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Bukumatula 2/1993

Die Technik von Points and Positions – Teil 2

Will Davis Skizze einer neo-reichianischen Methodologie
Fortsetzung von Bukumatula 1/93
Übersetzung: Monika Urbach

In der Praxis geht es um eine direkte Manipulation des Körpers des Klienten, während er auf der Matratze liegt. Die Wirkung und wie der Klient sie verarbeitet – sein oder ihr Funktionieren während oder nach der Arbeit – entscheidet darüber, wie weitergemacht wird. Eine Hälfte der Manipulations-Technik – „positioning“ – wurde von Jones als eine Technik entwickelt, um physischen Streß und Schmerz freizusetzen, der durch ein Aus-der-Balance-sein der physischen Struktur verursacht wird. Sie ist eine rein physische Behandlungs-Technik, die „… das Konzept somatischer Fehlfunktion von dem eines mechanischen Typs struktureller Unordnung zu dem einer reflex-neuromuskulär bedingten Fehlfunktion“ entwickeln half.

Ich habe diese Technik zu einem Konzept energetischer Fehlfunktion weiterentwickelt (siehe „Releasing Muscular Armor“ in: Energy & Character, Vol.16, No.1, 1985).

Bei Jones“ Technik wird der kontrahierte Muskel isoliert und gedrückt, wie um ihn zu verkürzen. Das erzeugt eine neuromuskuläre Antwort, die die muskuläre Kontraktion freisetzt. Aus bioenergetischer Perspektive: da der Muskel jetzt künstlich in seinem kontrahierten „Sicherheits-“ Zustand gehalten wird, kann er zunehmenden Energiefluß durch- und zulassen_ Gleichzeitig ist die Energie, die bei dem anfänglichen Blockierungs-Prozeß „aufgesaugt“ und benutzt wurde, befreit, sodaß sie sich wieder dem Hauptenergiefluß anschließen kann. Sie steht dem Organismus wieder zur Verfügung.

Der zweite Teil der Manipulation-Technik, die „Points“, wurde von mir entwickelt. Es gibt einige Überschneidungen mit Akupunktur-Punkten, aber das ist zufällig. Diese Punkte sind, geschichtlich gesehen, näher an den „Auslöser“-Punkten, die in erster Linie von Chapman und Travel beschrieben wurden. Aber das bedeutet nicht, daß es dieselben Punkte sind, oder dasselbe konzeptionelle Verständnis habe. Das Ziel bzw. Ergebnis beim Stimulieren von Auslöse-Punkten ist gänzlich verschieden davon, wie sie in der Points-and-Positions-Arbeit benutzt werden. Anatomisch liegen diese Punkte am Ursprung und an den Einschlüssen von Muskeln und gelegentlich im Muskel selbst.

Die Betonung liegt nicht auf den Muskel-Kontraktionen, sondern auf der Faszien-Strukturierung. Willkürliche und kurzfristige unwillkürliche Kontraktionen dieses Typs sind in der physischen Struktur zu erkennen und zu bearbeiten. Ihr Effekt auf die Charakterstruktur ist nicht die muskuläre Kontraktion per se, sondern eine zunehmende Faszienstrukturierung. Dieses Verständnis ähnelt dem des Rolfing, wo ein chronisch gestresster Muskel sich selbst wieder stärkt, indem er zusätzliche Faszienstränge mit seinem Gewebe entwickelt und sie wieder absorbiert, wenn der Streß weg ist. Die Arbeit, die „muskuläre Kontraktionen“ befreit, ist tatsächlich Faszien-Arbeit_ Die Muskeln werden dementsprechend reagieren.

VORTEILE UND NACHTEILE

Es gibt einige Vorteile, wenn man sich dieser Methode bedient. Die aufkommende energetische Erfahrung kann kontrolliert und ausgerichtet werden. Damit vermeidet man die oft überwältigenden und kontrahierenden Aspekte von Aufladungs- und Entladungsarbeit. Der Klient lernt mit der Zeit für sich selbst, wie der auftauchende Fluß zu eröffnen – noch wichtiger -wie er bewußt zu verringern bzw. zu schließen ist. Das schafft Vertrauen, Sicherheit und Erleichterung. Es verhindert die Angst vor dem, was hochsteigt, dem am meisten üblichen Blockierungsprozeß. Wenn der Klient einmal hinter die Angst vor dem, was aufsteigt, gekommen ist, bewegt sich die Arbeit auf der Prozeß-Ebene. Auch macht es die Klienten mehr zum Teilnehmer an ihrem eigenen Heilungsprozeß. Außerdem läßt es sie mehr Verantwortung für ihn übernehmen. Es ist nicht etwas von außen Verwaltetes, sondern etwas, das von innen kommt.

Dies ist Peter Levines Position ähnlich, obwohl der ja speziell über die Entladungs-Formel schreibt und hier für einen „biologischen Regulierungs-Rhythmus“ argumentiert, wodurch die Erfahrung des Klienten voller sei „als wenn er manipuliert worden und deshalb ganz von der Lehrer-Therapeuten-Beziehung abhängig wäre, um zu entspannen“ (Peter Levine: Autonomic Stress and Vegetotherapy, in: Energy & Character, Vol.10, No.2, 1979).

Mit Points-and-Positions kann man entweder die nach innen oder die nach außen gerichtete Pulsation der Energie vereinfachen. Unterschiedliche Charakterstrukturen blockieren verschiedene Richtungen der Pulsation. Z.B., in Radix-Begriffen, blockiert eine „Angst“-Struktur die nach innen gerichtete Pulsation, während die „Ärger“-Struktur die nach außen gerichtete blockiert. Es ist nützlich zu wissen, welche Richtung unterbrochen wurde, um dem Klienten zu helfen, diese Richtung zu vervollständigen. Gewöhnlich ergibt sich dies aus der Reaktion der Klienten auf die Arbeit; sie vervollständigen spontan die unvollständige Richtung, wenn sie beginnen, ihre gesamte Pulsation zu erhöhen.

Ein Nachteil von hoher Ent- oder Aufladungsarbeit ist gewöhnlich das Nachlassen der Bewußtheit und der übernommenen Verantwortlichkeit. Wie Ron Kurtz in „The Hakomi Manual“ hervorhebt: wenn einer „die Welle reitet“, bleibt wenig Zeit, einen Baumstamm zu ergreifen und die Lage zu überprüfen. Das wird in ruhigeren Gewässern getan. Wenn man mit bestehender Ladung arbeitet und ihre steigende Intensität kontrolliert, ist der Klient bewußter für die Erfahrung und kann sie weiterführen, wenn sie auftritt. Er ist in einer besseren Position, um die geschichtliche Vergangenheit im gegenwärtigen Moment als verantwortlicher, mitfühlender Erwachsener zu erfahren.

Er erlebt die Vergangenheit nicht nur als machtloses Kind. Mit dieser Veränderung des Schwerpunktes kann er etwas mit dieser Erfahrung anfangen, während er bei ihrem ersten Auftreten nur reagieren konnte. Die Erfahrung des Klienten kommt mehr von innen. Sie wird als das eigene Selbst erfahren und nicht als etwas, was einem in der Vergangenheit von jemandem angetan wurde oder im Zusammenhang mit den Interventionen des Therapeuten steht. Es gibt weniger Projektion, Interpretation, Widerstand, Abhängigkeit vom Therapeuten, etc.

Symbole werden benötigt, wenn die Realität nicht erhältlich ist. Points-and-Positions scheint eine konkrete, klare und gegründete Erfahrung davon zu enthalten, wer die Person ist und was zu tun bzw. zu unterlassen ist. Die Person fühlt weniger Erwartungen und Anforderungen an sich gestellt, es gibt mehr Raum zum Erforschen.

Aber es gibt auch einige Nachteile. Die Arbeit
von den emotionalen und psychologischen Modellen wegzunehmen, läßt die Klienten manchmal in der Leere. Z.B. kann ihr Verständnis vom Ablauf der Dinge in der Welt abhängig sein vom Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen. Wie hilft es meinem Liebesleben, wenn ich der linken Schulter erlaube, zu zittern? Was hat „tief hineingehen“ mit meinen Autoritätsproblemen zu tun? Sie können auch glauben, daß es wesentlich ist, daß sie den Arger auf ihren Vater verstehen oder daß sie ihn durcharbeiten müssen, um davon befreit zu sein. Sie können den übergang vom Psychologischen zum Funktionellen nicht vollziehen. Für die meisten Leute ist Energie nur eine Metapher und sie sind nicht willens, sie aufsteigen und ihren eigenen Verlauf nehmen zu lassen.

Ich fand es z.B. einfacher in Japan mit dieser Methode zu arbeiten, verglichen mit traditionellen Neo-Reichianischen Techniken. Die Japaner sind vertrauter mit energetischen Prozessen, sie haben kein pathologisches therapeutisches Modell. Wenn ihnen niemals gesagt wurde, daß sie, wenn sie die Beziehung zu ihrer Frau klären wollen, die Beziehung zu ihrer Mutter durcharbeiten müssen, macht es ihnen auch nichts aus, es nicht zu tun. Sie sind offener für die funktionale Ebene.

SCHLUSSBEMERKUNG

Diese Methodologie ist ein Versuch, tief in das einzudringen, was Reich bereits entdeckt und entwickelt hatte. Es ist ein Versuch „nach“ ihm etwas einzufügen, als er in seiner Arbeit immer tiefer ging.

Übersetzung: Monika Urbach
Kontaktadresse: Will Davis
Viktor Scheffel-Str. 18
D-8000 München 40

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