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Bukumatula 3/2005

Der weibliche Orgasmus genetisch?

Sexleben von Zwillingen verglichen – Forscher behaupten: gesellschaftliche Einflüsse haben kaum Auswirkung
von
Dario Lindes:


Nach Ansicht britischer Forscher bestimmen über den Orgasmus einer Frau auch ihre Gene. Orgasmusschwierigkeiten seien zu einem Drittel bis knapp zur Hälfte Veranlagung, so eine britische Studie, in deren Rahmen Zwillinge untersucht wurden.

„Gesellschaftliche Einflüsse wie Familie, Religion und frühe Erziehung hätten dagegen kaum Auswirkungen“, schreiben Kate Dunn von der Universität Keele und Kollegen in den „Biology Letters“ (Juni-Ausgabe) der Londoner Royal Society.
Die Studie zeige erstmals eine genetische Basis für die Orgasmusfähigkeit von Frauen.

3.000 Zwillinge befragt

Trotz der Häufigkeit von Orgasmusschwierigkeiten bei Frauen sind die Ursachen dafür kaum erforscht. Dunn und Kollegen sammelten die Antworten von fast 3.000 ein- und zweieiigen weiblichen Zwillingen zwischen 19 und 83 Jahren.

Jede dritte Frau gab an, beim Geschlechtsverkehr selten oder nie einen Orgasmus zu erreichen, bei der Selbstbefriedigung war es jede fünfte.

Beim Masturbieren kommen demnach mehr Frauen zum Höhepunkt als mit einem Partner.

Mehr Übereinstimmung bei eineiigen Zwillingen

Die Antworten eineiiger Zwillinge – sie haben eine identische DNA-Struktur – stimmten dabei stärker überein als diejenigen zweieiiger, was auf einen klaren genetischen Einfluss hinweist, schreiben die Forscher.

Kritik an soziokulturellen Modellen

Bisher seien Unterschiede in den weiblichen Sexualfunktionen vor allem kulturellen, religiösen und psychischen Faktoren zugeschrieben worden, betonen die Forscher.- Noch keine Studie habe zuvor jedoch die Familiengeschichte oder genetischen Einflüsse untersucht. Umgekehrt gibt es seit Jahren den Trend, Verhaltensphänomene als genetisch bedingt zu erklären.

Hormontherapie gegen Orgasmusprobleme?

Die Beobachtung, dass Gene der überwiegende messbare Faktor bei der unterschiedlichen Orgasmusfähigkeit seien, werde unter anderem durch die Entwicklung neuartiger Hormontherapien für Frauen mit Orgasmusschwierigkeiten an Bedeutung gewinnen.

Tim Spector, einer der Autoren der Studie, betonte gegenüber BBC jedoch, dass es Jahre dauern wird, bis das für die Orgasmusprobleme verantwortliche Gen identifiziert sei. Es gebe hunderte Möglichkeiten.

Gynäkologin: „Viele Faktoren im Spiel“

Die britische Gynäkologin Margaret Rees warnte gegenüber BBC jedoch vor einer zu einfachen Sichtweise. Es seien viele Faktoren für weibliche Dysfunktion verantwortlich. Rees kann sich daher nicht vorstellen, dass künftig ein einzelnes Medikament oder eineHormontherapie Orgasmusprobleme lösen können wird.

Link:
http://news.bbc.co.uk/1/hi/health/4616899.stm

Anmerkungvon Dario Lindes:

Wieder bin ich beim Mediensurfen über eine kuriose Meldung zum weiblichen Orgasmus gestolpert (s. BUK 4/04), die mich nicht schlecht staunen ließ. Was will uns diese Nachricht sagen? Dass jegliche Körper- und andere Therapie für sexuelle Probleme eigentlich umsonst ist?

Wilhelm Reich hatte ja seine ursprüngliche Vegetotherapie aus der Psychoanalyse heraus gerade anhand von, bzw. für orgastische Minderfunktionen geschaffen und die Methodik in seinem Werk „Die Funktion des Orgasmus“ dargelegt. Sein Beitrag war ein Quantensprung in der Diagnostik und Behandlung von sexuellen Störungen, und sein Ansatz lebt ja auch heute noch weiter und funktioniert auch. Es darf nicht geleugnet werden, dass die Gründe für Orgasmusstörungen hauptsächlich intrapsychischer Natur sind.

Körperliche wie seelische Panzerung – Körperverspannungen, mangelnde Körperkontrolle und -bewusstsein, „Sich nicht fallenlassen-können“, mangelnde Hingabefähigkeit – bedeuten mit einem Wort: Angst. Wilhelm Reich zeigte in seinen Arbeiten, dass Angst das Gegenteil von Lust ist. Und dagegen lässt sich – und das habe ich ja auch immer wieder in meinen Beziehungen praktisch erlebt und sehr gut angewandt – sehr wohl mit Körperarbeit etwas machen.

Zugang bieten die basalen Körpertechniken wie Körperspüren, Tiefatmung, Entspannung – für mich war es immer wieder erschütternd zu erleben, wie wenige Menschen es gibt, die z.B. ihre Gliedmaßen völlig entspannt und locker lassen können (kein Wunder, dass das sexuell blockierend wirkt) -, Beckenbodenarbeit, daraus folgernd natürlich auch die Beschäftigung mit dem eigenen Seelenleben: wo halte ich fest, wo halten mich psychische Fussangeln wie falsche Gedanken, Glaubenssätze, etc. zurück und von meinem Glück ab. Das ist natürlich ein langer, oft steiniger Weg.

Eine Therapie mit Tabletten zum schnell Runterschlucken – ein Viagra für die Frau – klingt verlockend, wird aber meines Erachtens kein erfolgreicher Weg sein, die körperorientierte Psychotherapie in diesem Problemfeld zu ersetzen.

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