Kontakt | Links | Impressum | Suche

Archiv ‘2017’ Kategorie

Buk 1/17 Der Struwwelpeter

Zurück zu Bukumatula 2017

Bukumatula 1/2017

Der Struwwelpeter

eine analytische Aufarbeitung
von
Peter Bolen:


Der Arzt und Psychiater Dr. Heinrich Hoffmann schrieb und zeichnete zum Geburtstag seines dreijährigen Sohnes Carl 1845 jenes Buch, welches unter dem Namen „Lustige Geschichten und drollige Bilder“ 1845 erstmals verlegt wurde und seit seiner vierten Auflage unter dem Namen „Struwwelpeter“ weltbekannt werden sollte. Seit 1858 erschien es mit veränderten Darstellungen. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, ins Englische z.B. von Mark Twain unter dem Titel “The Slovenly Peter“ („Der schlampige Peter“).

Für die damalige Zeit handelte es sich um ein Familienund Erziehungsbuch, welches vor allem auf die Folgen unbedachten Verhaltens bei Kindern hinweisen sollte. Heute stößt dieses Buch auf allgemeine Kritik und würde in dieser Form nicht mehr publiziert werden.

Die Kritik richtet sich gegen die repressive Strafpädagogik und die autoritär dogmatische Unbedingtheit, mit der die ethische Erziehung verfolgt wurde. Alice Miller würde dieses Buch sicher als Paradebeispiel der „Schwarzen Pädagogik“ bezeichnen. Der erste Aspekt, der mich an diesem Buch interessierte, ist die Tatsache, dass sich vor allem Erwachsene dafür begeisterten, weniger die Kinder, denen das Buch geschenkt wurde.

Meine Überlegungen dazu sind einerseits, dass es sich beim Lesen durch einen Erwachsenen um eine Verarbeitung traumatischer Ereignisse in der eigenen Kindheit handelt, ähnlich dem Geisterbahnfahren, wo wir uns schrecken lassen, um den inneren Schrecken früherer kindlicher Traumata zu überwinden. Wir sind ja jetzt erwachsen und haben andere Ressourcen zur Abwehr und zur Verarbeitung, als wir sie als Kinder gehabt haben.

Andererseits handelt es sich um einen Wiederholungszwang eines masochistischen Erlebnisses durch das frühere Opfer, welches sich jetzt mit dem Aggressor identifiziert. Auch kann ein Täter, welcher Gewalt gegenüber Kindern ausübt oder ausgeübt hat, Rechtfertigung in der offensichtlich allgemein akzeptierten Form der Strafpädagogik finden. Die Gewalt wird ja im „Struwwelpeter“ legitimiert.

Es kann auch entlastend wirken, wenn ich sehe, dass das Leid nicht mir (dieses Trauma wurde abgespalten), sondern jemandem anderen zustößt. Im Sinne Helmut Qualtingers, wo der „Herr Karl“, der als unbeteiligter Zeuge eines Unfalles bemerkt: “I bin´s ned!“ Letztlich wirkt die Erkenntnis der Universalität des Leidens (Irvin D. Yalom, „Wirksamkeitsfaktoren der Gruppentherapie“) heilungsfördernd.

Ein weiterer Aspekt dieses Buches, welches von Hoffmann als einem Pionier der Kinderund Jugendpsychiatrie geschrieben wurde und der mir und anderen Fachärzten aufgefallen ist: dass es sich bei den meisten Geschichten um die Beschreibung bekannter psychiatrischer Krankheitsbilder handelt, so wie wir sie auch heute kennen.

Als Neurologe und Psychiater sind auch mir früh diese Zusammenhänge aufgefallen. Als Psychotherapeut wurde mir auch bewusst, warum mich persönlich dieses Buch so fasziniert hat. 1940 geboren, habe ich meine jüdische Mutter früh verloren.Ähnliches finden wir in der Biographie von Heinrich Hoffmann, dessen Mutter ein halbes Jahr nach seiner Geburt gestorben ist.

Der Leser wird in diesem Artikel Bezüge zum Judentum und dem Ersten (im hebräischen „Alten“) Testament finden. Besonders faszinierte mich immer die letzte Geschichte, die vom „fliegenden Robert“. Meine persönliche Deutung findet sich am Ende dieses Aufsatzes.

Heute klassifizieren wir Psychiater, zumindest gegenüber den Sozialversicherungen und im klinischen Alltag psychische Störungen nach dem sogenannten ICD-10 Code, herausgegeben von der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, die sämtliche Krankheitsbilder

international zu vereinheitlichen versucht, um vergleichbare Studien erstellen zu können. Es erscheint zunächst überraschend, dass auf die Ursache der einzelnen Störungen nicht mehr eingegangen wird, sondern man sich bloß auf die Beschreibungen der Störungen geeinigt hat. Offensichtlich bestehen international weitgehende Unterschiede in der Auffassung über die Ursachen der Krankheitsbilder. Es war früher nie selbstverständlich, dass ausgebildete Psychiater auch ausgebildete Psychotherapeuten waren, was in Österreich zur Folge hatte, dass 1992 das Psychotherapiegesetz eingeführt wurde und Psychiater ohne entsprechende Ausbildung sich nicht mehr als

„Psychotherapeuten“ bezeichnen durften. Die Situation hat sich verändert. In Österreich gibt es seit einigen Jahren den Facharzt für

„Psychiatrie und Psychotherapie“ mit entsprechender, wenn auch

gegenüber den “Nicht-Psychiatern“ verkürzter Ausbildung.

Das, was mich schmerzlich berührt, ist die Tatsache, dass das gesamte tiefenpsychologische Wissen bei dieser neuen Klassifizierung verloren gegangen ist. Es bedarf keiner Verschwörungstheorie, um zu erkennen, dass neue Krankheitsbilder geschaffen wurden (z.B. wurde aus der „Angstneurose“ die Angsterkrankung), um ihnen ein bestimmtes Medikament zuordnen zu können. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf die Klassifizierung ist hier von großer Bedeutung.Für interessierte Leser möchte ich auf ein Buch hinweisen, welches den „Struwwelpeter“ aus dem Blickwinkel der Psychoanalyse betrachtet. Die Autorin ist sowohl Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie als auch Psychoanalytikerin: Anita Eckstaedt: „Der Struwwelpeter“ Dichtung und Deutung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1998.

Ich habe in einigen Passagen dieses Werk als Quelle herangezogen, in anderen Abschnitten habe ich meine eigenen Deutungen eingebracht.

Der Struwwelpeter

Heinrich Hoffmann hatte früh seine Mutter verloren, und es besteht die Möglichkeit, dass das Buch autobiographische Züge aufweist. Durchgehend wird vermutet, dass es sich in den Geschichten fortlaufend um ein und dieselbe Person handelt. In den aufeinanderfolgenden Geschichten würde es sich um die Entwicklung psychisch und altersmäßig um Heinrich (= Struwwelpeter) handeln.

Die Verwahrlosung bei Kindern und Jugendlichen ist in der Kinderund Jugendpsychiatrie bekannt, wird jedoch im ICD 10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) nicht gesondert angeführt. Wir müssen Kinder von Jugendlichen unterscheiden, da Kinder sich z.B. noch nicht selbst kämmen oder sich die Haare schneiden können. Üblicherweise tragen diese Kinder, die durch Erwachsene vernachlässigt werden, oft zu kleines und verschmutztes Gewand. (Interessanterweise ist dies bei Struwwelpeter nicht der Fall.)

Des Weiteren fällt in diesem Bereich die allgemeine Körperhygiene auf. Besonders gut erkennen lässt sich dies an den Haaren und den Fußund Fingernägeln. Insbesondere ungeschnittene und vielleicht schon eingewachsene Nägel sind ein deutlicher Hinweis auf Vernachlässigung. Bei Jugendlichen kann die Verwahrlosung ein Protest gegen das Alleingelassen sein, es kann sich dahinter auch eine Suchtproblematik verbergen. Die Ursachen sind Alleingelassenwerden, Vernachlässigung, Misshandlung durch die Erziehungspersonen und sexueller Missbrauch.

Die pathologischen Eigenschaften von Friedrich finden wir im ICD10 unter der Nummer F91.1. Bezeichnung: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen. Die in den diagnostischen Leitlinien angeführten Eigenschaften dieser Störung sind: Tyrannisieren, exzessives Streiten und Erpressung oder Gewalttätigkeiten, extreme Ausmaße von Ungehorsam, Grobheit, Fehlen von Kooperationsbereitschaft und Widerstand gegen Autorität.

Ausgeprägte Wutund unkontrollierte Zornesausbrüche, Zerstörung von Eigentum (Friedrich zerstört Stühle), Feuerlegen und Grausamkeit gegenüber Tieren (bei Friedrich das Ausreißen der Flügel von Fliegen, das Quälen von Vögeln, Katzen und dem Hund) und anderen Kindern. In der Geschichte peitscht er sogar sein Gretchen. Nach Anita Eckstaedt handelt es sich hierbei um die eigene Mutter, die ihn verlassen hat und die er in seiner Phantasie dafür bestraft.

Die Deutung der einzelnen Personen bezieht sich, wie auch in den anderen Geschichten bei Anita Eckstaedt auf die Farbe (und Form) ihrer Kleidung. Ich frage mich allerdings, wie viele Farben Hoffmann damals in seiner Buntstiftsammlung hatte und wie groß seine Auswahlmöglichkeit daher tatsächlich war. Außerdem änderten sich die Farben in den verschiedenen Neuauflagen.

Im ICD-10 finden wir unter der Nummer F63.1 die Diagnose: Pathologische Brandstiftung Pyromanie. Die Beschreibung lautet: Beschäftigung mit allem, was mit Feuer und Brand in Zusammenhang steht. Starkes Interesse an der Beobachtung von Bränden. Die betreffende Person berichtet über Gefühle wachsender Spannung vor der Handlung und von starker Erregung sofort nach ihrer Ausführung.

Anita Eckstaedt stellt sich die Frage, weshalb der Held plötzlich als Mädchen auftaucht. Ihre Deutung besteht darin, dass der Hund (das eigene schlechte Gewissen) durch seinen Biss Friedrich quasi kastriert hat und er jetzt ohne Penis (als Mädchen) auftritt. Er opfert seinen weiblichen Anteil durch einen Suizid, der durchaus auch Elemente eines autoerotischen Trostes hat. Siehe oben im ICD-10 die Beschreibung von wachsender Spannung und starker Erregung.

Diese Geschichte erzählt von der Fremdenfeindlichkeit der drei Buben gegenüber einem schwarzen Kind. Interessant für mich ist die Tatsache, dass Hoffmann gegen Rassendiskriminierung eintritt und das im Jahre 1845! In den USA trat erst nach dem Ende des Bürgerkrieges, am 18. Dezember 1865 der 13. Zusatzatrtikel zur Verfasung in Kraft, mit dem die Sklaverei auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten endgültig abgeschafft wurde. Durch den 14 Zusatzartikel zur Verfassung erhielten die Afroamerikaner 1868 ihre Bürgerrechte formal zugesprochen.

Dass Hoffmann sich gegen Rassendiskriminierung und auch gegen die Diskriminierung der Juden eingesetzt hat geht daraus hervor, dass er in der 1859 erschienenen Neuausgabe die Arabesken in dieser Geschichte durch Davidsterne ersetzte. (Rechts und links auf dem ersten Bild.) Ein weiterer Hinweis dafür findet sich in seiner Biographie, wo er 1836 Mitglied der Freimaurerloge „Zur Einigkeit“ wurde, diese aber nach einigen Jahren verließ, weil sie keine jüdischen Freimaurer aufgenommen haben.

Die Person des Nikolas ist eine Anspielung auf den Russischen Zaren und die Tinte Symbol für seine Unterdrückung der Pressefreiheit. In Russland wurde dieses Buch auch verboten, Nikolas später durch einen „Grauen Mann“ ersetzt.

In dieser Geschichte nimmt Hoffmann das Töten von Wild aus purer Freude aufs Korn. In der Geschichte wird der Hase durch List zum Jäger, und der Jäger wird lächerlich gemacht. Dem Kind, welches sich mit dem Hasen identifiziert wird Mut gemacht, sich durch List gegen Gewalt zu verteidigen.

Anita Eckstaedt sieht im Kampf Hase-Jäger den ödipalen Konflikt Sohn-Vater. Letztlich endet dieser Kampf dadurch, dass der kleine Hase nass wird. Er ist klein, hat sich also nicht durchsetzen können und erwacht durch eine Pollution aus seinem Übermächtigkeitstraum.

Diese Geschichte ist sicherlich die grausamste des ganzen Buches. Das Symptom „Daumenlutschen“ finden wir tatsächlich im ICD-10 unter der Nummer F98.8 (wie immer ohne das Verständnis der Ursache).

Durch das Nichtverstehen der Bedürftigkeit des oral gestörten und in der Beziehung vernachlässigten Kindes, wird diesem das Daumenlutschen unter Androhung des Abschneidens beider Daumen verboten. Es handelt sich hierbei nach Anita Eckstaedt auch um das Verbot der Masturbation und die symbolische Androhung der Kastration.

Als junger Psychiater und Psychotherapeut fand ich diese Deutung ein wenig übertrieben, bis ich eines Tages Zeuge folgenden Vorfalls wurde: Ein Kindermädchen sagte damals zu meinem dreijährigen Sohn wörtlich: „Wenn du das noch einmal tust, dann schneide ich dir deinen Zipfel ab!“ Zur Rede gestellt, was sie da gerade gesagt hatte, erschrak sie maßlos und konnte sich selbst nicht erklären, wieso sie diese Worte verwendet hatte.

Im ICD-10 gibt es eine ausführliche Beschreibung der Anorexia nervosa, der nervösen Magersucht. Sie ist eine durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Sie ist häufiger bei heranwachsenden Mädchen als bei Buben anzutreffen.

Eine große englische Studie ergab, dass bei eintausend Personen, welche unter Anorexie litten, 5,1 Todesfälle im Jahr auftraten.

In der Körperpsychotherapie gibt es die Charakter-Bezeichnung „kompensiert oral“. Ein Kind, welches durch Mangel an Liebe durch die Mutter (Liebe ist am Beginn des Lebens auch mit Nahrung identisch) traumatisiert ist, kann als Abwehrmechanismus die Haltung entwickeln: „Ich brauche das (Essen = Mutter) ohnehin nicht“. Selbst der drohende Tod bringt Jugendliche nicht von dieser Einstellung ab.

Als junger Assistent an der psychiatrischen Universitätsklinik in den Jahren 1967 bis 1970 erlebte ich neben dem sporadischen Versuch einer tiefenpsychologisch orientierten Therapie (an der Klinik gab es damals einen einzigen Kollegen mit Psychoanalyse-Erfahrung, und der arbeitete in der EEG-Abteilung) die brutale Therapie der Zwangsfütterung. Nicht wie heute mit einer Nasensonde. Drei korpulente, kräftige Krankenschwestern nahmen die Patienten zwischen sich, hielten sie fest und fütterten sie.

Es war ein Brechen der Persönlichkeit. Interessanterweise begannen die Patientinnen nach etwa drei Wochen selbst zu essen, ja man könnte sogar sagen zu fressen. Alle verließen nach etwa sechs Wochen übergewichtig die Klinik. Nachbeobachtungen ergaben keinerlei Rückfälle. Weder zur Zeit des Hungerns noch zur Zeit des unkontrollierten Essens konnten sie erklären, weshalb sie dies taten. War es ein endgültiges Brechen der Persönlichkeit, dass sie anschließend nicht mehr die Kraft und den Mut hatten, sich zu widersetzen?

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gehört zur Gruppe der Verhaltensund emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend; nach ICD-10: F90 F98. Sie äußert sich in Aufmerksamkeitsdefiziten, durch Impulsivität, sowie manchmal auch durch ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität).

Für die Diagnose von ADHS als „Hyperkinetische Störung“ nach F90.0, F90.1 oder F90.9, sind in der ICD-10 die „beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität“ notwendig. Dieser Gruppe ist wohl der Zappel-Philipp zuzuordnen. Heute wissen wir, dass diese Störungen im Erwachsenenalter nicht sistieren.

Für mich ist die psychoanalytische Deutung für dieses, heute mehr beachtete Phänomen alleine nicht ausreichend.

Wenn „Aufmerksamkeitsstörung“ ohne ausgeprägte Hyperaktivität verbunden ist, handelt es sich um Kinder, die als „Träumelein“ bezeichnet werden. Viele Psychiater meinen, dass „Hans Guck-in-dieLuft“ so ein Kind sei, welches durch seine Unaufmerksamkeit über einen Hund stolpert und schließlich in den Fluss fällt.Ich teile diese Meinung nicht. Alleine der Ausdruck „Guck-in-die Luft“ ist ein Hinweis darauf, dass das Kind nach oben blickt, was sowohl im Text als auch in den Zeichnungen zum Ausdruck kommt. Hans macht also eine retropulsive Bewegung (Rückwärtsbewegung mit dem Kopf).

„Retropulsive Anfälle“ gehören in den Bereich der sogenannten „kleinen“ epileptischen Anfälle. Sie treten besonders im Schulalter auf, und in den Zeichnungen und im Text sehen wir, dass es sich um

ein Schulkind handelt, welches seine Schulmappe bei sich trägt.Bei kleinen epileptischen Anfällen, den sogenannten „Petit Mal“, kommt es lediglich zu sekundenlangen Bewusstseinsstörungen, die bis zu hunderten Malen am Tag auftreten können. Der Betroffene merkt selbst nichts davon, lediglich aufmerksame Beobachter registrieren diese Aussetzer. Manchmal kommt es zu Kauund SchmatzBewegungen und bei Temporallappenanfällen (Schläfenlappenanfälle) auch zu kurzen Drehbewegungen des Kopfes zu einer Seite. Auch hier ist die psychoanalytische Deutung alleine nicht ausreichend für dieses, für mich hirnorganische Syndrom.

Insbesondere wegen dieser letzten Geschichte, deren Inhalt sich deutlich von den anderen unterscheidet, habe ich diesen Artikel geschrieben.

Die längste Zeit meines Lebens fand ich keine Antwort auf ihre Bedeutung. Dass ein Kind sich ins Freie wagt, während die anderen ängstlich „hübsch daheim“ in der Stube hocken, ist für mich ein positives Zeichen eines persönlichen Freiheitsdranges. Es erinnert mich an Wilhelm Reichs Metapher vom „Menschen in der Falle“. Er sitzt mit Anderen in ihr und sucht den Ausgang.

Dieser ist natürlich mit dem Eingang identisch. Das besondere an der

„Falle“ ist, dass die Tür nicht verschlossen ist. Niemand traut sich aber hinauszugehen, aus Angst vor den möglichen Gefahren dort draußen. Es entsteht in der Gruppe der Gedanke: Wenn wir schon hier eingesperrt sind, sollten wir es uns wenigstens gemütlich machen; die Wände tapezieren, Blumentöpfe aufstellen und so weiter. Ab und zu steht aber ein Mitglied dieser Gruppe auf und will hinausgehen. Die Reaktion der Gruppe besteht darin, ihn für verrückt zu erklären, oder ihn gar zu töten, um dadurch die eigene Feigheit und Beschränktheit zu verdecken.

Mut ist also keine Persönlichkeitsstörung. Des „fliegenden Roberts“ Gedanke ist: „Es muss draußen in der Freiheit herrlich sein“. Einige psychoanalytische Überlegungen gehen dahin, dass Robert in seinem Flug über die Moral und die elterliche Bestrafung hinwegfliegt und letztlich am Himmel anstößt (im Himmel landet). Neuere Untersuchungen mit Schulkindern, denen die Geschichte vorgelesen wurde und die sie selbst malen und interpretieren sollten, zeigten, dass sie diese Geschichte durchaus positiv aufnahmen. Und dass Migrantenkinder„beim Anstoßen an den Himmel“ an die Wiederkehr in ihre Heimat dachten.

Für mich persönlich fand ich einen Schlüssel zu dieser Geschichte im ersten Buch Mose, Genesis hebräisch Bereschit: 5/24. Es handelt sich um die Geschichte des Propheten Enoch, hebräisch Henoch oder Chenoch. Im Text heißt es: „Und Chenoch wandelte mit Gott und er war nicht mehr, denn Gott hatte ihn genommen.“ Die Auslegung dieses Textes lautet übereinstimmend, dass der Prophet nicht gestorben ist, sondern direkt zu Gott aufgestiegen ist.

Diese Entrückung in den Himmel geschieht ein zweites Mal im Alten Testament (im Hebräischen Erstes Testament), wo auch der Prophet Elias (hebräisch Eliahu) durch einen Sturmwind in den Himmel entrückt wird, ohne dass sein Tod erwähnt oder betrauert wird. Wir finden diese Stelle im 2. Buch der Könige 1-18 im hebräischen Tanach, welcher ein Teil des Alten Testamentes ist. Allerding wurde in der griechischen Übersetzung der Septuaginta das Buch der Könige in fünf Teile aufgegliedert, da der griechische Text länger als der hebräische ist.

Ein Hinweis auf den Satz „Und Gott hatte ihn genommen“ findet sich im Text des „fliegenden Roberts“ in dem Reim: „Und sein Hut fliegt weit voran, stößt zuletzt am Himmel an.“ Die Gegenwart (des gütigen) Gottes wird durch das Kirchengebäude symbolisiert, welches auf allen drei Bildern sichtbar ist.

Für mich hat der Abschluss des Buches durchaus tröstliche Gedanken: Robert rebelliert gegen die aufgezwungene Moral und das Nichtverstehen seines Leides mit dem Mut seiner Sturmund Drangperiode. Er lässt durch seinen befreienden Flug das Leid hinter sich und wird ohne die Qualen des Sterbens gütig von Gott im Himmel aufgenommen.

Zurück zu Bukumatula 2017

  • Kommentare deaktiviert für Buk 1/17 Der Struwwelpeter
  • Kategorie: 2017
  • Zurück zu Bukumatula 2017

    Bukumatula 1/2017

    Trauma – Traumafolgen – Traumatherapie

    Szenen aus dem Buch der „Traumvater“ von Peter Reich, zusammengestellt von
    Anselm Wolfgang Kicher:

    Als Trauma bezeichnet man ein außergewöhnliches Erlebnis,

    • das plötzlich auftritt, das nicht vermeidbar ist
    • es stellt eine lebensbedrohliche Gefahr dar
    • ein Mensch muss diese Gewalterfahrung über sich ergehen lassen,
    • kämpfen oder flüchten ist nicht möglich
    • ebenso kann das Miterleben/Beobachten einer Gewalttat zum Trauma führen.

    Solche Erlebnisse bewirken einen Schock, es kommt zu Existenzangst, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Orientierungslosigkeit, Entsetzen, Panikreaktionen.

    Das Nervensystem wird überlastet. Energetisch wird die Lebenskraft blockiert – wie eingefroren, hilflos und ausgeliefert denkt ein Mensch in dieser Situation an den nahenden Tod.

    Abgekoppelt von der Realität können auftreten: Schwindel, Sprach- und Gefühllosigkeit, Schmerzunempfindlichkeit, geistiges Wegtreten.

    Diese Erfahrungen können schwerwiegende Folgen haben und lange andauern. Schätzungsweise können ca. 2/3 der traumatisierten Menschen diese Erfahrungen selbst bewältigen, ca. 1/3 benötigt Traumatherapie, um wieder zu einem bewussten und selbstbestimmten Leben zu kommen.

    Lebensbedrohliche Erlebnisse die zu einem Trauma führen können:

    • Unfälle und Ereignisse mit starken Körpereinwirkungen (z.B. Verkehrs-, Sport-, Berufsunfälle, Stürze, Vergiftungen, Drogen)
    • körperliche Gewaltanwendungen und Angriffe von Menschen und Tieren (Vergewaltigung, Raubüberfall, Kampfhund)
    • Krankheiten und operative Eingriffe (z.B. Knochenbrüche, Operationen, Krebs)
    • Emotionale Traumata, Verlust (z.B. Verlassenwerden vom Partner, Todesfall in der Familie, einen schweren Unfall miterleben bzw. aus der Nähe beobachten)
    • Existenzbedrohende Situationen (z.B. Ersticken, Ertrinken, vorgeburtlicher Stress wie Eingriffe im Uterus, Geburtstrauma, Beinahe-Unfall mit Flugzeug)
    • Naturkatastrophen (z.B. Feuersbrunst, Überschwemmungen, Erdbeben, Lawine)
    • Existenzbedrohende Erlebnisse, die von anhaltender Dauer sind oder regelmäßig erfolgen (z.B. Vernachlässigung in der Kindheit, dauerhafte Bedrohung, Machtmissbrauch von Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis, rituelle Folter, Krieg, Hungersnot).

    Sonderform: Transgeneratives Trauma: Ein traumatisches Erlebnis der Mutter (z.B. Vergewaltigung), das von ihr verdrängt/“vergessen“ wurde – also nicht bearbeitet/aufgelöst wurde – kann unbewusst auf die Tochter übertragen werden, z.B. kann das Mädchen im Kindergarten in einer eindeutigen Zeichnung den Missbrauch darstellen. Oder verdrängte Kriegserlebnisse des Vaters können unbewusst auf den Sohn übergehen.

    Posttraumatische Folgen sind besonders schwerwiegend, wenn das traumatische Erlebnis absichtsvoll durch Menschen herbeigeführt wurde. Sie sind umso stärker:

    • je enger die persönliche Beziehung zur Tatperson war
    • je länger das traumatische Geschehen andauerte
    • je jünger die Person im Zeitpunkt der Traumatisierung war
    • je größer die Gefährdung und Betroffenheit war.

    Naturereignisse, unvermeidbare Unfälle oder Schicksalsschläge wirken weniger belastend als Gewaltanwendungen, Missbrauch oder Übergriffe, die von Menschen absichtsvoll zugefügt wurden. Letztere können körperlich und/oder psychisch stattfinden, z.B. im Bereich Sexualität, Spiritualität.

    Die objektiven Bedingungen selbst sind nicht allein ausschlaggebend, sondern die subjektiv wahrgenommene Intensität der Bedrohung und die Bedeutung, die dem Ereignis beigemessen wird; die individuell unterschiedliche Belastbarkeit und die Resilienz sind letztlich entscheidend.

    Menschen reagieren unterschiedlich auf an sich gleichartige Erlebnisse.
    In einer Studie zu Vergewaltigungsopfern litten 35% an posttraumatischen Belastungsstörungen, bei versuchter Vergewaltigung waren es 14%. Die übrigen hatten sich nach dem Geschehen soweit erholt, dass sie danach symptomfrei weiterleben konnten.

    Mangelnde soziale Unterstützung und belastende Lebensumstände wirken sich besonders stark auf die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus; diese bedarf einer psychotherapeutischen Traumatherapie zur Lösung und Heilung.

    TRAUMAFOLGEN

    Wie schon erwähnt können ca. zwei Drittel der traumatisierten Menschen diese Erlebnisse selbst bewältigen – besonders hilfreich sind Familie und Freunde – zumindest eine stabile Beziehung sollte bestehen.

    Die schwerste mögliche Störung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sie manifestiert sich nach einem traumatischen Erlebnis von außergewöhnlicher Schwere nach einer Latenzzeit von 4 Wochen bis zu 6 Monaten. Es kommen wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierungen des Ereignisses in Tagträumen oder Träumen ins Gedächtnis („flashbacks“).

    Ein deutlich emotionaler Rückzug, Gefühlsabstumpfung und Vermeidung von Reizen, die eine Wiedererinnerung an das Trauma hervorrufen könnten, sind häufig die Folgen. Die auftretenden Beschwerden sind vergleichbar mit einer Alarmanlage, die ständig Gefahr signalisiert. Die Symptome stellen eine schwere Belastung für den Organismus dar, sie schwächen das Immunsystem, wodurch es zu vermehrter Anfälligkeit für Infektionen oder auch zu Autoimmunerkrankungen kommen kann.

    Wenn die PTBS ohne entsprechende Therapie länger anhält, so kann es zu chronischen Folgen – zu nachhaltigen Persönlichkeitsstörungen – kommen. Diese Beschwerden sind oft Auslöser für psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen. Häufig sind sie an der Entstehung von Krebserkrankungen maßgeblich beteiligt.

    Die zweitschwerste Störung ist die „Akute Belastungsstörung“ – „Posttraumatischer Stress“ (PTS). Er tritt dann auf, wenn ein Mensch wieder in eine Situation kommt, die ihn an das traumatische Erlebnis erinnert. Die Bedrohung kann real oder nur imaginiert sein, sie wird in jedem Fall als real bewertet, wodurch typischen Symptome wie Hilflosigkeit, Erstarren, Angst- und Panikgefühle, etc. wieder auftreten.

    Nachdem die Situation ohne weitere Traumatisierung vorübergegangen ist, klingen die Symptome meistens im Laufe eines Tages wieder ab. Es kann jedoch eine gewisse Ängstlichkeit und eine verstärkte Achtsamkeit weiterhin bestehen bleiben.

    TRAUMATHERAPIE

    Im Erstgespräch soll geklärt werden, ob ein Trauma oder eine traumatische Bedrohung derzeit noch anhält oder wieder eintreten könnte. Wenn ja, so ist dafür zu sorgen, dass der Mensch in eine sichere, geschützte Situation kommt. Dafür ist es notwendig die Familienmitglieder zu informieren und zum Handeln aufzufordern – oder bei Jugendlichen das Jugendamt zu verständigen.
    Im Erstgespräch soll nicht dazu aufgefordert werden das Trauma im Detail zu schildern, sondern es ist klar zu machen, dass vorläufig nur in Form von Überschriften berichtet werden soll – das therapeutische Handeln erfolgt später.

    Kontraindikationen:

    •  Im Erstgespräch oder in den ersten Sitzungen gleich den gesamten Ablauf des traumatischen Geschehens abzufragen, oder falls der/die Klient/in von sich aus alles ausführlich schildern möchte – so soll das strikt eingebremst werden! Warum? Es besteht die Gefahr, dass der/die Klient/in in wenigen Sekunden in das ursprüngliche Trauma hineinrutscht – dabei wird das so erlebt, als würde es jetzt nochmals geschehen! Wenn das passiert, so kann man als Therapeut nicht mehr eingreifen – alles was man tun möchte ist dann falsch – man muss miterleben, wie schrecklich diese Erfahrung war und wieder ist. Diese Retraumatisierung schädigt erneut das Nervensystem und den Organismus und muss vermieden werden. Dadurch wäre wahrscheinlich eine weitere Therapie kaum noch möglich, das Vertrauen wäre erschüttert.
    •  Vegetotherapie nach Wilhelm Reich in liegender Position ist meiner Erfahrung nach nicht geeignet; es kann leicht zu einer Übertragung kommen – der Therapeut könnte als Täter erlebt werden und es besteht die Gefahr einer Retraumatisierung. Auf dem `Congress of Body-Psychotherapy´ im Oktober 2016 in Athen habe ich einen Workshop mit Fabian Llanos, Professor an der Uni Cordoba/Argentinien besucht, der Graduate-Kurse in Orgonomie nach Wilhelm Reich abhält. Er demonstrierte u.a. auch Traumatherapie im Liegen.

    Ich habe „Somatic Trauma Therapy“ bei Babette Rothschild gelernt und konnte die Weiterbildung ein zweites Mal im Jahr 2002 besuchen – und zwar als Übersetzer. (Jetzt ist ihr Buch auch auf Deutsch erhältlich: „Der Körper erinnert sich – die Psychophysiologie des Traumas und der Traumabehandlung“; Synthesis Verlag.)

    In der Weiterbildung haben wir gelernt zunächst eine tragfähige therapeutische Beziehung herzustellen – erst dann kann man in kleinen Schritten das traumatische Erleben thematisieren. Dabei ist die Funktion der „Bremse“ sehr wichtig; bevor es zu einer Übererregung („hyperarousal“) des Autonomen Nervensystems kommen kann, führt man den Klienten zurück in den Kontakt zum Therapeuten im „Hier und Jetzt“.

    Die Weiterbildung in Theorie und Praxis war für mich eine große Bereicherung. Ich möchte in einem Seminar im Sommer 2017 gerne meine Erfahrungen weitergeben.
    _______________________

    Anselm Wolfgang Kicher – Berater und Psychotherapeut, seit 1984 „Reichscher Körpertherapeut“ im WRI. Zahlreiche Fort- und Weiterbildungen – nachzulesen auf meiner Homepage unter:
    www.psychotherapie-kicher.at

    Trauma – Traumatherapie-Infoabend am 14. Juni 2017 von 19-21 Uhr in 1020 Wien.

    Trauma – Traumatherapie-Workshop am 24./25. Juni 2017, jeweils von 9-18 Uhr. Kosten: € 290.-
    (Information: Anselm W. Kicher, 0650/7050346)

    Zurück zu Bukumatula 2017

  • Kommentare deaktiviert für Buk 1/17 Trauma – Traumafolgen – Traumatherapie
  • Kategorie: 2017
  • Zurück zu Bukumatula 2017

    Bukumatula 2/2017

    Die Funktion des Orgasmus – 90 Jahre danach

    Die Sexualtheorien Wilhelm Reichs und die heutige Relevanz für die moderne Körperpsychotherapie
    von
    Thomas Harms:

    Einleitung

    „So dick?“ – dies war die enttäuschende Reaktion Sigmund Freuds auf das Manuskript „Die Funktion des Orgasmus“, das Wilhelm Reich ihm anlässlich seines 70. Geburtstages im Mai 1926 überreichte. Es sollte nicht die letzte Zurückweisung sein, die Reichs Sexualtheorien erfuhren. Die Rezeption der Reichschen Orgasmustheorie ist bis heute eine Geschichte, die durchdrungen ist von irrationalen Attacken, inkorrekten oder verkürzten Darstellungen oder vehementer Ablehnung seiner Arbeiten.

    Lange Zeit schien es so, als habe Reichs sexualtheoretische Grundlagenarbeiten in den neoreichianischen Schulen der Körperpsychotherapie ihre Heimat gefunden. Auch wenn dies nicht immer ausdrücklich formuliert wurde, so waren die Wiederherstellung der sexuellen Lust- und Hingabefähigkeit für viele neoreichianische Schulen ein anzustrebendes Ziel ihrer therapeutischen Bemühungen. Darüber hinaus finden sich Reichs sexualökonomische Modelle auch eingewoben in den Charaktertheorien und Entwicklungskonzepten, die auch heute noch in unterschiedlichen Versionen gelehrt werden. Was hat es nun mit diesen Forschungen auf sich, die Wilhelm Reich vor 90 Jahren in seinem Werk „Die Funktion des Orgasmus“ veröffentlichte.

    Welchen Wert haben seine Beschreibungen der affektiven, körperlichen und verhaltensmäßigen Aspekte menschlicher Sexualität im Feld der heutigen Körperpsychotherapie? Wo sind sie wichtige diagnostische Systeme, die uns helfen uns in der Praxis der Körperpsychotherapie zu orientieren? Und wo müssen die Sexualtheorien hingegen – im Licht der heutigen Forschungsergebnisse – neu gelesen oder gar relativiert werden? Mein Anliegen für diesen Artikel ist es, die Komplexität und Stringenz der Reichschen Forschungen systematisch aufzubereiten.

    Dazu werde ich in diesem Artikel

    1. den wissenschaftshistorischen Kontext der sexualtheoretischen Debatte zwischen Freud und Reich innerhalb der Psychoanalyse nachzeichnen
    2. die psychosomatischen Dimensionen der Genitalitätstheorie Wilhelm Reichs darstellen und reinterpretieren
    3. das Potenzial der Reichschen Sexualtheorie für die Praxis skizzieren und kritisch diskutieren

    Der Verlust des Sexuellen in der Körperpsychotherapie

    Im Jahre 1924 hielt der junge Psychoanalytiker Wilhelm Reich den Vortrag „Über das Problem der Genitallibido“ auf dem Kongress der IVP in Salzburg. In diesem Beitrag umriss Reich bereits die Kernideen, die drei Jahre später unter dem Titel „Die Funktion des Orgasmus“ als Buch veröffentlicht wurden (Reich, 1985). Er beschreibt in seiner Autobiografie, dass keine andere Arbeit so bedeutsam für sein Gesamtwerk gewesen sei, wie die tiefere Auseinandersetzung mit den psychischen, körperlichen, sozialen und energetischen Dimensionen des menschlichen Orgasmus.

    War die Auseinandersetzung mit der sexuellen Ätiologie der Krankheitsentstehung in den Anfängen der Geschichte der körperbasierten Psychotherapie noch ein zentrales Thema, so ist das Sexuelle in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend aus den Diskursen der Körperpsychotherapie verschwunden. Dies hat mehrere Gründe.

    Ursprünglich bauten die Konzepte der meisten körperpsychotherapeutischen Strömungen, die sich auf die Arbeiten Wilhelm Reichs beriefen, auf seinen Energie- und Sexualmodellen auf. Sie standen somit in einer Tradition der Psychoanalyse, die mit den libido- und triebtheoretischen Überlegungen Freuds begonnen hatten. Die sexuelle Erfüllung, das „Strömen“ der Bioenergien, das Lösen der Panzerungen und die Befreiung der verkapselten Körperenergie waren die alles bestimmenden Themen dieser Anfangszeit – zumindest in den neoreichianischen Strömungen der Körperpsychotherapie.

    Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die zweite historische Quelle der Körperpsychotherapie, die in den Leib- und Bewegungstherapien liegt, diese Dominanz des Sexuellen nie teilte. Das achtsame Beobachten des Körpers, das Auswerten des gefühlten Körpers stand hier mehr im Zentrum als die Befreiung oder der Ausdruck der unterdrückten Sexualität (Geuter, 2015).

    Mit Beginn der 80er Jahre betraten die neueren Säuglings- und Bindungsforschungen die Bühne der körperpsychotherapeutischen Foren (Dornes, 1993, Downing 1994). Die Pioniere dieser Arbeiten, wie Daniel Stern, Joseph Lichtenberg und John Bowlby u.a. verlagerten nun das Interesse auf die frühesten Beziehungserfahrungen von Säuglingen und Kleinkindern (Bowlby, 2005; Lichtenberg, 1991; Stern, 2006).

    Zum einen wiesen sie mit ihren Babyforschungen nach, dass Säuglinge extrem kompetente, soziale und nach Reizen hungernde Wesen sind, die bereits präverbal sehr komplex mit ihrer Umwelt im Austausch stehen. Konzepte eines „primären Narzissmus“ oder einer „autistischen Phase“ der frühen Säuglingsentwicklung, wie sie Freud und seine Schüler ursprünglich vertraten – und die aufs engste mit den metapsychologischen Konzepten einer nach Entspannung strebenden Triebenergie verwoben waren, mussten unter dem Eindruck dieser neuen Ergebnisse aufgegeben werden.

    Die Beobachtungen in den Mikroanalysen der Eltern-Kind-Interaktionen offenbarten, dass Säuglinge nicht alleine damit beschäftigt sind, ihre Spannungen direkt wieder los zu werden, wie dies von Freud in seinem Lust-Unlust-Prinzip beschrieben wurde. Freud hatte im Rahmen seiner Libidotheorie angenommen, dass der Spannungs- und Erregungszuwachs jeweils mit einem zunehmenden Unlusterleben einhergeht. Säuglinge, die noch keinen adäquaten Reizschutz haben, sind den inneren und äußeren Reizen in besonderer Weise ausgesetzt.

    Dementsprechend, so folgerte Freud, müsste sich der Säugling vorerst in den schützenden Kokon seiner inneren Welt zurückziehen, um nicht von der bedrohenden Welt überflutet zu werden. Die Folge sei, dass Babys – in Ermangelung geeigneter Anpassungsstrategien – jeden Zuwachs von Erregung meiden. In der theoretischen Konsequenz bedeutete dies, dass sich der Säugling vorerst in einer autistischen und zurückgezogenen Welt aufhält, bevor er beginnt, sich aktiv für seine Umwelt zu interessieren.

    Diese ursprünglichen Konzepte der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie konnten nun durch die neuere Säuglingsforschung widerlegt werden. Schon das neugeborene Kind sucht aktiv Beziehungsmomente, in denen die Erregung ansteigt. So beschreibt Stern in seinen frühen Arbeiten spezifische Lächelspiele, in denen der Säugling sich mit seinem erwachsenen Gegenüber auf ein immer höheres Erregungsniveau schraubt (Stern, 2006).

    Und nichts daran scheint für den Säugling unlustvoll zu sein. Ganz im Gegenteil: Das Baby genießt diesen gemeinsamen Tanz und es juchzt vor Freude, wenn die Erregung in der lebendigen Interaktion immer mehr anwächst. Diese bahnbrechenden Forschungen zeigten, dass Freuds Energiekonzepte und die daran gebundenen Modelle der Spannungsreduktion nicht oder nur unzureichend geeignet waren, um komplexe Interaktionsprozesse im menschlichen Miteinander adäquat zu beschreiben (Harms, 1993).

    Theoretische Grundlagen

    Zum Problem der Spannungslust

    Bereits zu Beginn seiner Karriere beschäftigte Reich sich mit einer theoretischen Frage, die im Rahmen der Freudschen Sexualtheorie bis dahin unbeantwortet war. Wie kann es sein, dass der Spanungsaufbau im sexuellen Vorspiel subjektiv lustvoll erlebt wird? Wieso bewegen sich Menschen freiwillig in Zustände, in denen die Erregung ansteigt?

    Freud hatte für das Verständnis der erwachsenen Sexualität bereits eine Unterscheidung von einem Vorlust- und einem Endlustmechanismus vorgenommen. Prägenitale Antriebe (wie Küssen oder Streicheln, etc.) dienen quasi als Vorbereiter der genitalen Vereinigung, sie ordnen sich dem „Primat der Genitalität“ unter.

    Prägenitale wie genitale Triebe unterliegen beide der Regulation des Lustprinzips, d.h., beide Triebarten streben nach Abfuhr aufgebauter Sexualerregung. Hier beginnt jedoch das Problem: Wenn wirklich jede Spannungserhöhung mit Unlustgefühlen einhergeht, wie Freud es im Lustprinzip annimmt, dann bleibt natürlich fraglich, warum die enorme Erhöhung der Sexualspannung in der Phase der Vorbereitung überhaupt lustvoll erlebt werden kann? Weiterhin bleibt offen, warum es überhaupt zu einer derartigen Spannungssteigerung kommt, wenn doch die prägenitalen Triebe, ebenso wie der Genitaltrieb, nach Spannungsabfuhr drängen?

    Hierzu Freud: „An den Spannungscharakter der sexuellen Erregtheit knüpft ein Problem an, dessen Lösung ebenso schwierig wie für die Auffassung der Sexualvorgänge bedeutsam wäre. Trotz aller in der Psychologie darüber herrschenden Meinungsverschiedenheiten muss ich festhalten, dass ein Spannungsgefühl den Unlustcharakter an sich tragen muss. Für mich ist entscheidend, dass ein solches Gefühl den Drang nach Veränderung der psychischen Situation mit sich bringt, treibend wirkt, was dem Wesen der empfundenen Lust völlig fremd ist.

    Rechnet man aber die Spannung der sexuellen Erregtheit zu den Unlustgefühlen, so stößt man sich an der Tatsache, daß dieselbe unzweifelhaft lustvoll empfunden wird. Überall ist sie bei der durch die Sexualvorgänge erzeugten Spannungslust dabei; selbst bei den Vorbereitungsveränderungen der Genitalien ist eine Art von Befriedigungsgefühl deutlich. Wie hängen nun diese Unlustspannungen und dies Lustgefühl zusammen?“ (Freud, 1967)

    Reich sieht, dass das Problem nur dadurch zu lösen ist, indem man annimmt, dass die genitalen bzw. prägenitalen Strebungen innerhalb der erwachsenen Sexualität unterschiedlichen Funktionsgesetzen gehorchen. Lediglich der Genitaltrieb sei in der Lage die Sexualspannung adäquat abzubauen.

    Die prägenitalen Triebe hingegen würden für einen Aufbau der Spannung und Erregung sorgen. Nur durch die Aussicht und Vorwegnahme einer baldigen Befriedigung und Entspannung, so Reich, könne die Erregungssteigerung überhaupt lustvoll erfahren werden. Die Antizipation auf eine zu erwartende Endlust sei quasi die Voraussetzung dafür, dass eine Spannungssteigerung in Kauf genommen werde.

    Dass ein Mensch sich einer Spannungssteigerung in seiner Sexualität hingeben kann, ist nur dadurch möglich, dass zuvor ein hinreichendes Maß an lustvollen Befriedigungen biografisch erfahren und als Erinnerungsspur gespeichert werden konnte. Dass Sexualerregung nicht per se lustvoll ist wird z.B. sichtbar, wenn Menschen während des Liebesaktes jäh unterbrochen werden.

    Dann wird der unlustvolle Charakter der aufgebauten Sexualspannung sofort offenbar. In seiner frühen Schrift „Zur Triebenergetik“ veranschaulicht Reich diesen Gedanken: „Wenn ich durch eine öde Gegend in geschäftlicher Angelegenheit reise, z.B. in höherem Auftrag, der mich persönlich wenig tangiert, so wird die resultierende Spannung auf die baldigste Erledigung des Auftrags gehen und nur unlustvoll sein. Anders, wenn mich eine geliebte Person im Ankunftsort erwartet: die Spannung wird vielleicht eine höhere, aber zum Teil (in Erwartung des Wiedersehens) lustvoll sein. Meine Reise bringt mir Positives.

    Wir erkennen also aller aus dem Ich resultierenden Spannung, sofern nicht sexuelle Komponenten mitspielen, den Unlustcharakter zu, sagen aber von der sexuellen Spannung des Genaueren aus, in ihr alterniere Lust mit Unlust. In der Phantasie erleben wir momentan die realiter erst kommende Lust. Die dabei gewonnene, allerdings sehr geringe Lust verleiht der Spannung den Lustcharakter….“ (Reich, 1985a)

    Anders als Freud, der immer wieder betont, dass Unlust der Motor der Veränderung sei, wird bei Reich gerade die Aussicht auf die zu erreichende, „große“ Lust treibendes Moment der sexuellen Aktivität. Spannungsaufbau in der sexuellen Vorlust und die lustvolle Entspannung in der genitalen Vereinigung bilden im Reichschen Verständnis eine untrennbare Funktionseinheit.

    Der lustvolle Aufbau der Sexualspannung und deren zunehmende Konzentration am Genital sind in dieser Sichtweise sogar notwendige Bestandteile eines umfassenden Lusterlebens. Indem Reich die Funktion der prägenitalen und der genitalen Triebe voneinander unterscheidet, wird nun die zentrale Bedeutung der Genitalität für die Regulation des erwachsenen Energiehaushalts verständlich. Lediglich in der genitalen Sexualität, und hier speziell durch die Funktionen des Orgasmus, käme es zu einer umfassenden Entladung von der zuvor aufgebauten sexuellen Erregung. In der genitalen Lust während des sexuellen Höhepunktes käme es somit zu einer Regulation der psycho-vegetativen Erregungshaushalts.

    Klinische Beobachtungen in der sexuologischen Praxis

    Reich beschäftigte sich mit praktischen Beobachtungen, die sich nicht in die grundlegenden Annahmen der Sexualtheorie Freuds einfügen wollten. So berichtet er über einen jungen Patienten, den Freud ihm zur Behandlung geschickt hatte, der unter einer anhaltenden Erektionslosigkeit litt. In der Therapie war es ihm gelungen, den traumatischen Grundkonflikt aufzudecken und psychoanalytisch zu deuten (Reich 2000). Dies galt in den Anfängen der damaligen Psychoanalyse als wesentliches Ziel der Therapie, um eine Verbesserung der psychischen bzw. psychosomatischen Symptomatik zu bewirken.

    „Er war etwa zwei Jahre alt. Seine Mutter gebar ein Kind. Er konnte vom Nebenzimmer den Vorgang genau beobachten. Der Eindruck eines großen blutigen Lochs zwischen den Beinen prägte sich scharf ein. Dabei blieb im Bewusstsein nur das Empfinden einer `Leere´ in den eigenen Genitalien. Nach dem damaligen Stande des psychoanalytischen Wissens verband ich nur die Erektionslosigkeit mit dem schwer traumatischen Eindruck vom `kastrierten´ weiblichen Genitale zweifellos richtig. (…) Ich berichtete über den Fall im Technischen Seminar.

    Man lobte die korrekte Aufhellung der traumatischen Urszene. Das Symptom der Erektionslosigkeit hatte ich theoretisch völlig aufgeklärt. Da der Patient arbeitsam und eingeordnet war, `realitätsangepasst´, wie man sagte, fiel keinem von uns auf, dass gerade diese Stille im Affektleben, diese unerschütterliche Ausgeglichenheit der schwerkranke Boden war, auf dem sich die erektive Impotenz halten konnte.“ (Reich 2000)

    Das neurotische Symptom blieb erhalten, obwohl die psychoanalytische Kur eine Bewusstwerdung der innerpsychischen Konflikte erreicht hatte. Dies widersprach den Grundannahmen der psychoanalytischen Theorie. Wieso hatte die Bewusstwerdung der verdrängten frühkindlichen Sexualkonflikte zu keiner Besserung geführt? Was fehlte, damit die volle sexuelle Lust- und Erlebnisfähigkeit des Patienten sich wieder einstellte?

    Reich argumentierte konsequent innerhalb des psychoanalytischen Denkgebäudes: Wenn ein Mensch in frühem Lebensalter gezwungen wird, seine frühkindlich-sexuellen Bedürfnisse zu verdrängen, sind spätere Einschränkungen der Erlebnis-und Funktionsfähigkeit in der erwachsenen Sexualität die logische Folge. In Reichs Lesart der Freudschen Konzepte durfte es keinen neurotisch erkrankten Patienten geben, der nicht auch massive Störungen und Erlebniseinbußen seiner erwachsenen Sexualität aufwies.

    Doch die von ihm durchgeführten Erhebungen unter seinen Patienten – hier vor allem unter den Besuchern des psychoanalytischen Ambulatoriums für Mittellose, das 1922 in Wien gegründet worden war – ergaben ein sehr widersprüchliches Bild. Unter den weiblichen Patienten, die mit diversen neurotischen Problemen die Behandlung aufsuchten, ließen sich bei ausnahmslos allen Patientinnen schwere Beeinträchtigungen in ihrer Sexualität nachweisen. Hingegen waren nur bei 60% der Männer, die die Ambulanzen besuchten, manifeste Sexualstörungen wie erektive Impotenz oder verfrühter Samenerguss, nachweisbar. 40% der Männer, die aufgrund diverser psychischer Störungen die Therapien in Anspruch nahmen, schienen in ihrer Sexualität keinerlei Beeinträchtigungen auszuweisen (Reich, 1985b).

    Diese ersten Erhebungen Reichs widersprachen zentralen Annahmen der damaligen psychoanalytischen Theorie. Wie kann es sein, dass erwachsene Menschen, die mit Angst- oder Zwangs- oder anderen Persönlichkeitsstörungen in die Therapiestunden kamen, trotzdem eine intakte Sexualität aufwiesen? War dies überhaupt denkbar? Konnte es sein, dass die erwachsene Sexualität als quasi eigenständiges Gebilde völlig unberührt ist von den sonstigen affektiven und erlebnismäßigen Störungen, mit denen die jeweiligen Menschen kämpften? Oder war es eher so, dass die erwachsene Sexualität eingebettet ist in eine psychosomatische Ganzheit, in der die sonstigen charakteristischen Muster des Denkens, Fühlens und Wahrnehmens sich nahtlos auch in den unterschiedlichen Erlebensformen der Sexualität zeigten.

    Diese offenen Fragen sollten für Reich der Ausgangspunkt sein, um genauer zu erforschen, wie die Erwachsenen ihre genitale Sexualität subjektiv erleben bzw. wie sich der Entwicklungsprozess in der Therapie in einem veränderten Erleben und Ausdruck abbildet. In diesen Anfängen der Psychoanalyse war eine derartige genaue Evaluierung der unterschiedlichen Erlebensformen in der erwachsenen Sexualität ein eher unübliches Vorgehen.

    Man begnügte sich oftmals mit oberflächlichen Informationen, ob und wie oft die Patienten mit ihren jeweiligen Partner sexuellen Kontakt hatten. Reich begann als einer der ersten Psychoanalytiker seiner Zeit die Sexualität seiner Patienten qualitativ genauer zu evaluieren. So richtete sich das Interesse darauf, welche sexuellen Präferenzen die Menschen haben, wie sie die sexuelle Lust affektiv erleben; wann sie während der Sexualität den emotionalen Kontakt zu sich oder zum Partner verlieren. Dies waren für die damalige Zeit ungewöhnliche Fragestellungen, die jedoch Einsichten eröffneten, die zu einer kompletten Neubewertung der Rolle der genitalen Sexualität in Theorie und Praxis führten.

    Phänomenologische Betrachtungen der sexuellen Erlebensstörung

    In den ursprünglichen psychoanalytischen Modellen ging Freud davon aus, dass sich die sexuelle Entwicklung im Rahmen der Ontogenese entlang von psychosexuellen Phasen entfaltet. Spezifische, hocherregbare Körperzonen sind Organisatoren von jeweiligen prägenitalen Betätigungen. So ist die orale Triebstufe bestimmt durch die Lust am Saugens und Küssen (Freud, 1991). Der Säugling findet im Saugen demnach eine Befriedigung seiner prägenitalen Sexualbedürfnisse. In der frühkindlichen genitalen Phase wechselt das Lustzentrum zum Becken und den Genitalorganen, die durch Selbststimulation und Doktorspiele entdeckt und erstmals bewusst als Lustquelle erfahren werden.

    In der erwachsenen Sexualität dient dann das Streicheln, Küssen und Anschauen, um die sexuelle Erregung aufzubauen und zu erhöhen. Freud ging hier von einem „Primat der genitalen Sexualität“ aus. In der genitalen Sexualität werden die unterschiedlichen psychosexuellen und affektiven Entwicklungsstufen als Ganzheit integriert.
    Als Reich begann jene männlichen Patienten genauer zu analysieren, die mit ihrer Sexualität zufrieden und angeblich ohne Erlebnisstörung waren, fand er heraus, dass bei durchwegs allen Männern eine tiefe Einschränkung ihrer sexuellen Erlebens- und Hingabefähigkeit zu finden waren.

    Dies bedeutete zum einen, dass der Sexualakt selbst andere Ziele verfolgte, als den des reinen Lustgewinns. Die untersuchten Männer setzten die Sexualität ein, um sich zu beweisen, ihren Selbstwert zu erhöhen oder ihre Dominanz zu unterstreichen. Ein überwiegender Teil dieser Männer mangelte es – trotz erektiver Potenz – an zärtlich, liebevollen Strebungen zu ihren Partnerinnen. Es ging ihnen darum schnell zu „kommen“ oder ihre Potenz unter Beweis zu stellen. Bei genauerer Analyse des Sexualverhaltens und -erlebens dieser Männer kamen zudem jede Menge destruktive, sadistische Impulse zum Vorschein.
    Hierzu Reich:

    „Der Akt bedeutete für den angeblich potenten Mann, Durchbohren, Bewältigen oder Erobern der Frau. Sie wollten ihre `Potenz´ just beweisen oder wegen der erektiven Abfuhr bewundert werden. Diese `Potenz´ ließ sich durch Aufdeckung der Motive leicht zerstören. Dahinter kamen schwere Störungen der Erektion und der Ejakulation zum Vorschein. Bei keinem dieser Fälle gab es auch nur eine Spur von Unwillkürlichkeit oder Verlust der Aufmerksamkeit.“ (Reich, 2000)

    Auch bei den Frauen, die Reich behandelte, ließen sich neben den manifesten Funktionsstörungen der Sexualität (mangelnde Erregungsfähigkeit des Genitals etc.) auch Strebungen nachweisen, wo diese den Sexualakt passiv, erduldend und ohne emotionale Beteiligung erlebten. Reich ging es in seinen Erhebungen somit nicht darum, ob und wie oft jemand konnte, sondern vielmehr darum, wie es um die Qualität des genitalen Lusterlebens bestellt war. Konnte sich die lustvolle Erregung langsam aufbauen? Konnten die Partner in der sexuellen Verbindung den Kontakt zu sich und zum Gegenüber halten? Wo bekamen sie Angst und welche Bedürfnisse hielten sie zurück und getrauten diese nicht ihren jeweiligen Partnern zu offenbaren?

    Folgende Aspekte sind nach Reich zentrale Kennzeichen einer sexuellen Erlebniseinschränkung, die er später unter dem Begriff der „orgastischen Impotenz“ subsumierte:

    1. Erregungsaufbau wird unlustvoll erlebt. Aufgrund der ausgeprägten psychischen und körperlichen Abwehrprozesse ist die Fähigkeit, den Zuwachs von Erregung und Spannung zu tolerieren, sehr eingeschränkt. Die jeweilige Person erlebt die Erregung nicht lustvoll, sondern fühlt sich von dieser bedrängt, erfährt sie unlustvoll, nicht aushaltbar oder gar schmerzhaft. Es besteht eine hohe Neigung, den Zuwachs an Erregung frühzeitig abzubrechen.
    2. Mangel an Zärtlichkeit in der Vorlustphase. Wie oben schon bereits beschrieben, ist die zärtliche und aufnehmende Seite der Sexualität kaum entwickelt. Vielmehr dominieren die motorischen und aktiven Aspekte in der Sexualität. Es fällt der Person schwer, sich berühren und über die Haut sinnlich stimulieren zu lassen sowie den Partner ganz in sich aufzunehmen.
    3. Mangel an Einfühlung in den Partner. Ein wesentlicher Hinweis für die Einschränkung der sexuellen Regulationsfähigkeit ist die geringe Fähigkeit, sich mit dem jeweiligen Sexualpartner emotional zu verbinden. Während des Liebesaktes findet eine geringe Einfühlung in die Wünsche und Bedürfnisse des Partners statt. Oftmals kreist die betroffene Person in egozentrischer Weise um die eigene Bedürfnisbefriedigung und verliert das Gegenüber komplett aus dem Blick.
    4. Störende Phantasien während des Sexualaktes. Während der sexuellen Begegnung berichten die Betroffenen von allerlei Gedanken und Phantasien, die den sexuellen Kontakt stören. Entscheidend ist hierbei, dass die Person nur eingeschränkt oder gar nicht fähig ist, seine Aufmerksamkeit und affektive Energie auf den Sexualpartner zu konzentrieren.
    5. Fehlen von Unwillkürlichkeit während des Orgasmus. Die Unfähigkeit sich fallen und bewegen zu lassen, ist ein weiterer Aspekt der sexuellen Erlebnisstörung. Speziell in der Endphase des Lust- und Erregungsaufbaus bleiben die Bewegungen willkürlich und „gemacht“. Die Patienten berichten, dass sie während des Liebesaktes „arbeiten“ und willentlich diese oder jene Technik verrichten. Aufgrund der starken affektiven Kontrolle fehlt das unwillkürliche Moment beinahe komplett. Die Personen beschreiben, dass sie sich während des gesamten Sexualaktes beobachten, kontrollieren oder im Griff haben.
    6. Atemverflachung. Ein wesentliches Kennzeichen für den Abbruch des lustvollen Sexualerlebens ist die Unterdrückung und Verflachung der Atemtätigkeit. In dem Augenblick, wo die sexuelle Erregung unlustvoll erlebt wird, hält die betroffene Person während des Liebesaktes die Luft an. „Flache Atmung“ meint, dass aufgrund einer Zwerchfellspannung eine tiefe seufzende Ausatmung nicht mehr gelingt. Die Atmung findet nur mehr in den oberen Bereichen des Körpers statt, was eine schwächende Wirkung im Sexualerleben zur Folge hat.

    Die Gefahr einer solchen phänomenologischen Beschreibung eines fehlregulierten Sexualerlebens ist offenbar: allzu schnell werden solche Schemata in mechanistischer Weise normativ und wertend gegen Menschen eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Summation von klinischen und therapeutischen Beobachtungen. Selbstverständlich können akute Belastungen und Stresszustände die Erlebnispotenz eines Menschen temporär schwächen. Problematisch wird es erst dann, wenn eine Person nach Abschluss einer Belastungsphase nicht in der Lage ist, in einen öffnungs- und genussfähigen Modus zurückzukehren.

    Hingabefähigkeit als Kern des genitalen Sexualerlebens

    Schon in seiner frühen psychoanalytischen Phase beschreibt Reich die erwachsene Sexualität, wie wir es auch heute als Körperpsychotherapeuten tun würden. Dabei fokussierte er nicht allein auf die unterschiedlichen Verhaltensaspekte der Sexualität, sondern vielmehr auf das Wie des Erlebens während der verschiedenen Phasen der Sexualität. 1927 umreißt er phänomenologisch zwei unterschiedliche Formen des Sexualerlebens. Er spricht hier erstmals von „orgastischer Potenz“ bzw. „orgastischer Impotenz“. Was genau versteht Reich unter diesen Begriffen?

    Er versteht den Begriff der orgastischen Potenz als Fähigkeit „zu voller Befriedigung gelangen zu können, die der jeweiligen Bedürfnisspannung entspricht; die Fähigkeit, weit häufiger zu dieser Befriedigung gelangen zu können, als den Störungen der Genitalität unterworfen zu sein, die auch beim Gesündesten den Orgasmus gelegentlich stören. Die orgastische Potenz fehlt bei neurotischen Menschen.“ (Reich, 2000).

    An anderer Stelle beschreibt Reich die orgastische Potenz als die „Fähigkeit zur Hingabe an das Strömen der biologischen Energie ohne jede Hemmung, die Fähigkeit zur Entladung der hochgestauten sexuellen Erregung durch unwillkürliche lustvolle Körperzuckung.“ (Reich, 2000)

    Werfen wir hier einen genaueren Blick auf einige psychosomatische Kennzeichen, die darauf hinweisen, dass die Fähigkeit zu ungestörten sexuellen Erlebnis- und Regulationsfähigkeit vorliegt („orgastische Potenz“):
    Aktiver Erregungs- und Lustaufbau. Entscheidend ist hier, dass der Erregungsaufbau ausgedehnt und lustvoll erlebt wird. Die Steigerung der Lust wird in der Vorlustphase aktiv gesucht. Die Partner formulieren ihre Bedürfnisse und verschaffen sich durch individuell unterschiedliche Praktiken ein Höchstmaß an sexueller Stimulation und Lust.

    Eintauchen in das Hier und Jetzt. Während des Sexualprozesses sind die Partner in der Lage, ganz in einem Gegenwartsmoment zu versinken. Es ist nur bedeutsam, was gerade geschieht. Vergangenes und Zukünftiges spielen keine Rolle und werden kurzfristig komplett ausgeblendet.

    Erleben einer Phase der Unwillkürlichkeit. Auf dem Höhepunkt des Erregungsablaufs kommt es zu unwillkürlichen und ganzkörperlichen Körperreaktionen. Die Betroffenen beschreiben einen Kontrollverlust, in dem sie sich den Bewegungen des Körpers auf dem Höhepunkt sexueller Erregung komplett überlassen. „Es bewegt mich, statt Ich bewege mich.“

    Kurzzeitige Bewusstseinstrübung und Einstellen der Denktätigkeit. Während des orgastischen Höhepunktes der Sexualerregung werden kurzzeitig alle höheren neokortikalen Denkaktivitäten eingestellt. Die Betroffenen berichten oftmals, dass sie in der sexuellen Erfahrung aufgehen. Während des Sexualaktes kommt es zu veränderten Bewusstseinszuständen, die als „ozeanisch“ oder „kosmisch“ beschrieben werden.

    Dankbarkeit und Erfüllung nach dem sexuellen Höhepunkt. Nach dem sexuellen Höhepunkt beschreiben die Betroffenen eine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung für das Erleben und das Zusammensein mit dem Partner. Nach der sexuellen Begegnung erfüllt die Partner ein Gefühl tiefer Entspannung und emotionaler Sättigung.

    Verbundenheit und Nähe nach der sexuellen Umarmung. Ein weiteres Kennzeichen, das hier erwähnt werden soll, ist das erweiterte Gefühl der Verbundenheit und Nähe zum Partner, welche sich nach dem Liebesakt einstellt. Die sexuelle Begegnung hat einen stärkenden Effekt auf den Beziehungs- und Bindungsprozess zwischen den Partnern.

    Reichs Terminologie der orgastischen Potenz/Impotenz sind qualitative Begriffe, mit denen unterschiedliche Aspekte der Regulationsfähigkeit in der Sexualität des Einzelnen beschrieben werden können.

    Mit dem Wissen heutiger Säuglings-, Bindungs-, Achtsamkeits- und neurobiologischer Forschung ließen sich die wichtigsten Kennzeichen der orgastischen Erlebnis- und Hingabefähigkeit in anderen Termini beschreiben. Mit der folgenden Auflistung möchte ich zeigen, wie komplex und differenziert Reich die unterschiedlichen Funktionen und Regulationssysteme beschreibt, die in der genitalen Sexualität zusammentreffen:

    1. Fähigkeit zur körperlichen Entspannung: Ist die Person fähig, sich während und nach dem Sexualprozesses hinreichend zu entspannen?
    2. Fähigkeit zur Erregungsmodulation: Kann die Person in den einzelnen Phasen der Sexualität die auftretenden Erregungszustände so modulieren, dass sie zu den Erlebens- und Erregungsqualitäten des Partners passen?
    3. Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit: Kann die Person den Sexualprozess aktiv steuern und beeinflussen, so dass die eigenen Wünsche und Sexualbedürfnisse hinreichend befriedigend werden? Hier geht es auch darum, dass die Person lernt, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, auszudrücken und dann den Mut aufbringt, dem Sexualpartner zuzumuten.
    4. Fähigkeit zur achtsamen Selbstbeobachtung: Ist die Person in der sexuellen Begegnung in der Lage, die Verbindung zum eigenen Körper aufrecht zu erhalten und diesen achtsam zu beobachten?
    5. Resonanz- und Einfühlungsfähigkeit: Kann die Person sich in die inneren Stimmungen, Affekte und Bedürfnisse des Partners einstimmen und diese in angemessener Weise aufnehmen und beantworten?

    Wenn Wilhelm Reich im Rahmen seiner sexualökonomischen Arbeiten von sexueller Hingabefähigkeit spricht, meint er, dass der jeweilige Mensch in seiner Sexualität unterschiedliche Erlebensqualitäten erfahren kann. Diese reichen von einer aktiven und willkürlichen Suche nach bestimmten Erregungsformen bis hin zu einem Eintauchen in eine vegetative Dimension des psychischen Erlebens. Hier wird die Person eins mit seiner lustvollen Erregung, den unwillkürlichen Bewegungen und der Verbindung mit seinem Partner.

    Aus diesen Beschreibungen wird bereits ersichtlich, dass Reichs Sexualtheorie den Blick nicht auf die genitale Sexualität verengt, wie ihm dies von diversen Kritikern vorgeworfen wurde. Reich beschreibt klinisch, wie die Einflüsse einer damals überaus sexualfeindlichen Umwelt sich in den psychischen und körperlichen Strukturen bereits in der frühen Kindheit und Jugend so verankern, dass die spätere Liebes- und Erlebnisfähigkeit in der erwachsenen Sexualität nachhaltig geschwächt wird. Gesellschaftliche (Sexual-)Ideologie findet somit in erstarrten Körperstrukturen und spezifischem Körpererleben ihren Niederschlag. Doch für Reich ist die strukturelle Störung des Orgasmuserlebens weit mehr als eine Angelegenheit, die allein das Schicksal unserer sexuellen Lust betrifft.

    In seiner Sexualtheorie ist Verlust der sexuellen Hingabefähigkeit vielmehr untrennbar verbunden mit einer Genuss- und Erlebniseinbuße, die dann ihre negative Wirkung auch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens ausübt. So geht er davon aus, dass die tief verankerte Angst vor dem Loslassen und Strömen in der Sexualität (Orgasmusangst) auch die Grundlage dafür legt, dass wir uns auch in anderen Bereichen unseres Lebens nicht mehr einlassen und treiben lassen. Z.B. im Bereich des Wissenserwerbs verknüpft Reich die Angst vor tiefen Erkenntnissen (Wahrheitsangst) mit der Abwehr von tiefen vegetativen Sensationen, wie wir sie in der genitalen Sexualität erleben können.

    Psychosomatische Dimensionen der sexuellen Erlebnisstörung

    Schon in der psychoanalytischen Frühphase seiner Sexualtheorie betont Reich die physiologischen Grundlagen der sexuellen Erlebnisstörung. Er unterscheidet psychische und körperliche Aspekte des Sexualprozesses, die lediglich zwei Seiten eines einheitlichen Vorgangs darstellen. Noch deutlicher wird diese körperanalytische Dimension der Sexualstörung bei Reich, als er sich ab Mitte der 30er Jahre mit den Funktionen des Autonomen Nervensystems beschäftigt. Diese Betrachtung unterstützt die Sichtweise Reichs, dass die lustvolle Sexualerregung tief in den vegetativen Grundfunktionen menschlichen Lebens verankert ist (Reich, 1984).

    Der zuvor beschriebene Vorlust- und Endlustmechanismus der Sexualität wird nun spezifischen vegetativen Funktionen zugeordnet. Die zärtlich-lustvolle Vorlustphase benötigt eine moderate Dominanz des parasympathischen Nervensystems. Dieser Ruhezweig des vegetativen Nervensystems bewirkt eine allgemeine Öffnungsbereitschaft, ein „Hin-zur-Welt“. Dies bewirkt die Weitung der äußeren Blutgefäße, die Schwellung der Genitalien und eine Hinwendung zum Gegenüber.

    Dieser lust- und erregungssteigernde Prozess geht langsam in eine zunehmend motorische und expressive Phase der Sexualität über, die dann vom sympathischen Nervensystem gesteuert wird. Zeichen hierfür sind deutliche Erregungssteigerung, Vertiefung der Atmung, Spannungserhöhung, vermehrte Motorik. Dieser Erregungsablauf mündet dann in einen tiefen, unwillkürlich gesteuerten Prozesse des Los- und Fallenlassens, im Orgasmus, in körperlicher Entspannung und einem Zurückfluten der aufgebauten Erregung („Hin-zu-Mir“), der dann erneut vom parasympathischen Zweig des Vegetativums dominiert wird.

    Neuere Forschungen des amerikanischen Psychophysiologen Stephen Porges über den Aufbau und die Funktionen des Autonomen Nervensystems bestätigen die sexuologischen Pionierarbeiten Reichs. Porges argumentiert in seinen Forschungen, dass die bisher übliche duale Sicht des autonomen Nervensystems, die einen Gegensatz von Vagus und Sympathikus annimmt, unzureichend ist. Vielmehr weist er nach, dass es entwicklungsgeschichtlich neuere und ältere Formen des Vagus gibt. Der Vagus ist somit zweigeteilt und folgerichtig nennt er seine Theorie auch Polyvagal-Theorie (Porges, 2010).

    In dieser Polyvagaltheorie beschreibt Porges einen ventralen und einen dorsalen Zweig des Vagus. Der ventrale Vagus tritt dann in Erscheinung, wenn sich Menschen sicher und aufgehoben fühlen. Dieser entwicklungsgeschichtlich neuere Zweig des Autonomen Nervensystems versorgt jene Organe, die wir für die Organisation unserer sozialen Kommunikation benötigen.

    So wird die Gesichtsmuskulatur (Mimik), die Mittelohrmuskeln (Zuhören), der Kopfdrehermuskel (Hinwendung) und die Modulation der Stimme (Sprechen) durch diesen „sozialen“ Vagus reguliert. Im Optimalfall ist die beschriebe sexuelle Vorlust-Dynamik geprägt von einer Entspannungslage des ventralen Vagus, die eine ausgeprägte prosoziale Orientierung in der Sexualität bewirkt. Die Sexualpartner nehmen Blickkontakt auf, sie berühren einander, sie wenden sich zu, sie lächeln sich an oder sie sprechen liebevoll miteinander.

    Die wechselseitige Kontaktaufnahme der Sexualpartner bewirkt eine Verstärkung des ventro-vagalen Regelkreises. Aber umgekehrt bewirkt die entspannende und öffnende Wirkung des ventralen Vagus, dass es leichter wird, sich auf das jeweilige Gegenüber einzulassen, seine nonverbalen Mitteilungen zu erfassen und diese adäquat zu beantworten. Das Erleben von Beziehungssicherheit ist somit gleichzeitig Ursache und Folge einer Aktivierung des ventralen Vagus des Autonomen Nervensystems.

    Gemäß des polyvagalen Modells von Porges geht die sensorisch-aufnehmende Vorlustphase der Sexualität in eine spannungsreichere Phase über. In dieser Phase des sexuellen Erregungszyklus steigern sich der Muskeltonus, die Motorik und Expressivität, ohne jedoch unlustvoll erlebt zu werden, wie in bedrängenden Stress- und Gefahrensituationen.

    Man könnte sagen, dass der Sympathikus unter dem Einfluss der ventralen vagischen Steuerung bleibt, so dass das Sicherheitserleben nicht leidet. Die Lust- und Spannungssteigerung mündet dann in eine „positive“ Immobilisation (im Gegensatz zum „Einfrieren“ bei einer akuten Schrecklähmung), die unter der Führung des dorsalen Vagus steht. Die Partner bleiben nun eng beieinander, die periphere Erregungs- und Körperspannung löst sich auf und es entsteht eine tranceartige Stille und innige Verbundenheit zwischen den Partnern.

    Sexualstörung und Autonomes Nervensystem

    Reich versteht die hohe Stress- und Anspannungslage bei Menschen mit ausgeprägter Sexualstörung als Ausdruck ihrer biografisch erworbenen Affektabwehr. Die chronischen Muskel- und Gewebeblockaden, die den „Sinn und die Geschichte ihrer Entstehung“ (Reich, 2000) enthalten, sind untrennbar verwoben mit einer chronischen Dysregulation des autonomen Nervensystems, in dem nun oftmals der Sympathikus („Weg von der Welt“) dominiert.

    Reich schreibt: „Die Neurose ist nicht etwa nur Ausdruck einer Störung des psychischen Gleichgewichts, sondern in einem weit berechtigteren und tieferen Sinne noch der Ausdruck einer chronischen Störung des vegetativen Gleichgewichts und natürlichen Beweglichkeit.“ (Reich, 2000)

    Eine charakterstrukturell bedingte Stresslage verhindert gleichermaßen den sinnlich aufnehmenden Genuss in der Vorlustphase, aber auch das komplette Überlassen in der Endphase der sexuellen Begegnung, die dann mit einem tiefen Fallenlassen und Rückfluten der lustvollen Erregung einhergeht.

    In einer Stresslage des Organismus, die z.B. vorliegt, wenn ein Mensch sich während des Sexualaktes ängstlich-gehemmt und unsicher erlebt, sind genau jene öffnenden, verbindenden und prosozialen Aspekte des Vorspiels sehr eingeschränkt. Die Person ist nun mehr verschlossen und zurückgezogen. Die Dominanz des sympathischen Nervensystems ist Ausdruck einer innerpsychischen Bedrohungslage.

    Die Atmung ist flacher, das Herz schlägt schneller, das Zuhören und Anschauen sowie das Einstimmen auf den Sexualpartner fällt schwer. Durch die vermehrt auftretenden Körperspannungen kann sich die Erregung nur unzureichend im gesamten Körper – und besonders an der Hautoberfläche – verteilen. Die Folge ist eine ungleiche Verteilung der Erregung. Manche Bereiche des Körpers – wie etwa das Genital oder die Brüste – sind extrem erregt, während andere sich unbelebt und vom Sexualerleben ausgespart anfühlen.

    In Momenten von überwältigendem Stress, wie dies in Zuständen von Schock- und Schrecklähmung der Fall ist, dominiert die Funktion des dorsalen Vagus. In diesen Phasen wird die Coping- und Anpassungsfähigkeit überschritten und die betroffene Person wechselt in einen Zustand des „Einfrierens“ und „Erstarrens“. Dies ist z.B. bei traumatisierten Menschen der Fall, die in ihrer Sexualität immer wieder mit dissoziativen Flashbacks konfrontiert sind. (Porges, 2010)

    Folgen dieser dauerhaften Fehlregulation des autonomen Nervensystems können gleichermaßen der Verlust der sexuellen Spannungs- und Erregungstoleranz sein (wie etwa im vorzeitigen Samenerguss des Mannes) oder aber das Verharren in einem entspannten Zustand des „Kuschelns“, in der eine Intensivierung von Erregung und Lusterleben nicht vorkommt oder gar vermieden wird. Während im ersten Fall die Störung eher in einer Überfunktion des Sympathikus liegt, besteht sie im zweiten Fall in einer Dominanz des parasympathisch-beruhigenden Astes des autonomen Nervensystems (Lowen, 1980).

    Es ist wichtig zu betonen, dass durch den Einbezug des autonomen Nervensystems die klinischen Beobachtungen aus der Frühphase der Sexualtheorie Wilhelm Reichs eine physiologische Fundierung bekamen. An der grundlegenden Stoßrichtung seines Denkgebäudes veränderte sich hingegen nichts.

    Abschließend sei angemerkt, dass die faszinierenden Modelle der modernen Psychophysiologie nur sehr begrenzt in der Lage sind, die Komplexität und Tiefe menschlichen Sexualerlebens zu erfassen. Sie dienen uns als Orientierungssysteme und hilfreiche „Landkarten“, aber wir sollten nicht vergessen, dass diese Landkarten niemals identisch sind mit der Schönheit der Landschaften, die sie repräsentieren.

    Sexuelle Erlebnisstörung und Verflachung der natürlichen Atmung

    In besonders deutlicher Weise zeigt sich die Erlebnis- und Hingabestörung in einer Störung der natürlichen Atemtätigkeit. Die Atmung ist eine gut beobachtbare, vegetative Funktion, die in den verschiedenen Phasen des Sexualprozesses ihre Qualität verändert. So ist die Atmung in der zärtlichen und aufnehmenden Phase des Vorspiels Teil einer entspannt-parasympathischen Regulation.

    Die Zwerchfellmuskulatur dehnt sich hier tief in die Region der Bauchorgane aus, was einerseits den Atemraum erweitert und die Bauchdecke nach vorne wölbt. Die entspannte „Bauchatmung“ wird mit Zunahme der Erregung abgelöst durch eine Hinzunahme der brustbetonten Atmung, die sympathisch gesteuert ist und immer dann auf den Plan tritt, wenn eine Erregungssteigerung (wie z.B. in akuten Stresszuständen) passiert.

    Im orgastischen Erleben ist die spontane und tiefe Ausatmung dann wiederum ein Zeichen dafür, dass die vagalen Anteile des autonomen Nervensystems die Oberhand haben. (Harms, 2016b, Fischer 2015)
    Schon in den 30er Jahren beschreibt Reich eindrücklich wie spezifische sexuelle Erlebnis- und Erregungsstörungen seiner Patienten mit einem Verlust einer natürlichen Atemmodulation einhergehen. So berichtet er von einem Patienten, der aufgrund starker Zwerchfellverspannung nicht mehr fähig ist, in der Ausatmung komplett loszulassen.

    Die Person presst die Atmung förmlich heraus, ist aber nicht mehr in der Lage stimmlich mit der Ausatmung zu seufzen und zu entspannen. Genau hier, in dieser strukturellen Atemstörung, sieht Reich den physiologischen Kernmechanismus, der in der Sexualität verhindert, dass die betroffenen Menschen sich dem inneren Strom ihrer Erregung hingeben und treiben lassen können. Aus diesem Grund fokussierte Reich in seinen vegetotherapeutischen Arbeiten sehr auf die Analyse der vorliegenden Atemstörungen und die Wiederherstellung der natürlichen vegetativen Schwingungsfähigkeit in der Atmung. (Reich, 1977)

    „Das wichtigste Mittel, den Orgasmusreflex auszulösen, ist eine Atemtechnik, die sich mir im Verlaufe der Arbeit von selbst ergab. Es gibt keinen neurotisch kranken Menschen, der imstande wäre, in einem Zuge tief und gleichmäßig auszuatmen. Bei den Kranken haben sich alle erdenklichen Praktiken eingenistet, die das tiefe Ausatmen verhindern. Sie atmen abgehackt aus, oder sie gehen aus der Ausatmungsstellung in die Einatmung zurück. Manche Kranke beschreiben die Bremsung, die sie dabei verspüren, wie folgt: `Es ist, als ob eine Meereswelle an einen Felsblock stieße. Es geht nicht weiter.´“ (Reich, 2000, Hervorhebung im Original).

    An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Art, wie Reich die Atem- und Körperanalyse therapeutisch einsetzt, gebunden ist an ein Konzept der Erregungs- und Ladungserhöhung. Durch künstliches Vertiefen der Atemtätigkeit werden spezifische körperliche Blockierungen und Abwehrsysteme verstärkt und sichtbar. In der neueren Literatur der Körperpsychotherapie wurde bereits kritisch diskutiert, ob dieses Vorgehen, mit erhöhten Ladungsmengen zu arbeiten, sinnvoll ist, da im Zuge des vertieften Atmens auch die vorhandenen Abwehrsysteme aufgeladen und verstärkt werden. (Davis, 1999; Harms, 2016b)

    Hingabefähigkeit und Orgasmusreflex

    Schon bei Babys lässt sich in entspannten Zuständen beobachten, wie der Atemfluss die verschiedenen Regionen des Körpers von Kopf bis Fuß miteinander verbindet. Reich spricht in diesem Zusammenhang von einer vegetativen Koordination des Gesamtorganismus. Mitte der 30er Jahre beschreibt Reich einen Prozess innerhalb der erwachsenen Sexualität, der dieser natürlichen Atemwelle des Säuglings funktionell entspricht. Reich spricht in diesem Zusammenhang von einem „Orgasmusreflex“. Für ihn ist es der objektiv sichtbarste Ausdruck eines umfassenden psychischen und körperlichen Integrationsprozesses innerhalb der menschlichen Sexualität.

    Was genau ist aber unter dem „Orgasmusreflex“ zu verstehen? Reich hatte in seinen vegetotherapeutischen Arbeiten beobachtet, dass mit der schrittweisen Lösung der psychischen Abwehrsysteme und der körperlichen Zurückhaltungen, die Atemtätigkeit seiner Patienten freier und fließender wurde. Während dieser Prozesse beobachtete Reich bei seinen Patienten eine überaus sanfte, den gesamten Körper durchströmende Wellenbewegung.

    Das Ganzwerden findet darin seinen Ausdruck, dass der Organismus in Momenten größter Intimität und Intensität auf eine basale Funktionsstufe zurückfällt, die dann als ursprüngliche Ausdrucksbewegungen zeigen, wie sie auch in der Tierwelt – z.B. den anmutigen Bewegungen einer Qualle oder den wippenden Körperbewegungen einer Libelle – zu beobachten sind. Reich bezeichnete diese sanften, unwillkürlich ablaufendenden Erregungs- und Bewegungswellen als „Orgasmusreflex“.

    Innerhalb seiner sexualökonomischen Theorie ist die Tatsache, dass die Patienten lernen, sich den spontanen Ganzkörperbewegungen lustvoll hinzugeben und diese für sich zu genießen, ein zentraler Hinweis dafür, dass die vegetative Selbstregulationsfähigkeit und die Integration unterschiedlicher psychosomatischer Funktionen wieder hergestellt sind. Über die Atem- und Körperarbeit wird in der Arbeit auf der Matte ein Stück des sexuellen Erlebnisprozesses in einen therapeutisch beobachtbaren Raum überführt. Es wird erkennbar, wo jemand innehält, ausweicht und wie der jeweilige Mensch vorgeht, um eine Intensivierung des Lusterlebens zu vermeiden.

    „Wir wollen uns zur Erleichterung des Verständnisses eines Beispiels bedienen. Eine Schlange oder ein Wurm zeigt eine gleichmäßige, den ganzen Organismus beherrschende wellenförmig-rhythmisch ablaufende Bewegung. Stellen wir uns nun vor, dass einige Segmente des Körpers gelähmt oder irgendwie festgehalten wären, so dass sie sich nicht im Rhythmus des Gesamtkörpers mitbewegen könnten. Dann würde sich der übrige Körper nicht in seinen Teilen wie bisher bewegen, sondern es wäre der Gesamtrhythmus durch die Aussperrung einzelner Muskelgruppen gestört.

    Die Vollständigkeit der Körperharmonie und Beweglichkeit hängt also von der Einheitlichkeit, Ganzheit und Ungestörtheit der Körperimpulsivität ab. Ein Mensch, der im Becken zurückhält, mag sonst noch so beweglich sein, seine Haltung und Bewegung sind gebremst. Nun besteht der Orgasmusreflex gerade darin, dass eine Welle von Erregung und Bewegung vom vegetativen Zentrum über Kopf, Hals, Brust, Ober- und Unterbauch bis zum Becken und dann zu den Beinen abläuft. Wird diese Welle an irgendeiner Stelle aufgehalten, verlangsamt oder gesperrt, dann ist der Reflex `zersplittert´.“ (Reich, 2000)

    Hatte Reich in den Frühphasen seiner Sexualtheorie die Wiedererlangung der „orgastischen Potenz“ als Ziel seiner psycho- und charakteranalytischen Arbeit beschrieben, so bekam dies in der Vegetotherapie sein physisches Pendant in der Gestalt des integrierten Orgasmusreflexes, der quasi zum Sinnbild einer wiedererlangten psychophysischen Ganzheit wurde.

    Fazit

    Betrachten wir Reichs Sexualforschungen mit dem Wissen heutiger Forschungen, so besticht die Komplexität seiner affektiven, körperlichen, vegetativen sowie verhaltens- und erlebensmäßigen Analysen der genitalen Sexualität. Reich beschreibt überaus präzise, wie sich die neurotischen Störungen in der Einbuße der sexuellen Erlebens- und Hingabefähigkeit eines Menschen niederschlagen. Seine zentrale These lautet, dass die Pulsations-, Erlebnis- und Beziehungsstörungen nirgends so deutlich offenbar werden wie in den hohen Erregungszuständen genitaler Sexualität. Diese Aussage hat meines Erachtens auch heute noch für die moderne Körperpsychotherapie eine hohe Relevanz.

    Die Beschreibung der „Orgasmusfunktion“ war ursprünglich mit seiner Energietheorie untrennbar verwoben. In seiner Theorie sind die Etablierung des Orgasmusreflexes und der „orgastischen Potenz“ zentrale Parameter für die Wiedererlangung einer Selbstregulationsfähigkeit, die den Haushalt der sexuellen Energien sicherstellt.
    Ganz bewusst habe ich mich in diesem Artikel nicht mit den bio-energetischen Metatheorien Reichs auseinandergesetzt. Reichs prägnante Diagnostik der sexuellen Hingabe- und Erlebnisstörung erscheinen mir wertvoll, ganz unabhängig davon, ob die Energiekonzepte in der Zukunft der Körperpsychotherapie einen Platz haben oder nicht.

    In Bezug auf die körperpsychotherapeutische Praxis ergeben sich durch die Verbindung der sexualtheoretischen Überlegungen Reichs mit den humanistischen, achtsamkeits- und bindungsbasierten Modellen der Körperpsychotherapie neue Wege, um an den psychischen wie körperlichen Einschränkungen der sexuellen Hingabe-, Erlebnis- und Genussfähigkeit zu arbeiten. Die wichtigsten Punkte fasse ich nochmals skizzenhaft zusammen:

    1. Die Analyse des Körper- und Erregungsflusses bzw. seiner Zersplitterung wird erweitert durch eine Ebene, in der die intrapsychischen Erlebensbrüche innerhalb der Sexualität erkundet werden.
    2. Mit dem Prinzip der Selbstanbindung verlagert sich der Fokus der therapeutischen Befreiung des (genitalen) Lusterlebens auf die Erweiterung des Sicherheitserlebens in der Sexualität. Das Ziel der Arbeit ist demnach nicht mehr alleine, ob sich ein ganzkörperliches „vegetatives Strömen“ und Lusterleben etabliert, wie Reich es forderte. Vielmehr geht es darum, ob die Person in allen Phasen der Sexualität die innere Verbindung zu den Körperempfindungen aufrechterhalten kann.Mit dieser etablierten Selbstanbindung ist gewährleistet, dass die Sexualität sicher und offen erlebt wird. Umgekehrt ist der Verlust dieser inneren Verbindung ein Hinweis darauf, dass die Person während der Sexualität nicht mehr hinreichend „bei sich“ ist, dass sie teilweise oder ganz die verkörperte Erfahrung der Sexuallust einbüßt. Ein stressbedingter Abriss des Bezugs zum verkörperten Selbst ist damit gleichbedeutend mit dem körperlichen und emotionalen Abstimmungsverlust mit dem Anderen.
    3. Das Prinzip der Selbstanbindung betont die Fähigkeit zur Differenzierung und Autonomie in der Sexualität. Durch die verkörperte Selbstbeziehung ist es für die Person einerseits leichter möglich, mit dem eigenen Erleben, den Wünschen und Sehnsüchten in Verbindung zu bleiben und, andererseits ist sie fähig, sich auf den/die Partner/in einzustimmen und feinfühlig dessen/deren Bedürfnisse zu beantworten.
    4. Durch die Nutzung des Selbstanbindungsmodells bekommt die Person ein Mittel in die Hand, um Brüche und Abrisse der inneren Verbindung eigenwirksam zu beheben. Indem der Patient in der sexuellen Begegnung gewahr wird, wann seine Selbstanbindung verloren geht, erhält er ein diagnostisches Instrument, um frühzeitig zu spüren, wann die sichere Erlebensbasis in der sexuellen Begegnung verloren geht. Diese wahrgenommenen „Brüche“ der inneren Verbindung werden zum Signal, um die verkörperte Selbstverbindung zu reaktivieren oder vorhandene Störungen in der Beziehung auszudrücken und aktiv zu verändern.

    Ziel des hier vorgestellten Ansatzes ist – und hier folge ich den ursprünglichen Ideen Wilhelm Reichs – der (Wieder-)Aufbau einer umfassenden Hingabe-, Liebes- und Erlebnisfähigkeit in möglichst vielen Bereichen des menschlichen Seins. Nur der Weg dorthin hat sich verändert.

    Literatur

    Bowlby, J. (2005). Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München: Reinhardt.
    Davis, W. (1999). Instroke und Neuordnung. In: Lassek, H. (1999): Wissenschaft vom Lebendigen. Berlin: Leutner.
    Dornes, M. (1993). Der kompetente Säugling. Die präverbale Entwicklung des Menschen, Frankfurt/M.: Fischer.
    Downing, G. (1994). Körper und Wort in der Psychotherapie. München: Kösel.
    Fischer, M., Kaul, E. (2016). Einführung in die Integrative Körperpsychotherapie (IBP). Bern: Hogrefe Verlag.
    Fogel, A. ( 2013). Selbstwahrnehmung und Embodiment in der Körperpsychotherapie. Vom Körpergefühl zur Kognition. Stuttgart: Schattauer.
    Freud, S. (1967). Gesammelte Werke, Bd.1-18, Frankfurt/M.: Fischer.
    Freud, S. (1991). Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Frankfurt/M.: Fischer.
    Geuter, U. (2015). Körperpsychotherapie. Grundriss einer Theorie für die klinische Praxis. Berlin: Springer.
    Harms, T. (2016a). Grundlagen und Methoden der Eltern-Säugling-Körperpsychotherapie. In: Körper-Tanz-Bewegung. Zeitschrift für Körperpsychotherapie und Kreativtherapie, 01/2016. München: Reinhard.
    Harms, T. (2016b). Emotionelle Erste Hilfe. Bindungsförderung, Krisenintervention, Eltern- Baby-Therapie. Gießen: Psychosozial Verlag.
    Harms, T. (Hg.) (2016c). Körperpsychotherapie mit Säuglingen und Eltern. Gießen: Psychosozial Verlag.
    Harms, T. (2013). Eltern – Säugling – Körperpsychotherapie im Spannungsfeld von Trauma und Bindung. In: Thielen, M. (2013): Körper – Gruppe – Gesellschaft. Gießen: Psychosozial – Verlag.
    Harms, T. (Hg.) (2000). Auf die Welt gekommen. Die neuen Babytherapien. Berlin: Leutner-Verlag.
    Harms, T. (1993). Diesseits des Lustprinzips. Eine kritische Auseinandersetzung mit den triebökonomischen Modellen der Freudschen Psychoanalyse und der Reichschen Sexualökonomie und ihre Relevanz für die moderne Säuglingsforschung. FU Berlin: unveröffentlichte Diplomarbeit.
    Herskowitz, M. (1997). Emotionale Panzerung. Einführung in die psychiatrische Orgontherapie. Münster: LIT.
    Lichtenberg, J. (1991). Psychoanalyse und Säuglingsforschung, Berlin: Springer.
    Lowen, A. (1980). Liebe und Orgasmus. Ein Weg zu menschlicher Reife und sexueller Erfüllung. München: Kösel.
    Porges, S. (2010). Die Polyvagal-Theorie. Emotion. Bindung. Kommunikation und ihre Entstehung. Paderborn: Junfermann.
    Reich, W. (2010). Die Entdeckung des Orgons I. Die Funktion des Orgasmus. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
    Reich, W. (2010). Charakteranalyse, Stuttgart: Kiepenheuer & Witsch.
    Reich, W. (1984). Children oft he Future. On the Prevention of Sexual Pathology. New York: Farrar, Strauss & Giroux.
    Reich, W. (1985a). Frühe Schriften 1. Aus den Jahren 1920 bis 1925. Frankfurt/ M.: Fischer.
    Reich, W. (1985b). Frühe Schriften 2. Genitalität in der Theorie und Therapie der Neurose. Frankfurt/M.: Fischer.
    Reich, W. (1984). Die bioelektrische Funktion von Sexualität und Angst. Frankfurt/M.: Nexus.
    Stern, D. (2006). Mutter und Kind. Die erste Beziehung, Stuttgart: Klett-Cotta.
    ____________________________________

    (rev. Fassung aus „Körperpsychotherapie und Sexualität“; Hsg. Thomas Harms und Manfred Thielen, Psychosozial-Verlag,2017)

    Zurück zu Bukumatula 2017

  • Kommentare deaktiviert für Buk 2/17 Die Funktion des Orgasmus – 90 Jahre danach
  • Kategorie: 2017
  • Buk 2/17 Besuch der WRG-Jahrestagung 2017

    Zurück zu Bukumatula 2017

    Bukumatula 2/2017

    Besuch der Jahrestagung der Wilhelm Reich Gesellschaft

    vom 13.-15. Mai 2017 in Berlin
    Beatrix Teichmann-Wirth:

    Das Ströme-Zentrum ist eines der ältesten Therapie-Zentren Berlins, wo sowohl Reichianische Körperpsychotherapie als auch tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie angeboten wird. Es war mir eine Freude an diesem ehrwürdigen Ort die mit viel lebendigem Engagement gehaltenen Vorträge und Kurzworkshops zu Themen wie zu Reichs Forschungen, über den Ursprung des Faschismus, über den aktuellen Stand der Vegeto-/Orgontherapie, Sexocorporel, SKAN, Neurowissenschaft und über Orgon-Medizin mit zu erleben.

    Der Veranstaltungsort, in dem auch ein ORAC zur Verfügung steht, war bestens besucht. Erwähnenswert finde ich, dass es den ReferentInnen innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, den Raum mit ihrem Wissen und ihrer Präsenz in ein therapeutisches Setting zu verwandeln. Damit ermöglichten sie es den TeilnehmerInnen in den praktischen Übungen beeindruckende Erfahrungen zu machen.

    Ich bekam die Möglichkeit, mich für die Präsentation von Susanne und Dieter Stinshoffs Arbeit mit `perinatalen Geburtserfahrungen´ zur Verfügung zu stellen. Im Nachhinein beeindruckt mich, wie souverän es Susanne gelungen ist, die Gruppe in dieses Szenario einzubinden und mir dadurch einen weiteren `missing-link´ zur Heilung meiner eigenen Lebensgeschichte ermöglichte.

    Für mich war die Berlin-Reise ein nachhaltiges und unvergessliches Erlebnis.

    Mein Dank gilt der WRG für die gelungene Veranstaltung, dem WRI für die Unterstützung meiner Teilnahme und besonders der Familie Stinshoff, die mir liebenswerteste Gastfreundschaft gewährte.

    Zurück zu Bukumatula 2017

  • Kommentare deaktiviert für Buk 2/17 Besuch der WRG-Jahrestagung 2017
  • Kategorie: 2017