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Bukumatula 1/2017

Trauma – Traumafolgen – Traumatherapie

Szenen aus dem Buch der „Traumvater“ von Peter Reich, zusammengestellt von
Anselm Wolfgang Kicher:

Als Trauma bezeichnet man ein außergewöhnliches Erlebnis,

  • das plötzlich auftritt, das nicht vermeidbar ist
  • es stellt eine lebensbedrohliche Gefahr dar
  • ein Mensch muss diese Gewalterfahrung über sich ergehen lassen,
  • kämpfen oder flüchten ist nicht möglich
  • ebenso kann das Miterleben/Beobachten einer Gewalttat zum Trauma führen.

Solche Erlebnisse bewirken einen Schock, es kommt zu Existenzangst, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Orientierungslosigkeit, Entsetzen, Panikreaktionen.

Das Nervensystem wird überlastet. Energetisch wird die Lebenskraft blockiert – wie eingefroren, hilflos und ausgeliefert denkt ein Mensch in dieser Situation an den nahenden Tod.

Abgekoppelt von der Realität können auftreten: Schwindel, Sprach- und Gefühllosigkeit, Schmerzunempfindlichkeit, geistiges Wegtreten.

Diese Erfahrungen können schwerwiegende Folgen haben und lange andauern. Schätzungsweise können ca. 2/3 der traumatisierten Menschen diese Erfahrungen selbst bewältigen, ca. 1/3 benötigt Traumatherapie, um wieder zu einem bewussten und selbstbestimmten Leben zu kommen.

Lebensbedrohliche Erlebnisse die zu einem Trauma führen können:

  • Unfälle und Ereignisse mit starken Körpereinwirkungen (z.B. Verkehrs-, Sport-, Berufsunfälle, Stürze, Vergiftungen, Drogen)
  • körperliche Gewaltanwendungen und Angriffe von Menschen und Tieren (Vergewaltigung, Raubüberfall, Kampfhund)
  • Krankheiten und operative Eingriffe (z.B. Knochenbrüche, Operationen, Krebs)
  • Emotionale Traumata, Verlust (z.B. Verlassenwerden vom Partner, Todesfall in der Familie, einen schweren Unfall miterleben bzw. aus der Nähe beobachten)
  • Existenzbedrohende Situationen (z.B. Ersticken, Ertrinken, vorgeburtlicher Stress wie Eingriffe im Uterus, Geburtstrauma, Beinahe-Unfall mit Flugzeug)
  • Naturkatastrophen (z.B. Feuersbrunst, Überschwemmungen, Erdbeben, Lawine)
  • Existenzbedrohende Erlebnisse, die von anhaltender Dauer sind oder regelmäßig erfolgen (z.B. Vernachlässigung in der Kindheit, dauerhafte Bedrohung, Machtmissbrauch von Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis, rituelle Folter, Krieg, Hungersnot).

Sonderform: Transgeneratives Trauma: Ein traumatisches Erlebnis der Mutter (z.B. Vergewaltigung), das von ihr verdrängt/“vergessen“ wurde – also nicht bearbeitet/aufgelöst wurde – kann unbewusst auf die Tochter übertragen werden, z.B. kann das Mädchen im Kindergarten in einer eindeutigen Zeichnung den Missbrauch darstellen. Oder verdrängte Kriegserlebnisse des Vaters können unbewusst auf den Sohn übergehen.

Posttraumatische Folgen sind besonders schwerwiegend, wenn das traumatische Erlebnis absichtsvoll durch Menschen herbeigeführt wurde. Sie sind umso stärker:

  • je enger die persönliche Beziehung zur Tatperson war
  • je länger das traumatische Geschehen andauerte
  • je jünger die Person im Zeitpunkt der Traumatisierung war
  • je größer die Gefährdung und Betroffenheit war.

Naturereignisse, unvermeidbare Unfälle oder Schicksalsschläge wirken weniger belastend als Gewaltanwendungen, Missbrauch oder Übergriffe, die von Menschen absichtsvoll zugefügt wurden. Letztere können körperlich und/oder psychisch stattfinden, z.B. im Bereich Sexualität, Spiritualität.

Die objektiven Bedingungen selbst sind nicht allein ausschlaggebend, sondern die subjektiv wahrgenommene Intensität der Bedrohung und die Bedeutung, die dem Ereignis beigemessen wird; die individuell unterschiedliche Belastbarkeit und die Resilienz sind letztlich entscheidend.

Menschen reagieren unterschiedlich auf an sich gleichartige Erlebnisse.
In einer Studie zu Vergewaltigungsopfern litten 35% an posttraumatischen Belastungsstörungen, bei versuchter Vergewaltigung waren es 14%. Die übrigen hatten sich nach dem Geschehen soweit erholt, dass sie danach symptomfrei weiterleben konnten.

Mangelnde soziale Unterstützung und belastende Lebensumstände wirken sich besonders stark auf die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus; diese bedarf einer psychotherapeutischen Traumatherapie zur Lösung und Heilung.

TRAUMAFOLGEN

Wie schon erwähnt können ca. zwei Drittel der traumatisierten Menschen diese Erlebnisse selbst bewältigen – besonders hilfreich sind Familie und Freunde – zumindest eine stabile Beziehung sollte bestehen.

Die schwerste mögliche Störung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sie manifestiert sich nach einem traumatischen Erlebnis von außergewöhnlicher Schwere nach einer Latenzzeit von 4 Wochen bis zu 6 Monaten. Es kommen wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierungen des Ereignisses in Tagträumen oder Träumen ins Gedächtnis („flashbacks“).

Ein deutlich emotionaler Rückzug, Gefühlsabstumpfung und Vermeidung von Reizen, die eine Wiedererinnerung an das Trauma hervorrufen könnten, sind häufig die Folgen. Die auftretenden Beschwerden sind vergleichbar mit einer Alarmanlage, die ständig Gefahr signalisiert. Die Symptome stellen eine schwere Belastung für den Organismus dar, sie schwächen das Immunsystem, wodurch es zu vermehrter Anfälligkeit für Infektionen oder auch zu Autoimmunerkrankungen kommen kann.

Wenn die PTBS ohne entsprechende Therapie länger anhält, so kann es zu chronischen Folgen – zu nachhaltigen Persönlichkeitsstörungen – kommen. Diese Beschwerden sind oft Auslöser für psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen. Häufig sind sie an der Entstehung von Krebserkrankungen maßgeblich beteiligt.

Die zweitschwerste Störung ist die „Akute Belastungsstörung“ – „Posttraumatischer Stress“ (PTS). Er tritt dann auf, wenn ein Mensch wieder in eine Situation kommt, die ihn an das traumatische Erlebnis erinnert. Die Bedrohung kann real oder nur imaginiert sein, sie wird in jedem Fall als real bewertet, wodurch typischen Symptome wie Hilflosigkeit, Erstarren, Angst- und Panikgefühle, etc. wieder auftreten.

Nachdem die Situation ohne weitere Traumatisierung vorübergegangen ist, klingen die Symptome meistens im Laufe eines Tages wieder ab. Es kann jedoch eine gewisse Ängstlichkeit und eine verstärkte Achtsamkeit weiterhin bestehen bleiben.

TRAUMATHERAPIE

Im Erstgespräch soll geklärt werden, ob ein Trauma oder eine traumatische Bedrohung derzeit noch anhält oder wieder eintreten könnte. Wenn ja, so ist dafür zu sorgen, dass der Mensch in eine sichere, geschützte Situation kommt. Dafür ist es notwendig die Familienmitglieder zu informieren und zum Handeln aufzufordern – oder bei Jugendlichen das Jugendamt zu verständigen.
Im Erstgespräch soll nicht dazu aufgefordert werden das Trauma im Detail zu schildern, sondern es ist klar zu machen, dass vorläufig nur in Form von Überschriften berichtet werden soll – das therapeutische Handeln erfolgt später.

Kontraindikationen:

  •  Im Erstgespräch oder in den ersten Sitzungen gleich den gesamten Ablauf des traumatischen Geschehens abzufragen, oder falls der/die Klient/in von sich aus alles ausführlich schildern möchte – so soll das strikt eingebremst werden! Warum? Es besteht die Gefahr, dass der/die Klient/in in wenigen Sekunden in das ursprüngliche Trauma hineinrutscht – dabei wird das so erlebt, als würde es jetzt nochmals geschehen! Wenn das passiert, so kann man als Therapeut nicht mehr eingreifen – alles was man tun möchte ist dann falsch – man muss miterleben, wie schrecklich diese Erfahrung war und wieder ist. Diese Retraumatisierung schädigt erneut das Nervensystem und den Organismus und muss vermieden werden. Dadurch wäre wahrscheinlich eine weitere Therapie kaum noch möglich, das Vertrauen wäre erschüttert.
  •  Vegetotherapie nach Wilhelm Reich in liegender Position ist meiner Erfahrung nach nicht geeignet; es kann leicht zu einer Übertragung kommen – der Therapeut könnte als Täter erlebt werden und es besteht die Gefahr einer Retraumatisierung. Auf dem `Congress of Body-Psychotherapy´ im Oktober 2016 in Athen habe ich einen Workshop mit Fabian Llanos, Professor an der Uni Cordoba/Argentinien besucht, der Graduate-Kurse in Orgonomie nach Wilhelm Reich abhält. Er demonstrierte u.a. auch Traumatherapie im Liegen.

Ich habe „Somatic Trauma Therapy“ bei Babette Rothschild gelernt und konnte die Weiterbildung ein zweites Mal im Jahr 2002 besuchen – und zwar als Übersetzer. (Jetzt ist ihr Buch auch auf Deutsch erhältlich: „Der Körper erinnert sich – die Psychophysiologie des Traumas und der Traumabehandlung“; Synthesis Verlag.)

In der Weiterbildung haben wir gelernt zunächst eine tragfähige therapeutische Beziehung herzustellen – erst dann kann man in kleinen Schritten das traumatische Erleben thematisieren. Dabei ist die Funktion der „Bremse“ sehr wichtig; bevor es zu einer Übererregung („hyperarousal“) des Autonomen Nervensystems kommen kann, führt man den Klienten zurück in den Kontakt zum Therapeuten im „Hier und Jetzt“.

Die Weiterbildung in Theorie und Praxis war für mich eine große Bereicherung. Ich möchte in einem Seminar im Sommer 2017 gerne meine Erfahrungen weitergeben.
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Anselm Wolfgang Kicher – Berater und Psychotherapeut, seit 1984 „Reichscher Körpertherapeut“ im WRI. Zahlreiche Fort- und Weiterbildungen – nachzulesen auf meiner Homepage unter:
www.psychotherapie-kicher.at

Trauma – Traumatherapie-Infoabend am 14. Juni 2017 von 19-21 Uhr in 1020 Wien.

Trauma – Traumatherapie-Workshop am 24./25. Juni 2017, jeweils von 9-18 Uhr. Kosten: € 290.-
(Information: Anselm W. Kicher, 0650/7050346)

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