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Body Energetics

Die Arbeit mit dem „Instroke“
Will Davis:

Der Amerikaner Will Davis ist Psychologe und lehrte auf Colleges in Washington und Kalifornien. Seine therapeutische Laufbahn begann er als Gesprächs- und Gestalttherapeut anfangs der siebziger Jahre. Nach seiner Ausbildung am RADIX-Institute, 1976, arbeitet er mit Techniken neoreichianischer Körperarbeit. Er war Mitbegründer des Chrysalis Energy Center und hat teilweise gemeinsam mit Charles Kelley an verschiedenen Instituten des amerikanischen „Alternative Health Movement“ gearbeitet.

Seit 1983 ist er hauptsächlich in Europa tätig, wo er neue Konzepte zur Pulsation in der Körperarbeit entwickelt hat. Seine Arbeitsmethode nennt er „Body-Energetics“, deren nachfolgend diskutiertes theoretisches Konzept primär auf der „Instroke“- Arbeit basiert.

Im Unterschied zu einer Reihe anderer neoreichianischer Techniken, die das Schwergewicht auf den „Outstroke“, auf die expansive, nach außen hin gerichtete Phase der Pulsation legen, arbeitet Will Davis mit der nach innen, zur Kontraktion hin, gerichteten Bewegung; ähnlich, wie das in Ansätzen Reich selbst in seinem späteren Arbeiten tat, und ähnlich auch einem Grundgedanken, der der „Ortho-Bionomie“ zugrunde liegt.[1]

Davis“ Konzept beinhaltet einerseits Techniken und Übungen, andererseits bietet es eine neue Modellvorstelllung zur Differenzierung von Struktur und Charakter.

Will Davis: Die Arbeit mit dem „Instroke“

Die Basis aller Arbeitskonzepte von Wilhelm Reich und seinen Schülern ist der Energiefluß. Reichs Verständnis von der Pulsation der Energie, ihrer rhythmischen Expansion und Kontraktion trug viel dazu bei, die physischen Ursachen emotionaler Störungen zu erklären und bot ein Arbeitsmodell für die Behandlung dieser Störungen an.

Dieser Artikel stellt einen Ansatz vor, bei dem die Arbeit mit dem „Instroke“ – dem nach innen gerichteten Energiefluß der Pulsation – im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Meines Erachtens wurde in der Reich’schen Arbeit dem „Outstroke“ – der expansiven, nach außen gerichteten Phase des Energieflusses – bislang mehr Beachtung geschenkt.

Der „Outstroke“ mit all seiner dramatischen Kraft scheint auf den ersten Blick die „wichtigere“ Phase der Pulsation zu sein, wobei denn dem „Instroke“, der Kontraktion, lediglich die Rolle einer Balance-Reaktion zukommt. Zu oft wird kaum unterschieden zwischen der Kontraktion, bei der Blockieren und Festhalten die bestimmenden Faktoren sind (was gleichzusetzen ist mit „Anti-Leben“), und der Kontraktion, die durch den natürlich nach innen gerichteten Fluß mit der Einwärtsbewegung der Pulsatin eintritt.

So wie in der expansiven Phase bedarf es auch beim nach innen gerichteten Energiefluß eines ungehinderten Fließens. „Kontraktion“ – im Sinne von Festhalten und Blockieren – kann eintreten, aber sie ist dann lediglich eine Geaenpulsation zum „Outstroke“. Allein die Tatsache, daß der Fluß nach innen geht, bedeutet nicht unbedingt, daß es sich um Blockieren und Festhalten handelt.

„Kontraktion“ ist mit einem negativen Beigeschmack behaftet und wird bestenfalls als notwendiger Teil der Pulsation toleriert. Eine ausgewogenere Meinung dazu hat Stanley Keleman: „Atmen…. (ist) ein rhythmischer, aus sich selbst heraus entstehender Prozeß, der den ganzen Organismus miteinbezieht. Es beschränkt sich nicht auf die Bewegungen des Zwerchfells. Atmen führt zur totalen Ausdehnung und umfassenden Expansion des Organismus – wie bei einem Zylinder -, der sich rundherum öffnet und selbst ausdehnt. Der Organismus expandiert und zieht sich wieder zusammen. Er kontrahiert nicht, er verdichtet sich. Er weitet seine Grenzen aus und verdichtet sich dann wieder.“

Die Arbeit, die hier vorgestellt wird, bietet sowohl ein Modell zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten der Pulsation – in Form einer Diskussion von Struktur, Charakter und Pulsation – als auch Techniken und Übungen, die auf diesem Konzept basieren. Für bestimmte Charakterstrukturen (insbesondere zu Beginn der Arbeit) ist dieser Ansatz besonders hilfreich und wichtig. Zur besseren Differenzierung werde ich die Kategorien – weiche -und – harte – (soft/hard) Körperstrukturen benutzen. „Instroke-Work“ läßt sich bei oralen Strukturen (Terminus der Bioenergetik) oder bei Angst-Strukturen (Radix-Terminus) anwenden.

„Instroke-Work“ eignet sich ebenfalls bei der Arbeit mit Menschen mit starken passiv/aggressiven Tendenzen und auch dann, wenn Furcht vor einer tieferen Emotion das vorherrschende Gefühl ist. Meine Ausführungen erheben nicht den Anspruch, auch eine perfekte Methode darzustellen. Wichtiger ist mir der andere Ansatz, und die Tatsache, dass diese Methode flexibel gehandhabt werden kann.

Menschen mit weichen Körperstrukturen sind gewöhnlich eher dünn mit blasser, kalter Haut, die leblos und schlaff ist. Oft korreliert die leblose Haut mit einer allgemeinen Schlaffheit des ganzen Körpers; dies überrascht, wenn man bedenkt, aus wie wenig „Fleisch“ diese Menschen bestehen. Wenn sie viel Gewicht haben, haben sie einen abgerundeten weichen Körper, der auch wieder schlaff und spannungslos ist. Auch spiegelt sich eine bestimmte „Unreife“ in ihrem Körper wieder, so daß man den Eindruck hat, es handle sich um „Babyspeck“, eine Art Plumpheit.

Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen diesem Typ des Übergewichtigen und jemandem, der sich normal zum Erwachsenen entwickelt hat und lediglich Übergewicht hat. Zwar benutzen beide das Gewicht als eine Form der Abwehr, aber die Quellen und qualitativen Aspekte ihrer gelebten Sexualität unterscheiden sich beträchtlich. Die erstgenannte Struktur hat in ihrer sexuellen Entwicklung die Pubertät nicht erlebt. Sie stellt die Beziehung zum anderen Geschlecht wie ein Kind oder Jugendlicher vor dem zehnten Lebensjahr oder in der frühen Teenager-Phase her. Die Sexualität der zweitgenannten, der Übergewichtigen, hat sich hingegen entwickelt, sie wird jedoch nicht sehr aktiv gelebt.

In der Regel sind die Augen des weichen Typs blaß und ausgewaschen, mit einem distanzierten, kontaktlosen Erscheinungsbild. Sind die Augen jedoch ausdrucksstark, dann spricht aus ihnen meist Angst oder Traurigkeit und oft auch eine Art Bedürftigkeit. Diese Bedürftigkeit spiegelt sich auch im übrigen Erscheinungsbild wieder: die Menschen dieser Struktur scheinen unterernährt zu sein. Dies zeigt sich besonders im Brustbereich, wo ein meist knöchriger Brustkorb mit einer niedergedrückten oberen Brust bedeckt ist, was durch runde, hohe Schultern noch extra unterstrichen wird.

Betrachtet man die darunterliegenden Körpersegmente, so entdeckt man, daß die Menschen dieser Struktur meist in der Solar-Plexus-Zone zusammengefallen sind, so als ob sie einen Schlag in den Bauch bekommen und

sich nie mehr davon erholt hätten. Die Gesäßhälften sind dünn und wenig ausgebildet; der Bereich des Anus scheint ein- und zusammengezogen wie bei einem Hund mit „eingezogenem Schwanz“. Auch die Beine sind gewöhnlich dünn, gelegentlich können sie jedoch auch gut ausgebildet sein. Ist letzteres der Fall, so stehen die Beine in einem deutlichen Kontrast zur unterentwickelten oberen Körperhälfte.

Einige Menschen dieser Struktur vermitteln einen alles einschließenden Eindruck von Rigidität, der den beschreibenden Begriff „weiche“ Körperstrukturen Lügen straft. Ich sehe diese Körper als „gefrorene Schreie“ an, sehe ein inneres Festhalten, was auf einer sehr tiefen Ebene stattfindet. Dies ist bei dünneren Menschen augenscheinlicher, doch ich glaube, daß es für die meisten Menschen dieses Typus gilt. Der Prozeß der Muskelpanzerung ist hier sehr verschieden von dem der harten Strukturen: aus diesem Grund kann ein neues Modell, das beschreibt, wer diese Menschen sind und wie sie funktionieren, von Bedeutung sein.

Das allgemeine Verständnis der Panzerung ist angespannte und festhaltende Beschaffenheit der Muskeln, wodurch der freie Energiefluß blockiert wird. Ich denke, daß die Strukturen, die ich als den „harten“ Körpertyp bezeichnet habe, im allgemeinen diesem Modell entsprechen. In bioenergetischen Begriffen sind dies die „phallischen“ und „masochistischen“ Strukturen, in Radix-Termini die „Wut-Strukturen“. Sie blockieren, indem sie die größeren Oberflächenmuskeln benutzen: den Pectoralis, den Latissimus Dorsi, den Glutei, den Rectus abdominus; im allgemeinen handelt es sich also um die äußere Muskulatur.

Es bestehen Parallelen zum Körper eines Insekts: hart an der Außenseite, und sofern es gelingt, durch diese durchzudringen, stößt man auf ein weiches, breiiges Inneres. Dies dient auch als charakterologische Beschreibung: Menschen dieses Typus sind schroff und hart und schützen sich in der Regel vor der Weichheit in ihrem Inneren. Die Arbeit mit ihnen zielt darauf hin, ins Innere zu gelangen, ja vielleicht dort „einzubrechen“. Sobald es gelungen ist, einzudringen, wird der Kontakt mit tiefem Gefühl erlebt.

Menschen dieses „harten“ Körpertyps leben mehr im äußeren Bereich ihres Körpers. Ihre Orientierung ist „ganz nach Außen“ gerichtet und sie sind nicht so stark mit sich selbst und mit ihrem Inneren in Kontakt wie die „weichen“ Körperstrukturen. Sie sind weitsichtig, sehr gesellig, suchen Kontakt und sind zeitweise auch eher oberflächlich und unpersönlich.

Ihre Bewegungen sind weniger anmutig, erscheinen oft sogar schwerfällig. Meist sind sie hyperaktiv und mit ihrem Schwerpunkt in der äußeren Muskulatur. Diese Muskeln sind diejenigen, die sich im Kleinkind- und Kindesalter entwickeln. Sie sind bei allen frühen Bewegungen wie beim Hin- und Herrollen, beim Schlagen und beim Sich-Ausstrecken beteiligt. Diese Muskeln sind ebenfalls leichter dem Bewußtsein zugänglich, sowohl dem eigenen als auch dem der Anderen.

Sie sind leicht zu kontaktieren und direkt zu beeinflussen. Weil jene Muskeln, die hier zur Blockierung des Energieflusses eingesetzt werden, mehr an der Oberfläche sind, ist jede Art der Panzerung, die stattfindet, leichter sichtbar. Es ist einfach, einen angespannten Pectoralis zu erkennen, weil er direkt an der Oberfläche liegt. Muskeln dieser Art sind der direkten Manipulation leichter zugänglich: in der Arbeit wird nach und nach der Widerstand sowohl gesehen als auch auf einer direkten Ebene gefühlt.

Bei einer „weichen“ Körperstruktur finden wir das Gegenteil. Hier haben wir ein inneres Festhalten und Blockieren, das eher mit dem tiefen Skelettsystem (dem Unterstützungssystem) als mit der äußeren Muskulatur verbunden ist. Die hier beteiligten Muskeln sind enger an den Knochen, insbesondere dem Rückgrat, ausgerichtet.

Die Zwischenspinalis-Muskeln mit der Funktion des Erector Major, die tiefen Nackenmuskeln, die zum Rücken hinunterlaufen, der Quadratus Lumborum, der beim tiefen Einatmen in Aktion tritt, der Psoas und der Beckenboden, der ebenfalls an der Atmung beteiligt ist, sind die wesentlichen Muskeln, die bei dieser Struktur zum Festhalten und als Widerstand gegen den natürlichen Fluß der Energie verwendet werden.

Weil diese Muskeln so tief liegen, sind sie weder äußerer Manipulation noch dem Bewußtsein leicht zugänglich. Das genaue Verständnis dieses tiefen Festhaltens gibt uns einen Einblick in die Rigidität, die diese Menschen sowohl strukturell als auch charakterlich haben, obwohl sie weich und geschmeidig scheinen. Ihre scheinbare Weichheit vermittelt den Eindruck, daß sie kooperativ sind, ja sogar in alles einwilligen, um sich dann aber auch zu beklagen, in einer Opferrolle zu sein.

Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall: Genauere Untersuchungen enthüllen eine tiefe Hartnäckigkeit, die mit einem passiv-aggressiven Zug verbunden ist. Oft ist ihre Kooperation nur ein halbherziger Versuch, der immer stecken zu bleiben scheint und dem eine Unzahl von Entschuldigungen folgt.

Menschen mit „weicher“ Körperstruktur sind mehr in Kontakt mit sich selbst, weniger gesellig und deswegen in ihrem Verhalten weniger sozial bestimmt. Ihre Rigidität ist ihre Stärke, hier liegt ihre Kraft. Sie sind ziemlich hartnäckig und unflexibel und haben nicht die augenfällige Kraft und Wut, die den „harten“ Typus auszeichnet. Aber ihre innere Härte stattet sie mit der Stärke aus, die sie brauchen, um durchzukommen.

Man findet hier oft einen starken passiven Anteil; sie gehen nie aus sich heraus und greifen nicht an; aber sie geben auch selten auf und erlauben es (sich) auch nicht, von anderen ‚ gepusht‘ zu werden. Es ist, als ob sie auf einem „energetischen Besenstiel“ reiten, der vom Anus an aufwärts bis zum Schädelansatz läuft.

Wie schon erwähnt, diese Menschen sind weniger gesellig, stärker introvertiert und verinnerlicht. Sie leben mehr Innen mit ihrem Schwerpunkt, im Gegensatz zu den „harten“ Strukturen, die mehr an der Peripherie und an der Oberfläche leben. Die Arbeit mit ihnen hat weniger das Ziel, sie nach Innen zu bringen wie bei den „harten“ Strukturen -, sondern soll ihnen helfen, dahin zu kommen, daß sie „herauskommen“ und „draußen“ bleiben können.

Es erscheint häufig so als ob diese Menschen über wenig Energie verfügen. Sie haben meist Angst vor passiv-aggressiven Gefühlen und zeigen sowohl Befremden als auch Ekel – zwei Gefühle mit stark beurteilender Qualität, die mit intellektualisierter Wut verbunden sind.

Sie erwecken den Eindruck, bedürftig und abhängig zu sein, „spielen“ die Hilflosen, so oft es möglich ist. Im Grunde genommen sind sie sehr stark verbal, meist sehr intelligent und gebildet und zu stark intellektuell, insbesondere wenn es darum geht, mit Wut umzugehen. Sie empfinden eher Ekel und Empörung, sind sarkastisch und haben einen bissigen, höhnischen Humor.

Indem sie ihr ‚inneres‘ Leben leben, sind sie mehr im Kontakt mit sich selbst, stärker zentriert und sensibler als die „harten“ Strukturen. Sie können geduldiger sein und zeigen ein gutes Verständnis für soziale Kontakte und zwischenmenschliche Beziehungen; doch sie fürchten sich meist sehr davor, das, was sie wissen, in die Tat umzusetzen und in ihre Beziehungen einzubringen. Sie haben ein gutes intellektuelles Verständnis, aber dabei bleibt es oft auch.

Aufgrund ihrer Unfähigkeit, ihr theoretisches Wissen in die eigene Lebenspraxis umzusetzen, sind sie zurückgezogen. Sie tendieren dazu, alleine zu sein und verbringen einen Großteil ihrer Zeit mit Aktivitäten, die keinen Kontakt mit anderen erfordern: Lesen, alleine arbeiten, Fernsehen. Sie haben einige wenige starke soziale Beziehungen, von denen sie total abhängig sind; die meisten ihrer Bindungen basieren jedoch eher auf Bedürftigkeit und Schuldgefühl als auf tatsächlich vorhandener Übereinstimmung.

Sie ziehen es vor, Dinge geschehen zulassen und in der reaktiven Position zu verharren, was häufig dazu führt, daß sie ihre Opferrolle fortsetzen. Ihr Leben „bricht“ in gewisser Weise „über sie herein“, und sie verbringen viel Zeit und Energie damit zu tadeln und zu klagen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Ihr wenig entwickeltes Selbstkonzept hält sie davon ab, viel zu tun, damit sich wirklich etwas ändert.

Ein Hauptcharakteristikum dieser Struktur ist, daß neue Erfahrungen für diese Menschen nicht aufregend im positiven Sinne, sondern beängstigend sind. Sie sind nicht risikofreudig, ihnen mißfällt der Sprung ins Abenteuer. Ihrer intellektualisierten Natur entsprechend sind sie nur schwer zu neuen Erfahrungen zu bewegen. Sie wollen wissen, was passiert, bevor es passiert.

Sie wollen nur langsam vorwärtsgehen, wollen sich immer einen Fluchtweg freihalten für den Fall, daß etwas passiert; sie sind nicht bereit, sich direkt und in voller Absicht zu verpflichten. Ihr ganzer Lebensstil, Charakter und ihre Struktur ist auf diesen Prinzipien aufgebaut. Hier besteht ein gewaltiger Unterschied zu den „harten“ Körperstrukturen.

Ich glaube, daß an dieser Stelle ein erweitertes Pulsationsmodell in zweierlei Hinsicht nützlich ist: zum einen, um diese Menschen besser zu verstehen, und zum anderen, um effektive Arbeitsformen für diese Struktur zu entwickeln.

Zum Zweck der Illustration und des Kontrasts will ich die ursprünglich von Reich entwickelte, von Kelley modifizierte Orgasmus-Formel darstellen:

Ladung – Spannung – Entladung – Entspannung

Dieses Modell gilt als allgemeinverbindlich und gültig für die Arbeit mit jeder Struktur. Es scheint ein realistisches Modell für die energetischen Abläufe in einem gesunden Organismus zu sein. Und es ist vielleicht in der langfristigen Arbeit mit Menschen ein erstrebenswertes Ideal. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß dieses Modell für bestimmte Charakterstrukturen nicht brauchbar ist, zumindest dann nicht, wenn man ihre Funktionsfähigkeit zu Beginn der Arbeit betrachtet.

Es ist ein gutes Modell für die Arbeit mit den von mir als „hart“ bezeichneten Körperstrukuren. Ihrem strukturell und energetischen Funktionieren kommt diese Formel sehr nahe. Nehmen wir wieder Kelley’s Formulierung und vergleichen diese mit der „harten“ Körperstruktur: wir sehen eine Annäherung zwischen der grundlegenden Funktionsweise dieser Struktur und der Orgasmusformel. Der harte Körper ist geladen und gespannt.

Aufgrund dieser Tatsache sind Menschen dieses Typs in der Lage, die Ladung zu erhöhen, wenn sie sich auf eine Entladung zubewegen. Strukturell und charakterologisch können sie ihren Energiestrom nach außen fließen lassen, sich nach außen bewegen, expandieren, denn es ist die Richtung ihres Energieflusses und zugleich ihre gesamte Orientierung. Sie sind in der Lage, das klassische Entladungsmodell in Stil und Form zumindest nachzuahmen.

Bei „harten“ Strukturen ist ein Energiefluß vorhanden, der nach außen geht und ihnen die Fähigkeit gibt, Ladung zu entwickeln und zu halten; schon deshalb sind sie in einer besseren Position als die „weichen“ Strukturen, wenn es darum geht, zu einer Entladung zu kommen. Sie müssen lernen, loszulassen, ihre Panzerung zu durchdringen und nach innen zu kommen, um mit sich selbst in tieferen Kontakt zu kommen.

„Weiche“ Strukturen leben auf einem niedrigeren Energieniveau und müssen lernen, sowohl zu laden als auch die Ladung aufrechtzuerhalten; dann, den Fluß ihrer Energie umzudrehen und die Energie nach Außen zu bringen. Wut blockierende Strukturen können sich bereits ausdrücken, sie müssen lernen, in ihrem Ausdruck mehr Kontakt zu halten; sie bewegen sich schon nach außen.

Dagegen liegt es in der Natur der „weichen“ Körperstrukturen, nichts von alledem zu tun. Sie sind strukturell, charakterologisch und energetisch unfähig, das herzustellen, was von ihnen gefordert wird: zu pulsieren, sich auszudehnen und den Energiefluß nach Außen zu bringen. Sie ziehen sich zurück, ihr Energiefluß geht nach Innen anstatt nach Außen. So erleben sie oft jeden Versuch, mit ihnen in Kontakt zu kommen, als Bedrohung oder gar Angriff: Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und ihr schlechtes Selbstkonzept kommen an die Oberfläche.

Zu häufig stellt die traditionelle Arbeitsmethode ein für sie zu gewaltsames und zu direktes Vorgehen dar. Gelegentlich mag es einen Durchbruch geben, bei dem dieser Ansatz funktioniert. Aber als eine generell anzuwendende Technik eignet er sich nicht, weil ihm ein Verständnis der energetischen Funktionsweise und der Fähigkeiten dieser Struktur fehlt.

Wenn man einen Ansatz gebraucht, den der „weiche“ Strukturtyp als sehr konfrontativ erlebt, werden Widerstände aktiviert. Das ist an sich kein Problem. Aber es ist ein großer Unterschied, mit dem Widerstand oder Widerstand zu arbeiten. Der Unterschied ist zu lernen, den Energiefluß – hier also den ‚Instroke‘ – so zu nutzen, wie er fließt: zuzulassen, daß die Energie fließt, auch wenn sie „nur“ nach innen fließt. Um dann zu helfen, einen tiefen und

starken ‚Outstroke‘ zu entwickeln. Dies ist in energetischer Hinsicht ökonomischer als zu versuchen, die Natur des Zyklus der Pulsation umzukehren, bevor sie sich selbst vervollständigt hat. Es ist eine befriedigende Erfahrung, sowohl für den Therapeuten als auch für den Klienten, zu lernen, diesem Prozeß zu vertrauen und zu wissen, daß ein starker „Instroke“ sich ganz natürlich umdrehen und nach außen fließen wird. Dies macht das abgewandelte Pulsationsmodell aus, und natürlich auch, was es für die Arbeit mit „Soft Structures“ (weichen Körperstrukturen) bedeutet.

In der Arbeit sind Yweiche Strukturen°, wenigstens dem Anschein nach, kooperativ. Sie tun oft das was von ihnen gewünscht und erwartet wird, aber sie kommen nicht zum gewünschten Ergebnis. Sie bewegen sich, schlagen mit den Armen und Händen, sie treten mit den Füßen und schreien, aber alles, was sie tun, scheint kraftlos und kurzlebig. Sogar das Stimmvoiumen mag da sein, aber der Ton ist dumpf.

Die Beine können treten oder die Fäuste schlagen, aber die Bewegungen sind kraftlos. Es ist keine Ladung dabei, keine Pulsation damit verbunden, und wenn, dann sind sie unfähig, sie aufrechtzuerhalten. Sie sind strukturell nicht in der Lage aufzuladen, da ihr strukturelles Funktionieren ein physischer Zustand ist, der sich über Jahre hinweg entwickelt hat.

Keleman drückt dies so aus: „Das tatsächliche Atemmuster ist individuell. Beobachten Sie, wie ein Mensch atmet und wie seine Struktur mit dem Atemmuster verbunden ist. Man kann nicht ein endomorphes Atemmuster bei einer ectomorphischen Struktur benutzen. Ein Mensch mit einem kurzen Hals atmet nicht gleich wie ein Mensch mit einem langen Hals.“

Wenn man von ihnen etwas verlangt, das sie aufgrund ihrer Struktur nicht leisten können, werden ihre Abwehrmechanismen mobilisiert. Sie fühlen sich überrumpelt, hilflos und/oder angegriffen. Sie erleben die Welt, den Therapeuten als Bedrohung. Wieder wird von ihnen etwas verlangt, von dem sie spüren, daß sie es sich nicht leisten können, und so ziehen sie sich ärgerlich zurück. Sie „spielen“ die Hilflosen, und hier liegt, wie auch Perls in seiner „topdog/ underdog“-Dynamik aufzeigt, ihre Stärke. Sie haben sich wieder in ihre Burg zurückgezogen, sind abgeschlossen durch die hochgezogene Zugbrücke, und sie sind gewappnet für eine Belagerung.

Sie fühlen sich sicher, weil sie den ihnen zur Verfügung stehenden starken Fluß der Pulsation nach Innen genutzt haben. Genauso, wie der Wutblockierer den nach Außen gerichteten „explosiven“ Fluß bei einer Bedrohung einsetzt, wissen auch die scheinbar passiven Charaktere des weichen Körpertyps, daß ihre Stärke im „Instroke“ liegt. Wenn hiermit also nicht gezielt gearbeitet wird, kann aus der Einwärtsbewegung der Pulsation leicht eine tatsächliche Kontraktion werden.

Der Schlüssel zur Arbeit mit diesen Menschen liegt darin, zu begreifen, daß der „Instroke“ ein Sammeln, eine Selbstorganisation sein kann und daß er gerade deshalb dazu benutzt werden kann, sich wieder nach Außen zu bewegen, ohne im Inneren festgehalten zu werden. Es ist also mehr ein Arbeiten mit dem, was fälschlicherweise „Widerstand“ genannt wird, als ein Arbeiten dagegen.

Gegen die Richtung des Flusses zu kämpfen, führt mit Sicherheit dazu, daß er zum Widerstand wird. Sich mit dem vorhandenen Energiefluß zu bewegen, bedeutet, ihn für das gewünschte Resultat zu verwenden. Für mich bedeutet dies, die Einwärtsbewegung der Pulsation zuzulassen und darauf zu vertrauen, daß sie sich mit Hilfe der richtigen Arbeit umdreht und zu einer expansiven Phase entwickelt.

Weiche Strukturen werden, wie schon erwähnt, allgemein als Menschen mit wenig Energie angesehen, die weder fähig sind, Ladung aufzubauen noch sie zu halten. Dies zu sehen, ist ein wichtiger Bestandteil beim Beginn der Arbeit mit ihnen. Die beste Möglichkeit es zu lernen, ist, den Ladungsprozeß als ein stetiges Sammeln oder als den Aufbau eines Momentums zu sehen. Dann haben Klienten mit dieser Struktur die Gelegenheit – während der Arbeit, sowohl in einer einzelnen Sitzung als auch über einen längeren Zeitraum fortschreitend – beides zu lernen: zu laden und die Ladung auf einem langsam immer höher werdenden Niveau zu halten.

Die grundlegende Orgasmusformel ist auch hier wirksam, obwohl der Ladungsprozeß sich anders als bei den harten Körperstrukturen entwickeln muß. Im Grunde genommen entspricht es einer etwas veränderten Darstellung der Orgasmus-Formel, wie sie von Reich in „Die Funktion des Orgasmus“ beschrieben wurde. Die Veränderung und Betonung liegt in der Übertreibung des langsamen und stufenweisen Ansteigens der Ladung während des Ladungsprozesses.

Während ein weicher Strukturtyp zu laden beginnt, entwickelt sich mögliche-weise Widerstand. Eine Vielzahl von Reaktionen resultieren hieraus: Hyperventilation, Schwindelgefühle, Geistesabwesenheit, unkoordinierte Bewegungen, Reden oder Intellektualisieren. Wird dem Ladungsprozeß hier jedoch erlaubt abzufallen, und der Person in der Zwischenzeit Gelegenheit gegeben, sich ein wenig zu bewegen, sich zu strecken, um im Anschluß einen zweiten Ladungsprozeß zu beginnen, dann kann die Ladung meist erhöht und auf einem höheren Niveau toleriert werden.

Ich denke, es ist falsch, die oben erwähnten Widerstände als reine Widerstände anzusehen, denn der Körper kann aufgrund seiner Struktur nicht sehr tief atmen und er kann keine Ladung halten.

Bevor diese Menschen in der Lage sind, Ladung aufzubauen und zu halten, muß auf der Körperebene ein bestimmter Lernprozeß eingetreten sein. All die unkoordinierten Bewegungen, die zu starker Ladung folgen, Gähnen, Jucken und Strecken sind möglicherweise ein Versuch des Körpers, sich tatsächlich nach „Außen“ zu bewegen. Sie müssen nicht nur ein zwangsläufiges Zeichen von Zerstreutheit oder Abwehr sein.

Ein kurzzeitiges Abfallen des Ladungsprozesses bedeutet nicht unbedingt den Verlust der Ladung. Im Gegenteil; das oben erwähnte stufenweise Ansteigen der Ladung ermöglicht uns ein besseres Verständnis davon, was passiert, wenn man dem Atem gestattet abzufallen, um dann nach einer Weile wieder von vorne anzufangen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man mit diesem Ansatz ein „schaukelndes“ Momentum aufbaut, das sich langsam verstärkt und bis zur Entladung aufgebaut werden kann. Der Ladungsprozeß, so wie er hier beschrieben wird, ähnelt sehr dem Bild eines Autos, das man aus Schnee oder Sumpf zu fahren versucht: man beschleunigt (atmet), dann geht man vom Gas weg (entspannt, streckt sich).

Man läßt sich rückwärts rollen, bis der Antrieb wieder „greift“, und dann beschleunigt man wieder. Hier wird die Bewegung genutzt, die sich durch das Schaukeln auf natürliche Weise entwickelt, anstatt gegen sie anzukämpfen. Man kann also versuchen zu verhindern, daß das Auto rückwärts rollt und dagegen ankämpfen, oder man kann lernen, diese Bewegung zu seinen Gunsten auszunutzen.

Dasselbe trifft auf die Pulsation zu: Man erlaubt die sowieso vorhandene eigenständige Ansammlung von Energie, den „Instroke“, und benutzt dann die dadurch entstandene Kraft und das Momentum, um sich wieder nach Außen zu bewegen. Man nimmt den Atem zu Hilfe und „treibt“ ihn an, wenn der Kreislauf sich verändert. Dies ist ein gutes Arbeitsmodell eines sich entwickelnden Ladungsprozesses, das während einer Sitzung sehr wirkungsvoll angewandt werden kann. Für mich entsteht hier ein Aufbauprozeß innerhalb jeder einzelnen Sitzung und in der Zeit danach.

Lassen Sie die Ladung aufbauen und dann wieder abfallen. Lassen Sie sie wieder aufbauen und dann wieder abfallen. In Kelemans Worten: es ist ein „…Aufbau der Schwingungsweite“, der sich entwickelt. Zwischen Ladungsphasen kann es viel Gähnen und Strecken geben. Es braucht nicht als Gegenpulsation oder Widerstand angesehen zu werden; vielmehr ist es ein Versuch zur Expansion. All diese Aktivitäten helfen die Struktur zu lockern und zu expandieren.

Wenn man auf diese Art und Weise arbeitet, befaßt man sich direkt mit einer Reihe von Charakterproblemen. Wie bereits erwähnt, haben viele Menschen dieser Struktur starke Angst-Anteile. Arbeitet man mit ihnen in der vorher beschriebenen Art und Weise, so gibt man ihnen das Gefühl von Kontrolle, und sie lernen, eine immer höhere Ladung zu entwickeln, ohne sich von ihr „überfluten“ zu lassen. Dies steigert ihr Gefühl, gut geerdet zu sein, und gibt ihnen einen stärkeren Halt, wenn Angst oder andere starke Gefühle hochkommen, und schafft eine Bereitschaft, wirklich loszulassen.

Es gibt den Klienten auch das Gefühl, daß die Arbeit und ihre Ergebnisse von ihnen selbst, aus ihrem eigenen Innern kommen. Sie sind diejenigen, die es „tun“. Sie haben nicht das Gefühl, daß mit ihnen etwas „getan“ wird. Somit wird die Bedürftigkeit und Hilflosigkeit direkt konfrontiert, und gleichzeitig wird das Gefühl von Angegriffen- und Bedrängtwerden vermieden, was diese Strukturen, so oft als von der Außenwelt auf sie zukommend, erleben.

Die Verantwortung wird viel direkter den Klienten übertragen. Sie können ihre Eigenverantwortlichkeit erfahren und sind deshalb besser in der Lage, Entscheidungen zu treffen: durch den immer wiederkehrenden Prozeß von „Laden und Entspannen, Laden und Entspannen“ tritt ein Lernprozeß ein, bei dem sie immer wieder mit ihren persönlichen Grenzen in Kontakt kommen und gleichzeitig die Möglichkeit haben zu realisieren, daß, wenn überhaupt, sie selbst es sind, die sich im Weg stehen. In diesem Bewußtsein können sie wählen, ob sie ein Problem angehen oder nicht. Sie lernen schrittweise mehr darüber, wie sie blockieren und abwehren; und wieder liegt die Verantwortung für eine Veränderung bei ihnen selbst.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß sie in der Anwendung dieses Arbeitsansatzes eine bessere Gelegenheit haben, ein Erfolgserlebnis zu erlangen. Sie werden nicht gebeten, alles auf einmal zu tun. Sie werden gebeten, bis zu ihrer persönlichen Grenze zu gehen, zu wissen, wo diese ist, und zu entscheiden, ob sie über diese Grenze hinausgehen wollen oder nicht. Hiermit ist ein größeres Gefühl von Wertschätzung und Akzeptanz für sie selbst – so wie sie sind – geschaffen, und es wird ein Großteil der destruktiven Widerstände vermieden, die häufig dann zwischen Therapeut und Klient auftreten, wenn der Klient sich nicht genug respektiert, angenommen und verstanden fühlt.

Die Arbeit sollte langsam und stetig vorangehen: besonders in der Anfangsphase, in der im behavioristischen Sinne aufeinanderfolgende, sich gleichende Arbeitseinheiten benutzt werden, bis sich die Struktur lockert und der Klient in der Lage ist zu laden und strukturell und charakterlich gelernt hat, eine erhöhte Ladung und mehr Fluß zuzulassen. Eine unterstützende und ermutigende Grundhaltung, viel Geduld und ein wirkliches Gefühl von Annahme ist hier wichtig für den Klienten. Carl Rogers Konzept von bedingungsloser positiver Achtung ist die Art von Akzeptanz, die ich hier für notwendig hafte.

Benutzen Sie das Momentum, den Antrieb, des sich selbst sammelnden Flusses, des „Instroke“, und verstehen Sie, daß sich sein Fluß und Rhythmus generell von einem offenen oder gegen die natürliche Pulsation gerichteten Fluß unterscheidet. Er ist tiefer und langsamer. Die Ausdrucksbewegungen, die mit diesem Fluß verbunden sind, sind oft langsamer und scheinen von weit weg zu kommen, aber sie kommen aus einem tiefen Innern.

Sie sind begleitet von einer Kraft, die noch nicht in der Lage ist, sich wirklich auszudrücken, die immer noch nicht voll nach außen fließt, aber auch nicht wirklich kontrahiert ist. Die Kraft ist vorhanden, aber noch nicht in ihrer ganzen Potenz verfügbar. Geben Sie der Bewegung Zeit, sich zu entwickeln. Werden Sie nicht ungeduldig! Der Fluß ist nicht kontrahiert, sondern nur etwas verworren.

Augenarbeit ist sehr wichtig. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es von Vorteil ist, die Arbeit mit geschlossenen Augen zu beginnen und die Augen länger geschlossen zu halten, als dies in der Radix-Arbeit üblich ist. Dem Klienten wird dadurch die Zeit gegeben, die er benötigt, um tief in sich zu gehen und einen guten Kontakt zu dem sich nach Innen und dann nach Außen bewegenden Fluß herzustellen, bevor er selbst nach Außen geht. Werden die Augen zu früh geöffnet, beginnt ein Fluß nach Außen, bevor der Klient wirklich „Innen“ war.

Der Fluß ist dann unterbrochen und die Entladung ist geschwächt oder zerstreut oder unvollständig. Es ist wichtig, daß dem „Instroke“ erlaubt wird, sich zu vervollständigen. Dann entsteht eine natürliche und automatische Umkehr, weil die Expansion mit einer in ihrer Menge viel stärker angesammelten Kraft beginnt.

Der Fluß wird direkt und klar nach Außen gehen.

Es mag einige Bedenken geben, jemanden, der schon „kontrahiert“ ist, noch zusätzlich zu ermutigen, dem „Instroke“ zu folgen, weil er dadurch ermutigt werden könnte, im Innern festzuhalten. Wäre dies richtig, dürften wir niemals Wut-Strukturen (Termini der Radix-Arbeit) ermutigen, nach „Außen“ zu gehen, weil sie bereits „draußen“ sind und dann möglicherweise „draußen“ bleiben würden.

Anfänglich wird die Entladung als nicht ganz vollständig erscheinen; und in einem gewissen Sinne ist sie das auch noch nicht. Sie scheint vielleicht „kontraktiv“ und etwas langsamer zu sein, begleitet von einem Gefühl tiefer innerer Ausdehnung. Mit einem definitiven Gefühl nach etwas zu greifen, dem Versuch, sich beinahe an etwas festzuhalten, um es dann langsam und etwas schleppend nach „Außen“ zu bringen. Das „etwas“ ergreifen wollen, ist die Bewegung nach Innen.

Das Schleppende, Zähe entsteht dadurch, daß die Bewegung nach Außen noch neu und ungeübt ist. Gewollt lauteres Schreien oder gewollt stärkeres Schlagen beschleunigt oder erleichtert die Entladung selten. Vielmehr führt es meist zu einem Kurzschluß und unterbricht die langsameren, um den „Outstroke“ ringenden Bewegungen. Die Kraft geht dabei verloren. Die Entladung wird leer und gehaltlos, mit nur wenig oder sogar ohne ein vegetatives Element.

Auch ein zu frühes Öffnen der Augen würde zu einem ähnlichen Kurzschluß führen. Vielleicht ist es hilfreich, den Prozeß als eine Zeitlupen-Entladung anzusehen. Die normale Zeitabfolge ist verlangsamt, wodurch der Entladung (dem „Outstroke“) Zeit gegeben wird, sich zu entwickeln. Menschen mit dieser Körperstruktur haben dadurch Zeit, ganz nach Innen zu gehen – dahin, wo sie leben, wo ihre Kraft ist – um von ihrer Energie „Besitz“ zu ergreifen und sie dazu zu verwenden, sich nach Außen zu bewegen.

Es ist wichtig, nicht weiterzugehen als die sich rhythmisch und selbst entwickelnde Pulsation. Genauso wie eine hysterische Struktur über die Pulsation hinweggehen will, wird man diese Menschen, wenn man sie anweist, zu früh nach Außen zu gehen, oder wenn man versucht, sie weiter zu bringen, als sie tatsächlich sind, von den sich langsam entwickelnden vegetativen Prozessen wegbringen.

Ermutigen Sie den Klienten, einen Ton kommen zu lassen, da er hilft, den Energiefluß anzuregen und einen zusammenhängenden Fluß von den unteren zu den oberen Segmenten zu schaffen. Doch erzwingen sie ihn nicht. Es ist wichtiger, das Gefühl zu spüren, den Ton zuzulassen, als ihn bewußt zu machen. Genauso wie beim zu frühen Öffnen der Augen oder beim zu schnellen Treten mit den Beinen etc. wird das bewußte Machen oder Erzwingen eines Tones den Klienten von dem, was sich vegetativ im Körper entwickelt, abbringen.

Ich arbeite hauptsächlich mit einer niedrigen Ladung. Ich verwende bioenergetische Übungen: nicht, um zu laden, den Körper zu ermüden oder Erschöpfung herbeizuführen, sondern zur Lockerung. Das Atmen wird nicht verstärkt, sondern der Klient atmet tief in den Bauch und übt während des Ausatmens einen leichten Druck auf die Fußsohlen aus. Dies führt zu einer leichten Neigung des Beckens, ohne daß dabei der untere Teil des Rückens angehoben wird. Der Bauch und der untere Rücken dienen hierbei als ein „Scharnier“, so daß sich beim Ein- und Ausatmen eine leicht schaukelnde Bewegung entwickelt. Gelegentlich hilft ein kleineres Kissen, das unter das Steißbein gelegt wird, daß das „Scharnier“ leichter entsteht.

Ich glaube, daß diese Bewegung bei der niedrigen Ladung keine verfrühte Arbeit mit dem Becken in Gang setzt, sondern eher im Laufe des „Instroke-Outstroke“-Zyklus eine umfassende Körpereinheit schafft, die die Entladung ganz wesentlich erleichtert. Indem beim Ausatmen Druck auf den Fußsohlen lastet, bleibt der Körper gerader; es kommt in den unteren Körpersegmenten weniger zu seitwärts gerichteten Bewegungen, und die Energie hat einen offeneren, direkter gerichteten Weg, durch den sie fließen kann.

Es ist meines Erachtens schwierig, einen guten Energiefluß nach oben, durch die oberen Segmente zu bekommen, wenn die unteren Körpersegmente, die Quelle des Flusses, gegenpulsiert oder ungerichtet sind. Die Entladung ist stärker zerstreut, verworren in ihrer Qualität oder unvollständig, wenn nicht eine umfassende Körpergesamtheit besteht.

Häufig kommt es in der Körpermitte zu einem kontraktiven Zusammenfalten des Körpers, bei dem sich Kopf und Schultern von der Matte heben und die Knie sich zur Brust bewegen. Ich sehe dies aß eine sehr wichtige Bewegung nach Innen an und verstärke diese Bewegung, indem ich die Bewegung mit meinem Körper unterstütze, während sie sich entwickelt. Manchmal lasse ich den Klienten sich auf die Seite legen und zusammenrollen. Der Organismus befindet sich in einem sehr starken, nach Innen gerichteten Fluß, und wenn man diesem Prozeß erlaubt, sich zu vervollständigen, entsteht eine sanfte und gleichzeitig kräftige Entfaltung, die mit einer sehr starken Expansion und Offenheit verbunden ist.

Die Expansion ist dann gewöhnlich langsamer und weicher als die meisten Entladungen, aber sie kann auch mit all der Kraft und Stärke, die mit dem Entladungsprozeß verbunden ist, herausbrechen. Ist sie langsamer, entsteht das klare Gefühl, daß sich der Organismus öffnet und weich wird. Bricht sie heraus, kann sie von starken Gefühlen begleitet sein.

Bisher haben die spezifischen Gefühle, die mit diesem Prozeß verbunden sind, wenig Erwähnung gefunden. Für mich ist die Arbeit mit diesem Ansatz sehr stark auf der physischen und energetischen Ebene angesiedelt. Emotionen kommen auf, aber sie sind weniger häufig, und man könnte sie fast als ein positives Nebenprodukt bezeichnen, denn sie sind nicht der zentrale Schwerpunkt dieser Arbeit. Meist haben die Entladungen Gehalt, aber wie schon zuvor erwähnt, werden weniger Gefühle an sich erlebt. Es entsteht eher ein starkes Gefühl von Pulsation und Energiefluß.

Im Augenblick gehe ich davon aus, daß die Gefühle eher ein natürliches Endprodukt eines solchen Prozesses sind als das einzige wichtige Ergebnis, auf das wir hinarbeiten sollten. Die Arbeit mit Gefühlen kann uns in Kontakt mit dem Energiefluß bringen, denn er ist ihr Ursprung. In der hier beschriebenen Arbeit sehe ich jedoch den Energiefluß als Hauptschwerpunkt an und erachte die Gefühle, wenngleich sie von großer Bedeutung sind, eher als eines der Endprodukte des vegetativen Prozesses.

Es gibt einige spezifische Übungen, die hilfreich für diese „weichen“ Körperstrukturen sind, Pulsation zu entwickeln, und die die Arbeit mit dem „Instroke“ unterstützen. Das Grundkonzept, das diesen Übungen unterliegt, ist das Verständnis der Annäherung an die Pulsation in einer stetig anwachsenden und tiefer werdenden Art und Weise, wobei das Konzept des Antriebs durch das Momentum als zentraler Punkt genutzt wird.

Eine Übung ist das Schlagen mit einem Handtuch, das hier per Rückhand – wie beim Tennisspielen – ausgeführt wird. (Das Handtuch wurde vorher eng zusammengerollt). Lassen Sie den Klienten eine breitbeinige Stellung einnehmen. Mit einer schlagenden Bewegung auf Hüfthöhe dreht sich der Klient mit dem Körper nach Außen, um Schwung zu holen, dann dreht er sich wieder nach Innen und schlägt mit dem zusammengerollten Handtuch an eine hervorstehende Matte an der Wand oder einen anderen geeigneten Gegenstand; wichtig ist dabei, daß es sich um ein „Schlag-Ziel“ handelt, das in den Raum hineinragt oder freisteht.

Der Klient macht beim Schlagen einen Ton und bewegt – wenn er will – den anderen Arm ebenfalls nach Außen, um dadurch eine Ausdehnung des Schulter- und Brustbereiches zu erreichen. Besser noch ist es, jeweils einen Schritt seitwärts zu machen und sich in die Richtung zu lehnen, in die er schlägt. In der Bewegung mit der Rückhand scheint ein Element zu liegen, welches gut zu diesen Strukturen paßt, und das im Gegensatz zu der viel direkteren Arbeit mit dem Tennisschläger steht.

Eine weitere Übung besteht darin, den Klienten in einer langsamen, kraftvollen Art gegen die Wand stoßen zu lassen. Er stellt sich im Ausfallschritt vor die Wand, beugt das vordere Knie und legt die Hände flach an die Wand. Dann neigt er sich langsam nach vorne, winkelt die Arme an und stößt sich mit einer Auf- und Vorwärtsbewegung ab, wobei die Hände flach an der Wand liegen bleiben sollten. Dies wird immer aufs Neue wiederholt. Der Atem soll sich selbst regulieren. Der Ton kann am Anfang ruhig ein bißchen verbissen oder kämpfend sein. Wenn der Klient im Laufe der Übung immer stärker nach

vorne stößt und diese rhythmische Stoßbewegung – vor und zurück – ausführt, sollte das hintere Bein bei ungefähr 45° eine gerade Linie zur Senkrechten bilden. Die Geschwindigkeit bei dieser Übung kann stark zunehmen, aber sie sollte nicht zu schnell ausgeführt werden; das Gefühl der sich langsam aber bestimmt aufbauenden Kraft sollte bei jedem Stoß spürbar sein.

Eine Abänderung der Übungen „Palming“ (Bedecken der Augen mit den Handflächen) und „Sunning“ (das Aufnehmen des Sonnenlichtes in den Organismus durch den Atem und die geschlossenen Lider), auch „Shutters“ (bedeutet Fensterladen), ist ebenfalls von Nutzen. Der Klient legt die Handflächen auf die geschlossenen Augen, so lange, bis er sich an das Dunkel gewöhnt hat, und öffnet dann die Handflächen ganz langsam, so als ob er die „shutters“ (Fensterläden) öffnet und das Licht langsam hereinströmt. Sobald die Augen sich an die Helligkeit gewöhnt haben, schließen sich die Handflächen wieder, und der ganze Prozeß wird wiederholt. Die Grundprinzipien der Übungen „Palming“ und „Sunning“ aus der Augenarbeit von Bates gelten auch hier.

Es gibt auch eine Gestaltübung, die dazu benutzt werden kann, die Augen in Kontakt mit der Pulsation zu lockern. Sie kann in Gruppen, mit Paaren oder in der Einzelarbeit verwandt werden. Es gibt natürlich auch in den Augen einen ständig pulsierenden Fluß, das subtile Gefühl einer pulsierenden Bewegung nach Innen und Außen. Der Klient stellt einen nicht-starren Augenkontakt zu seinem Gegenüber her, atmet nur wenig und spricht gleichzeitig und ständig mit seinem Partner die beiden folgenden Sätze: „Ich komme raus“ und „Ich bewege mich nach innen“. So berichtet er über eine gewisse Zeit, in welche Richtung die Pulsation sich bewegt. Auf diese Weise wird er sich seiner Pulsation mehr bewußt und bekommt eine Vorstellung und ein Gefühl dafür, wie sich sowohl das „Nach-AußenGehen“ als auch das „Nach-Innen-Gehen“ anfühlt. Das Sprechen der beiden Sätze geschieht kontinuierlich und dauernd, auch wenn es sich wiederholt.

Andere Übungen können leicht entwickelt werden, indem man das Grundprinzip der Pulsation und der sich steigernden Schwingungsweite, der „Amplitude“ des „Outstroke“, anwendet. Bilder wie die Surfwellen oder auch das Springen auf einem Trampolin geben anschauliche Beispiele für die pulsierenden Eigenschaften. Wann immer man mit diesem Modell arbeitet, sollte man das Grundprinzip für diese Arbeit nicht aus dem Auge verlieren: die Betonung liegt darauf, mit dem Fluß der Energie zu arbeiten, welche Richtung er auch immer nehmen will. Ich hoffe verständlich gemacht zu haben, daß bestimmte Strukturen energetisch am besten zu mobilisieren sind, wenn man ihnen erlaubt und ermöglicht, sich zuerst nach Innen zu bewegen, weil dies die primäre Richtung ihrer Pulsation ist. Und ich hoffe deutlich gemacht zu haben, wie der „Instroke“, wenn er seiner Eigenschaften entsprechend genutzt wird, erfolgreich und kraftvoll zu einer offenen expansiven Phase werden kann.

[1] Zu diesem Thema bringt „Bukumatula“ in einer der nächsten Ausgaben einen weiteren Beitrag von Will Davis.

Literatur: Keleman, Staniey, Energy and Character, Vot. 10, No. 2
[2] Kelley, Charles, Radix Journal, Vol. 1 und 2, Radix Institute, Ojai, California
Reich, Wilhelm, Die Funktion des Orgasmus, Wien 1927

Hinweis: Im November dieses Jahres wird es ein Fortbildungsseminar mit Will Davis in Wien geben (Information: Werner Pitzal, Tel.: 02233/3096).

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