119).

    Es ist daher naheliegend, daß diese „Chemostase“
    die strukturelle Organisation der faszialen Grundsubstanz verändert. Die Faszien verlieren ihre Gleitfähigkeit und verkleben miteinander. Eine mangelnde Bewegungsfreiheit in einer Region muskulärer Blockierung wird ebenfalls die strukturelle Reorganisation des Bindegwebes beeinflussen und das ihrige zu diesem Prozeß beitragen.

    In ihren Überlegungen bezüglich der Ursache der oft schnellen und spontanen Veränderungen im myofaszialen System während der „Strukturellen Integration“ kam Ida Rolf, die ja von Beruf her Biochemikerin war, zum selben Ergebnis. Auch sie hält die Anwendung von zusätzlicher Energie (Druck durch die manuellen Griffe) für die Veränderung der bindegewebigen Grundsubstanz vom Gel – (d.h. verdickten) zum Sol – (d.h. verflüssigtem) Zustand verantwortlich.

    Die Posturale Integration zielt daher auf der physiologischen Ebene direkt darauf ab, was schon Sigmund Freud als den „Residualeffekt der Neurose“ bezeichnete. Deshalb ist sie ja auch so eine potentiell mächtige Methode, soweit es die Entladung von Konfliktspannung betrifft, wobei nicht nur die emotional-motorische, sondern auch die physiologische Ebene miteinbezogen ist. Vegetative Entladungen etwa in Form von Erbrechen, Durchfall, übermäßigem Schwitzen, Zittern, etc., bedeuten daher nichts anderes, als daß auf der somatischen Ebene Selbstregulationsprozesse in Gang gekommen sind, die durch die neurotische Abwehr blockiert waren.

    DAS STRATEGISCHE KONZEPT DER HALTUNGSVERÄNDERUNG

    Im klassischen Konzept der Posturalen Integration sind die einzelnen Sitzungen, was den zu bearbeitenden Körperbereich als auch die Grifftechnik betrifft, hochgradig strukturiert. In der ersten Phase liegt das Ziel im Spannungsausgleich der unter der Haut liegenden Oberflächenfaszie. Zu schlaffes Bindegewebe soll sich straffen und zu straffes weicher und geschmeidiger werden. Ab der dritten Sitzung werden in zunehmendem Maße tiefer liegende Faszien miteinbezogen. Das Schwergewicht der Arbeit liegt nun auf allen myofaszialen Systemen, die einerseits mit dem knöchernen Beckenring verbunden sind und andererseits den Kopf und den Schultergürtel umfassen. Auch in dieser Phase des Prozesses geht es im Sinne der physiologischen Selbstregulation um einen Spannungsausgleich zwischen den tiefen, aber auch zwischen tiefen und oberflächlich gelegenen faszielen Schichten.

    Jack Painters Typologie bezieht sich auf die horizontale Schichtung der myofaszialen Spannungsverhältnisse zwischen Körperoberfläche und Körperinnerem. Obwohl sich mit ihrer Hilfe nur eine sehr allgemeine Verknüpfung zu Persönlichkeitsvariablen herstellen läßt, liegt ihr Wert im neuen Gesichtspunkt der Polarisierung von innen und außen.

    Seit Ida Rolf und Moshe‘ Feldenkrais wissen wir nämlich, daß den äußeren und inneren Schichten des myofaszialen Systems unterschiedliche Funktionen bei der Fortbewegung zukommen» Während die inneren Schichten die Bewegung initiieren und modulieren, sind es die äußeren, die aufgrund ihrer Mächtigkeit in der Lage sind, die Gliedmaßen über größere Distanzen zu bewegen und den nötigen Krafteinsatz einzubringen. Diese Differenzierung steht gleichzeitig in funktionaler Identität mit dem Erlebnisbereich. Die äußeren myofaszialen Schichten sind beispielsweise dem Bewußtsein und der Ich-Kontrolle viel zugänglicher als die inneren. Sie haben mit dem zielgerichteten Tun und im weitesten Sinne mit dem Ausführen von „Plänen“ zu tun. Die Impulse aus den inneren myofaszialen Schichten kommen hingegen aus dem „Core“ (Kern). Sie sind der willkürlichen Kontrolle entzogen und spiegeln vielmehr die mühelose Leichtigkeit im Sein. Ihr Auftreten zeigt die Aktivierung derjenigen unbewußten Schichten, die auch für Abraham Maslows Gipfelerlebnisse verantwortlich zeichnen. Die Konzeption des Unbewußten folgt also eher der Jungianischen Sichtweise als der Freudschen. C.G. Jung war ja der Ansicht, daß im Unbewußten viele potentielle Möglichkeiten ruhen, die ihrer bewußten Entfaltung harren. Dies ist für ein Verständnis dieser Methode sehr wichtig, bedeutet es doch die Einbeziehung der spirituellen Ebene in den gesamten somato-psychischen Prozeß. Ich werde später darauf zurückkommen. Vorher möchte ich aber das Konzept der Polarisierung in Innen und Außen durch einen weiteren Gesichtspunkt ergänzen.

    Wie der Name schon sagt, zielt die P.I-Methode auf eine Integration der Haltung. Jede strukturelle Haltungsveränderung impliziert aber die Abweichung von einer Idealhaltung und letztere ergibt sich aus der Organisation des Körpers gegen die Schwerkraft. Ist diese optimal, so erfolgt der Gewichtstransfer von einem Körpersegment zum nächsten unter geringstmöglichem Energieaufwand. Der jeweilige Muskeltonus ist funktionsadäquat, die Spannungen und Streßfaktoren innerhalb des Systems sind auf ein Minimum reduziert und eine optimale Bewegungsfreiheit ist gesichert.

    Haltungsveränderungen sind durch zahlreiche Faktoren mitbedingt. Zu den wichtigsten zählt sicherlich der individuelle Umgang mit seelischen Streßfaktoren der verschiedensten Art und der unmerkliche, weil nur durch propriozeptive Wahrnehmungsveränderungen bewußt werdende Einfluß der Schwerkraft.

    Abweichungen von der Idealhaltung bilden in der Regel daher Spannungemuster, die sich aufgrund von Kompensationen über den gesamten Körper erstrecken und buchstäblich vom Scheitel bis zur Sohle reichen. Da sie in allen drei Raumrichtungen auftreten, erfolgt das Körperlesen im Stehen auch von vorne, von der Seite und von hinten. Neben der Einschätzung energetischer Blockaden, wie sie sich etwa in der Hautfarbe oder der Konsistenz der verschiedenen Gewebe widerspiegeln, liegt das Hauptaugenmerk auf knöchernen Fixpunkten (Gelenke, Schulterblatt, etc.), anderen deutlich markierten Körperstellen (Brustwarzen, Nabel, etc.), dem negativen Raum (etwa zwischen den Beinen) und der Körpersilhouette. Alle Informationen zusammengenommen ergeben erst ein in sich konsistentes Bild der dreidimensionalen Spannungsgirlanden.

    Mit dem Spannungsausgleich zwischen den tiefer liegenden und den oberflächlich gelegenen myofaszialen Schichten ist die Kompensationshaltung jedoch noch nicht beseitigt, ja sie kann sich sogar noch verstärken, da die verschiedenen myofaszialen Schichten zwar geschmeidiger geworden, aber nach wie vor isolierte Restspannungen vorhanden sind. Die Geschmeidigkeit erlaubt es ihnen aber andererseits sich großflächig über den ganzen Körper hinweg neu zu organisieren. Sie ist deshalb auf der somatischen Ebene das entscheidende Kriterium für den Beginn der Integrationsphase. Nun wird die Pflicht zur Kür. An Stelle der strukturierten Griffolgen an bestimmten Körperteilen tritt das freie Arbeiten an den girlandigen Restspannungsmustern. Breitflächige und tiefe Griffe werden gelenksübergreifend und gegen die Spannungsrichtung gezielt und selektiv gesetzt. Zunächst geht es um den Spannungsausgleich zwischen den Regionen des Ober- und des Unterkörpers. Erst in einem zweiten Schritt werden die linke und die rechte Körperhälfte sowie die Vorder- und Rückseite miteinander verbunden.

    Durch die selektive und intuitive Arbeit an den horizontalen Schichtungen des myofaszialen Systems sowie an den vertikal laufenden Spannungsmustern erhält das ganze System die Impulse zur Reorganisation gegen die Schwerkraft.

    HALTUNGSÄNDERUNG UND SEELISCH-GEISTIGE KOMPONENTE

    Die Posturale Integration geht von der fundamentalen Erfahrung aus, daß zugleich mit dem Berühren des Körpers auch Gefühle und Gedanken ausgelöst werden. Jack Painter betont immer wieder die physische, emotionale und spirituelle Einheit der Methode. In Anlehnung an die fernöstliche Philosophie charakterisiert er den P.I.-Prozeß durch ein Symbol, das in Anlehnung an das Yin-Yang Symbol, drei Tropfen enthält und am besten als „Balancierte Kraft“ wiedergegeben werden kann. Die Tropfen symbolisieren die drei Elemente Erde, Feuer und Wasser.

    Wir brauchen jedoch nicht erst nach dem fernen Osten zu blicken, um Symbole zu finden, die bestimmte Erfahrungen bestmöglich umschreiben. Gerade die europäische Tradition kennt Erfahrungssysteme wie etwa die Alchemie, die ebenfalls mit diesen Elementen arbeiten.

    Alle konfliktzentriert-aufdeckenden Therapieformen gehen von der Annahme aus, daß eine Persönlichkeitstransformation erst dann stattfinden kann, wenn eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung erfüllt ist: nämlich das Wiedererleben von gefühlsgeladenen „Komplexen“. In der Posturalen Integration wird dies entweder durch die Energiearbeit oder durch die Griffapplikation möglich. Ich möchte dafür jeweils ein Beispiel geben:

    „Eine 45-jährige Angestellte erlebt bei einem oberflächlichen Griff am rechten Trapeziusrand den Schmerz und die Trauer wieder, die erstmals durch den Handkantenschlag ihres karategeübten Exmannes konstelliert wurden, aber nicht ausgedrückt werden durften.

    Die selbe Klientin erzählt zu Beginn einer anderen Sitzung von einer peinlichen Situation, in die sie sich begeben hatte, indem sie einer notleidenden Bekannten ihre Hilfe zusagte ohne sie aber entsprechend geben zu können. Es wird bald deutlich, daß die Abgrenzungsproblematik mit ihrer leidenden und bettlägrigen Mutter in Zusammenhang steht, die sie durch massive Schuldgefühle an sich bindet und ihrem Willen unterwirft. Gleich zu Beginn der Atemarbeit konstelliert sich der negative Mutterkomplex in Form einer tiefen Trauerreaktion angesichts einer von der Mutter erzwungenen Abtreibung.“

    Das zweite Beispiel zeigt klar, daß der negative Mutterkomplex bereits leitungsphase der Posturalen Integration so gesteigert wurde, daß die Entladung eines Teiles seines affektiven Inhaltes möglich wurde.

    Im ersten Fall jedoch geschah die affektive Entladung unmittelbar am Ende eines manuellen Griffes am oberen Trapeziusrand. Auch am Ende der Sitzung blieb die rechte Schulter entspannter, sodaß die Annahme, wonach die hypertone Muskulatur der rechten Schulterstreife ihre Spannung durch den Affekt entladen hatte, berechtigt erscheint. Jedenfalls war die Klientin ab dieser Sitzung besser in der Lage aus ihrer Enge herauszutreten und ihren inneren Raum zunehmend zu erweitern und zu vertiefen.

    Derartige Schlüsselerlebnisse scheinen mir bei allen Klienten früher oder später und in mehr oder weniger deutlicher Form aufzutreten. Sie sind das sichtbare Ergebnis der individuellen Haltungsänderung gegenüber Schmerz und Angst, die durch das Trennen und Lösen der verklebten Bindegewebsfaszien hervorgerufen werden. Wenn wir bedenken, daß Schmerz und Angst ursprünglich diejenigen Faktoren waren, die die seelische und somatische Abwehr bedingten, so bietet ihr erneutes Auftreten während des P.I.-Prozesses die Möglichkeit zur Dekonditionierung von den alten Einstellungen bzw. Haltungen, die sich aus der jeweiligen neurotischen Konfliktsituation ergaben.

    Da die Schmerztoleranz nicht nur von Körperstelle zu Körperstelle äußerst variabel ist, sondern die großen individuellen Unterschiede auch von früheren Erfahrungen und ihrer Verarbeitung mitbestimmt werden, kommt es in der Praxis immer wieder zu Widerständen gegen eine Veränderung. Es liegt nun mit in der Verantwortung jedes einzelnen, wieweit er/sie seine/ ihre Wahrheit akzeptiernd diesen Widerstand und das damit Abgewehrte annehmen und sich dadurch davon befreien kann. Die offene Auseinandersetzung mit der jeweils konstellierten seelischen Wahrheit führt jedenfalls zu einer zunehmenden Erweiterung der Schmerztoleranzgrenze bzw. zu einer Umkehrung des Prozesses. Was vorher aufgrund der seelischen und somatischen Abwehr als schmerzhaft erlebt wird, gewinnt zunehmend an lustvoller Qualität, indem schmelzende und fließende Empfindungen im Körper wahrgenommen werden, die in sich selbst heilend wirken. Die individuelle Vergangenheit kann zwar dadurch nicht verändert werden, aber der Klient gewinnt eine zunehmende Wahlfreiheit in der Gegenwart, d.h. seine Erlebnis- und Verhaltensweisen’werden nicht mehr durch seine unbewußten Komplexe determiniert.

    Im alchemistischen Prozeß spielt die Feuersymbolik eine große Rolle. Es handelt sich dabei zunächt um ein chemisches Verfahren, mit Hilfe dessen eine bestimmte Substanz von ihren wässrigen, d.h. unbewußten Bestandteilen befreit wird. Die Austrocknung bezieht sich also auf den Prozeß der Bewußtwerdung und der Assimilation von Komplexen, wobei die Intensität der emotionalen Entladung durch die Symbolik des Feuers repräsentiert wird, wie etwa im obigen Beispiel der Angestellten.

    Transkulturell finden sich immer wieder Hinweise
    auf zwei verschiedene Arten des Feuers. Herakles ließ sich beispielsweise freiwillig am Scheiterhaufen verbrennen, als er ein mit einem Liebeszaubersaft durchtränktes Hemd von seiner Ex-Geliebten Deianeira anzog und dieses in Flammen aufging und nicht mehr abzulegen war.

    Dieses Bild bezieht sich offensichtlich auf das qualvolle Aushalten von Affekten, die nicht erst bewußt gemacht werden müssen. Während es bei den oben angeführten Beispielen um die Befreiung der in den Komplexen gebundenen unbewußten Affekte und archetypischen Energien ging, die, zum Feuer geworden, die Komplexe austrocknen, ist die Situation nun eine ganz andere. Das Ich ist durch die archetypischen Energien inflationiert. Das reinigende und läuternde Feuer der „Calcinatio“ ist hier nicht die energetische Ladung der unbewußten Komplexe, sondern die notwendige Frustration der Begehrlichkeit. Die affektive Ladung eines undifferenzierten Lust- oder Machtstrebens muß also einbehalten und ausgehalten werden, um die Identifikation mit dem Ich zu lösen. Sie fungiert quasi als Retorte, in der das Ich gewandelt werden kann und diese Wandlung bewirkt eine Desidentifikation mit den transpersonalen Inhalten, wodurch diese wieder ihre energetische Macht über das gewandelte Ich verlieren.

    Ich denke da beispielsweise an einen 38-jährigen Klienten, der vor dem Hintergrund einer schizoiden Charakterstruktur eine ausgeprägte narzistische Persönlichkeitsstörung entwickelt hatte, die es ihm nahezu verunmöglichte den Parteienverkehr, den er als Magistratsbeamter abzuwickeln hatte, auch entsprechend durchzuführen. Einerseits sehr hilfsbereit und auskunftsfreudig, hatte er die größten Schwierigkeiten mit Parteien, die seine Ratschläge nicht annehmen konnten. Seine Hilfsbereitschaft wandelte sich in einem solchen Fall in einen Wutausbruch, den er zu Beginn der Therapie kaum unter Kontrolle halten konnte. Nicht er hatte die Wut, sondern die Wut hatte ihn. Im P.I.-Prozeß hatte er, wie leicht einsichtig, keinerlei Schwierigkeiten seine Wut, die mit einem negativen Vaterkomplex in Verbindung stand, auszudrücken. Die Arbeit mit dem Containment, um die ‚Haltefunktion des Ich“, wie sich Alexander Lowen ausdrückt, zu stärken, war während dieser Phasen zu Beginn der Therapie im Vordergrund. Durch die Arbeit am myofaszialen System konnte er jedoch in zunehmendem Maße seine enorme Verletzlichkeit und seinen seelischen Schmerz erkennen und akzeptieren. In dem Maße wie es ihm gelang die Wutausbrüche unter Kontrolle zu bringen und seinen Schmerz als innere Wahrheit anzunehmen, nahmen auch seine Größenphantasien, die er sich als sachkundiger und kompetenter Beamter – er war auch Student der Rechte – erworben hatte, ab.

    Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie notwendig ein differenzierter Umgang mit den Affekten im P.I.-Prozeß ist. Manche Komplexe erfordern verstandesmäßiges Erkennen und Einbehalten der aktivierten archetypischen Energien. Bei anderen wieder müssen die dahinterstehenden Archetypen auf einer tiefen Gefühlsebene angeregt werden, was der alchemistischen Operation der „Solutio“ entspricht. Es handelt sich dabei um die Auflösung einer bestimmten Form und ihre Transformation in eine andere. In den alchemistischen Texten wird die Solutio am König, der psychologisch das herrschende Bewußtseinsprinzip mit seinen festen alteingeschliffenen Einstellungen und Haltungen repräsentiert, vollzogen. Häufig wird die Solutio in Form des Ertrinkens an Wassersucht dargestellt, was einer vorübergehenden Destabilisierung, Auflösung und Wandlung des Ich durch die archetypischen Kräfte entspricht. Das gewandelte Ich ist dann besser in der Lage neue Anpassungsmöglichkeiten und Lösungen für die verletzenden Erfahrungen aus der Vergangenheit zu finden. Die Transformation des Ich geht allerdings über eine rein gefühlsmäßige Befrefungi der im Komplex gebundenen Energien hinaus. Der Komplex wird zwar durch die emotionale Katharsis nicht mehr so zwanghaft sein, aber trotzdem fortbestehen, solange seine Inhalte nicht vom Ich assimiliert worden sind.

    Diese Assimilation entspricht der alchemistischen Operation der Coagulatio oder Erdung. Dies ist ein Prozeß, bei dem etwas in Erde, also einen Stoff verwandelt wird, der sich durch eine feste Form und dauerhafte Qualität auszeichnet, was einem psychischen Inhalt entspricht, der, ins Bewußtsein gelangt, eben von einem Ich assimiliert wurde. Ich halte deshalb eine verbale Aufarbeitung der Inhalte vieler energetischer Prozesse in den meisten Sitzungen für absolut unverzichtbar.

    Das manuelle Vordringen in immer tiefere Gewebeschichten aktiviert nicht nur gefühlsgeladene Komplexe, sondern ermöglicht auch das Aufsteigen von Kernimpulsen. Unter „Kernimpulsen“ verstehe ich jene Art von Impulsen, die quasi aus einem anderen ontologischen Bereich ins Profane eindringen und numinosen Charakter haben, d.h. sie sind eigentlich nicht verbal zu beschreiben, bestenfalls zu umschreiben. Jedenfalls scheint die Ich-Autonomie zugunsten der Einheit mit einem größeren Ganzen aufgehoben zu sein, was der Erfahrung einen sich selbst rechtfertigenden und bestätigenden Aspekt verleiht, der seinen eigenen inneren Wert in sich trägt. Die Bandbreite emotionaler Reaktionen ist dabei sehr vielfältig und reicht von Scheu und Ehrfurcht über Lust und Wohlgefühl bis zu einem süßen und schmelzenden Überwältigtsein von allumfassender Liebe. Energetisch betrachtet handelt es sich dabei um sanfte, aufsteigende Energiebewegungen, die vor allem in tiefen Sitzungen und in der abschließenden Integrationsphase auftreten können.

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