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Archiv ‘2005’ Kategorie

Buk 1/05 Nachmaterialistische Wissenschaft

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Bukumatula 1/2005

Nachmaterialistische Wissenschaft

Paradigmenwechsel handwerklich gestalten
Arnim Bechmann:

Prolog

der vorliegende Text stellt das Konzept eines Projektes vor, das derzeit am Zukunfts-Zentrum Barsinghausen vorbereitet wird. Trotz redlichen Bemühens ist es mir nicht gelungen, die Projektskizze auf den mir vorgegebenen Raum zusammenzupressen. Um den Text nicht durch zu massive Kürzungen vollständig zu verstümmeln, möchte ich in diese Publikation die Möglichkeiten des Internets einbeziehen.

Im Folgenden finden Sie eine Textfassung der Einführung und der beiden Hauptkapitel des Gesamtmanuskriptes. Es beschreibt den Kontext und das Kernkonzept des Projektes ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft – Paradigmenwandel handwerklich gestalten“. Die Abschnitte des Textes, die auf die Projektziele sowie auf die geplante Vorgehensweise eingehen, habe ich weggelassen. Das Gleiche geschah für die, den Text erläuternden Abbildungen.

Als Ergänzung zu den vorliegenden Ausfllhrungen finden Sie den Gesamttext einschließlich der zugehörigen Abbildungen als PDF-Datei im Internet (www.zzb.info ->Aktuell-> Service … ); er wird dort ab dem 21. März 2005 verfügbar sein.

Einführung

Schlüsselprojekte sind Projekte, die das Tor für eine neue Entwicklungslinie – sei es innerhalb einer Disziplin oder gar dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt insgesamt- öffilen. Derartige Schlüsselprojekte gab und gibt es immer wieder. Sie stellen Weichen innerhalb der Entwicklung von Wissenschaft. Galileis Untersuchung des Fallgesetzes, das Manhatten-Projekt, das zum Bau der Atombombe fllhrte, die Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA durch Crick und Watson, oder das Human-Genom-Project (HGP) waren oder sind Orientierung gebende Schlüsselprojekte unserer etablierten Naturwissenschaft.

Auch das im Folgenden vorgestellte Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ kann und soll eine Art von Schlüsselprojekt werden. Es soll einen Weg in den Erkenntnisraum einer erweiterten Naturwissenschaft öffnen. Das Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ soll die Grundannahmen und die Struktur des Paradigmas einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft umreißen sowie eine Plattform schaffen, auf der unkonventionelle Erfahrung verwissenschaftlicht und unkonventionelles Wissen mit den Erkenntnissen etablierter Naturwissenschaft zukunftsfllhig – d.h. auf den Boden eines neuen Paradigmas – verbunden wird.

Das am Zukunfts-Zentrum Barsinghausen vorbereitete Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ wird hier in Anlehnung an den Projektantrag vorgestellt, der derzeit ausgearbeitet wird. Dabei sollen vor allem der Sinn, der gesellschaftliche Nutzen und die grundsätzliche Durchfllhrbarkeit dieses Projektes betrachtet werden. Der vorliegende Text skizziert unter dem Stichwort ,,Ausgangssituation“ den strukturverändemden Wandel, den unsere Gesellschaft derzeit durchläuft.

Dieser Wandel kann-wenn auch sehr vereinfachend – als Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft bezeichnet werden. In diesem Übergang zerfllllt gewachsenes, erprobtes Altes und sprießt wildwüchsig zukunftsfllhiges Neues. Zeiten des Überganges sind sowohl von Erfahrungen und Wissen geprägt, die der untergehenden Zeit entstammen, als auch von Erfahrung und Wissen beeinflusst, die die ,,neu entstehende Welt“ ankündigen. Im Folgenden wird versucht beiden Wissensquellen gerecht zu werden.

Dabei wird als „verbindendes Prinzip“ das ,,Pragmatische Komplementaritätsprinzip des Wissens“ eingeführt und erläutert. In dem uns umgebenden gesellschaftlichen Wandel zeichnet sich inzwischen sehr deutlich die Herausbildung eines neuen naturwissenschaftlichen Weltbildes ab. Das hier vorgestellte Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft strebt an, die paradigmatischen Grundlagen und die Struktur dieses Weltbildes konstruktivistisch zu umreißen.

Der Begriff „Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ ist ein Arbeitsbegriff. Er soll zunächst nur deutlich machen, dass das derzeit noch herrschende materialistische naturwissenschaftliche Weltbild und von einem, erst in groben Konturen sichtbaren, nachmaterialistischen verdrängt wird. In den zurückliegenden Jahrzehnten sind in unserer Gesellschaft bereits viele Vorarbeiten fllr den Übergang zum Paradigma einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft geleistet worden. Auf sie kann nun zurückgegriffen werden.

Das Projekt „Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ wird die paradigmatischen Grundannahmen und die Grobstruktur des Konzeptes einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft zur Diskussion stellen, sowie deren Inhalte konkretisieren. Das Paradigma einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft bietet eine solide Grundlage, auf der unkonventionelle Erfahrungen im Umgang mit Natur und Leben verwissenschaftlicht und mit den Erkenntnissen etablierter (materialistischer) Naturwissenschaft zukunftsfllhig verknüpft werden können.

Vor diesem Hintergrund kann der Übergang zum Paradigma einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft vielen wissenschaftlichen Fachdisziplinen neue Orientierungen geben, die bis in die gesellschaftliche Praxis durchschlagen. Das Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ ist in mancherlei Hinsicht ein programmatisches Gegenüber, zu dem um die Jahrtausendwende mit großem Aufwand betriebenen Human-Genom-Project (HGP).

Beide Projekt zielen darauf ab, Lebensvorgänge tiefer und klarer zu verstehen als bisher. Das Human-Genom-Project wählt den Weg einer materialistischen Naturwissenschaft, während das hier vorgestellte Projekt den nachmaterialistischen Pfad einschlägt. Das Eine strebt an, die Organisation und die Steuerung lebender Systeme zu entschlüsseln, indem es deren materielle Bausteine einer möglichst präzisen Analyse unterwirft, während das andere vor allem die transmaterialen Eigenschaften lebender Systeme ins Auge fasst, um Erkenntnisse über ihr Verhalten zu gewinnen.

Eine Naturwissenschaft der Zukunft wird beide Sichtweisen aufeinander beziehen und in sich vereinen. Sie wird insbesondere das Zusammenspiel der materialen und der transmaterialen Dimensionen des Lebendigen zu untersuchen und zu verstehen trachten. Die sich formenden Wissensgesellschaften Westeuropas und Nordamerikas konnten und wollten sich ein, viele Milliarden teures, Human-GenomProject leisten. Sie sollten erst recht in der Lage sein, Projekte wie das hier vorgeschlagene zu finanzieren. Das Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ wird vermutlich nur ein Tausendstel der finanziellen Mittel des Human-Genom-Projektes bedürfen, um in der Sache überzeugende Erfolge erringen zu können.

Ausgangssituation

Vorbemerkung

Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts klingt eine Epoche naturwissenschaftlichen Denkens und Forschens aus, die den Menschen über zwei Jahrhunderte hinweg große Erkenntnisfortschritte beschert hat. Dem materialistischen Weltbild, das im 19. und 20. Jahrhundert vorgeherrscht hat, folgte eine neue Sicht der Dinge. Sie kilndigt sich auf breiter Linie an. Man kann ihre Konturen bereits erkennen, obwohl sie noch so gut wie keinen Eingang in die etablierten Institutionen der Wissenschaft gefunden hat.

Diese neue Naturwissenschaft wird sich vor allem auf das Verständnis der Intelligenz, der Organisation, der Steuerung und der Sinnstrukturen von  Natur- und Lebensprozessen konzentrieren. Sie wird nach der Wirksamkeit des Geistigen – das sie näher bestimmen und charakterisieren wird – im Naturgeschehen fragen und neue Formen des Umganges mit Natur und Leben begründen. Ihre Entwicklung wird – wenn auch durch Konflikte und Kämpfe – durch den Übergang der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft gefördert und vorangetrieben.

Die Wissensgesellschaft gründet ihr Handeln mehr und mehr auf Wissen. Sie gerät damit automatisch in das Ringen um die Grenzziehung zwischen Wissen und Unwissen. Ein verzerrtes, auf unzutreffenden Vorstellungen von Welt gegründetes Unwissen wird ihr zum Risiko und wirft Probleme auf, für die sie keine Löstn1g findet, so lange ihre Entscheidungsträger Unwissen für Wissen oder Wissen für Unwissen halten. Die nicht bewältigte Umweltkrise liefert ein exemplarisches Beispiel fUr diese Situation.

In unserem gesellschaftlichen Alltag entstehen bereits seit ca. zwei Jahrzehnten neue Formen des Umganges mit Natur und Leben. Sie werden hier als ,,Neue Praxis“ bezeichnet. Sie kilndigen den Wandel des naturwissenschaftlichen Weltbildes auf der Ebene der Alltagspraxis an.

Diese Neue Praxis präsentiert sich allerdings bislang nicht vorrangig durch wissenschaftlich gesichertes Wissen, sondern durch praktische Erfahrung, präwissenschaftliche Vorstellungen oder institutionell isolierte wissenschaftliche Außenseitertheorien. Sie wird getragen von einer, sich seit Beginn der 80er-Jahre formierenden, Gesellschaftsgruppierung, die hier als ,,Neue Unkonventionelle“ (Kultur-Kreative, Zivilgesellschaft, Neue Praxis, etc.) bezeichnet wird.

Vor uns liegt die Herausforderung das neue, unkonventionelle Wissen der ,,Neuen Unkonventionellen“ auf die Erkenntnisse herrschender Naturwissenschaft zu beziehen und zu verwissenschaftlichen sowie das herrschende naturwissenschaftliche Wissen, das fast durchgängig auf einem materialistischen Paradigma gründet, strukturell und paradigmatisch zu erweitern. Der Wandlungsprozess, den die modernen Gesellschaften durchlaufen, hinterlässt in ihnen tiefe Spuren. Er bringt Untergang und Neugeburt in einem.

Im Folgenden werden zentrale Aspekte dieses Übergangs, die sich unter Stichworten wie „Wissensgesellschaft“ und ,,Neue Praxis“ fassen lassen, angesprochen. Vom Obergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft Charakteristika der Wissensgesellschaft Man spricht heute gern davon, dass wir uns im Übergang zur Wissensgesellschaft befinden. Was ist damit gemeint?

In der Wissensgesellschaft spielt Wissen fUr alles gesellschaftliche Handeln eine zentrale Rolle. Gesellschaftliches Handeln soll durch Wissen begründet und verstanden werden können. Man könnte fast sagen, in der Wissensgesellschaft geht man davon aus, dass man nur handeln kann, wenn man auch weiß, was man tut. Gefragt ist dabei nicht nur das Wissen wie etwas getan werden kann, sondern auch warum und wozu dies oder jenes getan wird, wie es funktioniert und welche Folgen es hat.

Wissenschaftlich gesichertes Wissen genießt in der Wissenschaftsgesellschaft ein hohes Ansehen. Es ist Wissen, von dem man erwartet, dass es die Dinge über die man spricht erklärt, dass es so klar ist, um zwischen Menschen gut kommuniziert werden zu können sowie dass sich dieses Wissen systematisch und differenziert auf seine Gegenstande bezieht. Es ist offensichtlich, dass wissenschaftliche Erkenntnis und Alltagserkenntnis nicht weit auseinander liegen – zwnindest wenn beide zutreffende Vorstellungen von Welt beinhalten. Damit sind wir beim Begriff des Wissens.

Wissen bezeichnet eine zutreffende, d.h. wahre Vorstellung von Welt. Wissen in diesem Sinn, bildet „idealerweise“ die Basis fUr „wissensbasiertes Handeln“ das in der Wissensgesellschaft so hoch im Kurs steht. Wenn Wissenschaft etwas zu taugen beansprucht, dann sollten sich ihre Vorstellungen von Welt nicht zu weit von den Alltagserfahrungen der Menschen entfernen. Umgekehrt lassen sich Alltagserfahrungen von Menschen auch daran messen, ob und inwieweit sie von wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen abweichen. Die Probleme, die sich im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Alltagserkenntnis auftun, kennen wir alle.

Auf sie werde ich später zurückkommen. Zur Dialektik von Wissen und Unwissen Wenn man heute über Wissenschaft und ihre Bedeutung fl1r unsere Alltagswelt spricht, dann blickt man vor allem in Richtung der Natur- und der Ingenieurswissenschaften. Sie spielen fl1r unser alltägliches Leben und Handeln eine wichtige Rolle. Ohne Natur- und Ingenieurswissenschaften hätten wir keine Autos, keine Computer, keine Hochhäuser, keine Flugzeuge und so gut wie nichts von der Technik mit der wir uns umgeben. Natur- und Ingenieurswissenschaften erscheinen uns daher als harte, als sichere, als stabile Wissenschaften. Und dennoch gibt es in Bezug auf sie ein merkwürdiges Phänomen oder besser gesagt einen inneren Widerspruch, der unser heutiges gesellschaftliches Alltagsleben viel umfassender prägt, als wir im
Allgemeinen wahrnehmen. Ich will ihn als das dialektische Verhältnis von Wissen und Unwissen bezeichnen. Es lässt sich wie folgt beschreiben.

Je mehr wir auf der Basis unserer heutigen Naturwissenschaften über Natur und Leben wissen – und wir wissen darüber sehr viel – um so deutlicher und bedrängender wird zugleich auch unser Unwissen über Natur und Leben. D.h. je mehr wir wissen, um so besser erkennen wir, wie wenig wir wissen. Damit könnte man zwar leben und glauben, dass, wenn wir in Zukunft mehr und mehr wissen dieses Unwissen geringer wird. Dies ist jedoch nach aller Erfahrung nicht der Fall. Denn was geschieht?

Je mehr wir über die Welt erfahren, um so deutlicher erkennen wir, dass unsere heutige Naturwissenschaft zu bestimmten Lebensbereichen über die wir Alltagserfahrungen sammeln, also Alltagswissen gewinnen, nichts oder nur Unsinniges sagt. D.h., Unwissen ist nicht immer nur Nichtwissen, sondern Unwissen ist oft auch verzerrtes, falsches Wissen, unzutreffende Vorstellung von Welt. Diese Art des Unwissens behindert und irritiert uns in der Wahmehmung von Welt. Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern: Wir wissen heute in der Schulmedizin sehr viel über Wirkstoffe und was sie in einem Organismus auslösen können. Gleichzeitig stoßen wir auf drei Arten Unwissens bezüglich der Kenntnisse der Prozesse, die sich in einem Menschen abspielen, wenn er ein Medikament einnimmt.

  • Die erste Form des Unwissens liegt darin, dass fl1r so gut wie kein Medikament exakt vorausgesagt werden kann, ob es in Bezug auf den Medikamenteneinehmer, die angestrebte Wirkung erzielt. Auch klassisch getestete Medikamente geben hier nur Wahrscheinlichkeiten an.Die individuelle Reaktion von Menschen auf Medikamente ist um so deutlicher und vielfll.ltiger, je weniger hart das Medikament selbst in den menschlichen Organismus eingreift. Eine entsprechend hohe Dosis von Arsen vergiftet jeden Menschen. Wenn man die Dosis immer weiter reduziert, werden die Reaktionen jedoch sehr viel vielfll.ltiger.
  • Die zweite Art des Unwissens ist die des Unwissens über Nebenwirkungen oder gekoppelte Folgen. Wir haben gelernt, dass man viele Nebenwirkungen eines Medikaments auch dann nicht voraussagen kann, wenn man die chemische Zusammensetzung des Medikaments kennt. Es tauchen Reaktionen auf, die zunächst keiner vermutet hat, so z.B., dass plötzlich Prozesse stattfinden, die mit dem ursprünglichen Geschehen nicht viel zu tun haben. Man braucht nur die Beipackzettel von Medikamenten durchzusehen, auf denen ist solches Wissen verzeichnet.
  • Die dritte Art des Unwissens ist im vorliegenden Kontext noch interessanter.Zu ihr gehört z.B. das Unwissen der Schulmedizin über Homöopathie. Langsam lernt man, dass bei der Einnahme homöopathischer Mittel im statistischen Sinn signifikante Wirkungen auftreten können. Die Wirkung eines homöopathischen Medikaments ist jedoch und nicht nur erst ab D 30 – mit klassischer Naturwissenschaft und Schulmedizin bis heute nicht angemessen verstehbar. Es gibt keine, im naturwissenschaftlichen Sinn, stabile Erklärung für die Wirkung homöopathischer Mittel, die die wissenschaftstheoretischen Anforderungen erfüllen würde, die heute an wissenschaftliche Erklärungen zu stellen sind.

Die ersten beiden Formen des Unwissens bezeichnet man als immanentes Unwissen. D.h. man kann hoffen, dieses Unwissen durch die Gewinnung von mehr Wissen das in die gleiche Richtung zielt wie bislang schrittweise auflösen zu können. Die dritte Form des Unwissens lässt sich nicht so überwinden wie die ersten beiden. Sie beruht auf Erfahrungen, die nach dem herrschenden Wissenschaftsverständnis generell nicht auftreten dürften.

Schulmedizinisches materialistisches Wissen erklärt grundsätzlich nicht, wieso mit Alkohol versetztes Wasser oder wieso Zuckerkügelchen so vielfll.ltige unterschiedliche Wirkungen hervorrufen können, wie dies die homöopathischen Mittel tun. Hier stehen konventionelle Naturwissenschaftler vor einem „Wunder“, dessen Existenz sie so allerdings oft kategorisch abstreiten.

Selbst-Bedrohungen der Wissensgesellschaft

Kommen wir zum Thema Wissensgesellschaft zurück. Wenn sich unsere Gesellschaft weiter in Richtung einer Wissensgesellschaft entwickelt, dann werden uns in Zukunft die Grenzen unseres Wissens zunehmend beschäftigen.
Fehlprognosen, unterschätzte Nebenwirkungen, nicht richtig vorausgesehene zentrale Wirkungen irritieren, lassen Folgeprobleme entstehen. Kurzum, eine Wissensgesellschaft, die auf der Ebene von Halbwissen handelt, bewegt sich letztendlich mehr oder weniger deutlich am Abgrund, auch wenn man diesen Abgrund mit dem Begriff der Risikogesellschaft und der banalen Erkenntnis, dass jede Gesellschaft auch Risiken im Umgang mit Natur und Leben eingehen muss, verharmlost.

Noch problematischer wirkt jedoch die dritte Form des Unwissens, die wir hier als strukturelles Unwissen bezeichnen wollen. Diese Grenze macht uns deutlich, dass es Dinge gibt, zu denen die heutige Wissensgesellschaft zunächst keinen Zugang zu haben scheint, obwohl sie sich im Alltag dieser Gesellschaft abspielen. Am Beispiel der Komplementllnnedizin kann man sehr schnell erkennen, welche Probleme das Auftreten einer solchen Grenze bereitet. Nur Ignoranten können heute noch übersehen, dass viele komplementllnnedizinische Behandlungsverfahren und Medikamente deutliche Wirkungen zeigen.

Diese Wirkungen treten auf, auch wenn man sie bislang wissenschaftlich weder verstehen kann, noch zu erklären vermag. Im Bereich des strukturellen Unwissens geschieht in unserer Gesellschaft damit etwas, das in der Wissensgesellschaft eigentlich nicht geschehen dürfte. Wissenschaftliche Erkenntnis und Alltagserfahrungen driften weit auseinander. Folglich tut sich ein erhebliches Problem auf.

Wenn man einerseits erwartet, dass gesellschaftlich anerkanntes Handeln in wichtigen Lebensbereichen möglichst gut durch Wissenschaft untermauert wird und wenn aber andererseits zu zentralen Lebensbereichen wie z.B. Gesundheit, Ernährung, Alter und Tod, Umwelt u.Ä. wissenschaftliches Wissen und Alltagserfahrungen auch nicht annähernd deckungsgleich sind, so haben wir ein Problem, das sich wie folgt beschreiben lässt: Entweder werden durch die Diskrepanz von Alltagserfahrung und wissenschaftlicher Meinung sinnvolle Handlungen blockiert oder wir treffen auf einen Bereich, zu dem Wissenschaft keinen angemessenen Zugang hat und den sie daher nicht beeinflussen dürfte will sie nicht „blindlings“ ins Risiko gehen.

Solche Bereiche gab es und gibt in der Neuzeit immer wieder, doch in der Regel hat sich erwiesen, dass wissenschaftliche Erkenntnis derartige Grenzen irgendwann überschreitet. Der Weg, solche Grenzen zu überschreiten zielt in der Wissensgesellschaft darauf ab, Wissenschaft so weiter zu entwickeln, oder das zu tun, was immer notwendig ist, um möglichst viel Alltagserkenntnis – auch wenn sie sich zunächst als sperrig erweist – mit wissenschaftlichen Mitteln zu erschließen.

Blickt man zurück, so kann man leicht erkennen, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein kontinuierlich – wenn auch immer wieder gegen Beharrungswiderstände – gewandelt hat. Viele Dinge, die der mittelalterliche Mensch für undurchschaubar oder gottgegeben hielt, wie z.B. die Ursachen für die Ausbreitlmg der Pest oder anderer Epidemien, lassen sich heute mit wissenschaftlichen Mitteln begreifen. Viele Techniken und Geräte, die wir heute benutzen, würde der mittelalterliche Mensch ftlr Wunder und Teufelszeug halten. Dies gilt ftlr Computer, Handys, Autos, Flugzeuge und nahezu alle uns umgebende Alltags-Technik.

Dies alles rückblickend festzustellen flillt uns leicht. Viel schwieriger erscheint es uns jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden „Wie könnte und müsste Wissenschaft weiterentwickelt werden, um die Alltagserfahrungen zu erfassen, zu denen sie heute noch keinen Zugang findet?“ Eine zweite ebenso wichtige Frage ist die Frage danach, ob die Bereiche, in denen Alltagserfahrungen und Alltagserkenntnisse auftreten, die der Wissenschaft bislang verschlossen bleiben (strukturelles Unwissen) im Wachsen oder im Schrumpfen sind.

Die Neuen Unkonventionellen als Produzenten strukturellen Unwissens

Die erste der oben gestellten Fragen kann man zunächst aufgrund empirischer Erfahrung damit beantworten, dass in der Vergangenheit tatsächlich Wissenschaft immer wieder neue Wege eingeschlagen hat, wenn sie vor scheinbar unlösbaren Rätseln stand. Bei solchen Prozessen des Um- und Neulernens wurden „Grenzerfahrungen“ ernst genommen, auch wenn sie zunächst nicht erklärt werden konnten oder es wurden wissenschaftliche Leitideen und Orientierungen neu fokussiert.

Wenn man nun fragt, wie man heute vorgehen müsste, wollte man unkonventionelle Praxisfelder wie z.B. die Komplementllnnedizin verwissenschaftlichen, so ist es nicht ganz einfach, eine klare, eindeutige, schnell überzeugende Antwort zu finden, obwohl auch diese nach meiner Auffassung existiert. Die zweite der oben angesprochenen Fragen ist leichter zu beantworten. Sie fordert von uns lediglich, uns in unserer Umwelt unvoreingenommen und intensiv umzusehen.

Tun wir dies, so stellen wir fest, dass gerade die Bereiche im Wachsen sind, in denen Alltagserfahrungen auftreten oder bewusst produziert werden, die sich in Bezug auf die herrschende Naturwissenschaft als wissenschaftsresistent erweisen. Hierfür liefert der Bereich der Komplementarmedizin viele gute Beispiele. Akupunktur, Homöopathie, Bioresonanztherapie, psychoenergetische Körpertherapien und vieles mehr haben in den vergangenen drei Jahrzehnten an Umfang und Intensität unbestreitbar zugenommen. Noch in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts kannte kaum jemand derartige Therapieverfahren. Heute kennt sie fast jedermann.

Viele Menschen haben nach ihrer persönlichen Aussage sehr positive Erlebnisse mit ihnen. Es ist ein sehr interessantes, in seiner Bedeutung bislang unterschätztes Phänomen, dass sich Unkonventionelle, d.h. der herrschenden Wissenschaft nicht zugängliche Formen des Umganges mit Natur und Leben in unserer Gesellschaft zunehmend verbreiten und keineswegs auf dem Rückzug sind, wie eigentlich in einer Wissensgesellschaft zu erwarten wäre.

Zwischenfazit

In der Wissensgesellschaft, auf die wir unweigerlich zuschreiten, wird es üblich sein, dass möglichst viele gesellschaftlich akzeptierte Handlungen, insbesondere im Umgang mit Technik, mit Natur oder Leben durch wissenschaftliche Erkenntnis unterlegt, verstanden und angeleitet werden. Die Wissensgesellschaft wird letztendlich anstreben Unwissen zu reduzieren und Wissenswachstum zu forcieren.

Wenn jedoch in einer solchen Wissensgesellschaft die Bereiche strukturellen Unwissens zunehmen, also die Bereiche wachsen, zu denen etablierte Wissenschaft keinen Zugang findet, so wird das kurz- oder mittelfristig zu einem gesellschaftlichen Problem werden. Nach den Regeln der Wissensgesellschaft müssten diese Bereiche auch für gesellschaftlich zulässiges Handeln blockiert werden – und dies geschieht ja heute tatsächlich in gewisser Weise in Bezug auf die Finanzierung von Komplementarmedizin.

Wenn jedoch eine Gesellschaft, deren Zukunft von der Vermehrung ihres Wissens abhängt, Alltagserfahrungen unterdrückt, ignoriert oder zu nivellieren versucht, so zerstört sie die fl1r Wissenschaft so notwendige, auf Wahrheitsfindung gerichtete Erkenntniskraft und damit auch ihre eigene Kulturkraft. Sie macht so z.B. Wissenschaftler zu Meinungsabhängigen und zu Ignoranten gegenüber Alltagserfahrung.

Das „Pragmatische Komplementaritltsprinzip des Wissens“

Wissen kann stets nur standpunkt- und paradigmenbezogen artikuliert werden. In die Bildung von Standpunkten und Paradigmen gehen zwangsläufig Entscheidungen ein. Sie können und sollten im aufklärerischen Diskurs reflektiert werden. Für die wesentlichen Weltzusammenhänge, insbes. fl1r das Verständnis von Natur- wid Lebensprozessen oder das „ganzheitliche Funktionieren eines Menschen“, besitzen wir bislang keine geschlossenen Erklärungsmodelle oder umfassende Verständniskonzepte – weder in der etablierten Naturwissenschaft noch in so genannten  ,Außenseiterwissenschaften“ (Anthroposophie, Orgonomie, Taoismus, etc.). Wir müssen daher in der Praxis mit
Wissensbausteinen wid mit Wissenslücken umgehen.

Viele Wissensbausteine, Arbeitsmodelle und theoretische Konstrukte sind nicht nur in ihren Erkenntnis- und Aussagemöglichkeiten beschränkt, sondern scheinen sich auch offen oder verdeckt zu widersprechen. Diese Widersprüche lassen sich zum Teil dadurch auflösen, dass für einen Wissensbaustein (ein Arbeitsmodell oder ein theoretisches Konstrukt) seine jeweiligen Geltungsbedingungen möglichst präzise formuliert und der Standpunkt angegeben wird, von dem aus er gebildet wurde.

Tut man dies, so tritt häufig der Fall ein, dass ein Phänomen mit mehreren dieser scheinbar widersprüchlichen Wissensbausteine beschrieben und – zumindest teilweise – erklärt werden kann. Die Unterschiedlichkeiten und gegenseitigen Widersprüchlichkeiten der Wissensbausteine müssen dabei kein grundsätzliches Problem aufwerfen, da häufig ihre Verschiedenartigkeit auf unterschiedliche Ausgangsstandpunkte und Geltungsbedingungen zurückzuführen ist.

Sie schließen sich somit logisch nicht gegenseitig aus, sondern sie sind komplementär in dem Sinne, dass sie sich in gewisser Weise gegenseitig ergänzen. Der Umgang mit Komplementarität in dieser Art ist der Physik schon seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts vertraut. Damals stellte sich heraus, dass viele Phänomene die die Quantenphysik beschreibt, mit solch komplementären – also im Alltagssinne zunächst widersprüchlichen Modellen – beschrieben werden können.

Diese Widersprüchlichkeit kommt dadurch zustande, dass jedes der Beschreibungsmodelle eine andere Blickrichtung auf das betrachtete Phänomen wirft. Um derartig verschiedene Sichtweisen miteinander zu versöhnen, formulierte Niels Bohr das Komplementaritätsprinzip. Dieses Komplementaritätsprinzip dürfte heute nicht nur für die Quantenphysik, sondern auch fl1r die gesamte Lebensforschung, die nach unserer Alltagserfahrl.Ulg einen materialistischen (Schulmedizin) wid einen transmaterialistischen (Homöopathie, Geistheilen, Anthroposophische Medizin, Orgonomie) Zugang hat, Gültigkeit erhalten.

Im Folgenden bezeichnen wir zwei Modelle oder begriffliche Konstrukte als komplementär, wenn sie

  • sich auf das gleiche Phänomen oder den gleichen Objektbereich beziehen.
  • beide wissenschaftliche Sichtweisen repräsentieren.
  • beide „grundlegende“ Wahrheitskriterien erfüllen,
  • zu andersartigen Ergebnissen oder zu Widersprüchlichkeiten führen,
  • auf unterschiedlichen Sichtweisen, Standpunkten oder Ausgangsvoraussetzungen
    beruhen.

Wir vermuten, dass derartige komplementllre Beschreibungen zu ein und derselben Wirklichkeit unter dem Dach eines übergeordneten integralen Weltbildes zusammengeführt werden können, über das wir allerdings derzeit möglicherweise noch nicht verfügen. Fasst man den Begriff der Komplementarität, so wie hier vorgeschlagen, so ermutigt er zu einem wissenschaftlich korrekten, aber liberalen, Umgang mit scheinbar widersprüchlichem Wissen. Dieser Umgang ist vor allem da angezeigt, wo sich etablierte (materialistische) Naturwissenschaft und unkonventionelles, an spirituellen regulativen Ideen orientiertes Wissen scheinbar kontradiktorisch gegenüber stehen.

Das pragmatische Komplementaritätsprinzip des Wissens besagt, dass keines der konkurrierenden Arbeitsmodelle oder Konstrukte komplementären Wissens im obigen Sinn bis zur Widerlegung eines der konkurrierenden Modelle, oder zur Integration beider Modelle in einem übergeordneten Modell, aus wissenschafts-theoretischer Sicht diskriminiert werden darf. In Zeiten des Weltbildwandels, wie der unseren, existieren in der Regel gewachsene Wissensbausteine neben sich neu bildenden. Die einen stammen aus Sichtweisen vor dem Paradigmensprung, während die anderen den sich anbahnenden Paradigmensprung, zumindest ansatzweise, – manchmal vermutlich auch verzerrt – vorweg nehmen.

Dass unter solchen Bedingungen komplementllres Wissen aufeinander triffi, ist nicht nur möglich, sondern hochwahrscheinlich und in unserem gesellschaftlichen Alltag auch durchwegs zu beobachten. So unterscheiden sich z.B. etablierte Krebstheorien, die vor allem organbezogen argumentieren, von komplementllrmedizinischen Sichtweisen, die ihr Augenmerk vor allem auf den Menschen als komplexes seelisch-geistiges Wesen richten und sich dabei um die Organspezifik häufig relativ wenig kümmern.

Das hier vorgeschlagene ,,Komplementaritätsprinzip des Wissens“ bezeichne ich als pragmatisch, da es auf einem pragmatischen Beschluss beruht, der darauf abzielt, ,,fremdem“ Wissen mit aufgeklärter Liberalität anstatt mit dogmatischer Ignoranz zu begegnen. Für die weitere Entwicklung der Naturwissenschaften in unserer Gesellschaft wird es wesentlich sein, ob es gelingt, auf dem pragmatischen Komplementaritätsprinzip von Wissen aufbauend, faire Arbeits- und Umgangsformen mit komplementllren Wissensbausteinen oder Wissenskonstrukten zu kreieren und zu praktizieren.

Ausblick

Wie immer man auch die Dinge dreht und wendet, der Wechsel von der Industrie- zur Wissensarbeit ist weltweit zu beobachten, auch wenn er die hoch industrialisierten Staaten derzeit am meisten erschüttert und verändert. Kultur-Kreative Werthaltungen breiten sich von den westlichen Staaten über den Gesamtglobus aus und die Neue Praxis hat vielflUtige europäische und außereuropäische Wurzeln. Es dürfte heute keinen Staat geben, in dem sie sich nicht – häufig kulturell stark gefllrbte – Heimstätten schafft.

Noch dominiert in unserer Gesellschaft das wissenschaftliche Weltbild des vergangenen Jahrhunderts. Das neue zeichnet sich zwar ab, aber es hat noch keine einheitliche Gestalt. Es lässt sich jedoch erahnen, wenn man nach den Gemeinsamkeiten der vielen heute singulär stattfindenden Entwicklungen in Richtung einer erweiterten Naturwissenschaft fragt. Das im folgenden Abschnitt geschilderte Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft kann eine Grundlage, einen Rahmen und eine Orientierungsperspektive bieten, in der die vielflUtigen Zugänge ins Neuland einer transmaterialen oder spirituellen Weltsicht miteinander in Verbindung gesetzt und zumindest miteinander ins Gespräch gebracht werden können.

Das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft

Vorbemerkung

Die Idee, die dem Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft zugrunde liegt, ist ziemlich simpel. Es geht schlicht und einfach darum, Naturwissenschaft fl1r das Verständnis der Wirksamkeit des Geistigen in Natur- und Lebensprozessen zu öflhen. Doch so einfach wie dieses Anliegen klingen mag, so schwierig erscheint es zunächst, dies konkret zu realisieren. Gilt es doch, eine strukturierte, mit den heutigen Erkenntnissen von Naturwissenschaft vereinbare Vorstellung des Geistigen und seiner Wirkungsweise zu entwickeln. Dies wird nur möglich, wenn man den paradigmatischen Rahmen in dem Naturwissenschaft betrieben wird, um zumindest eine Dimension erweitert. Solch eine Erweiterung kann stets nur axiomatisch, d.h. durch die Veränderung von Grundannahmen, unter denen Naturwissenschaft betrieben wird, vorgenommen werden.

Im Folgenden wird der Weg geschildert, auf dem eine derartige Erweiterung des naturwissenschaftlichen Paradigmas angegangen werden kann. Diese Schilderung muss hier sehr knapp und abstrakt gefasst werden. Es kann daher sein, dass sie für Leser, die sich bislang wenig oder gar nicht mit Wissenschaftstheorie beschäftigt haben, nur sehr schwer nachvollziehbar ist.

Dennoch fl1hrt an den im Folgenden dargelegten Betrachtungen – zumindest auf grundsätzlicher Ebene – kein Weg vorbei, will man das herrschende, für das Verständnis unserer Alltagserfahrung zu enge, materialistische Paradigma der Naturwissenschaften so weit öffnen, dass es auch ihm bislang unverständliche Erscheinungsformen des Lebendigen zu begreifen vermag. Die im Folgenden sehr knapp gehaltenen Ausfllhrungen zur Beschreibung und Begrilndung des Paradigmas einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft werden jedoch durch Publikationen des ZZB, die an anderer Stelle erschienen sind, ergänzt und erweitert (www.nachmaterialistische-naturwissenschaft.de, www.zzb-internet-bibliothek.de, www.verlag-edition-zukunft. de oder Bechmann, 2004 /1 und 2004/2).

Zum Wissenschaftskonzept

Wissenschaftsbegriff

Wissenschaft zielt auf Erkenntnis von Welt. Wahrnehmend versucht sie die Welt als Seiendes zu erfassen. Denkend entwickelt sie theoretisierende und deutende Vorstellungen über die Welt. Experimentierend und handelnd überprüft sie die Reaktionen der Welt auf ihre Vorstellungen. Werner Hotinann (Hofmann, 1968) hat dieses Wissenschaftsverständnis einfach und klar formuliert.

An seinem Wissenschaftsbegriff werden wir uns im Folgenden orientieren. Dieser Wissenschaftsbegriff fügt sich harmonisch an den hier verwendeten Wissensbegriff an, der unter Wissen „angemessene, richtige, wahre Vorstellung von Welt“, versteht.

,,Im formalen Sinne bezeichnet Wissenschaft eine methodische ( d.h. systematische und kritische) Weise der Erkenntnissuche. Ihrem allgemeinen Inhalt nach ist Wissenschaft gerichtet:

  • auf das Erscheinungsbild der Wirklichkeit (als sammelnde, beschriebene, klassifizierende Tätigkeit, als Morphologie, als Typologie usw.)
  • als theoretische Arbeit auf Zusammenhang, Bedeutung, Sinngehalt der Erscheinungen, auf wesentliche Grundsachverhalte, auf Gesetze der Wirklichkeit.

Damit ist gesagt:

  • Wissenschaft ist nicht durch den Erkenntnisgegenstand bestimmt ….
  • Wissenschaft steht nicht in strengem. ausschließlichem Gegensatz zum einfachen Wahrnehmen und Denken – Wld damit der Wissenschaftler nicht im Gegensatz zum einfachen Menschen.“ (Hoftnann. 1968, S. 44)

Im Sinne Werner Hofmanns ist Wissenschaft eine ,,gesellschaftliche V eranstaltung“. Die „Wahrheit“ ihrer Ergebnisse erweist sich ,,letztendlich“ in der gesellschaftlichen Praxis, in ihrem Beitrag zur Gestaltung und Veränderung von
Welt.

Die Paradigmatische Ankerung llon Wissenschaft

Konkrete Wissenschaft kann nicht voraussetzungsfrei betrieben werden. Ihre Ergebnisse sind daher auch nur im Rahmen der jeweils vorgegebenen Voraussetzungen wahr oder gültig. Hinsichtlich dieser Voraussetzungen unterscheiden sich konkrete Schulen, Theoriegebäude oder gar Wissenschaftssysteme häufig sehr erheblich. Thomas Kuhn (K.uhn, 1973) hat die Voraussetzungen praktizierter Wissenschaft im Begriff des Paradigmas zusammengefasst und damit den Begriff des Paradigmas in die wissenschaftstheoretische Diskussion eingeführt.

Paradigmen spielen aus seiner Sicht für die Entwicklllllg von Wissenschaft eine zentrale Rolle. Paradigmen sind Modelle, Denkschemata oder gedankliche Raster, die bei jeder wissenschaftlichen Tätigkeit, insbesondere für jede Theoriebildung, als gegeben vorausgesetzt werden. D.h. in einem Paradigma sind die Bestandteile und Grundsteine einer Theorie erfasst, die innerhalb dieser Theorie selbst nicht mehr thematisiert werden. Paradigmen dienen somit nicht zuletzt der Grenzziehung. Sie trennen einen „wissenschaftlichen Erkenntnisraum“ von seiner „Umgebung“.

Ein Paradigma umfasst die Grundprinzipien und das Selbstverständnis eines wissenschaftlichen Ansatzes, eines Wissenschaftsgebietes oder einer Theorie. Wissenschaftler, die ein gemeinsames Paradigma verbindet. werden untereinander kommunikationsfllhig. Es wird ihnen möglich. sich kleinen Teilbereichen ihrer speziellen Wissenschaft zu widmen, ohne den Boden unter den Füßen oder den übergeordneten Kontext über dem Haupt zu verlieren.

Strukturelle Dimensionen der Wissenschaft

Geht man von der Struktur und den Grundlagen wissenschaftlich gestalteten Wissens aus, so beruhen Wissenschaft und wissenschaftliches Wissen auf vier Komponenten. Diese Komponenten sind:

  • WahrnehmungenWissenschaftler treffen explizite oder implizite Abreden darllber, welche Wahrnehmungen sie als zulässig fUr Wissenschaft und welche sie als wissenschaftlich nicht zulässig erachten. Ein Physiker wird z.B. immer seinem Augenschein vertrauen, wenn er etwas beobachten oder wenn er Geräte ablesen will. Er wird Sehen filr eine wissenschaftlich zulässige Wahrnehmungsform halten. Er wird jedoch Hellsehen, das die meisten von uns nicht können, vielleicht fUr möglich halten. Aber er wird es nicht fUr eine wissenschaftlich korrekte  Wahrnehmungsform erklären.
  • Empirische KonzepteBeobachtungen werden in der Regel, wenn sie einzeln auftreten, stets auch in Zweifel gezogen. Man hat deshalb pielregeln eingeführt, ab wann ein Fakt als Fakt gilt. Hierbei spielen z.B. statistische Verfahren eine wichtige Rolle, die absichern, ob eine Beobachtung als Zufall oder als systematische Erfahrung zu deuten ist. Es gab und gibt natürlich auch andere Wege Erfahrungen systematisch zu stabilisieren. Prinzipien und Regelsysteme nach denen Erfahrungsaussagen konstituiert werden, werden hier als Empirische Konzepte bezeichnet.
  • Theoretische Begriffe und ArbeitsmodelleUnter dieser Überschrift fassen wir hier Fachbegriffe, Erklärungsmodelle sowie all die Sprachkonstrukte, die in wissenschaftlichen Theorien genutzt werden und vermittels derer sich Wissenschaftler verständigen. Durch theoretische Begriffe und Arbeitsmodelle fixieren wir nicht nur Wissen, sondern wir schaffen auch einen Rahmen, um unsere empirischen Erkenntnisse zu ordnen und um sie miteinander zu verbinden. Erfahrungswissenschaften unterscheiden zwischen einer Empirie- und einer Theorieebene, wobei auf der Empirieebene vor allem Erfahrungen beschrieben werden, die dann auf der Theorieebene erklärt oder interpretiert werden.
  • Regulative IdeenTheorien benötigen selbst wiederum einen Rahmen, in dem Begriffe und Arbeitsmodelle geordnet und orientiert werden. Diesen Rahmen bezeichnen wir nach Kant als Regulative Ideen. Solche Regulativen Ideen entstammen nicht mehr der Erfahrung, sondern sie helfen uns Erfahrung zu strukturieren. Sie sind in gewisser Weise Annahmen, die wir in die Wissenschaft hineintragen müssen, damit diese funktioniert. Kant hat auf die, Wissenschaft konstituierende, Bedeutung Regulativer Ideen eindringlichhingewiesen.

Grenzen und Erweiterungsmöglichkeiten herrschender Naturwissenschaft

Indem wir Wissenschaft in den oben genannten vier Komponenten beschreiben,
können wir sozusagen von außen darllber nachdenken, was wir von
wissenschaftlichem Wissen erwarten und wo seine Grenzen liegen könnten.
Diese Grenzen liegen z.B. darin, dass man

  • den Wahrnehmungsbegriff enger oder weiter fassen kann. Geht man von dem aus, was alle Menschen mit Sicherheit wahrnehmen, sofern sie gewissen ,,Normalitätskriterien“ genügen, so ist Wahrnehmung intersubjektiv gut überprüfbar, aber relativ eng. Blickt man auf das, was zumindest ein einziger Mensch wahrnimmt oder wahrzunehmen behauptet, so wird das Feld der potenziell relevanten Wahrnehmung sehr viel größer, aber dafür auch weniger überschaubar und kaum kontrollierbar.
  • die Grenzen ,,anerkannter“ Empirie variieren und unterschiedlich weit ziehen kann. So sind z.B. Konventionen darüber zu bilden, ob Erfahrungen, die ein Mensch macht, bereits als wissenschaftliche Erfahrung gelten soll oder ob Erfahrungen erst dann als wissenschaftlich gesicherte Erfahrungen gelten dürfen, wenn sie statistisch gesichert werden können. Dies ist z.B. fUr die Medizin sehr wichtig. Gilt eine Nebenwirkung, die ein Mensch auf ein bestimmtes Medikament zeigt, bereits als Problem, oder ist eine Nebenwirkung erst dann ein Problem, wenn sie statistisch gesichert auftritt?
  • Begriffe und Arbeitsmodelle unterschiedlich differenziert entwickeln und verwenden kann. Dies wird z.B. daran deutlich, dass sich zum gleichen Themenbereich witerschiedliche so genannte wissenschaftliche Schulen bilden können, die die gleichen Erfahrungen entweder mit witerschiedlichen Begriffen wid Modellen beschreiben oder die zumindest die verwendeten Begriffe und Modelle unterschiedlich interpretieren.
  • Regulative Ideen, die ja allemal Annahmen sind, welche nach herkömmlicher Meinung keine empirische Basis besitzen, unterschiedlich vorgeben kann und damit sehr witerschiedliche Theorien konstruiert. So ist z.B. die in der Wissenschaft derzeit gängige Annahme, dass Gott in materielle Prozesse nicht unmittelbar eingreifen kann, eine Annahme, über die noch bis vor hundert Jahren heftig gestritten wurde. Sie lässt sich bis heute weder beweisen noch widerlegen.

Wissenschaftliches Wissen ist daher nie pure Erkenntnis von Welt, sondern es wird geformt durch den verwendeten Wahrnehmungsbegriff, durch das gewählte Empiriekonzept, durch die zugelassene theoretische Begriffs- und Modellwelt wid ‚last but not least‘ durch die genutzten Regulativen Ideen. Die hier angesprochene Abhängigkeit der Wissenschaft von paradigmatischen Vorentscheidungen ist Philosophen und Wissenschaftstheoretikern seit langem selbstverständlich. Für Naturwissenschaftler, die sich im Alltagsgeschäft der Forschung bewegen, gerät dies jedoch leicht in Vergessenheit. Sie arbeiten mit den vorgefundenen und aus ihrer Sicht bewährten Annahmen zu allen vier
genannten Komponenten.

Wissenschaftstheoretiker und Philosophen hingegen, die über das theoretische Wissen von den Strukturen des wissenschaftlichen Wissens verfügen, produzieren in der Regel jedoch keine Naturerkenntnis, sodass ihr Wissen handlwigsfem bleibt und kaum Einfluss auf die konkrete Alltagspraxis naturwissenschaftlicher Forschung nimmt. Es dürfte sehr interessant sein, diese fast paradoxe Situation, insbesondere witer den Vorzeichen der  Wissensgesellschaft, weiter auszuloten.

Stufen der Erweiterung

Der Übergang vom Paradigma einer materialistischen Naturwissenschaft zu dem einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft wird möglich, indem das so genannte Zwei-Ebenen-Postulat eingeführt wird. Es witerstellt, dass unsere Welt stets eine materiale und eine transmateriale Dimension besitzt.

Wie diese transmateriale Dimension jedoch beschaffen ist, bleibt – zumindest auf der paradigmatischen Ebene – vorerst offen. Ausgebend vom herrschenden materialistischen naturwissenschaftlichen Paradigma kann diese Öffimng in ,,Stufen“ angegangen werden. Auf jeder Stufe gilt es, eine zusätzliche transmateriale Dimension von Welt zu postulieren und deren Evidenz zu begrllnden. Diese stufenhaften Erweiterungsmöglichkeiten sind:

  • das Postulat eines Universalfeldes.Die Annahme von der Existenz eines Universalfeldes witerstellt, dass der Raum Eigenschaften besitzt, die über das heute von der Physik Beschriebene hinausgehen. Solche Eigenschaften werden traditionell unter Begriffen wie ,,Äther“ (Anthroposophie), ,,Orgonfeld“ (Wilhelm Reich) oder ,,morphisches Feld“ (Sheldrake) beschrieben. Obwohl die Genannten und weitere in Frage kommenden Begriffsbildungen keineswegs identisch oder auch nur kongruent sind, bezeichnen sie doch alle Eigenschaften eines uns um.gebenden Feldes, das Lebensprozesse ebenso essenziell beeinflusst, wie die Formbildwig, in der belebten Welt. Man spricht deshalb auch von Lebenskräften, von Bildekrllften oder von Lebensenergie, wenn man das hier angesprochene Universalfeld meint.
  • das Postulat von emotiven Kräften und Programmen.Es behauptet die Existenz von Kräften, die wir in unserem Inneren als Gefühle oder als, Empfindungen wahrnehmen. Man kann sie deshalb als emotive Kräfte bezeichnen. Wir erleben sie häufig nicht nur als Kraft, sondern als Motor von Handlungsprogrammen, die mehr oder weniger fest in uns verankert sind. Auch tierisches, triebgebundenes Verhalten dürfte durch derartige emotive Programme gesteuert und ausdifferenziert gesteuert werden. Emotiven Kräften und Programmen begegnen wir unter Begriffen wie ,,Astralfelder“ (Anthroposophie), ,,Wirkwigen von Gestirnen“ (Astrologie) oder in unklarer Vermengung mit dem Konzept des Universalfeldes (Orgonomie).
  • das Postulat von der Existenz zu freien Willensentscheidungen fllhiger Subjekte (geistige Ich-Wesen).Als Mensch erleben wir uns in unserer Tiefe als Subjekt, das jedoch in einem Körper wohnt und eine Seele oder Psyche hat, wodurch seine aufgehoben wird. Subjekte oder Ich-Wesen in diesem Sinn, treten in der uns umgebenden Welt jedoch stets an physische Körper gebunden auf. Erst im Tod können sie sich – dies ist zumindest die Vorstellung, die hierzu weit verbreitet ist – von diesem Körper lösen und einen rein transmaterialen Zustand annehmen.
  • das Postulat von der Existenz nicht materialisierter geistiger Wesen.Solche geistigen Wesen werden z.B. herkömmlicherweise als Elementarwesen, als Engel, als Erzengel oder auch als Dämonen vorgestellt. Ihnen allen soll gemeinsam sein – so die Vorstellung, die sich an sie bindet – dass sie in die von uns belebte Welt hineinwirken können, ohne sich jedoch in ihr zu materialisieren.

Die hier aufgeführten möglichen vier Stufen der Erweiterung des materialistischen naturwissenschaftlichen Paradigmas müssen im Rahmen einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft keineswegs in einem Laufgenommen werden. Es gibt Bereiche einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft, in der die materialistische Weltsicht vollkommen  ausreicht, um sich mit dem betrachteten Weltausschnitt angemessen befassen zu können.

Analoges gilt für andere Themenfelder, in denen es genügt, die Existenz eines, Lebensprozesse beeinflussenden, Universalfeldes vorauszusetzen (Lebensenergie), um die betrachteten Zusammenhänge wissenschaftlich befriedigend verstehen zu können. Die Vorstellung, dass nicht-materialisierte Wesen in unsere materielle Welt hineinwirken können, mag manchem Naturwissenschaftler grundsätzlich undiskutabel erscheinen. Für große Bereiche der Naturforschung wird diese Annahme – selbst wenn man sie zulässt – unwesentlich bleiben, sodass es keineswegs notwendig ist, den Umgang mit einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft an eine Erweiterung, bis zum Postulat von der Existenz
nicht-materialisierter, potenziell in die Welt hineinwirkender Wesenheiten zu binden.

Es ist sicherlich etwas problematisch, die inhaltliche Erweiterung der etablierten Naturwissenschaft so formal und verkürzt zur Diskussion zu stellen, wie dies im Vorangehenden geschieht, aber mit dieser Charakteristik ist die Frage nach den Erweiterungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten des etablierten materialistischen naturwissenschaftlichen Paradigmas de facto auf den Punkt gebracht. An ihr wird sich jeder zukünftige Versuch, das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft zu konkretisieren und auszugestalten – also jedweder Versuch der Erweiterung des materialistischen naturwissenschaftlichen Paradigmas – reiben müssen.

Die Konturen des Paradigmas einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft

Das Wissenschaftskonzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft Nachmaterialistische Naturwissenschaft lässt sich auf den allgemein akzeptierbaren Wissenschaftsbegriff Werner Hofinanns gründen. Sie zielt darauf ab, die gesellschaftliche Nutzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zu fördern sowie Anregungen aus der gesellschaftlichen Alltagspraxis des Umganges mit Natur und Leben aufzugreifen.

Im Kant’schen Sinne unterscheidet Nachmaterialistische Naturwissenschaft zwischen ,,Regulativen Ideen/Regulativen Konzepten“, Theoriebildung, Empirie und Wahrnehmung.- Dabei

  • gründet Empirie auf Wahrnehmung,
  • stützt sich Theoriebildung auf die Verstandestätigkeit, die die Begriffe und die Argumentationsmuster schafft, in denen Wahrnehmungen erfasst und abgebildet werden können.
  • bezeichnet Vernunft die entwickelte, tiefste menschliche Form des Denkens, die Regulative Ideen und Konzepte bildet, mit deren Hilfe Theoriebildung strukturiert und angeleitet wird.

Regulative Konzepte im Kant’schen Sinne beruhen nicht auf Erfahrung, sondern sie sind Geschöpfe der Vernunft. Ohne sie ist jedoch sinnvolle Theoriebildung kaum möglich. Theoriebildung vollzieht sich nach dem hier vertretenen Wissenschaftskonzept im Spannungsfeld von, auf Wahrnehmung gegründeter Empirie (Pol A) und durch Wahrnehmung nicht begründbaren Regulativen Ideen (Pol B).

Die paradigmatischen Vorgaben einer Theorie können in diesem Sinne als Regulative Ideen und Konzepte angesehen werden. Das Gleiche gilt auch fUr manche, der im Rahmen einer Theorie verwendeten Orientierungs- und Arbeitsmodelle sowie vor allem fUr die als zulässig erachteten Wahrnehmungsformen. Das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft unterscheidet sich von dem der herrschenden materialistischen Naturwissenschaft dadurch, dass es Regulative Ideen zulässt, die Letztere ablehnt und Wahrnehmungsformen akzeptiert, die der Materialismus ausgrenzt.

Bausteine und Methoden einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft im Überbück Das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft beruht im Wesentlichen auf drei Säulen. Dies sind

  • ein Axiomensystem, das das sog. Zwei-Ebenen-Postulat enthält. (Bechmann, 2004/1)
  • die Methode des Synergetischen Konstruktivismus sowie den Vorgehensweisen des Gestaltenden Wissensmanagements.(Bechmann, 2004/3)
  • die wissenschaftstheoretische Position eines aufgeklärten analytischen
    Neopragmatismus. (Stachowiak, H., 1997)

Die Komponenten des Arbeitskonzeptes einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft
lassen sich weiter konkretisieren und wie folgt systematisieren:

  • OrientierungskonzeptEs umreißt die Regulativen Ideen, witer denen das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft antritt.
  • Methodisches KonzeptEs skizziert die wissenschaftstheoretische Position, die verwendete Wissenschaftssprache, die gebräuchlichsten Kernmethoden wid die generell bevorzugten Formen des Umganges mit Wissen.
  • Zulässige WissensbasisSie umreißt die Wissens- und Erfahrungsbereiche, denen sich eine Nachmaterialistische Naturwissenschaft grundsätzlich öffuet. Dies gilt sowohl im Hinblick auf als zulässig betrachtete Theorien, als auch filr die von ihr als relevant erachteten Erfahrungsbereiche.
  • Zulässige WahrnehmungNachmaterialistische Naturwissenschaft gründet wie alle Naturwissenschaft auf sinnlicher Wahrnehmung. Sie lässt aber unter gewissen Bedingwigen auch hellsinnliche wid geistige Wahrnehmungsformen gelten.
  • Verwendetes WahrheitskonzeptDas Wahrheitskonzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft ist liberalistisch. Je nach Forschungsfeld wid nach im Einzelfall benennbaren Rahmenbedingwigen kommen empiristische (Bestätigung, Falsifikation oder praxiologische Folgewirkungen von Handlwigen) als Wahrheitskriterien zur Anwendwig.
  • Pragmatisches Komplementariffitsprinzip des Wissens

Der standardmäßige Arbeitsprozess einer Nachmaterialistischen Naturforschwig führt von der Frage Ober die Analyse des Vorgefundenen hin zur Konstruktion der Antwort. Dabei gründet sich Nachmaterialistische Naturwissenschaft auf eine systemtheoretische Betrachtung von Welt, den Synergetischen Konstruktivismus und die ihm eigenen paradigmatischen Annahmen. Das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft bietet eine Plattform, auf der unterschiedlichste wissenschaftliche und vorwissenschaftliche Erkenntnistraditionen zusammengeführt werden können.

Es bildet, zumindest auf paradigmatischer Ebene, die Grwtdlagen filr ein neues naturwissenschaftliches Weltbild. Die hier nur sehr grob skizzierte Struktur des Konzeptes einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft lässt sich filr alle genannten Bereiche vertiefen und konkretisieren.

Orientierungen einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft

Das Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft kann auf paradigmatischer Ebene durch Postulate gefasst werden. Es handelt sich dabei um:

  • Das Zwei-Ebenen-PostulatDieses Postulat Wlterstellt, dass
    • Welt und Natur zwei Ebenen/Dimensionen besitzen: eine materiale Dimension (Strukturbildung, Manifestation) Wld
    • eine transmateriale, geistige Dimension (Organisationsbildung, Intelligenz).

    Beide wirken in allen Bereichen der wahrnehmbaren Welt zusammen.
    Beide verweisen auf ein – ihnen vorgelagertes – All-Ursprüngliches.

  • Das Empirie-PostulatEs unterstellt, dass auch transmateriale Auslöser von Wirkungen grundsätzlich auf direktem oder zumindest indirektem Wege wahrnehmbar sein müssen, um wissenschaftliche Beachtung zu finden.
  • Das Integrations-PostulatEs verlangt, dass Nachmaterialistische Naturwissenschaft fllhig sein soll wissenschaftlich witerschiedlich gestaltete Zugänge zur Beschreibwig wid zur Deutwig von Welt fair wid vergleichend zu erfassen sowie diese in einem aperspektivischen Weltbild zu integrieren.
  • Das Aktualitäts-PostulatEs fordert, dass Nachmaterialistische Naturwissenschaft sowohl in methodologischer als auch in wissenschaftstheoretischer Hinsicht den Erfahrungen und Erkenntnissen der jeweiligen Zeit entsprechen muss sowie dass sie in der Lage sein soll, empirisch oder methodologisch gesicherte Erkenntnisse etablierter Naturwissenschaft zu integrieren.
  • Das Wissenschaftlichkeits-PostulatEs besagt, dass Nachmaterialistische Naturwissenschaft den allgemein anerkannten methodischen wid wissenschaftstheoretischen Kriterien der Wissenschaftlichkeit gerecht werden soll.

Im Zentrum der Postulate einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft steht das Zwei-Ebenen-Postulat. In ihm drückt sich das zentrale Anliegen Nachmaterialistischer Naturwissenschaft aus. Nachmaterialistische Naturwissenschaft erkennt Subjektivität/Individualität als eigenständigen Gegenpol zu Materie an. In beiden manifestiert sich Geist, wenn auch auf sehr unterschiedlichen Wegen und in sehr witerschiedlichen Formen.

Nachmaterialistische Naturwissenschaft legt sich nicht in dogmatischer Form auf eine bestimmte Form der EvidenzbegrUndwig für die von ihr verwendeten regulativen Ideen und Konzepte fest. Sie lässt grwidsätzlich die gesamte Spanne von Vernunfts-Begründungen bis hin zur Berufung auf Offenbarungswissen zu.

Wissensstrukturierende Regulative Ideen im Rahmen einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft

Nachmaterialistische Naturwissenschaft bevorzugt Regulative Ideen, in denen Geist als ein Eigenständiges, nicht auf eine Erscheinungsform von Materie Reduzierbares angesehen wird. Nachmaterialistische Naturwissenschaft kann mit unterschiedlichen Regulativen Konzepten arbeiten, sofern diese zumindest dem Zwei-Ebenen-Postulat entsprechen.

Gängigerweise wird von ihr, die für uns erfahrbare Welt stets als ein Bereich gesehen, in dem Geist und Materie zusammenwirken. Materie steht dabei filr Struktur, Raum und Gesetz, während Geist Organisation, Zeit und Prinzip präsentiert. In allen Lebewesen manifestiert sich aus Sicht einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft das Zusammenwirken von Geist und Materie. Geist und Materie lassen sich dabei nur als polare Gegensätzlichkeiten denken, die wir jedoch in unserer Welt stets im verbindenden Bezug und im Zusammenwirken wahrnehmen.

Das Zusammenwirken von Geist und Materie lässt sich besonders dort gut ausmachen, wo wir auf Grenzbegriffe etablierter Naturwissenschaft treffen. Diese Grenzbegriffe, die Grenzen herrschender Erkenntnis anzeigen, resultieren in ihrer Unsicherheit häufig daraus, dass nur die materielle Dimension des betreffenden Objektbereiches ins Auge gefasst wird und die geistige Dimension wissenschaftlich nicht erschlossen wird. Die unter Berücksichtigung der Wirksamkeit des Geistigen zu konstatierenden Dimensionen unserer Erfahrungswelt lassen sich an der menschlichen Selbstwahrnehmung, die ihrerseits auch ein Regulatives Konzept filr Nachmaterialistische Naturwissenschaft liefert, evident ablesen. (Bechmann, 2004 /2)

Es handelt sich dabei um die Dimensionen

  • Körperlichkeit
  • Vitalfeld/Lebensgefllhl
  • Seele/Emotionen (Erleben und Antrieb)
  • Ich-Erleben (freie Entschlüsse und frei eingesetzter Wille).

Folgt man dieser Sichtweise, so wird die uns umgebende Welt nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch geistige Prinzipien, die sich über Handlungen und ungebundenes V erhalten ausdrücken, gestaltet und entwickelt. Subjektivität erscheint so nicht mehr als eine Folgewirkung komplexer Materie, sondern als Manifestation eigenständiger  Geistigkeit.

Erste Grobkonturen des Projektes „Nachmaterialistische Naturwissenschaft“

Das Projekt ,,Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ ist ein Grundlagenprojekt. Es soll Weichen stellen und dadurch eine systematische Öffnung des heute herrschenden materialistischen naturwissenschaftlichen Paradigmas ermöglichen. Dies wird auf der Basis der Axiome einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft durch die Erweiterung der zugelassenen Regulativen Konzepte und Wahrnehmungsbegriffe angestrebt. Wird diese Erweiterung vollzogen, so wird es möglich, Arbeitsmodelle und Empiriekonzepte zu fonnulieren, die den neu entstanden Erkenntnisspielraum ausfüllen.

Als Einstieg in den systematischen Umgang mit dem Konzept einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft solle das vorliegende Projekt vor allem den begrifflichen und methodischen Rahmen einer nachmaterialistischen naturwissenschaftlichen Sichtweise liefern. Dieser Rahmen soll möglichst differenziert ausgestaltet werden. Die dafür geschaffenen Arbeitsmodelle und Empiriekonzepte sollen anhand vorliegender Erfahrungen und vorliegenden Wissens in Bezug auf ihre Evidenz und Stimmigkeit überprüft werden.

Ausblick

Das Projekt einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft mag zwar ambitiös erscheinen, aber es entspricht durchaus den Möglichkeiten unserer Zeit. Der ihm zugrunde liegende Gedankengang lässt sich abschließend wie folgt zusammenfassen:

  • Im Alltag unserer Gesellschaft bildet sich seit zwei Jahrzehnten zunehmend zukunftsrelevantes unkonventionelles Wissen. (Neue Praxis)
  • Dieses Wissen steht in einer grundsätzlichen Komplementaritätsbeziehung zum anerkannten Wissen herrschender (materialistischer) Naturwissenschaft.
  • Unserer Gesellschaft wäre ,,zukunftsdumm“, wenn sie dieses Wissen nachhaltig ignorieren würde, anstatt sich der Herausforderung zu stellen, einen Zugang zu ihm zu finden und es zu integrieren.
  • Das Paradigma einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft bietet eine Grundlage zur Verwissenschaftlichung unkonventionellen Wissens und zu dessen Vernetzung mit dem Wissen etablierter Naturwissenschaft.
  • Das ,,Projekt: Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ soll eine computergestiltztes Wissenssystem schaffen in dem
  • Die Grundannahmen, Leitvorstellungen und Methoden des Paradigmas einer ,,Nachmaterialistischen Naturwissenschaft“ dokumentiert und erläutert werden,
  • Arbeitsanleitungen und Arbeitshilfen zum Umgang mit dem Paradigma einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft gegeben werden,
  • Arbeitsmodelle und Beispielsanwendungen des Paradigmas einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft vorgelegt werden,
  • ein ,,Forschungsprogramm Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ vorgestellt wird.

Kann das Projekt erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen werden, so steht es fllr mich aufgrund der bereits vorhandenen Erfahrungen kaum in Frage, dass es zum TOröffher fllr ein neues, sehr lebendiges und innovatives Forschungsfeld „Nachmaterialistische Naturwissenschaft“ werden kann.

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Literatur:

  • Bechmann, A.: Prolog zu einer Nachmaterialistischen Naturwissenschaft – Orientierungen, Konzept, einführende Beispiele; Verlag EDITION ZUKUNFT, Barsinghausen, 2004/1
  • Bechmann, A.: Komplementärmedizin und Nachmaterialistische Naturwissenschaft -Thesen und Overheadfolien zu einem Vortrag, Barsinghäuser Berichte Bd 83, Verlag EDITION ZUKUNFT, Barsinghausen 2004/2
  • Bechmann, A.: Gestaltendes Wissensmanagement und transdisziplinäre Wissenschaft – Grundlagen, Konzept, Vorgehensweisen und Leistungspotenziale; Verlag EDITION ZUKUNFT, Barsinghausen 2004/3
  • Hofmann, W.: Wissenschaft und Technologie, in: Hofmann, W.: Universität, Ideologie und Gesellschaft – Beiträge zur Wissenssoziologie; Suhrkamp, Frankfurt/M., 1968
  • Kuhn, T.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen; Suhrkamp, Frankfurt/M., 1973 Stachowiak, H.: Pragmatik – Handbuch des pragmatischen Denkens; Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1997

Mehr Information:
Die „Vollversion“ des vorliegenden Textes (www.zzb.info =>Aktuell=> Service …. ) enthält weiterführende Literaturverweise.

Hinweis zum Autor: Prof. Dr. Amim Bechmann ist Gründer und Leiter des Zukunfts-Zentrums Barsinghausen.

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    Bukumatula 2/2005

    Ich weiß, daß ich irren kann wie du.

    Über das Fragen und das Antworten – eine persönliche und poetische Annäherung an Wilhelm Reich
    von
    Gudrun Heininger:

    Den Blick aufmerksam auf den Dingen ruhen lassen, mit sanftem Druck dranbleiben, dann verwandeln sie sich, legen ihre Kostüme ab, die Narrengewänder. Meinungen, Situationen, Stimmungen, Urteile werden durchsichtig und ständig in Frage gestellt.

    Keine Antwort gelten lassen, die schnell kommt, fragend bleiben. Das heißt auch: sehr lange nicht ankommen, von Exil zu Exil, heimatlos. So groß die Sehnsucht auch wird, durch beruhigende Einbildung, durch Kompromisse wird sie nicht gestillt. So verführerisch die Geste des Nachhause-kommens, des Bleibens drängt, so entsetzlich finde ich die Enge und Begrenztheit, das Im-kreise-stolpern und die Lang-samkeit des Vorankommens, d.h. den zähen Widerstand, der jeder natürlichen Bewegung entgegengesetzt wird.

    Antworten machen mich von vornherein einmal mißtrauisch, wäh-rend Fragen anleiten, weiterführen, neugierig machen, herausfordern und dazu zwingen, in Bewegung zu bleiben. Tiefreichende Fragen ziehen nicht Antworten an, sondern neue Fragen. Antworten setzen Grenzen, errichten Barrieren und können nie mehr sein als ein vor-läufiger Standpunkt.

    In den 20er bis 50er Jahren des letzten Jahrhunderts waren Sicher-heiten, Gewißheiten und Beweise in der Forschung noch möglich und notwendig. Wilhelm Reichs Ergebnisse waren gültig innerhalb der Grenzen der dreidimensionalen Welt. Seine Arbeit hat ständig an einer Grenze stattgefunden, als Gatwanderung zwischen bekannten Größen (deren Eigenschaften, Wirkung bzw. Bedeutung er in der westlichen Welt allerdings als erster benannt hat) und dem noch-nicht-Sagbaren. Seither hat sich der Erfahrungsrahmen erweitert. Es geht nicht mehr um gesicherte Antworten und Aussagen im her-kömmlichen Sinn. Es wird immer weniger wichtig, über Details zu streiten.

    Jetzt, zu Beginn des 3. Jahrtausends, wo sich verschiedene Welten oder Dimensionen (= unterschiedliche Bewußtseins- und Seinszu-stände) inneinanderschieben – die Vorstellung beinhaltet auch das Anerkennen der Existenz einer oder vieler geistiger Welten unter-schiedlicher Dichte, die sich gegenseitig durchdringen, und die Tatsache des Zusammenschmelzens aller bisherigen zeitlichen und räumlichen Konzepte – worauf sollen wir uns da verlassen?
    Wir sollen und natürlich niemals selbst verlassen. Oder doch? Um etwas anderes zu werden, uns zu verwandeln? Woran können wir uns halten? Müssen wir lernen, ohne Halt zu sein? Wo hält sich das Wasser an, wo der Wind?

    Denn was macht uns sicher, daß wir gerade nicht in die Falle des Mystizismus laufen und uns in angenehmen Illusionen verlieren, wenn wir uns weit in spirituelle Bereiche hineinwagen? Sicher, daß das nicht doch Fluchtwege sind, um dem größeren oder kleineren Elend zu entkommen? Daß wir eben nicht von einem Paradies träumen, sondern handeln, um es hier zu verwirklichen? Der Weg dahin scheint mir manchmal noch so weit, und manchmal scheint mir, als seien wir nur durch einen hauchdünnen Schleier davon ge-trennt.

    Der materiellen Welt liegt die energetische zugrunde, der energe-tischen liegt …… nein, nicht die geistige Welt zugrunde, denn: energetische und geistige Welt sind identisch – siehe die funktionelle Gleichung: “Gott = Leben = kosmische Orgonenergie = orgonomi-sches Funktionsgesetz der Natur = Gravitationsgesetz”.
    Reichs Aussagen bleiben gültig, auch in einer mehrdimensionalen Welt. Seine Arbeits- und Denkmethode funktioniert innerhalb der materialistischen Strukturen, aber sie ist nicht daran gebunden und wird der Überlagerung der Welten, der sich so radikal verändernden Wahrnehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten gerecht.

    Seine Art,

    • einfache, `naive´ Fragen zu stellen,„Wir stellen immer noch Fragen. Wir benehmen uns mit Absicht wie ein Fremder in der fernen Großstadt. Wir wollen erfahren, weshalb Dinge so und nicht anders eingerichtet sind. Dem lange dort an-sässigen Einwohner der Großstadt fällt es nicht ein, solche Fragen zu stellen. Ihm ist alles gewohnt, selbstverständlich.“(1)

      „Wir stellen Fragen, um unseren Standort und seine Umgebung ab-zugrenzen. Wir versuchen noch gar nicht, Antworten zu geben. Wir wollen nur wissen, welcher Art die Gegend ist…. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Umgebung zu erklären. Wir wollen nur so viel wie möglich über ihre Beschaffenheit erfahren. Je mehr wir fragen, desto größer wird unser Staunen.“(2)

      „Du bist zu aktiv für einen Beobachter. Sitze einfach nur da und schaue. Du fragst gute Fragen, aber es drängt dich zu sehr nach Antworten.“(3)
    • den Denk- und Arbeitsprozeß transparent zu machen,„inclusive der…. Lücken, Unsicherheiten und disharmonischenWi-dersprüche.“
    • sich von den Beobachtungen leiten zu lassen,„Ich bin nicht den Tatsachen nachgegangen, sondern die Tatsachen und die Zusammenhänge strömten mir in Überfülle zu. Ich hatte Mü-he, ihnen aufmerksam zu begegnen und sie säuberlich zu ordnen. Viele, sehr viele Tatsachen von großer Bedeutung gingen dabei ver-loren, andere blieben unverstanden. Doch das Wesentliche und Grundsätzliche an der Entdeckung der kosmischen Energie scheint mir gesichert und so weit brauchbar geordnet zu sein, daß andere fortfahren können, am Gerüst zu bauen, das ich nicht vollenden konnte.“(4)
    • die vorläufige Unbeantwortbarkeit von Fragen zuzulassen,„In diesem Augenblick mußte ich mir meine eigenen Verhaltens-maßregeln für die Grundlagenforschung ins Gedächtnis rufen: an einer Beobachtung festzuhalten, sie nicht zu verwerfen, aber sich auch nicht durch sie in unkorrigierte Irrtümer zu verrennen; das Problem offen zu lassen; in Betracht zu ziehen, daß alles Wissen falsch sein könnte….. Fragen offenzulassen ist wichtig.“(5)„Dies ist die gegenwärtig erreichbare Grenze meines Verstehens. Warten wir ab, bis sich der Ausblick weiter öffnet! Dies wäre ratio-nales, verstehbares, zweckdienliches Denken.“(6)
    • das Unmögliche für möglich zu halten,„Das überkommene Wissen kann stets auch falsch sein….. Es gehört zum emotionalen Rüstzeug des wahren, wissenschaftlichen Pioniers, die Dinge von Grund auf neu zu betrachten und zu erwarten, daß das Unmögliche wahr sein kann.“(7)
    • und sich als Selbstkontrolle immer wieder die Frage des sozialen Funktionierens, der persönlichen und sozialen Notwendigkeiten zu stellen, kann für unsere Wege in ganz unbekanntes Gelände Orientierung sein.In vielen Lebenssituationen war es mir eine große Hilfe, auf Reichs Schriften zurückzugreifen. Allein schon die theoretische Auseinan-dersetzung damit hat mich in der Verwirrung oft zum Wesentlichen geführt. Das Beispiel seiner geradlinigen und kompromißlosen Hal-tung – unabhängig von der Tragweite seiner Entdeckungen und den sich daraus ergebenden Konsequenzen – hat mich oft auf meine eige-ne Ängstlichkeit und Irrationalität hingewiesen. Seine Arbeiten sind mir seit langem Wegweiser. Und die Einfachheit, Klarheit und Ein-deutigkeit, in der er seine Ergebnisse mitteilt – und die Abwesenheit auch nur der kleinsten Spur von Angst, Zweifel, Ironie oder Zurück-haltung, die so viele andere Texte (literarischer, populärwissen-schaftlicher oder journalistischer Art) kennzeichnet – sind mir ein Kompaß. Auf dieser Basis kann ich mich einem Aspekt seiner Persönlichkeit zuwenden, der großes Vertrauen entstehen läßt: Seine Fähigkeit,
    • Irrtümer zu erkennen, zuzugeben und zu korrigieren.„Ich kenne das menschliche Irren aus eigenem Erleben. Ich habe das Schuldig! Schuldig! Rufen selbst durch die Jahre in verschie-denen Gebieten mitgemacht.“(8)„Ich begann zu irren, als ich die Religion allein für das Elend ver-antwortlich machte…..die persönlichen Interessen einer sozialen Schicht, der Eltern oder der Erzieher…..den Kapitalisten…..das unbewußte `Böse´ ……“(9)

      „Ich habe also die schwersten Irrtümer meiner Zeit mitgemacht, und ich habe sie sogar mit Überzeugung vertreten. Doch ich darf von mir behaupten, daß ich an ihnen nicht hängen blieb, wie so viele meiner jeweiligen Mitarbeiter und Fachkollegen. Ich bin beweglich geblieben.“(10)

      „Doch selbst, wenn ich noch heute irre, so versuche ich die Quellen des Irrens aufzufinden. Ein ganzes Stück davon kann geleistet werden. Und sowenig ich zu Gehorsam gegenüber erwiesenen menschlichen Fehlmeinungen bereit bin, so sehr fühle ich mich fähig, Korrekturen von Irrtümern zu akzeptieren und in mein Denken einzutragen. Das habe ich bewiesen.“(11)

      „Ich weiß, daß ich irren kann wie du. Doch ich versuche, so gut ich kann, mich gegen das Irren zu schützen, indem ich mir Rechenschaft darüber ablege, wie ich denn eigentlich dazu kam, die kosmische Orgonenergie zu entdecken….. Ich stütze mich, im Gegensatz zu den Methaphysikern, Theisten und Relativisten, unmittelbar auf Beo-bachtungen und kontrollierbare Vorgänge in der Natur….. Ich ergreife alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen, um soviele Irr-tümer wie möglich auszuschalten. Ich philosophiere nicht, und ich mache keine Aussagen über die Natur, wenn ich keine Beobach-tungen und kontrollierte Experimente gemacht habe, auf die ich meine Aussagen stützen kann. Vor allem anderen gebe ich mir Rechenschaft, ganz genaue Rechenschaft über die Beziehung meiner Empfindungen zu objektiven, von mir unabhängigen Vorgängen in der Natur.“(12)

      „Aber wir müssen auf dem Recht beharren, uns irren zu dürfen. Wir sollten uns nicht davor fürchten, einen Wald zu betreten, weil ir-gendwo in den Bäumen Wildkatzen lauern. Wir sollten nicht von un-serem Recht abrücken, wohlbegründete Spekulationen aufzustellen und zu überprüfen. Solche Spekulationen ziehen bestimmte Fragen nach sich, und diese Fragen sind es, vor denen sich die Verwalter des etablierten Wissens fürchten: Ist es möglich, denkbar, daß einige der sogenannten Planeten überhaupt keine Planeten sind, daß sie etwas vollkommen anderes sind? Etwas Unerhörtes, nie Dagewe-senes? Wir wissen es nicht und können es nicht sagen.“(13)

    Wenn sich Reich mithilfe des orgonomischen Funktionalismus weit über die Grenzen der traditionellen Wissenschaft (in deren Rahmen er aufgebrochen war) hinausbewegt hat – vielleicht können wir auch damit navigieren, über den Bereich seines damaligen Wissensstan-des hinaus.
    Alle spirituellen Erfahrungen müssen verankert werden im Physi-schen, als real begriffen und hereingenommen werden in die materi-elle, dreidimensionale Welt, um sie und uns zu verändern. Denn noch sind wir hier, und das Wesentliche ist vorläufig hier. Wir dür-fen bei Expeditionen weit hinaus nicht den Heimathafen aus den Au-gen verlieren, noch nicht.
    Der Übergang und die Verbindung von den Arbeiten Reichs zu dem umfangreichen metaphysischen Wissen, das in den letzten Jahrzehn-ten einer großen Anzahl von Menschen zugänglich geworden ist, verlangt nach einer verläßlichen, unmißverständlichen, gemeinsa-men Sprache, klaren Definitionen und nach Standortbestimmung bei jedem Schritt, nach Vergewisserung, nach Verankerung im Denken.

    Viele zentrale Begriffe (religiös, spirituell, mystisch, geistig, meta-physisch, Natur, die wahre Religion, etc.) werden je nach Kontext unterschiedlich interpretiert. Im Gegensatz zur Orgonomie weiß man außerhalb davon oft nicht, was gemeint ist. In der ständigen Mölichkeit der Begriffs- und Sprachverwirrung, der Verwirrung des Denkens und des Gefühls, der Orientierungsschwierigkeit und beim Diskutieren über Bedeutungen, geht die Konzentration auf das We-sentliche verloren, das Wesentliche, das ich auch nur umschleiche wie die Katze den heißen Brei: ein einfaches, erfülltes und glück-liches Leben in Verbindung mit allen fühlenden Wesen zu führen – wie sollte das möglich sein, ohne hinauszugreifen in das Nicht-ma-terielle, Nicht-irdische und Vieldimensionale?

    Wo Wissenschaft an ihre Grenzen stößt, verwandelt sie sich in Poesie.

    Wo es häßlich ist, Schönheit denken und wo gelogen wird, erreich-bar sein. Wo mit Schmutz geworfen wird, gelassen sein und wo ich selbst bewundere und erhöhe, in meiner eigenen Größe bleiben.
    Voraussetzung dafür ist, mindestens einmal die Erfahrung des Ge-liebtseins gemacht zu haben. Es ist nicht gemeint, was landläufig unter Liebe in unzähligen Variationen verstanden wird. Es ist das Gesehen- und Erkanntwerden, das Wiedererkanntwerden auf der tiefsten Ebene als ein Bündel durchpulste Materie und als ein gren-zenlos unbegrenztes geistiges Wesen.- Gesehenwerden, Schauen und Antworten.

    Es geschieht im besten Fall zwischen Eltern und Kind, vom ersten Lebenstag an immer wieder, mit ein bißchen Glück in einer Liebes- und mit großem Glück manchmal in einer therapeutischen Bezie-hung. Haben wir diese Erfahrung auch nur ein einziges Mal ge-macht, können wir in diesem Leben nicht mehr verloren gehen.

    Antworten können nicht gegeben, nur gelebt werden. In Blicken, Gesten, Handlungen, im Tun und Nicht-Tun können wir antworten oder es verweigern – frei zu entscheiden. In jedem Augenblick, für das Leben ….

    Anhang:

    1) ÄGT, S.36;
    2) ÄGT, S.31;
    3) Emotion 10, S.43;
    4) ÄGT, S.10;
    5) OR.EXP.II, S.217;
    6) ÄGT, S.22;
    7) OR.EXP.II, S.216;
    8),9),10),11) ÄGT, S.44-49;
    12) ÄGT, S.44-45;
    13) OR.EXP.II, S.221.

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    Bukumatula 2/2005

    Es gibt eine Schuld, die trägt man, ohne dass man schuldig ist

    Gespräch mit Kitty und Wolfgang Karner
    von
    Beatrix Teichmann-Wirth:

    Gedenkjahr 2005, nochmaliges Auftauchen der Bilder von Vernichtung und Terror und eine Konfrontation mit Unbegreiflichem, wie kann das geschehen, dieses Gemetzel und die Herabwürdigung – keine Verbindung dazu, was soll ich da schreiben. Wilhelm Reich hat viel dazu gesagt, über die Massenpsychologie des Faschismus, die Bedingungen, welche dazu führen, dass dies geschieht, was geschehen ist.

    Und auch: wie leben diejenigen damit, welche überlebt haben, findet Heilung statt, kann eine derart tiefe Wunde heil werden? Vor allem aber: wie leben wir Töchter und Söhne von Tätern und Opfern mit diesem Erbe…..
    Da hab ich an Kitty und Wolfgang Karner gedacht – sie Jüdin, 1950 als Tochter jüdischer Kommunisten geboren, Wolfgang, 1940 in den Krieg hineingeborener Sohn eines Wehrmachtsoffiziers. Kitty und Wolfgang, verheiratet miteinander seit 25 Jahren, zwei gemeinsame Kinder.

    Das hat mich interessiert, wie aus dieser beider so verschiedenen Wurzeln ein Gemeinsames, Versöhntes werden konnte. Und ich wollte ein Gespräch führen. Sogleich kam mir vieles in den Sinn, was uns drei verbindet: zuallererst unsere Liebe zu Wilhelm Reich, Kitty und Wolfgang ausgebildet in Biodynamischer Psychotherapie, ich in Vegetotherapie beim Wilhelm Reich Institut.

    Kennengelernt hab ich Wolfgang im Zuge einer Forschungsarbeit über die Psychotherapie in Österreich, da suchte ich ihn auf, in seinem Ministeriumsbüro, ein sehr entspannt wirkender Beamter, der mir da in warmherziger und anregender Weise über die AIKE erzählte. Kitty traf ich dann bei einer Festveranstaltung im Palais Eschenbach im Jahre 1986, wir beide am Podium sitzend, ja, jetzt fällts mir ein, ich sprach zum Thema „Die Kinder der Zukunft“ – über die Freundschaft von Reich und Summerhillbegründer A.S. Neill.

    Da ist sie mir aufgefallen, wie sie in einem mir ähnelnden Enthusiasmus über Pierrakos, ihren Lehrer sprach, die Kitty. Und dann traf ich Wolfgang wieder vor etwa 10 Jahren, vom Krebs gezeichnet und knapp bevor auch bei mir Krebs festgestellt wurde. Auch das verbindet uns drei – die Krebserkrankung.

    Was vielleicht aber am wichtigsten ist: wieder trafen wir einander vor nunmehr 3 Jahren im Jüdischen Museum, Bert Hellinger hielt dort ein Aufstellungsseminar zum Thema „Täter – Opfer-Versöhnung“, da haben die beiden eine Aufstellung gemacht zu ihren Familienkonstellationen, daran hab ich mich erinnert, jetzt im Gedenkjahr.

    So machte ich mich gemeinsam mit Thomas, meinem Mann auf den Weg nach Klosterneuburg am Samstag vor Pfingsten, um ein Gespräch dazu zu führen. Und ehe ich noch das Aufnahmegerät einschalten konnte, waren wir schon mittendrin im Erzählen: dass Miriam, die Tochter und Aaron, der Sohn den Christbaum in Frage stellten, die religiösen jüdischen Wurzeln wieder aufzugreifen begannen – Aaron die BarMitzwa von sich aus wollte, wie wenn es den Puffer einer Generation bedurfte, um zu wagen, sich in den religiösen Wurzeln jüdischer Herkunft wieder zu finden.

    Alsbald merkte ich, dass es hier in diesem Gespräch nicht um ein analytisches Ergründen geht, wo aus dem Gehörten sogleich Theorien abgeleitet werden – nein, einfach Zuhören, tiefes Zuhören war gebraucht, ohne Einmischung, die Geschichte sich erzählen lassen, wie sie sich erzählen will – anfangs mischten sich noch Gedanken ein: aber was ist denn hier der Zusammenhang zu Reich?- Aus dem Wunsch, ein Interview zu machen, ereignete sich also das, was Bernhard Glassmann „Zeugnis ablegen“ nennt – im Hintergrund noch ein leiser Zweifel, ob das wohl genügt – die je eigene Geschichte noch mal zu erzählen – Zeugnis ablegen.

    Das Gespräch zeugt davon, wie sich – in „Täterfamilien“ – uneingestandene Angst und Schuld in Terror und Gewalt wandelt und damit eine ganze Familie in Angst und Schrecken hält, und es zeugt davon, wie – in „Opferfamilien“ – ein „Nicht-Fühlen-Können“ von jenem ungeheuren Schmerz über die Vernichtung ganzer Familien die Trauer an die Nachkommen weitergeben läßt, welche sie dann tragen. Es zeugt davon, wie schwierig es für beide – Täter wie Opfer – angesichts des Getanen und Erlittenen ist, das Leben voll zu leben und wie dies auch weitergegeben wird an uns. Das ist das Erbe: „Eine Schuld zu tragen, ohne daß man schuldig ist“.

    Beatrix: Ich möchte Euch fragen, wie ihr mit dem Gedenkjahr 2005 lebt, ob das in einer bestimmten Weise eine neuerliche Konfrontation war mit eurer Herkunft und Geschichte, ob euch das berührt hat. Es gab ja sehr viel Konfrontation mit den Bildern in den verschiedenen Sendungen, oder ist das für euch ohnehin in eurem Leben so integriert, dass es eine weitere Aufarbeitung oder ein Konfrontieren gar nicht braucht?

    Wolfgang: Es ist schon eine Fülle von Informationen, die da hereinbricht, sowohl visuell als auch über alle möglichen schriftlichen Medien. Für mich war es schon so, dass die Zeit meiner Kindheit wieder auflebte. Ich bin ja 1940 geboren und habe noch sehr viel von der Kriegs- und Nachkriegszeit mitbekommen, das Kriegsende 1945 vor allem und der Staatsvertrag 1955 waren für mich einschneidende Erlebnisse, als Vierjähriger und als Vierzehnjähriger.

    B: Kannst du über deine spezielle Situation in deiner Herkunftsfamilie erzählen?

    W: Ich bin als Ältester von sieben Kindern in verschiedenen Osttiroler Dörfern, zuletzt in Lienz aufgewachsen, Orten, in denen mein Vater als Lehrer ab 1938 tätig war. Mein Vater, 1904 geboren, stammte aus einer kinderreichen erzkatholischen Bozner k.k.-Post-Beamtenfamilie und war die Jahre vorher lange arbeitslos gewesen, nachdem er 1932 unter Mussolini seine Stelle als Lehrer in Sexten, Südtirol verloren hatte.

    Eine Versetzung als Lehrer nach Kalabrien hatte er abgelehnt und lange vergeblich versucht, an einer Schule in Österreich unterzukommen. Bis er – als Mitglied des NS-Lehrerverbandes nach dem Anschluß 1938 – eine Stelle als Volksschulleiter in der Pustertaler Gemeinde Abfaltersbach erhielt, hatte er sich als Knecht auf dem Bauernhof seines Onkels in Nordtirol durchgeschlagen.

    1940 heiratete er meine um 13 Jahre jüngere Mutter, die damals am Klagenfurter Krankenhaus arbeitete – Osttirol gehörte in der Nazizeit zum „Gau Kärnten“. Als uneheliche Tochter einer slowenischsprachigen Buchhalterin aus dem Kärntner Rosental und eines Gastwirtsohnes aus dem ab 1919 italienischen Kanaltal geboren, als der Erste Weltkrieg noch nicht aus war, war sie als Kleinkind ins Waisenhaus gekommen, nachdem sie ihre Mutter verloren hatte als sie ein Jahr alt war, und ihr Vater sie verleugnete.

    Als Sechsjährige holte sie eine Bergbäuerin nahe St.Veit an der Glan als „Hiatamadl“ aus dem Waisenhaus, weil sie sich von allen rachitischen Kindern noch am besten auf den Beinen halten konnte. Mit 16 floh sie vom Schweinehüten am Bauernhof in eine Klosterschule und fühlte sich dort das erste Mal als vollwertiger Mensch behandelt.- In Osttirol waren beide Fremde: der Schulleiter als überzeugter Nationalsozialist im konservativ-monarchistisch-katholischen Osttirol ein Außenseiter – und auch aufgrund seiner Persönlichkeit eher geduldet als respektiert, und seine Frau konnte als Kärntnerin nur zu wenigen Leuten einen guten Kontakt bekommen.

    1941 wurde mein Vater zur Wehrmacht einberufen, zuerst als Verbindungsoffizier zur italienischen Armee am Balkan und später als Truppenoffizier an die Ostfront; ab Ende 1944 war er vermisst und kehrte im Herbst 1946 als schwer Magenkranker aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Als NS-Belasteter wurde er jedoch erst nach einem Jahr wieder in den Schuldienst aufgenommen.

    B: Wie habt ihr als Kinder diese Zeit erlebt?

    W: Als Ältester von damals drei Kindern bekam ich in der Kriegszeit alles mit, was meine Mutter an täglichen Sorgen hatte. Und ich erleichterte ihr die Sorgen, indem ich ihr half, so gut ich konnte, Wege abnahm, auf meine Geschwister aufpaßte – Fotos aus dieser Zeit zeigen einen ernsten Jungen mit einer tiefen Sorgenfalte zwischen den Augen.- Der Vater war ja nicht anwesend, obwohl von ihm viel die Rede war. Bei den wenigen Heimaturlauben nimmt er Gestalt an: ein Offizier in schwarzen Stiefeln, mit Offiziersmütze und Uniform, laut und `waffenklirrend´, vor dem habe ich Angst, und ich verstecke mich hinter der Tür.

    Und er holt mich heraus, hebt mich hinauf, lacht mich aus wegen meiner Angst, und ich zittere am ganzen Körper, aus Angst und Lust zugleich. Ich zittere und gleichzeitig schaue ich zu ihm auf, bewundere ihn. Als er sich 1944 das letzte Mal von uns an die Front verabschiedet, nimmt er für die bevorstehende Feier des Endsiegs eine Flasche Sekt mit.- Der Krieg war in diesem Osttiroler Dorf weit weg, für uns Kinder angreifbar, nur dann vorstellbar, wenn wir im Gasthaus die Wochenschau mit Marschmusik und Kanonendonner und Siegesmeldungen sahen – und dann wieder unheimlich, wenn wir das Weinen und Flüstern von Frauen bemerkten und ihre von Trauer und Furcht vollen Augen.

    Hinter Kanonendonner und Marschmusik war etwas Unheimliches, das mit Grauen und Tod zu tun hat. Ich verstehe es nicht, und irgendwie verstehe ich doch.- Das Ende des Kriegs war für unsere Mutter und uns Kinder eine große Erleichterung, obwohl die Familie von der englischen Besatzungstruppe aus dem Schulhaus delogiert wurde und es nicht sicher war, wovon wir leben sollten, weil der Vater vermißt war. Auch wenn wir oft hungerten und von einem Tag auf den anderen nicht wußten, wie es weitergeht: Mutti vermittelte uns, dass es geht.

    Sie redet mit den Bauern im Dorf, sie geht mit uns Kindern auf die Felder, um übriggebliebene Kartoffel zu sammeln oder Rüben oder Löwenzahn, irgend etwas hatten wir immer zu essen. Ich erinnere mich: Fleisch gab es in dieser Zeit nur manchmal in Form von Flachsen in der Kartoffel- oder Kohlsuppe. Aber wenn arme Leute, Flüchtlinge an unsere Tür klopften, kriegten auch die immer etwas und wenn es nur Briefmarken waren.- Als die Nachricht kam, dass der Vater lebt und in russischer Kriegsgefangenschaft ist, waren wir glücklich und schauten optimistisch in die Zukunft. Wenn er zurückkommt, sind alle Probleme gelöst!

    Er kam zurück: schon Ende 1946 mit einem der ersten Heimkehrerzüge aus Rußland. Vom Krieg gezeichnet, krank, abgemagert. In der Familie nahmen alle auf ihn Rücksicht, er bekam das Beste, wird so gut es geht aufgepäppelt. Doch er reagierte seine gesellschaftliche Zurücksetzung – Verlust der Schulleiterstelle und des Gehalts, ein Jahr arbeitslos im Zuge der Entnazifizierung – in der Familie ab. In Form von Beschuldigung und Streit, in Form von Terror und Gewalt gegen seine Frau und die Kinder.- Als Ältester bekam ich da am meisten ab an Kränkung und Gewalt und reagierte mit Trotz und Rückzug darauf, dass der Vater erwartet, Kinder hätten widerspruchslos wie Soldaten zu parieren, was immer ihnen befohlen wird. Die harmonische vaterlose Familie war mit dem Auftauchen des Vaters zerstört.

    B: Das ist typisch wie ein Trauma weitergegeben wird. Er dürfte ein schweres Trauma erlitten haben; er kommt zurück und gibt das Trauma weiter.

    W: Wobei die Erwartung aber die war: Der Vater kommt zurück und löst alle Probleme, vor denen wir stehen. Die äußeren Probleme waren lösbar, die Konflikte in der Familie nicht. Seine Hilflosigkeit und seine Überforderung hat er regelmäßig gegen die Familie ausagiert. Die Mutter war zunehmend physisch und psychisch überfordert: Geldmangel, vier weitere Kinder in relativ kurzen Abständen geboren, Gehirntumor und Tod des fünfjährigen Sohnes, ließen die Situation ausweglos erscheinen, so daß sie nahe am Suizid war.

    Mitten im kalten Winter, bei minus 20 Grad, war sie eine Zeit lang unauffindbar. Ich habe sie dann im Wald gefunden und sie zum „Bleiben“ überredet. Auch für mich spitzte sich die Situation zu: Obwohl ich immer wieder, wenn ich „nicht folgte“, vom Vater geschlagen und in den Keller gesperrt wurde und mich dann auf Zureden meiner Mutter „vernünftig“ unterwarf, „um Verzeihung für den Ungehorsam“ bat, eskalierte die Konfrontation mit dem Vater auch noch dadurch, dass ich ihn zwei Jahre als Lehrer in der Volksschule hatte.

    Meine Mutter hat mich dadurch gerettet, dass sie darauf bestand, dass ich ins 30 km entfernte Lienz in das Gymnasium kam. Dadurch konnte ich mir meine eigene, von daheim unabhängige Welt bauen. Mit 16 wurde es allerdings noch einmal dramatisch, als die ganze Familie nach Lienz übersiedelte, nachdem mein Vater dort eine Stelle als Lehrer an der Hauptschule antrat.

    Kitty: Da gibt es eine Geschichte, die für mich so einprägsam ist, also nicht nur die Gewalt, sondern auch die Feigheit des Vaters: Wolfgang hat ja ab 13, 14 selbst sein Geld verdient….

    W: …. alles was ich so gebraucht habe, habe ich durch Geben von Nachhilfestunden – täglich zwei bis drei Stunden im Konvikt in Lienz oder in privaten Heimen – und durch Ferialarbeit selbst verdient. Ich habe mich auf meine eigenen Füße gestellt. Mir war es sehr wichtig, von daheim nicht abhängig zu sein und den Konflikten mit meinem Vater nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Die trotzdem immer wieder sehr angespannte Situation entlud sich eines Tages, ich war 16, in einem Eklat: Aus heiterem Himmel fing ich von meinem Vater eine offensichtlich ungerechte Watschen.

    Meine Reaktion war ungestüm, ich schnappte ihn mir – ich war inzwischen größer als er – schüttelte ihn und warf ihn mit aller Gewalt gegen die Wand. In dem Moment, als ich ihn vor mir liegen sah, wurde mir bewußt, dass ich ihn beinahe erschlagen hätte und ließ von ihm ab, setzte mich in mein Zimmer zu den Schulaufgaben und ließ mich stoisch, ohne eine Reaktion, von ihm mit einem Stock schlagen bis er nicht mehr konnte.

    Auf Grund dieses Vorfalls verbot mir mein Vater beim Schulschikurs mitzufahren, zu dem ich mich bereits angemeldet hatte. Darauf wurde mein Vater zu einem Gespräch mit dem Direktor eingeladen. Vor dem Direktor hat er dann behauptet, dass er es mir nie verboten hätte. Das war für mich so eine Bloßstellung, eine Zerstörung der mühsam aufgebauten eigenen Welt, dass ich mit dem Vater mehrere Jahre lang nichts mehr geredet habe.- Dass ich dann zunächst Jus studiert habe, mich in der 68er-Studentenbewegung engagiert habe, die Gesellschaft von Ministerien aus verändern wollte, mich für Wilhelm Reich begeisterte und schließlich die AIKE (damals „Arbeitskreis für individuelle und kollektive Emanzipation„) mitbegründet habe und selbst Psychotherapeut geworden bin, hat sicher mit dieser Familienerfahrung zu tun.

    B: Und hat dann je eine Versöhnung mit deinem Vater stattgefunden?

    W: Als ich das erste Mal verheiratet war – inzwischen beruflich erfolgreich und selbst Vater – und meine Eltern zu Hause besuchte, habe ich vergeblich versucht, mit meinem Vater ein Gespräch darüber zu beginnen, was zwischen uns zwei in meiner Kindheit und Jugend passiert ist. Das Gespräch kam aber nie zustande: ich wollte eine Entschuldigung, er wollte Hilfe vom Dr. jur. in Alltagsangelegenheiten. Diese habe ich ihm verweigert.

    Zu seinen Lebzeiten konnte eine Versöhnung mit ihm nicht stattfinden, meine Verachtung für ihn war zu groß. Als er 1973 an Haut und Magenkrebs starb, hat mich dies völlig unberührt gelassen. Mein Leitsatz blieb lange, nie so zu werden wie mein Vater, und es hat einige schmerzhafte Therapieerfahrung gebraucht für mich zu akzeptieren, dass ich in einigen Bereichen so war wie mein Vater. An meiner Unfähigkeit mit meiner eigenen Verletzlichkeit und Aggressivität adäquat umzugehen, ist auch dann meine erste Ehe zerbrochen.

    B: Also da gibt es etwas, was sich in Dir verkapselt und verhärtet hat.

    K: Ich möchte das so sagen, auch aus der Erfahrung des Zusammenlebens: Wenn man verletzt wird, ist die erste Reaktion Dichtmachen und Rückzug, ein Automatismus, um kein Gefühl haben zu müssen, um die Verletzung nicht mehr spüren zu müssen….

    B: ….weil der Schmerz zu groß wäre.

    W: Offen zu sein hätte für mich als Kind Vernichtung bedeutet; ich habe mich verhärtet und unverletzlich gemacht. Ich glaube, dass meine Geschwister auf die große systemische Belastung in unserer Familie unterschiedlich reagiert haben: Zwei jüngere Brüder, drei und sieben Jahre jünger, beide ganz offene Wesen, sind an Gehirntumor gestorben.

    Der eine ist mit 5 Jahren, der andere mit 17 Jahren verstorben. Ich meine, dass sie für die Familie etwas ausgetragen haben; sie haben die Konflikte und die Lieblosigkeit nicht ausgehalten. Meine, um ein Jahr jüngere Schwester trat ins Kloster ein und hat sich Jesus geweiht, eine andere Schwester war zeitweise suizidgefährdet, und auch die Krankheitsbilder meiner beiden lebenden Brüder deuten auf systemische psychosomatische Zusammenhänge hin.

    B: Hat dann eine Versöhnung innerlich stattgefunden? Ihr habt ja auch Familienaufstellungen gemacht, da geht es um das Annehmen des Vaters und der Mutter.

    W: Also bei meiner Mutter hatte ich damit auch in der Realität keine Schwierigkeiten, weil das Bemühen um Verstehen auf beiden Seiten immer vorhanden war – bei allen unüberbrückbaren Differenzen, die vor allem mit Religion und meinem Austritt aus der katholischen Kirche zu tun hatten. Allerdings hat eine Familienaufstellung meine Beziehung zur Mutter sehr entlastet, weil ich für sie in ihrer Bedürftigkeit als elternloses Kind einiges an Belastung getragen habe.

    Diese Last war für mich in dem Augenblick leichter, als sie in der Aufstellung ihre eigene Mutter gefunden hatte. Und anstelle ihres leiblichen Vaters hatte sie sich schon lange Gott-Vater anvertraut, so dass sie in der Lage war, ihr schwieriges Los anzunehmen und ihre mit vielen Schmerzen verbundenen letzten Jahre ohne Klagen zu ertragen.- Die Aussöhnung mit meinem Vater war schwieriger.

    Als vor zwei Monaten meine Mutter gestorben ist, habe ich nach dem Begräbnis am Grab einige Worte im engeren Familienkreis gesprochen. Plötzlich ist mir bewußt geworden, dass ich nur auf die Grabstelle meiner Mutter und nie auf die meines Vaters daneben geblickt habe. Ich habe dann gesagt, dass es mir weh tut, nicht zu ihm hinschauen und ihn nicht ansprechen zu können, und dass ich ihm die Achtung, um die er zeit seines Lebens so gekämpft hat, nie gegeben habe.

    Und dass er Achtung für sein Schicksal verdient, auch wenn manche seiner Handlungen uns unverzeihlich scheinen. Es war für mich und für die Familie erlösend, dies offen auszusprechen. Vielleicht ist es Teil von Versöhnung mit dem Vater, ihn einfach zu sehen, dass er vor uns war und weitergab, was er erhielt, und wie er mit uns war, in seinem Bemühen und in seiner Beschränktheit. Eine späte Aussöhnung.

    B: Jetzt erst?

    W: Erst jetzt! Jetzt bin ich 64. Die Aussöhnung mit meinem Vater ist in mühsamen, kleinen Schritten vor sich gegangen und ich weiß nicht, ob sie heute schon abgeschlossen ist.- Der erste Schritt war sicher jener vergebliche, das Gespräch mit ihm zu suchen, solange er noch gelebt hat. Der zweite kam eher unerwartet auf mich zu, weil er von mir aus nicht in Richtung Vater intendiert war, sondern als Auseinandersetzung mit meinen Defiziten gedacht war, wie meiner Sozialangst und der Unfähigkeit, mit meinen aggressiven Gefühlen umzugehen. In meinem ersten Bioenergetik-Marathon kam ich über einfache Aggressionsübungen dazu, meinen Vater zu erschlagen dafür, was er mir angetan hat.

    Den Schmerz dann zu spüren, dass ich ihn als Vater nicht gehabt habe, zu weinen und die Sehnsucht nach einem liebevollen Vater zu empfinden. Das war für mich ein wichtiger Durchbruch, der mich wieder liebesfähig gemacht hat und mir den Zusammenhang bewußt machte, der zwischen unterdrückten Gefühlen und der Unfähigkeit zu lieben besteht. In langjähriger therapeutischer Arbeit sind mir dann jene kontrollierenden Verhaltensmuster klar geworden, mit denen ich mich Autoritäten gegenüber zu schützen gelernt habe. Und schließlich habe ich mich intensiv damit auseinandergesetzt, wie Herkunftsfamilie, soziales Umfeld, Krieg und Nationalsozialismus die Elterngeneration und insbesondere meinen Vater geprägt haben.

    B: Also mein Vater lebt ja noch und ist als Siebzehnjähriger eingezogen worden, auch an die Russische Front. Er hat auch viel Grausames erlebt, hat andere Menschen erschießen müssen, um zu überleben, und er war einer von ganz wenigen aus seiner Truppe, die zurückkamen. Diese Angst und das Trauma nahm er mit – so war auch unser Aufwachsen geprägt von ständigem, vor allem energetisch spürbarem Terror.

    Erst ganz spät habe ich erkannt, dass er zutiefst in einem Schrecken lebt; bisweilen hilft mir dieses Verständnis mit ihm zu leben, obwohl ich, wenn ich in seiner Nähe bin, große Mühe habe, nicht „angesteckt“ zu werden. Ich habe gesehen, dass er zutiefst traumatisiert ist, dass er sich nicht seine „Schuld“ eingesteht, die er darüber empfindet, was er getan hat. Dass er Menschen ermorden mußte, aus guten Gründen sozusagen, um sein eigenes Leben zu erhalten. Tatsächlich hat er Leben genommen, und ich denke, es ist schwer damit zu leben. Eigentlich wird er damit nicht fertig. Ich habe erkannt, wie Trauma wirklich weitergegeben wird. So bin auch ich traumatisiert – durch seine Unberechenbarkeit, das immer gegenwärtig Bedrohliche, Vernichtende und Gewaltsame.

    Ich habe das ähnlich wie du gehandhabt, besonders als meine Zwillingsschwester sich in ihre Magersucht zurückgezogen und sich auf diese Art unantastbar gemacht hat; ich habe das so gelöst, dass ich auch die Elternfunktion übernommen habe. Es ist unglaublich schwer da herauszukommen und in einen heilsamen Dialog zu gehen. Womit ich in dieser Zeit so konfrontiert werde ist, wie sich das wirklich perpetuiert und die zweite Generation das sehr stark abbekommt, auch auf der Täter-Seite sozusagen, was sicher anders ist als als Nachkomme von Holocaust-Überlebenden; aber all diese Erfahrungen sind in unseren Zellen gespeichert und es fragt sich, wie da Heilung stattfinden kann, dass das nicht noch weiter und noch weiter geht. Vielleicht kann man darauf vertrauen, dass die Generation unserer Kinder das unterbricht.

    W: Ich habe da große Hoffnung, wenn ich unsere Kinder und ihren bewußten Umgang mit uns und mit sich selbst anschaue. Ich habe von meinen Kindern schon sehr viel gelernt.

    K: Als Wolfgang nach der Krebsoperation aus der Narkose aufgewacht ist und noch im Delirium war, hat er gesagt, dass er gerade einen Traum, einen Offenbarungstraum gehabt hätte: „Mein Krebs ist die ungelöste Geschichte mit meinem Vater“. Er hat geweint und gemeint: „Ich muß mich irgendwie aussöhnen, aber ich weiß nicht wie“. Wochen später organisierte ich für ihn eine Familienaufstellung.

    W: In dieser Familienaufstellung ging es um meine Krebserkrankung. Das Lösungsbild war, dass wir Kinder ohne die Eltern zusammenstehen, weil wir die Eltern nicht als Eltern haben konnten. Sie waren einfach nicht fähig uns als Kinder emotional zu versorgen.

    Es war befreiend, meinen Vater in seiner Unfähigkeit, Vater zu sein, zu sehen. Später haben wir noch eine Aufstellung mit Hellinger gemacht; dabei ist es zunächst um Kittys Krebserkrankung gegangen, wo Hellinger gesehen hat, dass Kitty etwas für mich „trägt“, dass ihr Krebs etwas zu tun hat mit dem, was sie in unserer Beziehung für mich getragen hat.

    K: Das war zwei Tage nach der Entlassung aus dem Spital nach meiner Brustkrebsoperation. Er hat uns beide herausgeholt, hat ein paar Fragen gestellt und hat gemeint, dass er für Wolfgang aufstellen wird. Dabei kam heraus, dass der Vater belastet war. Zuerst hat er mögliche „Opfer“ auf den Boden gelegt.

    Dann hat er vier Männer dahinter gestellt, von denen dann einer sofort eine Täterhaltung einnahm. Einen hat es ganz heftig geschüttelt. Der Vater hat ganz bewundernd zum Täter aufgeschaut. Wolfgang hat es dann zu den Opfern am Boden hingezogen, das war wie ein Sog.

    B: So wie Sühne-Tun?

    W: Es war tiefe Verbundenheit und ein Mitleiden mit den Opfern. Was da geschehen ist an Morden, war nicht zu ertragen. In mir tauchte das Bild des Janus Korzsak auf, der mit seinen Waisenhauskindern in die Gaskammer geht und ich das Schicksal mit ihm und seinen Kindern teile; nicht als Kind, sondern als Erwachsener.

    B: Du nimmst das auf dich, könnte man sagen. Dein Vater hat Ausreden gesucht und nicht gesagt „das habe ich getan“, sondern er ist im Nichtwahrnehmen seiner Verantwortung geblieben und du hast das dann auf dich genommen.

    K: Den einen, den es so geschüttelt hat, den hat es auch zu den Opfern gezogen, wobei er seinen Kopf auf Wolfgangs Schulter gelegt hat. Ich nehme an, dass das einer seiner Brüder war, der an Gehirntumor erkrankte. Dann hat Hellinger das so gelöst, dass er Wolfgang aufstehen und den Vater hinlegen ließ und Wolfgang den Satz sagen ließ: „Ich bleibe bei den Kindern“. Und zu mir hat er gesagt: „Du gehst statt deinem Mann“.

    Das war für mich sehr stimmig, weil ich glaube, dass ich in der Zeit vor meiner eigenen Krebserkrankung zu viel „getragen“ habe, sowohl für meinen Mann als auch für meine eigene Herkunftsfamilie. Ich war damals einfach erschöpft und in meiner Erschöpfung freudlos.

    Mein Leben bestand nur mehr aus Arbeit. Dazu kam, dass Aaron die Schule gewechselt hat, von der Steiner-Schule in die Stubenbastei. Statt ihm stand ich unter großem Druck, ich hatte Angst, dass er den Übertritt nicht schaffen würde. Diese Angst war absolut unangemessen, ich projizierte meine Panik vor Schule und Lehrern in ihn. Ich selbst habe viele „Nazi-Lehrer“ gehabt.

    B: Haben dich die Nazi-Lehrer spüren lassen, dass du Jüdin bist?

    K: Da hole ich jetzt weiter aus: Meine Eltern sind beide jüdisch, sie waren auch politisch im Widerstand und sind relativ früh emigriert. Mein Vater gleich nach dem „Anschluß“ in die Schweiz und dann nach Frankreich. Er kam dort in ein Lager, weil er keine Aufenthaltspapiere hatte und ist von dort geflüchtet. Weil er in den USA einen Cousin hatte, bekam er ein „Affidavit“. Per Schiff fuhr er nach Amerika, trat dann in die amerikanische Armee ein, wurde als Aufklärer an der italienischen Front eingesetzt und wurde schwer verwundet; drei Jahre lang blieb er im Spital.

    Nach dem Krieg hat mein Vater immer wieder in der Nacht aufgeschrien, hat oft gebrüllt wie am Spieß.- Meine Mutter kam aus einer sehr bürgerlichen Familie im 1. Bezirk, einer sehr religiösen Rabbiner- und Kaufmannsfamilie. 1939 floh meine Mutter, da war sie 21 Jahre alt, gemeinsam mit ihrer Schwester und dem zwölfjährigen Bruder, nach England; ein anderer Bruder emigrierte nach Israel. Von England kam meine Mutter dann in die USA, wo sie ihren jüdischen Jugendfreund geheiratet hat. Nach zwei, drei Jahren ist der jedoch plötzlich an Grippe gestorben. Gemeinsam hatten sie einen Sohn, der nierenkrank war und ein halbes Jahr später ebenfalls starb.

    Sie war dann ganz alleine. Es gab auch dort ein sehr antisemitisches Gesellschaftsklima, niemand durfte wissen, dass sie Jüdin war. Da gab es Parkbänke, auf denen stand, dass sich Neger und Juden nicht hinsetzen dürfen. Sie ist dann nach New York gezogen und hat meinen Vater noch vor seiner Verletzung kennengelernt und im Jahr 1946 geheiratet. Beide waren auch Kommunisten. Ich glaube, dass das in Wirklichkeit eine Deckidentität war.

    In New York gab es das Zentrum „Freie Österreichische Jugend“, wo sich Emigranten und Vertriebene getroffen haben. Meine Eltern waren fast jeden Tag dort, es war für sie wie eine Ersatzfamilie, eine emotionale Heimat. Die hatten eine totale österreichische Identität, auch mein Vater und meine Mutter. Das kann ich von mir nicht mehr sagen.- Nachdem mein Bruder 1948 in Amerika geboren wurde, sind sie 1949 nach Österreich zurückgekehrt.

    Sie hatten die Idee, Österreich zu verändern. Sie konnten aber nur zurückkommen, indem sie alles rundherum ausgeblendet haben. Mein Vater ist nie mehr in die Gasse gegangen, in der er aufgewachsen war, auch meine Mutter nicht. Ihre Freunde waren hauptsächlich ehemalige Emigranten, das war ihre und später auch meine Ersatzfamilie. Denn viele der Familienmitglieder waren entweder ermordet worden oder in der ganzen Welt verstreut.

    Der Bruder meines Vaters ist in Auschwitz umgekommen, seine Mutter und seine Schwestern blieben nach ihrer Flucht in England, sein Vater ist kurz nach der Reichsprogromnacht im November 1938, wo er massiv körperlich mißhandelt wurde, an einem Herzversagen gestorben.

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  • Buk 3/05 Der weibliche Orgasmus genetisch?

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    Bukumatula 3/2005

    Der weibliche Orgasmus genetisch?

    Sexleben von Zwillingen verglichen – Forscher behaupten: gesellschaftliche Einflüsse haben kaum Auswirkung
    von
    Dario Lindes:


    Nach Ansicht britischer Forscher bestimmen über den Orgasmus einer Frau auch ihre Gene. Orgasmusschwierigkeiten seien zu einem Drittel bis knapp zur Hälfte Veranlagung, so eine britische Studie, in deren Rahmen Zwillinge untersucht wurden.

    „Gesellschaftliche Einflüsse wie Familie, Religion und frühe Erziehung hätten dagegen kaum Auswirkungen“, schreiben Kate Dunn von der Universität Keele und Kollegen in den „Biology Letters“ (Juni-Ausgabe) der Londoner Royal Society.
    Die Studie zeige erstmals eine genetische Basis für die Orgasmusfähigkeit von Frauen.

    3.000 Zwillinge befragt

    Trotz der Häufigkeit von Orgasmusschwierigkeiten bei Frauen sind die Ursachen dafür kaum erforscht. Dunn und Kollegen sammelten die Antworten von fast 3.000 ein- und zweieiigen weiblichen Zwillingen zwischen 19 und 83 Jahren.

    Jede dritte Frau gab an, beim Geschlechtsverkehr selten oder nie einen Orgasmus zu erreichen, bei der Selbstbefriedigung war es jede fünfte.

    Beim Masturbieren kommen demnach mehr Frauen zum Höhepunkt als mit einem Partner.

    Mehr Übereinstimmung bei eineiigen Zwillingen

    Die Antworten eineiiger Zwillinge – sie haben eine identische DNA-Struktur – stimmten dabei stärker überein als diejenigen zweieiiger, was auf einen klaren genetischen Einfluss hinweist, schreiben die Forscher.

    Kritik an soziokulturellen Modellen

    Bisher seien Unterschiede in den weiblichen Sexualfunktionen vor allem kulturellen, religiösen und psychischen Faktoren zugeschrieben worden, betonen die Forscher.- Noch keine Studie habe zuvor jedoch die Familiengeschichte oder genetischen Einflüsse untersucht. Umgekehrt gibt es seit Jahren den Trend, Verhaltensphänomene als genetisch bedingt zu erklären.

    Hormontherapie gegen Orgasmusprobleme?

    Die Beobachtung, dass Gene der überwiegende messbare Faktor bei der unterschiedlichen Orgasmusfähigkeit seien, werde unter anderem durch die Entwicklung neuartiger Hormontherapien für Frauen mit Orgasmusschwierigkeiten an Bedeutung gewinnen.

    Tim Spector, einer der Autoren der Studie, betonte gegenüber BBC jedoch, dass es Jahre dauern wird, bis das für die Orgasmusprobleme verantwortliche Gen identifiziert sei. Es gebe hunderte Möglichkeiten.

    Gynäkologin: „Viele Faktoren im Spiel“

    Die britische Gynäkologin Margaret Rees warnte gegenüber BBC jedoch vor einer zu einfachen Sichtweise. Es seien viele Faktoren für weibliche Dysfunktion verantwortlich. Rees kann sich daher nicht vorstellen, dass künftig ein einzelnes Medikament oder eineHormontherapie Orgasmusprobleme lösen können wird.

    Link:
    http://news.bbc.co.uk/1/hi/health/4616899.stm

    Anmerkungvon Dario Lindes:

    Wieder bin ich beim Mediensurfen über eine kuriose Meldung zum weiblichen Orgasmus gestolpert (s. BUK 4/04), die mich nicht schlecht staunen ließ. Was will uns diese Nachricht sagen? Dass jegliche Körper- und andere Therapie für sexuelle Probleme eigentlich umsonst ist?

    Wilhelm Reich hatte ja seine ursprüngliche Vegetotherapie aus der Psychoanalyse heraus gerade anhand von, bzw. für orgastische Minderfunktionen geschaffen und die Methodik in seinem Werk „Die Funktion des Orgasmus“ dargelegt. Sein Beitrag war ein Quantensprung in der Diagnostik und Behandlung von sexuellen Störungen, und sein Ansatz lebt ja auch heute noch weiter und funktioniert auch. Es darf nicht geleugnet werden, dass die Gründe für Orgasmusstörungen hauptsächlich intrapsychischer Natur sind.

    Körperliche wie seelische Panzerung – Körperverspannungen, mangelnde Körperkontrolle und -bewusstsein, „Sich nicht fallenlassen-können“, mangelnde Hingabefähigkeit – bedeuten mit einem Wort: Angst. Wilhelm Reich zeigte in seinen Arbeiten, dass Angst das Gegenteil von Lust ist. Und dagegen lässt sich – und das habe ich ja auch immer wieder in meinen Beziehungen praktisch erlebt und sehr gut angewandt – sehr wohl mit Körperarbeit etwas machen.

    Zugang bieten die basalen Körpertechniken wie Körperspüren, Tiefatmung, Entspannung – für mich war es immer wieder erschütternd zu erleben, wie wenige Menschen es gibt, die z.B. ihre Gliedmaßen völlig entspannt und locker lassen können (kein Wunder, dass das sexuell blockierend wirkt) -, Beckenbodenarbeit, daraus folgernd natürlich auch die Beschäftigung mit dem eigenen Seelenleben: wo halte ich fest, wo halten mich psychische Fussangeln wie falsche Gedanken, Glaubenssätze, etc. zurück und von meinem Glück ab. Das ist natürlich ein langer, oft steiniger Weg.

    Eine Therapie mit Tabletten zum schnell Runterschlucken – ein Viagra für die Frau – klingt verlockend, wird aber meines Erachtens kein erfolgreicher Weg sein, die körperorientierte Psychotherapie in diesem Problemfeld zu ersetzen.

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  • Buk 3/05 Mysteries of the Organism

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    Bukumatula 3/2005

    WR – Mysteries of the Organism

    Film revue, von
    Christian Rieder:

    WR – Mysteries of the Organism (1971) ist mehr, als „nur“ eine Dokumentation über den Begründer der Körperpsychotherapie, Wilhelm Reich (WR). Der jugoslawische Filmemacher Dusan Makavejev hat hier ein buntes Sammelsurium an Filmmaterial zum Thema „Emanzipation & Revolution“ zusammengestellt: So wie es in seinem bekanntesten Werk auf der kollektiv-politischen Ebene um den Marxismus geht, so geht es auf der zwischenmenschlich-privaten Ebene um die „freie Liebe“ („the sexuality of politics and the politics of sexuality“).

    Beides spielt sowohl im bewegten Leben Wilhelm Reichs, als auch innerhalb der fiktiven Lebensgeschichte der Jugoslawin Milena eine bedeutende Rolle. Dusan Makavejev führt auch mit diesem Film seinen Kampf gegen Repression und Diktatur: „It`s always the same job of freeing yourself from authority, of breaking down rigid structures, of opening up paths; in short to create a free, open world where every individual can be himself …“.

    All denjenigen, welche sich weder für Wilhelm Reich, noch für das sozio-kulturelle Phänomen „1968“ interessieren, ist dieser Film zweifelsohne nichtzu empfehlen. Und obwohl ich mich nicht zu dieser Personengruppe zähle, muss ich zugeben, dass es auch mir nicht immer leicht gefallen ist, mit voller Aufmerksamkeit dem „Flimmern des Bildschirms“ zu folgen. WR – Mysteries of the Organism? Teilweise sehr interessant; ab und zu absurd-komisch. Und manchmal leider auch etwas anstrengend.

    WR – Mysteries of the Organism.Film. Yugoslavia / West Germany. 1971. Director, Producer, Screenwriter: Dusan Makavejev. Stars: Miodrag Andric, Jim Buckley, Jackie Curtis, Betty Dodson, Milena Dravic, Nancy Godfrey, Dragoljub Ivkov, Milan Jelic, Jagoda Kaloper, Tuli Kupferberg, Zivka Matic, Nikola Milic, Zoran Radmilovic, Wilhelm Reich and Ivica Vidovic.

    Weiterführende Literatur:
    Durgnat, Raymond: WR – Mysteries of the Organism. Indiana University Press, 1999.

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    Bukumatula 3/2005

    Der Mensch im Bild und Gleichnis Gottes.
    Was ist mit ihm geschehen?

    Eine Reise mit dem Sufiheilorden in die Konzentrationslager nach Auschwitz, 2003.
    von
    Christa Sekac:


    EINLADUNG

    Die Einladung nach Auschwitz. Schwer lag sie in meinen Händen, schwer und bedeutungsvoll. Zuerst fühlte ich mich dem gar nicht gewachsen und wollte absagen, und doch sagte jene innere stille Stimme so klar: ich solle gehen.
    Es war nicht so sehr die Gewissheit diesem Ort Heilung bringen zu können, sondern der bescheidene Ansatz sich der Vergangenheit zu stellen, an einem Ort wo das Schlimmste geschah….

    DIE REISE

    In Wien ein turbulenter Start. Bis jeder seinen Sitzplatz fand, rollte der Zug schon Richtung Oswiecim. Zur Einstimmung, als Reisebegleiter, wählte ich die Lektüre eines jüdischen Autors – Friedrich Weinreb:“Das chassidische Narrenparadies“. Seine Worte so kraftvoll und klar, so leise und so präsent; Verbannung und Erlösung, Vernichtung und Auferstehung, Hoffnungslosigkeit und Vertrauen…. Gegensätze, wie sie extremer nicht sein können….

    Der liebevolle Empfang unserer polnischen Freunde ließ uns durch-atmen, die herzliche Stimmung, die strahlenden Augen ließen uns schnell vergessen, daß wir nicht polnisch konnten, daß wir in der Fremde uns befanden.

    BESUCH VON AUSCHWITZ 1

    Beklemmung, Trauer gleich vom ersten Blick an. Stille Tränen, und jeder Schritt tat weh….und dann die grauenvollen Bilder im jüdischen Haus: erbarmunglos ausgeliefert, nackte Männer, nackte Frauen, auf dem Arm nackte kleine Kinder; die Augen der Kinder erzählen vondiesem Un-faßbaren….vor einer Grube – in die sie bald fallen würden, erschossen, auf die Toten blickend, die schon in der Grube lagen – …. nie mehr werde ich diese Augen vergessen. Mir war, als ob Gott weinte. Stumme Schreie, laute Schreie, blankes Entsetzen….wieviel Schmerz, wieviel Unrecht kann ein Mensch ertragen?

    Das war noch nicht alles, schlimmer noch: das Todeshaus, die Todes-(Erschießungs-)mauer. So tief der Schmerz, so bewußt und unendliches Leid jedes einzelnen Menschen…. In der Stille ist noch alles spürbar….

    Am nächsten Tag:

    ZU FUSS NACH AUSCHWITZ II – BIRKENAU

    Das Wetter spielte Kapriolen; ein unglaublicher Regenguß ließ uns Unterschlupf suchen (welch eine Freiheit!); so halbwegs ge-trocknet kamen wir aus unserem Unterschlupf raus – nicht wirklich lange, erneuter heftiger Regenguß ließ uns in eine der noch stehen-den Baracken flüchten – erstaunlich wie schnell man an sein Wohl denkt, auch an solch einem Ort.

    Die verschiedenen kontinuierlichen Gebete über Stunden brachten Ruhe in mein aufgewühltes Herz. Die Sanftheit des Atems bewirkte eine gewisse Gelassenheit, erweiterte eine innere Wahrnehmung die mich zutiefst berührte, führte in eine neue, noch nicht vertraute Stille …. Wieder stand ich vor der Todesmauer, mein Blick – gefangen vom Schmerz der Erde dieses unglaublichen Massenmordes, diesem unerträglichen Leid der Menschen, dieser Dunkelheit, dieser finsteren Nacht -, wurde innerlich emporgehoben ….,um das gleichzeitig in der vertikalen Linie befindliche unglaubliche Licht, das Licht Gottes zu sehen.

    Gerade an dieser Todesmauer, wo die Verzweiflung am größten war, war/ist auch das Licht am hellsten, stärksten….Jenes Licht oben durchströmt den gequälten Körper unten…. Ist das die Antwort auf meine Frage warum Men-schen trotz dieser unerträglichen Qualen, abgemagert bis auf die Knochen, menschlich entwürdigt – leben, überleben können? Die Liebe Gottes, wo ist sie ?

    (*1) Was verursachte diesen Krieg? Wenn der Geschmack der Kostbarkeit des Lebens, jedes Lebens in mir lebendig ist, kann ich dann töten? Was war in diesen Menschen innerlich tot – da sie im Äußeren töten, hilflose Menschen sadistisch quälen konnten?

    Und doch: Die Seelen, die den gequälten mißhandelten Körper ver-lassen, steigen empor zum Licht; d.h. ihr zartes Licht nimmt an Leuchtkraft zu, je höher, desto intensiver…. So verzweifelt und leidend die menschlichen Herzen, so nahe die Liebe Gottes. Es gibt diese Trennung nicht, die wir – in Raum und Zeit gefangen – als solche wahrnehmen.

    Doch dieses Bild ist kein Trost, es entschuldigt auch nicht die Greueltaten. Es ist eine Aufforderung. Eine Aufforderung, im Hier und Jetzt zu handeln.- Wie soll das geschehen?

    KONSEQUENZ

    Es scheint, es ist (mir) wichtig, nicht nur am historischen Geschehen festzuhalten, die Konzentrationslager als etwas „in der Vergangenheit“ Passiertes abzutun. Wie, was kann ich daraus lernen? In meinem Leben jetzt und hier?- Wo geschieht Auschwitz bei mir, in mir, im Alltag? Wann töte ich das Lebendige in mir? In meinen Kindern, in meinen Freunden?

    Diesen feinen, zarten Impuls des Lebens – lasse ich ihn zu (m)einer Kraft werden? Oder unter-drücke ich ihn – töte diesen Impuls aus Angst, aus Einsamkeit, durch falsche Anpassung, durch faule Kompromisse? Warum lasse ich die Dunkelheit in mir siegen? Kann ich unterscheiden was bewußtes oder was unnötiges Leiden ist? Spüre ich die Verkrampfung meines Körpers? Erlaube ich (mir) Entspannung? Klage ich über Streß oder übernehme ich Eigenverantwortung und entwickle konzentriertes Handeln?

    Sehnen wir uns nicht alle nach dem wirklichen Leben voller Leben-digkeit, welches Frieden, Freude und wahre Kraft einschließt? Und haben wir nicht alle ein Recht darauf?

    Beginnen wir…. beginnen wir, dem Licht und der Würde mehr Raum zu geben….jeden Tag erneut, unermüdlich….in uns undaußerhalb von uns….jeden Tag ein bißchen sanfter, gütiger zu sich und zu anderen zu sein, spürend welche Freude der sanfte, entspannte Atem mit sich bringt, welche Kraft daraus entspringt….

    (*1) Ibn al Arabi Die göttliche Sehnsucht, die sich im Wesen des Menschen als Liebe manifestiert,
    wird durch den Vorgang der Schöpfung gestillt….
    …. im Wissen um diese Einheit, kann es da noch Kriege geben?

    Impulse aus: W. Reich, ‚Äther Gott und Teufel‘:
    Seite 68: Atmenübungen
    Seite 144: ‚Nur Menschen mit einer Struktur, die zur Freiheit fähig ist, können in einer selbst-regulierenden, wahrhaft freien Weise leben.‘
    Seite 147: ‚Gott ist so langweilig und fern, weil er den Kern des Lebens verkörpert, der durch die Panzerung unzugänglich wurde.‘

    Buchempfehlungen:
    Schoschana Rabinovici `Dank meiner Mutter´
    Friedrich Weinreb `Legende von den beiden Bäumen´
    Etty Hillesum `Das denkende Herz´

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    Bukumatula 3/2005

    Mein Leben – von der Seele begrüßt …

    Das Ja zur Therapie als heilender Faktor.
    Beatrix Teichmann-Wirth:

    Vorwort:

    Es war genau vor einem Jahr, am 1. Oktober 2004, als ich – eingeladen vom Wilhelm Reich-Institut – einen Vortrag hielt zum Thema „Zur Psychosomatik der Krebserkrankung“; an meiner Seite Hans Peter Bilek, renommierter Psychoonkologe. Es war ein sehr schöner Abend, aufregend auch, so viele Menschen, und ich sollte (durfte) das erste Mal über ein Thema sprechen, das mich seit 1998 im wahrsten Sinne des Wortes be-traf – meine Krebserkrankung.
    Wochen später wurde ich von Hans Peter Bilek eingeladen, einen Vortrag zu halten bei der Tagung der „Österreichischen Gesellschaft für Psychoonkologie“ (ÖGPO). Ich sagte mit Freuden zu und der nachfolgende Beitrag ist eine Zusammenschrift davon. Bei der nochmaligen Durchsicht ist mir aufgefallen, wieviel ich der Beschäftigung mit Wilhelm Reichs Werk zu verdanken habe.

    Es ist hier nicht nur der genetische Aspekt seiner Krebstheorie, über das Entstehen der Krebsbiopathie, wiewohl ich auch hier vieles in mir und den von Krebs Betroffenen wiederfinde, hier vor allem die tiefe Resignation dem Leben gegenüber. Darüber hinaus ist es das Kernstück der Reich´schen Vegetotherapie – die vegetative Identifikation, von der ich annehme, dass sie in der Betreuung und Begleitung von Krebskranken ein wesentliches Instrument sein kann.
    Einen Aspekt, welchen ich dem Reich´schen Ansatz hinzufügen möchte, ist der der Selbstheilungskraft, die einer Erkrankung innewohnt. Eine (Krebs)erkrankung ist nicht bloß Ausdruck einer Störung, damit kausal determiniert, sondern eine Kreation, eine schöpferische Tat, um das verlorengegangene Gleichgewicht wieder herzustellen.

    In diesem Sinne diente meine Erkrankung als Ermutigung und Herausforderung grundsätzlich aus dem „Strömen“ zu leben und nicht aus den Konzepten und Dogmen, die es zuvor bestimmt haben.

    Von der Seele begrüßt…
    Das Ja zur Therapie als heilender Faktor.

    Vortrag von Beatrix Teichmann-Wirth im Rahmen der ÖGPO-
    Tagung am 11.6.2005 im Wiener AKH.

    Als Verena Kast am Vormittag an uns die Einladung richtete, sich eine freudvolle Situation zu vergegenwärtigen, erinnerte ich mich sogleich an die Einladung von Dr. Bilek. Ja, da hab ich mich sehr gefreut. Die Freude dauerte an, bis ich mich daran machte, mich konkreter vorzubereiten, so etwa einen Monat vor dem heutigen Tag. Ich wollte das so machen, wie ich es immer tat, wenn ich mich auf ein derartiges Vorhaben vorbereitete: mir all die Lektüre bereit zu legen, die ich vorhatte zu lesen, mir die Seitenanzahl zusammen-zählen, um sodann die Gesamtseitenzahl zu dividieren durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Tage.

    Ja, so hab ich das früher gemacht. Lesen im Akkord. Da war natürlich keine Freude mehr spürbar. Aber irgendwie konnte ich diesmal nicht derart herangehen. So riskierte ich es, es anders zu tun. Und das würde ich als eine Art Schwangerschaft beschreiben. Wo immer ich war, hatte ich ein kleines Büchlein dabei, in welches ich all meine Ein-Fälle notierte. Auch beschränkte ich meine Arbeitszeit nicht auf zuvor fixierte Zeiten, hob vielmehr die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit auf. So konnte es geschehen, dass ich nochmal aufstand in der Nacht, um einer Inspiration Gehör zu schenken. Auch meinen Arbeitsplatz beschränkte ich nicht auf das Sitzen vor dem Computer, einmal wars das Cafe Dommayer, ein andermal das Perchtoldsdorfer Bad, ein andermal liegend am Sofa.

    Ich beschreibe das so eingehend, weil sich darin mein persönlicher Wandel ganz deutlich abzeichnet. Ein Wandel von einem außenge-steuerten Leben hin zu einem, wo mein Organismus bestimment, was ich wann tue. Ein Wandel hin zu einem Leben, das meine Seele begrüßt.
    Krebs Sei Dank hab ich einmal einen Buchbeitrag genannt, ja ich bin meinem Krebs dankbar, dankbar für die Erlaubnis, die durch ihn mir gegeben wurde.

    So war auch der Krebs von meiner Seele begrüßt, oder um es noch provokanter zu formulieren, mein Krebs war von meiner Seele gewählt, als eine Selbstheilungsmöglichkeit, als eine Möglichkeit, das was aus dem Gleichgewicht geraten ist, wieder zurechtzurücken. Die Krebserkrankung war also im Sinne Dieter Becks ein Selbsthei-lungsversuch, ein – wie ich hoffe – gelungener.

    Ich möchte das, was ich zum Thema vortrage, einrahmen von zwei gelesenen Sequenzen, welche sehr Persönliches beinhalten und welche ich in dieser ver-dichteten Form geben will.

    Von der Seele begrüßt… da müßte ich jetzt – ganz akademische Psychologin – gleich eine Definition voranstellen, was ich unter Seele und Begrüßen verstehe. Das will ich jetzt nicht tun.

    Will vielmehr beschreiben, wie es sich in meinem Körper so anfühlt, wenn etwas von meiner Seele begrüßt wird.

    Da spüre ich ein Aufgehen, ein sich Öffnen, ungefähr hier im Herz-bereich, eine Bereitschaft, ein JA, das wiederum nach unten fließt, fast bis in die Beine, ja genau, und dann gibt’s da so ein kleines, manchmal ein größeres Jauchzen, ja genau, das tu ich, und das tu ich ganz und jetzt gleich und freudig.

    Ja, so erlebte ich die Behandlungsschritte bei der ersten Krebser-krankung, damals im Mai 1998.

    JA GENAU, das mach ich: ich lasse mich operieren, nicht von irgendeinem Chirurgen, nein von genau diesem – Professor Kolb – von meiner Seele begrüßt, ausgewählt nach vielen Kontakten mit anderen „Berühmtheiten“ für die vieles sprach – jedoch er mußte es sein, JA genau. Es war ein lichtdurchfluteter Mai-Tag, ein Montag um 9 Uhr früh im Evangelischen Krankenhaus in Wien Währing, begleitet von meinem Mann an unserem Hochzeitstag – da wurde ich operiert von liebenden Händen, welche mir meine Brust beließen, dort wo nach State of the Art, sie mir zur Gänze genommen werden sollte.

    Ein kleiner Schnitt nur, mittlerweile unsichtbar – wie eine nachträg-liche Bestätigung, ja genau, das war die richtige Entscheidung.

    Und als ich mich dann – trotz Drängens – erst nach Monaten zur Bestrahlung entschied – nein nicht im nahegelegenen Krankenhaus sondern in einem weiter entfernten, dort, wo die Farben und das Licht das Warten und das Verweilen erfreulich machten, war auch die Bestrahlung von der Seele begrüßt – und auch wenn dies para-dox erscheinen mag – zuallererst begrüßt als eine intensive Er-fahrung – ah so ist das, so fühlt es sich an, das macht das mit mir. Die Nebenwirkungen blieben gering, erfahren hab ich eine große energetische Öffnung im Herzbereich, dort wo ja die Bestrahlung angewandt wurde – ein Angehobensein, Liebe und tiefe Dankbarkeit für die mich so liebevoll und engagiert behandelnden Menschen.

    „Von der Seele begrüßt…“, entschieden nicht allein aufgrund von Fakten, Prozentzahlen, Heilungsquoten, Vernunftsgründen, sondern dies alles einschließend – organismische Selbstregulanz nennt das mein erster Psychotherapie-Vater, Carl Rogers, diese alles ein-schließende Entscheidungs-Kraft, die genau in der Mitte von allem ist, un-bedingt, alle Bedingungen berücksichtigend, jedoch nicht in der Vereinzelung, sondern in ihrer Ganzheit, vor sich hingelegt, betrachtet, wieder weiter weggestellt, sodann im rechten Abstand, sodass nicht eins vor dem anderen hervorsticht und den Seelenblick verstellt. So soll es sein. Und dann – wenn ich mich nicht einmische, dann offenbart sich ein tieferes, vielleicht höheres Wissen, das da sagt „auch wenn ich es vielleicht rational nicht begründen kann, so weiß ich, so weiß etwas in mir, dass es richtig ist.“ Ja genau, das mach ich – und wieder dieser `felt shift´, wie Gendlin, der Focusing-Begründer diesen organismischen Ruck nennt, wenn etwas als wahr erkannt wird. JA GENAU, Bestrahlung jetzt, dort an diesem Platz – und dann ebnen sich Wege, Termine stehen bereit, ohne Kampf, einfach so…

    Und die Therapie – jetzt von mir mit meinem organismischen Ja unterstützt – entfaltet ihre heilsame Wirkung.

    So habe ich es erfahren.

    Ich konnte/durfte auch eine andere Erfahrung machen, damals im Jahre 2002 als ich das zweite Mal an Krebs erkrankte und schnell den bekannten Weg der Operation und der Bestrahlung beschritt, zu schnell vielleicht. Hab´ meine Seele nicht angefragt, welcher Weg jetzt zu gehen ist, jetzt in dieser Situation, die äußerlich der Ersten zu gleichen schien und doch ganz neu und unvergleichlich war und wohl auch etwas Neues brauchte, auch wenn dies vielleicht dasselbe ist. Ich habe meine Seele, meine innere Stimme nicht erhört damals, schnell einen Operationstermin festgelegt und auch die Bestrahlung gleich einmal angeschlossen, damit auch das erledigt ist, ich kannte dies alles ja schon, vermeinte ich jedenfalls. Jetzt in der neuerlichen Be-schäftigung damit, erkenne ich, dass ich in die Therapie hinein schlitterte, tapfer, das mach ich jetzt auch noch, schnell, dann ist´s erledigt.

    Die Nach- und Nebenwirkungen fielen in nicht gekannter Heftigkeit aus, nicht verwunderlich für mich, war doch da niemand, der die Behandlungsmaßnahmen mittrug, den Strahlen den Weg wies und bei all dem ganz da war.
    Ich habe also am eigenen Leib – hautnah – erfahren, wie wesentlich die persönliche Ausrichtung, die Ein-Stellung dafür ist, wie die Behand-lung wirkt. Vor allem hat es mir ermöglicht, einige, wie ich meine wesentliche Schritte zu tun, aus einem Leben auszusteigen, welches mir nicht mehr gemäß war, welches mich nicht nährte, nein, im Gegenteil mich erschöpfte, ein Leben, das ich so nicht mehr wollte, ein Leben, das von meiner Seele nicht mehr begrüßt wurde.
    Dafür bin ich dankbar.

    Die Diagnose war nicht nur Schock, sondern ein Ausgang. Krebs gibt Erlaubnis.
    So war dieser finale Aspekt meiner Krankheit – worauf weist sie hin, was gewährt sie mir, wofür dient sie – immer wesentlicher als die Frage nach dem „Warum“. Ich will dennoch an dieser Stelle ein Er-klärungsmodell vorstellen, weil es für das Weitere wichtig ist.

    Es gibt ja viele Theorien zur Krebsentstehung, viele wurden falsifiziert. Was ich aber sowohl in meinem persönlichen Bezug als auch in Krebsbiographien, bzw. in neueren Betrachtungsweisen wiederholt bestätigt fand, ist der Aspekt der Ohnmacht dem eigenen Leben gegenüber, der Fremdbestimmtheit, der Ent-fremdung von sich, der Ent-Eignung.

    Der Verlust der eigenen Lebensmelodie kennzeichnet diese Menschen, wie Le Shan sagt.

    Und diese grenzenlose stumme Verzweiflung darüber, dass man keinen Aus-Weg sieht oder vielmehr keine Berechtigung hat, das zu ändern, ein für sich gültiges, gemäßes Leben zu führen, ein Leben, das die Seele begrüßt.
    So wird das Nein zu diesem Leben zu einem Nein zum Leben überhaupt. Die Resignation ist tief und greift das biologische Fundament an, es greift den Kern des Lebens an. Das ist es, was Wilhelm Reich als Kern der Krebsbiopathie beschreibt, dieser Rückzug aus der Welt bis auf eine plasmatische Ebene.
    Ja und Nein als die zwei Grundbewegungen des Lebens – das Ja als sich öffnende, von sich ausgehende nach außen in alle Richtungen, in die Welt gewandte Bewegung, das Nein kontrahierend, zusam-menziehend, in den Kern hinein, wobei ein Nein, das nach außen gesprochen wird, auch ein JA ist. Ein nicht gesprochenes Nein führt jedoch zu einem Abziehen von der Peripherie, zu einer immer weiterschreitenden Kontraktion – zu einer fortschreitenden Lebens-verneinung. Das Nein zu bestimmten Aspekten des Lebens wird zu einem ganz grundsätzlichen Nein zum Leben generell, und es greift den Menschen in seinem biologischen Fundament an. Ich denke, dass dies ein wesentlicher, ganz grundlegender Prozeß bei der Krebsentstehung ist. So war es bei mir: Ich wollte dieses Leben nicht mehr, ein von Leistung, Druck und Angst bestimmtes Leben, und da ich es nicht wagte zu glauben, dass ich ein mir angemessenes Leben erschaffen kann, dass ich dazu berechtigt bin, lehnte ich das Leben an sich ab, wollte nicht mehr leben, raus aus dieser Welt – nein dieses Leben war von meiner Seele nicht begrüßt.
    Genau an dieser Basis des biologischen Fundaments muß die Umkehr stattfinden; es geht um die Umkehr eines grundsätzlichen Verneinens, einer Ablehnung des Lebens und einem Rückzug von der Welt – eigentlich bis in den Tod hinein zu einer Bejahung, einer Ausdehnung aus mir heraus auf die Erde zu und in die Welt hinein. Sonst ist es bloß ein auch wieder schwächendes Zurückdrängen, ein Bannen des Krebses, oder wie viele es sagen, ein ständiger Kampf gegen den Krebs.

    1. Die Diagnose:

    Die Diagnose stellt einen Einbruch in die Verkrustung dar, der Mensch gerät in einen Ausnahmezustand, der ihn aus allem Ge-fügten, dem strukturgewordenen Leben, bisweilen ganz und gar ohne Lücken der Freiheit heraushebt, sie trifft den Menschen im Kern; das Leben in seiner unmittelbaren Qualität ist bedroht, ich könnte sterben an meinem Krebs. Der Tod jetzt an die Seite gestellt, die Endlichkeit meiner irdischen Existenz wird bewußt.

    Und plötzlich geht es nicht mehr ums Erfüllen von Erwartungen und Formen des Lebens, sondern ums Leben an sich, um mein Leben und vielleicht das allererste Mal um mich.

    So wohnt der Krebsdiagnose neben dem Schock der Todesgefahr auch ein Potential inne. Das Potential „aufzuwachen“, das Leben als meines zu begreifen und zu beginnen für dieses, mein Leben zu sorgen. Eine Lücke tut sich auf, durch die Lebens-Licht durch-scheint. Viele krebskranke Menschen beschreiben eine Anhebung des Bewußtseins rund um die Diagnose, in dem vieles viel klarer gesehen wird. Das ist eine unglaubliche Chance.

    Vielen ist es allerdings nicht gegönnt, diesen Licht-Schein wahrzu-nehmen, diese plötzliche Verbindung zu ihrem Seinsgrund. Es ist ihnen nicht vergönnt, weil alle Welt danach trachtet, die Lücke schnell zu schließen – nicht einmal die Angst darf erlebt werden, zurückgedrängt von Helfern, welche ihre eigene Angst nicht wahr-nehmen wollen.
    Nichts ist so wie es einmal war, sagen krebskranke Menschen. Und ich meine: Es ist gut so. Jedoch schon bald läuft alles seinen vorge-zeichneten, meist medizinischen Weg. Operationstermine werden vergeben, der Mensch – unter Zeitdruck gestellt – taumelt in die Behandlung, neuerlich hat er die Verbindung zu sich selbst, zu seinem höheren Wissen verloren, er hat sich erneut höheren Mächten überantwortet und antwortet sich nicht mehr selbst.

    2. Was braucht es?

    Ein Umfeld, welches die Angst und den Schock da sein läßt, ohne einzugreifen, Menschen, die einfach da sind, menschlich präsent, so dass sich der Schock herauslösen darf aus dem Organismus. Das braucht seine Zeit, beim einen mehr beim anderen weniger – Zeit-Räume. Werden sie gewährt, setzen bereits in dieser Phase Aktivi-täten ein, welche Selbstheilungskräften entspringen – Informations-suche, emsiges Austauschen mit anderen oder aber auch Rückzug.
    Raum und Zeit gewähren ist die Arznei der Wahl in dieser Zeit.

    Und es braucht hier Begleiter, „Krebs-Coaches“ möchte ich sie nennen, Menschen, die dies alles begleiten, wachsam, nicht ein-greifend. Vor allem aber auch Begleiter, die ein Bewußtsein über ihre eigenen Konzepte der Heilung haben, und auch über ihre eigene Todes-Angst, beziehungsweise über ihren Wunsch, auf alle Fälle den Tod zu verhindern.
    Es braucht eine Freiheit, dass alle Methoden des Zugangs, des Umgangs mit dem Krebs gleich-gültig sind, auch wenn der Mensch wählt, keinen Eingriff an sich vornehmen zu lassen.

    Neben der Informiertheit ist es vor allem diese Freiheit wirklich zu erspüren, was für diesen einen Patienten jetzt Gültigkeit besitzt, weil es von der Seele begrüßt wird.

    Und dies braucht eine tiefe Einfühlungsgabe oder Fähigkeit, man könnte diese auch organismische Resonanz nennen oder wie Wilhelm Reich es nennt, „vegetative Identifikation“, die Fähigkeit in meinem Körper zu spüren, wann dieses Jauchzen der Seele, diese Bejahung stattfindet, „Hell-Spürigkeit“ sozusagen, das heißt die Körper müssen gestimmt sein, ja vor allem die Körper, um frei mitzuschwingen, zu antworten, zu resonieren. Erst dies ermöglicht zu spüren, ob die Ablehnung einer Therapieform der Angst ent-springt oder dem höheren Wissen, darum, dass sie mir nicht zum Heil gereichen wird.

    Der Prozeß der Therapieentscheidung wird vielleicht über das sich Ausdehnen lassen von Ängsten und Bildern und Vorstellungen lau-fen – Chemotherapie, Strahlenängste. Wenn diese Vorstellungen sich ausdehnen dürfen und vielleicht korrigiert werden, dann erst ist eine Grund-Lage im wahrsten Sinne des Wortes gegeben für eine Ent-scheidung in Freiheit – organismische Selbstregulanz. „JA GENAU, das mach ich, das begrüße ich, dazu bin ich bereit, das nehme ich gerne und ja auch freudig an.“

    Zusätzlich unterstützend mag es sein, sogenannte hilfreiche Ver-bindungen herzustellen – eine Umdeutung der aggressiven Chemo-therapie oder in meinem Fall, was die Strahlentherapie betrifft, die Vorstellung, dass es sich um liebende heilende Hände handelt… Auch hier gibt es keine allgemeingültigen Richtlinien, auch hier geht es darum, zu erspüren, was eine heilsame Brücke zur Behandlung baut. Weil die Behandlung – will sie heilend wirksam sein – ist ja nicht passiv empfangen, sondern dann wirksam, wenn der Mensch sie aktiv empfängt, in Resonanz, in Dialog mit ihr tritt. Ganz dabei ist im Prozeß ein „Ich“, das da ist und die Therapie empfängt. Wesentlich ist auch die Wahl des Therapiezeitpunkts. Zumeist – denke ich – wird zu früh operiert, der Mensch ist aus dem Schock der Diagnose noch gar nicht aufgewacht, allein, geschwächt und nicht bei sich.

    In all dem braucht es also einen Begleiter – oder wie Williges im von der ÖGPO herausgegebenen Buch über ungewöhnliche Behand-lungsverläufe bei Krebs sagt – einen Freund des Körpers, einen Anwalt des Körpers. Es mag vielleicht absurd klingen, wenn Kahleyss in eben diesem Buch meint: „Wir Psychotherapeuten benötigen eine bestimmte Sensibilität und Intuition für körperliche Vorgänge, und hier hilft kein Neurosenmodell, mehr ein Praktikum in einem Tierheim.“

    Dies mag absurd klingen, ist es aber nicht – es verlangt eine vegetative Einstimmung, ein Mitschwingen, um das organismische Ja, diese vielleicht noch ganz zögerliche Bewegung der Ausdehnung, des Expandierens bzw. dieses Jauchzens bis in die Zellen hinein zu spüren. Und man kann das spüren.

    Ein solches Vorgehen verbindet die Psyche mit der Physis, nein vielmehr setzt es auf einem tieferen Fundament an, wo diese beiden Bereiche noch ungetrennt sind. Es verbindet aber auch den Men-schen mit anderen.

    Gelingt dies, so kann schon hier eine grundsätzliche Umkehr statt-gefunden haben, der Mensch erfährt sich in seiner Selbstbestimmt-heit, er hat Einfluß, er ist aber dennoch in Kontakt mit anderen, im Austausch, nicht überwältigt von mächtigen Autoritäten. Es ist vielleicht eine erstmalige Erfahrung von Autonomie, der eigenen Autorität und der Selbstbejahung und auch der eigenen Mächtigkeit, wenn etwas so geschieht wie es von mir zutiefst bejaht wird, mit meinem Ein-Verständnis, von der Seele begrüßt, dann ist es zum Guten; das ist dann kein Kampf gegen den Krebs mehr, sondern ein Eintreten für mich und fürs Leben, fürs Leben und ins Leben. Und dies wird heilsam sein, weil es gar nicht anders sein kann.

    3. Danach:

    Danach, dann wenn man schulmedizinisch austherapiert ist, ist das meistens eine heikle Situation und oftmals auch sehr ängstigend. Was kann ich nun tun, um meine Gesundheit zu fördern, um am Leben zu bleiben? Der Schutz der Behandlung, wo man das Gefühl hat, man tut etwas, um zu gesunden ist nicht mehr gegeben, man ist ins freie Feld der komplementären Angebote entlassen und die sind unüberschaubar, teilweise mit abstrusen Heilsversprechungen ver-bunden, die von mächtigen, charismatischen Vertretern an den Patienten herangetragen, erneut die Selbstbestimmung bedrohen.

    Nur diese Methode sei heilsam, wird dem Patienten mitgeteilt, der Mensch – erneut in einer Angstsituation, ist er doch noch nicht gefestigt in seiner Selbstbestimmtheit – eingeladen, sich erneut zu überantworten und sich nicht mehr zu fragen, welche Maßnahmen und Hilfsangebote wirklich von ihm begrüßt und aufgenommen werden wollen. Helixorspritzen, Ayurvedische Medizin, Fasten, TCM, Enzyme, Überwärmung….

    Auch hier geht’s um dieses JA GENAU, diese organismische Resonanz, das Mitschwingen der Person, es gibt keine allgemein-gültigen Rezepte und auch ein von mir gewähltes Heil-Mittel kann sich wandeln. Dann geht es darum, dass es sich wandeln darf, zunächst aber vielleicht darum, dass ich mich mit meiner vollen Entscheidungs-Kraft für eine Form der Behandlung entscheide, mich einlasse damit, mich damit verbinde, es ganz zu mir nehme, dann ist´s heilsam, sonst nur herausgeschmissenes Geld.

    4. Das Ja zum Leben als der heilender Faktor:

    „Willst du am Leben bleiben, so mußt du etwas ändern“ – das ist ein sehr bedrohlicher Satz für krebskranke Menschen, welche sich mit den Ursachen der Krankheit auseinandergesetzt haben.

    Auch das ist oftmals eine Überforderung. Wo anfangen, Sicherheiten verlassen, soviel müssen, wieder müssen, den Mann verlassen müs-sen, den Wohnort oder Beruf wechseln müssen….weil sonst?
    Überforderung und Angst.

    Man muß nicht, aber man darf – endlich.
    Langsam, langsam oder vielmehr in meiner Zeit. Manche tun es sehr abrupt, radikal, zu den Wurzeln gehend, manche langsam, nach außen hin unscheinbar, unspektakulär, manche in Schüben.

    Step by Step. Auch hier braucht es Mentoren, Mittler, „Übersetzer der Seelensprache“, die unterstützen beim Erkennen, welcher Schritt jetzt von der Seele begrüßt ist. Was ist machbar, was ist frei von Angst, welcher Schritt dran, wozu ist mein Organismus, bin ich bereit zu tun?

    5. Was wird jetzt von meiner Seele begrüßt?

    Es gilt ganz basal zu beginnen, bei meinen unmittelbaren Bedürf-nissen wie Ernährung, Ruhe und Bewegung, Stille, Alleinsein, mit anderen sein.

    Und auch dieses intime Territorium, dieser urpersönliche Bereich ist oft kolonialisiert mit Richtlinien, Konzepten, Rezepten, Übungen, Disziplin – und damit neuerlich enteignet, überantwortet einem Regime.

    Dem Menschen sich selbst zurückgeben heißt ihm zu helfen, ihn zu unterstützen, wieder in Fühlung zu kommen mit den sich immer-während änderenden Bedürfnissen.

    Heilsam ist Nahrung, nicht weil sie einen bestimmten Eiweißanteil hat, der für alle Menschen gleich ist, heilsam ist sie dann, wenn sich mein ganzer Organismus auftut dafür, ja sich öffnet, weil es richtig ist jetzt, JA GENAU, da freu´ ich mich drauf, da öffnet sich mein Verdauungstrakt zur Aufnahme, mein ganzes System, JA GENAU, das ist es. Das braucht vielleicht auch einen Begleiter, jemanden der sich einstimmt, in seinem Organismus spüren kann, wann im anderen diese organismische Bejahung stattfindet. JA GENAU, das ist es. Ein Ja zu meinen Bedürfnissen ist ein Ja zu meinem Leben, spiegelt mir in dem Wohlgefühl wieder, welches es wert ist, am Leben zu bleiben, zu leben.

    Es geht zunächst um den „Gott der kleinen Dinge“, wie das Sitzen, Stehen, ….mache ich das so wie es jetzt stimmt, hab ich mich ganz zur Verfügung, bin ich ganz da, stehe ich zur Verfügung, ohne mich selbst zu opfern. Die Beantwortung dieser ganz basalen Bedürfnisse, die Fürsorge für den Körper sind wie die tiefen Töne jener Lebens-melodie, von welcher Le Shan spricht.

    Es ist dies ein Begrüßen des Lebens in seiner ganzen Ursprünglichkeit – und man kann sich, denke ich, darauf verlassen, dass es wie in der Maslowschen Bedürf-nishierarchie gilt, dass dann ganz natürlich eine Weiterentwicklung eine Sehnsucht danach entsteht, sich selbst zu verwirklichen, seinen Platz hier auf der Erde ganz einzunehmen, eine kosmische Sehn-sucht, eine Sehnsucht, seine Lebensaufgabe zu finden und zu er-füllen.

    Aus der Erfahrung geboren, wird es dann auch klar, welche Zutaten lebensfördernd sind – wieviel Alleinsein ich brauche, wieviel Bewe-gung, in der Natur sein, welche Arbeit mir gemäß ist, welche Nah-rung ich bevorzuge, dies nicht aufgrund eines rigiden Regimes, son-dern weil ich Erfahrung mit mir habe, was mir gut tut, was meine Seele begrüßt.

    Leben wollen – Leben dürfen.

    Eine Gewißheit: Leben zu wollen um meiner selbst Willen läßt mich am Leben bleiben.
    Ein Beispiel: Laufen, beliebig auf Lebensfunktionen wie Essen, Schlafen, Sexualität, Meditation anzuwenden.
    Laufen.
    Nicht laufen, weil Dienstag ist oder Freitag oder Sonntag oder besser noch an jedem andern möglichen Tag, weil es gesund ist, nicht eine Stunde mindestens laufen müssen, weil ich mich sonst nicht in die Reihe der ernsthaften Läuferinnen einreihen darf. Kein Schulterklopfen mehr beim Heimkommen – „Tüchtig so“: Laufen, weil ich laufen will, oder nicht laufen, oder ein bißchen laufen, dann gehen, stehen, oder sogar sich dort auf meine Bank setzen, auch das nicht mehr determiniert auf 5 Minuten, vom Terror der Zeit gehetzt, mich hinsetzen, sitzen, atmen, schauen. Laufen wollen – oder nicht.
    Tagelang, wochenlang, vielleicht gar nicht mehr.
    Ja, das ist ein Risiko – die selbstauferlegten disziplinären Sicher-heiten zu verlassen.
    Mir zu folgen.
    Mich zurückerobern aus den Fängen der wissenschaftlich begründe-ten Gesundheits-Maßnahmen.<
    Mich mir zurückgeben. Ja das ist wahrlich ein Risiko.
    Und – es passiert nichts.
    Erstaunlich.
    Leben wollen um meiner selbst willen, läßt mich am Leben bleiben.
    Das ist gewiß.
    Einfach leben. Darüber ist keine Aussage zu treffen.
    Leben solange ich leben darf.
    Leben solange ich lebe.
    Mein Leben – von der Seelebegrüßt.

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    Bukumatula 4/2005

    Orgonenergie, Materie und homöopathische Hochpotenzen

    im Spannungsfeld zwischen Magie und Naturwissenschaft von
    Hanspeter Seiler:


    Zusammenfassung

    Homöopathie und Orgon-Therapie gehen beide von einem lebensenergetischen Konzept aus. Die homöopathischen Hochpotenzen stellen eine energetisierte oder ätherische Form der Materie dar, was durch die dynamisch-bioenergetischen Materiemodelle Reichs und Mesmers gut erklärt werden kann. Die aktuelle Diskussion um die Wirkung von Hochpotenzen ist deshalb auch für die bioenergetische Grundlagenforschung von Bedeutung. Innerhalb der Homöopathie besteht die Tendenz, die kontroversen Ergebnisse einiger klinisch-homöopathischer Doppelblindstudien mittels magischer Vorstellungen zu erklären, welche aus der von Einstein stets vehement kritisierten statistischen Interpretation der Quantenmechanik abgeleitetet sind.

    Eine genaue Analyse zeigt aber, dass diese Studien vielfach fehlerhaft sind und eine rational-kausale Objektivierung der Homöopathie durch verbesserte experimentelle Ansätze durchaus möglich ist. Zudem können die scheinbar akausal-magischen Ergebnisse der Quantenphysik durch die Interpretation der Quantenphysik nach Einstein, de Broglie und Bohm auch rational-ursäch­lich erklärt werden. Die bioenergetischen Aethertheorien nach Reich und Mesmer fügen sich hier nahtlos ein und lassen uns diese Zusammenhänge auf einer noch tieferen Ebene verstehen. Auch Reich, Mesmer und Hahnemann haben ja das Erkennen der Lebensenergie als grundlegende Triebkraft der ganzen Schöpfung stets als eine rational-kausale Wissenschaft betrachtet.

    Eine Wiederbegegnung mit der Reich-Stadt Wien

    Es sind nun schon mindestens 15 Jahre her, seit mich Wolfram Ratz am Wiener Flughafen schmunzelnd als „Trommler der Wilhelm-Reich-Bewegung“ begrüsste, da meine zur Ringwirbel-Kanone umgebaute grosse Basstrommel im Gepäck allenthalben ziemlich Aufsehen erregte. Unsere Veranstaltung ging dann mit den als Modell der Materiebildung aus nicht-materieller oder besser prae-materieller Orgon-Energie dienenden Rauch-Ring­wirbeln gut über die Bühne, ist mir aber nicht mehr im Detail erinnerlich. Unvergesslich aber wird mir der anschliessende fröhliche Abend in Wolframs Behausung bleiben, wo wir bei zunehmendem Getränkepegel schliesslich mit den nach Wolframs Angaben extra aus Russland einfliegenden Wiener Rabenvögeln immer mehr auf Du und Du standen, welche Szene Heiko Lassek dann leider auch noch auf Video festgehalten hat (und bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten abzuspielen pflegt!).

    Leider wurden dann in den folgenden Jahren die Kontakte mit Wien wieder spärlicher und beschränkten sich schliesslich auf die schönen, aber ebenfalls immer nur knapp bemessenen Begegnungen mit Alena Skrobal anlässlich der Tagungen der Wilhelm-Reich-Gesellschaft. Sonst gab es nur noch indirekte Kontakte, dies aber nicht etwa aus Mangel an innerer Verbundenheit, sondern schlichtweg aus Zeitmangel infolge einer etwas anderen Schwerpunktsetzung: Mit dem kulturhistorischen Thema „Spirale und Lebensenergie“, welchem später auch noch die noch spezifischere Frage nach der bioenergetischen Bedeutung des Labyrinthes und der altkretischen Spiralinschrift von Phaistos nachfolgte, liess ich mich nach der Orgon-Physik auf ein neues und noch eher ungewohntes Spe­zialgebiet ein.

    Vor allem aber nahm mich in dieser Zeit mein medizinisches Stammgebiet der klassischen Homöopathie sehr in Anspruch, gerade auch im Zusammenhang mit meiner Chefarzt-Tätigkeit an der Bircher-Benner-Klinik in Zürich während der 90er-Jahre. Dieses Experiment eines auf bioenergetischer Ganzheitsmedizin und Psychosomatik basierenden Spitals wurde dann allerdings vom medizinpolitischen Umfeld schon bald wieder abgewürgt. Es folgte dann noch eine grössere Buchpublikation über die Weiheschen Druckpunkte, eine bioenergetisch-körperorien­tierte Erweiterung der klassisch-homöo­pa­thi­schen Diagnostik. – Umso erfreulicher ist es deshalb, dass gerade die Homöopathie den Anlass zu dem hier vorliegenden Wiener Comeback gegeben hat!

    Homöopathie und Orgonenergie

    Dies kam so: Die entscheidende Frage in der ganzen Homöopathiediskussion, welche im zu Ende gehenden Jahr weltweit – vor allem aber auch in der Schweiz – recht hohe Wellen aufgeworfen hat, ist bekanntlich die Heilwirkung von so genannten Hochpotenzen. Dies sind „energetisierte“ oder besser „aetherische“ Verdünnungen von Arzneien, deren Dilutionsgrade weit über die Grenzen der ponderablen, massetragenden Materie hinausreichen und damit den Rahmen der offiziellen physiologischen Chemie völlig sprengen.

    Dies macht die Homöopathie zusammen mit der Akupunktur, aber auch gemeinsam mit der Reichschen Orgon-Medizin und dem Mesmerschen Heilmagnetismus zu einem Teilgebiet der bioenergetischen Ganzheitsmedizin, deren primärer therapeutischer Ansatzpunkt nicht der materielle Körper, sondern der bioenergetische bzw. feinstofflich-ätherische Organismus ist. Der materielle Körper ist nur der strukturierte Ausdruck oder die Materialisierung dieses Aetherleibes oder Energiekörpers! Geht man von diesem Modell aus, ist es logisch, dass eine wirklich ursächliche Therapie primär am Energiekörper ansetzen muss, wie dies bei den obgenannten Therapienansätzen ja der Fall ist.

    Abb. 1: Die nach Reich einer kosmischen Liebesfunktion entsprechende Vereinigung zweier Orgon-Energie-Ströme zu einer Wirbelstruktur. M = Primordiales Masseteilchen. Darunter ein Ringwirbel als einfachste Wirbelform in einem realen dreidimensionalen Flüssigkeitsraum.

    Genau wie der materielle Körper in erster Linie als Ausfluss des Energiekörpers zu verstehen ist, betrachtet die Orgon-Physik die Materie nur als raum-zeitlich stationäre Strömungsform der primordialen kosmischen Lebensenergie. Für Reich war klar, daß seine universelle Lebensenergie nicht nur die biologische, sondern auch die physikalische Basis des Naturgeschehens bildet: Das ganze Universum ist lückenlos von einem lebendig pulsierenden Orgonenergie-Ozean erfüllt, in welchem sich die Orgonenergie-Einheiten als „Kreiselwellen“ spiralig bewegen (s. Abb. 1).

    Die einer kosmischen Liebesfunktion entsprechende Vereinigung dieser lebendigen Spiralströme lässt als gemeinsames Funktionsprinzip sowohl die kleinsten subatomaren Grundeinheiten der Materie(s. Abb. 1) als auch ihre größten Einheiten, die riesigen Spiralstrukturen der Galaxien entstehen – und zwischen diesen beiden Polen das ganze bunte Spektrum der organischen und der anorganischen Natur.

    Obwohl sich auch nach Reich biologische Strukturen z. B. durch die sichtbare Plasmazuckung von der übrigen Materie deutlich unterscheiden, sind doch diese beiden Naturreiche lediglich als polare Erscheinungen eines primär belebten, autonomen Schöpfungsprozesses aufzufassen. In diesem erweiterten Sinne ist also auch die anorganische Materie bereits als belebt zu betrachten.

    Genau so dachte auch Hahnemann (1755–1843), der Begründer der Homöopathie: „Die Materie hält bloss der Pöbel für tote Stoffe, da sie doch dahin gebracht werden kann, unglaubliche, nie geahnte Kräfte aus ihrem Innern zu entwickeln.“ Diese Feststellung erfolgte wohlverstanden schon etwa 100 Jahre vor Einsteins berühmter Energie-Materie-Gleichung, mit welcher die Identität von Energie und Materie ja schliesslich auch ihren (Wieder-)Einzug in die offizielle Physik hielt. Diese mathematische Gleichung war allerdings noch völlig abgekoppelt vom elementaren Begriff des Lebens, geschweige denn dass sie mit der Reichschen Liebes- oder Orgonenergie verbunden wurde. Dementsprechend wurde sie auch primär zur Herstellung der Atombombe verwendet.

    Die mechano-mystische Spaltung in der Homöopathie-Forschung

    Die Medizin als traditionell konservativste Naturwissenschaft lehnt aber die Möglichkeit eines therapeutischen Einsatzes sanft energetisierter Materieformen, wie dies bei der Hoch­potenz-Homöpathie der Fall ist, nach wie vor dezidiert ab. Entsprechend wichtig wird natürlich der wissenschaftliche Beweis, dass derartige rein energetische Arzneien tatsächlich wirksam sind. Der sichere Nachweis, das feinstoffliche bzw. rein ätherische Formen der Materie tatsächlich konkret in Raum und Zeit existieren, hat nun natürlich nicht nur eine medizinische Dimension. Er würde auch für die Chemie und die Physik einen Paradigmenwechsel im Sinne des bioenergetisch-dynamischen Materiebegriffes von Hahnemann, Mesmer und Reich bedingen, was einer weltanschaulich-naturphilo­so­phi­schen Revolution gleichkäme.

    Da bei der Homöopathie ähnlich wie bei der schulmedizinischen Arzneibehandlung ein Medikament verabreicht wird, lässt sich die Wirksamkeit der Homöopathie im Gegensatz z.B. zur Reichschen Körperarbeit auch im so genannten Doppelblindversuch testen: Ein Patientenkollektiv wird in zwei möglichst gleichartige, so genannt randomisierte Gruppen eingeteilt, von denen die eine das wahre Medikament (Verum) und die andere nur eine Scheinmedizin (Plazebo) von gleichem Aussehen und Geschmack erhält. Die therapeutische Wirkung beider Arzneiformen wird dann genau untersucht, und wenn sich bei dieser Auswertung ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der Verum-Gruppe ergibt, kann die Wirkung der betreffenden Arznei als wissenschaftlich erwiesen betrachtet werden.

    Obwohl bis heute bereits eine Vielzahl von homöopathischen Doppelblindstudien publiziert wurden, ist die Beweislage aber noch alles andere klar. Eine sehr unterschiedliche Studienqualität, hinter der oft auch die ideologischen Absichten der durchführenden Institution verborgen sind, haben zu einem wahren Dschungel von Untersuchungsresultaten geführt, aus welchem jedeR diejenigen Studien für sich heraussuchen kann, die ihRM ins Konzept passen. Ganz grob lassen sich drei Interpretationstendenzen unterscheiden:

    1. Die Homöopathiewirkung ist nicht vorhanden, sie beruht einzig und allein auf dem Plazebo-Effekt, also auf der Einbildung der PatientInnen. Dies ist nach wie vor der offizielle Standpunkt der Schulmedizin.
    2. Die Homöopathiewirkung ist zwar vorhanden, lässt sich aber nicht mit wissenschaftlichen Methoden beweisen. Sie folgt ausserwissenschaftlichen bzw. magischen Gesetzmässigkeiten, ähnlich wie etwa die schamanistische Medizin. Dieser Standpunkt wird vor allem von dem Psychologen Prof. H. Walach vertreten, der eine führende Stellung in der homöopathischen Grundlagenforschung einnimmt.
    3. Die Homöopathiewirkung ist eine naturwissenschaftlich-rationale Tatsache, welche sich bei einem guten, d.h. homöopathiegerechten Studienkonzept sogar mit der für eine ganzheitsmedizinische Therapie nur beschränkt geeigneten Methode der randomisierten Doppelblind-Studie objektiv nach­weisen lässt.

    Die erste dieser drei Interpretationsmöglichkeiten gerät mit zunehmender homöpathischer Studienqualität immer mehr ins Schleudern, zumal nun auch ein geplanter WHO-Bericht der Homöopathie die längst fällige offizielle wissenschaftliche Anerkennung von Seiten der Weltgesundheitsorganisation zusichern soll. Das endgültige Verschwinden dieser antiquierten Sichtweise ist deshalb m.E. nur noch eine Frage der Zeit.

    Ein grösseres Problem für die naturwissenschaftliche Lebensenergie-Forschung stellt hingegen die zweite Interpretationsmöglichkeit dar, zumal sie auch innerhalb der Homöopathie nicht wenige AnhängerInnen hat. Aufgrund der unklaren Resultate von einigen homöopathisch zu wenig kompetent durchgeführten Studien wird von manchen sowieso zu esoterischer Irrationalität neigenden homöopathischen AerztInnen vorschnell und manch­mal geradezu gierig nach mystisch-magischen Erklärungsmöglichkeiten gegriffen.

    Reich hat diese Haltung als mechano-mystische Spaltung in sehr treffender Weise analysiert: „Da der Mechanist das Lebendige nicht begreift, muss er zur Mystik Zuflucht nehmen. Er erklärt dieses eigenartige Verlangen nach Trennung der Realität in tote Mechanik einerseits und nicht mehr rational erfassbare magisch-göttliche Mystik anderseits durch die Abspaltung der Wahrnehmung des Lebendigen infolge Charakterpanzerung deRS ForscherInS. – Ebenso klar ist, dass Reich die Orgonomie bzw. die Wissenschaft des Lebendigen stets als eine kausal begründbare und rational-logischen Gesetzen folgende Naturwissenschaft betrachtet hat, genau wie seine beiden grossen Vorgänger in der westlichen bioenergetischen Ganzheitsmedizin, Mesmer und Hahnemann.

    Ein spontanes Protestschreiben wird zur Studie

    Im Rahmen der anfangs dieses Jahres in der Schweiz besonders heftig hin und her wogenden Homöopathiediskussion überreichte mir ein befreundeter Kollege ein mir bisher unbekanntes Opus von Walach mit dem Titel „Magic of Signs: A Nonlocal Interpretation of Homeopathy“, worin eine magische Interpration der Homöopathie auf der Basis der nicht-kausalen, von Einstein zeitlebens heftig bekämpften Kopenhagener Interpretation der Quantentheorie und der ebenfalls mystisch-magischen Synchronizität des alten Reich-Antagonisten C.G. Jung propagiert wird. Da platzte mir der Kragen, und ich setzte spontan einen harschen Protestbrief auf, den ich vorerst einmal ausser an Walach nur an befreundete ArztkollegInnen sandte:

    „Sehr geehrter Herr Professor Walach,
    Bereits vor Jahren schon habe ich mich über Ihre mit viel Medienspektakel vor­getragene und vom wissenschaftlichen Establishment mit entsprechender Schadenfreude bejubelte Kopfschmerz-Studie ziemlich geärgert, da sie aus meiner Sicht weitgehend unhaltbar ist. Und nun hat Ihr erschreckender Artikel über die nicht-kausale bzw. magische Interpretation der Homöopathie, welchen mir erst letzthin ein Kollege zur Kenntnis gebracht hat, meine sonst recht hohe Reizschwelle für eine Stellungnahme endgültig überschritten. Sowohl Hahnemann als auch Einstein gegenüber, welche sich bei derartigen Äusserungen beide im Grabe herumdrehen würden, fühle ich mich als Arzt und Naturwissenschaftler zumindest zu einigen Anmerkungen verpflichtet. …“

    Im Folgenden ging es mir zuerst einmal darum, meine oben erwähnte Kritik an Walachs Münchner Kopfschmerzstudie, dem Hauptargument für seine Hexerei-Interpretation der Homöopathie, wissenschaftlich zu begründen. Die Details dieser ausführlichen und nicht zuletzt auch in direkter Diskussion mit Walach in den letzten Monaten mehrfach überarbeiteten Analyse brauchen uns hier nicht zu interessieren; in jedem Fall zeigte es sich, dass diese Studie noch viel schlechter war, als ich dies aufgrund meiner ersten Sichtung angenommen hatte: Ausser einem in mehrfacher Hinsicht verfehlten homöopathischen Konzept und relevanten Randomisierungsartefakten war es sogar zu Datenverwechslungen und anderen elementaren Fehlern gekommen!

    Wichtiger für die lebensenergetische Grundlagenforschung ist dann aber der zweite Teil der inzwischen auf 60 Seiten angewachsenen Studie, welcher sich mit den physikalischen und philosophischen Grundlagen der magischen Homöopathie-Interpretation Walachs auseinandersetzt. Erwartungsgemäss löste dieser auch am meisten Resonanz bei meinen KollegInnen aus der Wilhelm-Reich-Gesellschaft aus, welche schliesslich dank Heiko Lasseks Vermittlung bis nach Wien weiterklang – und so den Anlass zu diesem Artikel gab. Es folgt nun das Schlusskapitel meines Briefes an Walach „Magie, Kausalitätsprinzip und ganzheitliche Physik“mit einigen speziell auf Reich bezogenen Anmerkungen und Ergänzungen:

    Eine magische Erklärung der Homöopathiewirkung ist nicht erforderlich>

    „… Die oben zusammengefasste klinische Evidenz würde bereits genügen, um Ihr Postulat eines magisch-irrationalen Modells der Homöopathiewirkung für unnötig zu erklären. Doch ist die Verunsicherung selbst in Homöopathie-Kreisen noch immer recht gross und es spuken in vielen Köpfen noch mehr als früher nebelhaft-magische Ideen in der Art der Ihrigen herum. Wie oft hört man z.B. auch aus berufenem Munde, dass Doppelblindstudien ganz grundsätzlich nicht zum Nachweis der Homöopathie geeignet seien, da sich Hahnemanns Heilkunst in irgendwelchen ausserwissenschaftlichen, wenn nicht gar ausserirdischen Dimen­sionen bewegen würde! Damit wird aber nur jenen Kräften Vorschub geleistet, welche die Homöopathie in die esoterische Ecke abschieben wollen. Vergessen wir nie, dass bereits Hahnemann kein mystischer Schwärmer war, sondern ein Mann der Aufklärung und damit Anhänger eines kritischen, wenn auch stets ganzheitlich-lebendig denkenden Rationalismus!

    Hahnemanns Lebenskraft hat auch in einem rational-kausalen Weltbild nach Mesmer und Reich Platz

    Dass Hahnemann die Wirkung eines homöopathischen Heilmittels als geistartigen, lebensenergetischen Prozess gesehen hat, halten Sie völlig zu Recht fest. Dies hat aber nichts mit Magie und Hexerei zu tun. Sie übersehen, dass es für ihn und auch für viele seiner Zeitgenossen noch durchaus geläufig war, den in der heutigen Naturwissenschaft verpönten Begriff einer universellen Lebenskraft nicht nur in der Medizin, sondern auch ganz allgemein in der Naturwissenschaft inklusive Physik zu verwenden. Erst der aufkommende Vulgärmaterialismus des späteren 19. Jahrhunderts hat dann die unselige Spaltung von Geist und Physik endgültig vollzogen, und Reichs späterer Versuch einer erneuten Vereinigung von Lebensenergie und Materie durch die Orgonomie ist bekanntlich weitgehend unbeachtet geblieben.

    Als Wegbereiter dieses in Physik und Metaphysik gespaltenen Denkens lag bereits der von Ihnen zitierte Schopenhauer falsch, wenn er z.B. den Heilmagnetismus Mesmers ausserhalb der naturwissenschaftlich-physikalischen Realität ansiedelt: Er bezeichnet den Mesmerismus zwar durchaus zu Recht als Beweis für die Fernwirkung des menschlichen Geistes und die diesem Phänomen zugrunde liegende innere Verbundenheit alles Seienden, betrachtet dieses aber ausdrücklich als ausserhalb der Gesetzmässigkeiten von Raum, Zeit und Kausalität liegend. Auf derartigen Überlegungen beruht denn ja auch Ihr Magie-Verständnis der Homöopathie.

    Mesmer selbst aber hat dies als naturwissenschaftlich orientierter Arzt noch völlig anders gesehen: Aufgrund seiner heilmagnetischen Erfahrungen baute er ein ganzheitlich-physikalisches Weltbild auf, welches u.a. die heilmagnetische Interaktion zwischen HeilerIn und PatientIn und die Wechselwirkung zwischen zwei physikalischen Magneten auf eine gemeinsame lebensenergetische Ursache zurückführt. In seinem grossen Spätwerk erklärt er alle Naturkräfte von der Geisteskraft bis zur Gravitation als Wirkungen eines fein­stofflichen, der materiellen Sinneswahrnehmung nicht zugänglichen bioenergetischen Fluidums, welches den leeren Raum der heutigen Physik vollständig erfüllt (s. Abb. 2). Damit wird der Heilmagnetismus, den Schopenhauer ja als metaphysisch deklariert, als eine feinstofflich-hyd­rody­namische, letztlich also sogar mechanische Einwirkung kausal erklärt. Diese könnte somit zumindest theoretisch auch exakt-mathematisch beschrieben werden.

    Abb. 2: Mesmers das ganze Universum lückenlos erfüllender lebensenergetischer Aetherraum, dessen Basiselemente oder Raum-(Zeit-)Quanten kleine, masselose Kügelchen sind, welche mit ihrer räumlichen Ausdehnung den (Zeit-)Raum definieren. Jedes dieser Mesmerschen Urkügelchen hat als Ausdruck seiner elementaren psychophysischen Belebtheit einen eigenen Roll- oder Drehimpuls, was zu einer permanenten inneren Roll- und Kreiselbewegung des hier noch unstrukturierten Primordialraumes führt. Die ausgezogenen Linien stellen mögliche Bahnen einzelner Urkügelchen oder Kosmonen dar. Dieses Bewegungsmuster entspricht den Kreiselwellen der Reichschen Orgonenergie-Einheiten, deren stationäre Wirbelbewegung ein Elementarteilchen erzeugt (vgl. Abb. 1).

    Trotz ihrer physikalischen Natur bleibt aber Mesmers feinstoffliche Flüssigkeit untrennbar mit dem Begriff des Seelisch-Lebendigen, ja sogar Göttlichen verbunden. Dies war ja zu Beginn unserer Naturwissenschaft z.B. für die pythagoräische Mathematik und Himmelsmechanik noch völlig selbstverständlich. Mesmers Urflüssigkeit wird durch einen göttlichen Anstoss in steter Bewegung gehalten, welche damit zum direkten Ausdruck ihrer seelischen Belebtheit wird (s. Abb. 2). Sie ist die Basis alles Seienden, welche mit ihrer vollständigen Raumerfüllung und permanenten Bewegtheit sogar bereits den Raum- und – wie wir dies aufgrund von Einsteins epochaler Leistung heute noch etwas erweitert sehen dürfen – auch den Zeitbegriff definiert.

    Auf diesem lebendigen Raum-Zeit-Fluidum, welches Mesmer konsequent auch als „psychische Flüssigkeit“ bezeichnet, beruhen dann auch alle Naturkräfte, und es entstehen daraus durch bestimmte lokale Bewegungsmuster auch das Licht (Photonen) und die Materie (Elementarteilchen). Mesmers Modell war hier allerdings noch statisch, indem er sich die Materiebildung aus seinem Urkügelchen-Aether als eine Art Kristallbildung vorstellte, etwa wie die Entstehung von Eiskristallen aus Wasser. Reichs orgonotisches Wirbelmodell (Abb. 1) ist hier um einiges dynamischer und zudem auch physikalisch wesentlich besser, weshalb ich es auch für meine Reich-Mesmer-Synthese übernommen habe.

    Mesmers dynamischer Flüssigkeitsraum ist also wie Reichs kosmischer Orgonenergie-Ozean nicht nur die Muttersubstanz der feinstofflichen Welt, sondern auch der ganzen materiellen Schöpfung. Bis auf seine betont seelisch-lebendigen Qualitäten ist er mit dem Aether, dem raumerfüllenden Medium von Mesmers zeitgenössischer Schulphysik, weitgehend identisch. Bis zu Einsteins Relativitätstheorie war der Aether ja ein zwar immer viel diskutiertes, aber stets zentrales Grundelement der Physik.

    Hahnemann hat ja Mesmers feinstoffliches Heilsystem als eine der ganz wenigen akzeptablen Ergänzungsmethoden seiner ebenfalls die Grenzen der ponderablen Materie überschreitenden Hochpotenz-Homöopathie in das Organon aufgenommen. Bestimmt hat er also auch das physikalische Werk seines grossen Vorläufers in der westlichen bioenergetischen Ganzheitsmedizin gekannt und war von diesem mit beeinflusst. Im Gegensatz zu Mesmer hat er aber auf ein konkretes physikalisches Modell der feinstofflichen Materie bzw. des Potenzierungsprozesses verzichtet. Sicher ist jedoch, dass auch er an ein in der Materie schlummerndes und durch Dynamisierung aktivierbares, geistartiges Lebensprinzip glaubte, welches mit seiner pantheistischen Vorstellung einer „allgütigen Gottheit, die das unendliche All beseelt“ in engstem Bezug zu sehen ist.

    Die scheinbar nicht-kausale Kopenhagener Wahrscheinlichkeitsdeutung der Quantentheorie ist nicht die einzig mögliche

    Das Modell einer das ganze Universum lückenlos erfüllenden aetherischen Flüssigkeit erhält nun in der modernen Physik eine bisher noch kaum erkannte neue Aktualität: Sie lässt uns nämlich auch das von Ihnen als Begründung ihrer magischen Homöopathie-Interpretation oft zitierte Einstein-Podolsky-Rosen-(EPR-)Parado­xon in einfacher Weise kausal erklären. Einstein, der ja bis an sein Lebensende an eine rational-kausale Welt glaubte („Gott würfelt nicht!“), war ein scharfer Gegner der statistischen oder komplementären Kopenhagener-Deutung der Quantenmechanik. Diese betrachtet bekanntlich zumindest die mikrokosmische Wirklichkeit nur noch als prinzipiell unscharfes Spiel von Wahrscheinlichkeiten, dessen Elemente lediglich angenähert mit Hilfe von nicht miteinander kompatiblen, so genannt komplementären Modellen vorstellbar sind („Welle-Teilchen-Dualis­mus“), und dessen Veränderungen nicht mehr über raumzeitlich klar determinierte Kausalitätsketten vermittelt werden. Einstein stellte zusammen mit gleich gesinnten Kollegen ein Gedankenexperiment auf, eben das EPR-Paradoxon, welches beweisen sollte, dass die Wellenfunktionen der Quantenmechanik eine unvollständige, nur nebelhafte Beschreibung der Wirklichkeit darstellen, welche erst durch eine verbesserte Theorie dereinst entschleiert werden könne. Diese Möglichkeit wurde von Leuten wie Bohr bestritten, für welche eine nur noch statistisch erfassbare, für mystisch-ma­gische Interpretationen aller Art offene Quanten-Ge­spen­sterwelt als letzte Wahrheit akzeptabel oder gar willkommen war.

    Die nach Einsteins Tod durchgeführten experimentellen Untersuchungen zur Klärung des EPR-Paradoxons bestätigten die Vorhersagen der Quantentheorie und schienen damit dem physikalischen Jahrhundertgenie zum ersten Mal grundsätzlich Unrecht zu geben: Die Messung eines Partners eines ursprünglich vereinigten, nun aber getrennten Teilchenpaares scheint wie durch Magie augenblicklich den Zustand des anderen zu beeinflussen! Oder ein einzelnes Teilchen scheint durch zwei nebeneinander liegende Passagen gleichzeitig hindurchzuschlüpfen! – Dies gab allerlei esoterisch angehauchten Weltbild-Schöpfern von F. Capra bis zu Ihnen Anlass zu mehr oder weniger geschickt formulierten irrationalen Modellvorstellungen.

    Hierbei wird meist ausgeklammert, dass auch weltweit anerkannte Physiker wie de Broglie und Bohm konkrete Alternativen zur Kopenhagener Deutung aufgestellt haben, bei welchen das lokale Kausalitätsprinzip erhalten bleibt. Hierbei wird wohl nicht ganz zufällig auf hydrodynamische Hilfsvorstellungen zurückgegriffen: Nach De Broglie wird ein Elementarteilchen von einer umgebenden „Führungswelle“ determiniert, welche die scheinbaren logischen Ungereimtheiten der EPR-Teilchenexperi­mente zwangslos erklärt. Diese Führungswelle lässt nämlich die Teilchengrenze unscharf werden und bis ins fernste All hinaus reichen. Dadurch bleiben zwei vereinigte Teilchen auch nach Trennung miteinander in Verbindung, und bei der Passage z.B. eines Elektrons durch einen Spalt wird auch die benachbarte Lücke quasi mitbenutzt, in jedem Fall aber mit beeinflusst.

    Dies hat auch der bekannte amerikanische Atomenergie-Kritiker und Aether-Physiker Prof. E. Sternglass betont, der noch ein direkter Schüler Einsteins war und ein der Kosmonentheorie in mancher Hinsicht ähnliches elektromagnetisches Aether-Ringwirbelmodell der Materie postuliert. Einstein ermutigte ihn stets, mit seiner Arbeit fortzufahren. Unvergesslich ist Sternglass – wie er mir auch anlässlich eines persönlichen Treffens berichtete – ein gemeinsamer Gartenspaziergang mit Einstein in Princeton, wo dieser mitten in der Diskussion über die Quantentheorie sagte: „Sehen Sie diesen grossen Baum dort drüben, ja? Nun drehen Sie einmal den Kopf weg. Ist der Baum nun wohl immer noch da?“ Dies ist eine ironische Anspielung auf die Kopenhagener-Deutung, wonach die Objekte auf magische Art erst durch Beobachtung Wirklichkeit werden…

    Ein lebendig-dynamisches Aethermodell der Materie ermöglicht eine rationale Deutung der „Nicht-Lokalität“ der Quantenphysik

    Wie der Physiker J. Bell nach Einsteins Tod bewiesen hat, erfolgt die Wechselwirkung der de Broglieschen Führungswellen augenblicklich, d.h. instantan. Diese Art der Wechselwirkung bezeichnet man nicht gerade glücklich auch als „nicht-lokal“. Dies in dem Sinne, dass die Wechselwirkung unabhängig vom Ort bzw. der Distanz der beteiligten Partikel augenblicklich vor sich geht und diese damit als ungetrennt oder nicht separierbar erscheinen. Nach der Kopenhagener Deutung bedeutet diese Nicht-Lokalität nun aber, dass das Teilchenpaar vor seiner Beobachtung gar nicht real im (Zeit-)Raum existiert und nur eine Art statistische Geisterexistenz führt. Diese skurrile Vorstellung ist aber dank de Broglies Führungswellen glücklicherweise keineswegs die einzig mögliche. Mesmers Aethermodell ermöglicht uns sogar, diese Theorie in Verbindung mit Reichs Orgonomie noch etwas mehr zu konkretisieren:

    Betrachten wir einmal die De Broglieschen Führungswellen zweier ursprünglich ver­einigter Teilchen als zwei gegenläufige Wirbel in Mesmers Urflüssigkeit, welche durch einen gemeinsamen Bewegungsanstoss entstanden sind. Trotz unscharfer Begrenzung der Strömungsfelder sind die Zentren der beiden Wirbel im flüssigen (Zeit-)Raum-Medium klar lokalisiert. An der Berührungsfläche der Wirbel erfolgt eine permanente hydrodynamische Wechselwirkung der beiden Systeme, durch welche Veränderungen des einen „Wirbelteilchens“ instantan auf das andere übertragen werden.
    Damit wird noch deutlicher, dass die de Broglie-Bohmsche Interpretation der Quan­tenmechanik kausal, aber trotzdem „nicht-lokal“ ist, indem räumlich getrennte Teilchenpaare durch die instantane, aber trotzdem kausal determinierte Wechselwirkung ihrer Führungswellen miteinander verbunden bleiben. Damit sind wir beim springenden Punkt: Im Gegensatz zu Ihrer Darstellung bedeutet „nicht-lokal“ keineswegs zwangsläufig undeterminiert oder gar magisch-akau­sal!
    Einstein bekundete seinerzeit noch etwas Mühe mit dem Begriff der instantanen, „nicht-lokalen“ Wechselwirkungen, er verlangte für seine Physik eine „saubere“ Trennung der Objekte. Die vorsichtige Formulierung seiner Forderung nach „(qua­si-)ab­­geschlossenen Systemen“ als Voraussetzung für eine exakte Physik zeigt aber, dass er als Relativitätstheoretiker die Relativität auch der physikalischen Separierbarkeit getrennter Systeme im Prinzip bereits erkannte. Dieses Eingeständnis wäre ihm sicher viel leichter gefallen, wenn er schon zu Lebzeiten gewusst hätte, dass sich damit seine kausale Interpretation der Welt retten lässt!

    Jungs „magische“ Skarabäus-Erfahrung

    Auch elementarste physikalische Prinzipien wie das Gesetz von actio et reactio und das damit zusammenhängende Machsche Prinzip bedingen ja eigentlich schon eine innere Verbundenheit alles Seienden. Auch wenn wir damit sogar im makroskopischen Bereich im Prinzip sagen können, dass „der Flügelschlag eines Schmetterlings die ganze Welt bewegt“, ist es für die praktische Belange des materiellen Alltages durchaus genügend und auch sinnvoll, den Schmetterling z.B. mit den materiellen Augen eineRS SpaziergängerSIn als von der Umwelt separierbares Objekt zu betrachten. Für eine vertiefte Welterkenntnis ist es aber wichtig, sich bewusst zu sein, dass auch der Schmetterling als im Vergleich zu einem Elementarteilchen bereits sehr differenziertes Produkt der Schöpfung von einem hochkomplexen unsichtbaren Muster de Brogliescher Führungswellen bzw. einer sehr vielschichtigen und vielgestaltigen Orgon- oder Aether-Hülle umgeben ist, mittels welcher er mit der ganzen umgebenden Welt in unmittel­barer, lebendiger Wechselwirkung steht.

    Damit lässt sich auch die von Ihnen zitierte berühmte Episode ursächlich erklären, welche Jung als frappantestes Beispiel für seine ebenfalls nicht-kausale „Synchro­nizität“ anführt: Er sitzt mit einer Patientin in seinem Sprechzimmer und versucht ihr einen Traum von einem Skarabäus aufgrund der altägyptischen Wiedergeburts-Symbolik dieses Insektes zu erklären. Jung ist engagiert und beflissen, die Patienten voller Widerstände; es herrscht also eine bioenergetisch hochgespannte Stimmung. In diesem Moment prallt ein Rosenkäfer an die Fensterscheibe, in Zürcher Breitengraden der nächste Verwandte des Skarabäus. Dies ist tatsächlich ein fast unglaublicher „Zufall“, für Patientin und Arzt ein unvergessliches Schlüsselerlebnis (wie die Sache für den Käfer endete, wird leider und bezeichnenderweise nicht rapportiert).

    Muss man nach einem derartigen Ereignis aber in der Art des Mystikers Jung an einen nicht-kausalen „synchronen“ Weltkonnex zu glauben beginnen? – Man kann, wenn man dies aus Vorliebe zur Irrationalitat unbedingt will, aber das oben skizzierte rationale Modell genügt vollauf: Die hochgespannte Stimmung mit dem Thema „Skarabäus“ erzeugte im Raum ein spezifisches feinstoffliches Wellenmuster von hoher Intensität, welches weit über die Wände des Sprechzimmers hinauswirkte. Aufgrund des im aetherisch-feinstofflichen bzw. magischen Bereich sehr wichtigen, im Detail aber bis auf die medizinische Anwendung in der Homöopathie noch wenig erforschten Ähnlichkeits- oder Sympathieprinzips trat dieses feinstoffliche Skarabäus-Signal mit der „Führungswelle“ des Rosenkäfers in Interaktion und beeinflusste wie ein Richtstrahl dessen Flugbahn.

    Wolfgang Paulis Spitalzimmer-Nummer und die Feinstruktur-Konstante

    Mit diesem einfachen Modell lassen sich nach meiner Erfahrung sämtliche glaubwürdigen „magischen“ Phänomene rational erklären. Dies gilt al­lerdings nicht für allerlei sonstige Phantastereien, für welche mystisch-irrational veranlagte Menschen zusätzlich noch anfällig sind, so z.B. auch für die allermeisten Fälle der so genannten Zahlenmagie. Hierzu führen Sie als Beweis für Ihre irrationale Weltsicht ein weiteres Beispiel aus Jungs Umfeld an:

    Der berühmte, mit Jung kooperierende Physiker Wolfgang Pauli starb 1958 im Zimmer 137 des Zürcher Rotkreuzspitals an Krebs. Er brachte diese Zimmernummer mit der Sommerfeldschen Feinstruktur-Konstante und dann gleich auch noch mit der Zahlenmystik der Kabbala in Zusammenhang. Ob hier tatsächlich ein überzufälliger und durch das Führungswellen-Modell kaum erklärbarer Zusammenhang im Sinn von Jungs Synchronizität besteht, können wir zumindest für den postulierten mystisch-magischen Zusammenhang von Zimmernummer und physikalischer Konstante recht gut klären:

    Rein mathematisch ist die Chance, bei Zufallswahl eine bestimmte dreistellige Zahl wie 137 zu treffen, nur 1:1000. Ein derartiges Ereignis wäre also tatsächlich sehr unwahrscheinlich. Das Rotkreuzspital war aber vor seiner Schliessung vor einigen Jahren nur ein kleines Spital, welches zuletzt lediglich 93 Privat- und HalbprivatpatientInnen aufnehmen konnte. Einige der Zimmer waren also Doppelzimmer, wodurch die Zimmerzahl noch wesentlich kleiner wird als die Patientenzahl. Wenn wir einmal ganz ungefähr – aber sicher nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt – annehmen, dass die gleiche Zahl von Doppel- und Einzelzimmern zur Verfügung stand, kommen wir auf insgesamt 62 Zimmer. Ob Pauli nun ein Doppel- oder Einerzimmer erhielt, spielt für unsere summarische Statistik keine Rolle; die Chance auf eine bestimmte Zimmernummer lag so oder so bei etwa 1:60. Dies entspricht einer zwar wesentlich grösseren, aber immer noch sehr geringen Zufalls-Wahrscheinlichkeit.

    Damit kommen wir zur Wahrscheinlichkeit des physikalischen Bezuges: Der Wert der Sommerfeldschen Feinstruktur-Konstante beträgt keineswegs genau 137, sondern 1/137.04, was ebenso geläufig auch als 7,2974 x 10-3dargestellt wird. Der Vergleich von Zimmernummer und Konstante beginnt damit schon auf mehr als nur einem Bein zu hinken: 137 ist nur der reziproke Konstantenwert und auch dies nicht einmal genau! Somit könnte mit zumindest ähnlicher Berechtigung auch eine Zimmernummer 73 den magischen Bezug zu besagter Konstante für sich beanspruchen, da ihr nicht-reziproker Wert sinnvoll abgekürzt sehr wohl auch als 73 x 10-4 dargestellt werden kann.

    Und was wäre gewesen, wenn Pauli etwa das Nachbarzimmer 138 erhalten hätte? Ein Blick ins Physikbuch lässt uns leicht einen neuen Bezug herbeizaubern: Die physikalisch ebenfalls sehr bedeutungsvolle Boltzmannsche Konstante hat den Wert von 1,3807 x 10-23. Nach einer ähnlichen Kürzung wie beim ersten Beispiel und einer nur leicht modifizierten Darstellung des Zahlenwertes könnte man diese Grösse als 138 x 10-25 mit etwas gutem Willen und einer Prise Aberglauben ohne weiteres auch in einen magischen Bezug zu Zimmer Nr. 138 bringen!

    Damit entpuppt sich die obige Koinzidenz als kaum mehr auffälliges Spiel des Zufalls und der menschlichen Imagination, was sich bei näherer Betrachtung wohl für die ganze Zahlenmagie inklusive Kabbala nachweisen liesse.
    Ich denke, dass damit ausreichend Beweise dafür gegeben sind, dass es keine genügenden Gründe für Ihre nicht-kausale Interpretation der Homöopathie gibt, genau so wenig wie für eine Spaltung der Natur in rational-kausale Mechanik und magisch-akausale Mystik!“
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    Quellenangaben:

    • Gaus W. et al.: „Die Wirksamkeit der klassischen Homöopathie bei chronischen Kopfschmerzen.“ Der Schmerz, 92/6, S. 134 – 140.
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    • Haehl R.: „Samuel Hahnemann – sein Leben und Schaffen.“ Bd. I und II. Schwabe, Leipzig 1922.
    • Hahnemann S.: “Organon der Heilkunst.” 6., unveränderte Auflage. Hippokrates, Stuttgart, 1955.
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    • Reich W.: “Animismus, Mystizismus und Mechanismus.” In “Ausgewählte Schriften.” Kiepenheuer und Witsch, Köln 1976.
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    • Seiler Hp.: „Die Entwicklung von S. Hahnemanns ärztlicher Praxis.“ Haug-Verlag, Heidelberg 1988
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    • Seiler Hp.: „Raum, Zeit, Leben und Materie – Geschichte und neuePerspektiven der Aetherwirbeltheorie.“ In Emotion Nr. 12/13, Berlin 1997.Elektronisch publiziert auf der Netzseite von Bernd Senf http://www.berndsenf.de/MenuLebensenergieForschung.htm
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      Seiler Hp.: „Spiralwege des Lebens. Eine bioenergetische Deutung desÄgyptischen Labyrinthes und des Diskos von Phaistos.“Noch ungedrucktes Manuskript (2004), beim Autor erhältlich.
    • Seiler Hp.: „Doppelblindstudien, Rationalität und Homöopathie – offener Brief an Prof. H. Walach. “Publiziert auf der Netzseite des Europäischen Institutes für Homöopathie, Inhom (2005)
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    • Walach H.: “Wissenschaftliche Untersuchungen zur Homöopathie.” KVC-Verlag, Essen 2000

    Adresse des Autors:
    Dr. med. Hanspeter Seiler
    FMH Allgemeine Medizin
    Im Dörfli
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    Tel: 044 980 47 80
    Fax: 044 980 42 69
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