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Bukumatula 2/2020

Zukunft ohne Krieg“ – Liebe und Sexualität als archimedischer Punkt

Dieter Duhms spirituelle Öko-Philosophie und die Praxis transformatorischer Kommunen.
Elmar Klink:

DIETER Duhm, geboren 1942 in Berlin, lebt heute in der von ihm 1995 mitgegründeten öko-spirituellen Gemeinschaft TAMERA im mittleren Südwesten Portugals nahe dem Atlantik. Er ist von Haus aus Psychologe und Soziologe mit Doktorgrad. Manche nennen ihn zusätzlich „Kunsthistoriker“ und „Psychoanalytiker“, worin er aber keine Ausbildungen hat; er hat nie Kunstgeschichte studiert und Analytiker konnte man zu seiner Zeit nur mit einem Medizinstudium werden. Psychotherapeut hingegen könnte man gelten lassen.

Schon eher wäre er außerdem als Philosoph zu bezeichnen. Duhm ist Vater einer Tochter namens Mara, die erst in der von Duhm vor 30 Jahren mitinitiierten ZEGG-Gemeinschaft aufwuchs, dann in deren Jugendarbeit einstieg und später ihrem Vater nach Portugal folgte. ZEGG steht als Kürzel für Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Duhm gehörte in den 1960er Jahren zu den intellektuellen Wortführern der linken Protest- und Student*innenbewegung in Berlin und Heidelberg und war einer der Köpfe der Neuen Linken.

Als diese sich nach dem Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke 1968 bald aufzulösen und in verschiedene Ausgänge zu zersplittern begann, ist er am ehesten dem Flügel zuzurechnen, der in die Kommune- und Alternativbewegung bis hin zu „Ökos“, „Müslis“, Bunten und der Gründung der Partei „Die Grünen“ mündete. Eine Parteigründung irgendeiner sozialistischen Art gehörte nie zu Duhms Absichten und Bestrebungen.

Die Versuche, maoistisch-stalinistische K- und ML-Gruppen nach alten Strategie-Mustern und strengen organisatorischen Kaderregeln aufzubauen, waren in seinen Augen Sackgassen, die nicht weiter, sondern rückwärts führten.

Insofern ging es für ihn darum, theoretischen linken Ballast abzuwerfen, alte Argumentationshüllen abzustreifen und eine neue Sicht auf die Welt und Vision zu Handeln entstehen zu lassen: für die Belange des Menschen, der Liebe und Sexualität, für die Belange der Tiere, Pflanzen und der Erde, kurz, für Natur, Kreatur und die Schöpfung im Allgemeinen. Damit berührte er bereits ein religiös zu nennendes Thema.

ES geht dabei also um einen Wechsel der Perspektive, sozusagen um ein neues Paradigma. Die gedankliche Vorbereitung des transformatorischen Experiments ZEGG dauerte fast ein ganzes Jahrzehnt in den 70er Jahren. Ausgangspunkt sind Duhms Schriften „Angst im Kapitalismus“ (1973), „Angst-Erfahrung“ (zusammen mit anderen), „Warenstruktur und zerstörte Zwischenmenschlichkeit“, „Revolution ohne Emanzipation ist Konterrevolution“ (an Rosa Luxemburg anknüpfend) und als vorläufiges Resümee steht am Ende das Buch „Der Mensch ist anders“ (1975; 1979, 4. Aufl.).

Der erläuternde Untertitel gibt präzise an, wo der Autor auf seinem Denkweg ins politische „Nirwana“ inzwischen angekommen war, der da lautet: „Besinnung auf verspottete, aber notwendige Inhalte einer ganzheitlichen Theorie der Befreiung. Kritik am Marxismus. Beiträge zur Korrektur“.

Man muss diesen langen Vorlauf bedenken und rekonstruieren, sonst versteht man Duhms evolutionäre Theorie und die Brüche, über die sie sich vollzog, nicht. Das haben viele seiner damaligen Kritiker*innen kaum oder gar nicht in Betracht gezogen, sondern sich gleich voll auf seine Bruchlinien etwa mit dem Marxismus gestürzt. Es geht durchaus noch ums Alte und um das, was davon für etwas Neues noch taugt; um Brücken also, die pionierhaft neu begangen werden und auf denen andere folgen sollen – es bei ihrem Nachvollzug leichter haben sollen.

„Terra Nova“, neues Land, so hieß zum Beispiel das Expeditionsschiff des englischen Südpolforschers Robert Scott. Scott jedoch scheiterte knapp im Wettlauf 1911/12 mit dem Norweger Amundsen auf dem Rückmarsch vom Südpol und kam völlig erschöpft mit vier Begleitern vor Erreichen eines rettenden Depots in der unwirtlichen Antarktis um.

IM Vorspann eines Buches über Aktivitäten im Vorfeld der ZEGG-Gründung findet sich ein bemerkenswertes Duhm-Zitat: „Der Mensch hat unwegsame Kontinente erobert und Schlachten geschlagen, hat den Nordpol und die Antarktis durchwandert, hat die höchsten Gipfel und tiefsten Meeresgründe erreicht, hat Kulturen errichtet und Kathedralen erbaut, hat in schwierigstes Gelände Brücken, Tunnel und Staudämme hineingeschlagen, hat Atomkerne gespalten und Saturnraketen in den Weltraum geschickt.

Der Mensch, der dies alles getan hat, wird auch die Intelligenz besitzen, seinen eigenen innersten Bereich neu zu erforschen, neu zu sehen und neu aufzubauen. Dieser innerste Bereich ist so einfach, daß kaum einer an ihn dachte: Liebe, Sex, Heimat, Vertrauen, Kommunikation, Kontakt, Wärme, Wachstum ohne Angst…“ (Bumb/Möller: „Sommercamp im Wilden Westen“).

MIT der Entdeckung von Neuland ist der Ansatz von Pioniertat und Nachfolge tief verbunden. Es geht um „Charisma“ der Entdecker und „Gefolgschaft“ der Pioniere. Ein religiöser, aber auch nicht unumstrittener menschlicher Akt, stellt man ihn in einen Kontext von Führung und Geführt-werden.

Nimmt man noch die Verwendung des in Deutschland nicht unproblematischen Begriffs von „Gemeinschaft“ (etwa „Volks-Gemeinschaft“) statt „Gesellschaft“ durch Duhm hinzu, gelangt man bereits zu einem bestimmten Profil grundsätzlicher Kritik aus den Reihen der Neuen Linken an seinen Schlussfolgerungen und an seinem Weg, die durchaus in einer Art „präfaschistischem“ Vorwurf an ihn kulminierte: Menschen würden dabei manipuliert, Frauen sexuell ausgebeutet und das Schwerwiegendste, es gebe Sex mit Kindern….

Ein Höhepunkt dieser bei genauem Hinsehen haltlosen linken Anwürfe waren die Schelte und Auseinandersetzungen um das MEIGA Sommercamp im August 1990 bei Walsrode am Rand der Lüneburger Heide, dessen Motto lautete: LIEBE IST UNVERMEIDLICH – DIE ANGST MUSS VON DER ERDE VERSCHWINDEN (ein zentraler Wahlspruch von Michael Gorbatschows Perestroika-Kampagne) und WIR BRAUCHEN FÜR EINE LEBENSWERTE ZUKUNFT VOR ALLEM EIN NEUES KONZEPT DER LIEBE.

Duhm berührten diese Anfeindungen jedoch immer weniger, im Gegenteil, sie waren ihm wohl eher Ansporn. Die Kritik einer bestimmten autonomen und radikal-feministischen Linken an Duhms Gedankengebäude und vor fast 40 Jahren erstmals initiierten Gemeinschaftsprojekten wie „Bauhütte e. V.“ (ab 1982/83) und in deren Nachfolge dann „ZEGG“, ist heute freilich so gut wie verhallt. Nicht mehr von Bedeutung, die Vorbehalte und Vorurteile dagegen dürften untergründig erhalten geblieben sein.

IN der wissenschaftlichen Fachwelt gibt es mit Dieter Duhms „Theorie der globalen Heilung“, so der Untertitel eines seiner letzten Bücher „Zukunft ohne Krieg“ (2006), so gut wie keine irgendwie geartete systematische Auseinandersetzung. Seine Bücher zählen wohl zur „Weltanschauungsliteratur“, mehr noch vielleicht zur Kategorie spiritueller oder religiöser Literatur – und nicht nur, weil ihr Autor ans Ende von Vorträgen gerne das aramäische Jesus-Wort aus der Bibel stellt: Amen, so sei es! Das mag man vielleicht belächeln, denn ein gläubiger Christ ist Duhm nun weiß der Himmel nie gewesen, eher ein Häretiker, ein Ketzer und kosmologischer Agnostiker, einer wie Jan Hus oder Giordano Bruno.

Der Dinge grundsätzlich in Frage stellt und eigene Wahrheiten formuliert, die dem Mainstream zuwiderlaufen. Allenfalls müsste er noch „geistige Scheiterhaufen“ fürchten und auch die gibt es für ihn nicht – nicht mehr.Der Angst-Macher Kapitalismus, das breite seelische und materielle Elend, das er weiter global verursacht, ist noch immer Zielobjekt von Duhms Kritik, nur anders.

So zielt Duhms Reden und Wirken auch nicht primär auf Wirkungen im Rahmen von wissenschaftlichen Diskursen und Kolloquien, ob etwas wie falsch oder richtig ist. Die Dinge, die er ausdrückt und formuliert, werden von ihm und seinen „Anhängern“ für wahr und gültig erkannt und gehalten. Sie müssen im Grunde ihrer augenfälligen Evidenzen wegen nicht noch begründet und bewiesen werden.

DAS neue Paradigma hat und eröffnet auch noch eine andere Dimension, die ihm nicht wenig angekreidet und zur Last gelegt wird. Es ist der Arzt, Naturforscher und Freud-Häretiker Wilhelm Reich (1897-1957), der in Duhms Entwicklung eine ausschlaggebende Rolle spielte. Der einmal den Wahlspruch prägte: „Liebe, Arbeit und Wissen sind die Quellen unseres Daseins, sie sollen es auch beherrschen (bestimmen)“. Eine Aussage von epochaler Tragweite.

Sie bedeutet grundsätzlich den Abschied von der reinen Ideologie des Kopfes, von nüchterner Logik, Beweis und Verifizierung, die an Grenzen stößt und ihre Erweiterung (nicht Substituierung!) um und zusätzliche Hinwendung zu Gespür, Wahrnehmung, mitfühlendem Naturerkennen in jenen Grenzbereichen, die die strenge Naturwissenschaft auf ihren Quantensprüngen des Bewusstseins heute längst selbst überschritten hat. Der ursprüngliche Theosoph Rudolf Steiner hat dies auf der Erkenntnisgrundlage Goethe’scher Weltanschauung präzisiert mit dem Wirken von Intuition, Imagination und Inspiration in seiner geisteswissenschaftlichen Anschauung, die er auf den Menschen hin ausgerichtet nun Anthroposophie nannte. Menschenweisheit. Geistes-Wissenschaft, das war die Synthese. Man kann Geist und das Geistige demnach mit bestimmten Denk-Methoden und spirituellen Denk-Übungen wissenschaftlich ergründen und erklären.

Auch wenn der Mormonen-Professor Christian Clement mit der Herausgabe ab 2011 einer inzwischen abgeschlossenen achtbändigen Steiner Kritischen Ausgabe (SKA) der schriftlichen Werke Steiners (nicht der Vorträge!) genau das in Abrede stellt und Zweifel zieht, um Steiner vom erhabenen Sockel zu stoßen. Der Geist-Seher Steiner entwickelte eine esoterische Schulung des Denkens, die der der Rosenkreuzerlehre entspricht (Goethe war Rosenkreuzer), die z. B. aus ihren eigenen geistigen Quellen eine andere Sicht auf Jesu mystische Lehre und sein mystisches Leben vertritt als der gültige neutestamentarische Kanon, der von den ersten Bischöfen der Christenheit festgelegt wurde und abweichende Quellen wie die Essener Schriften oder das Thomas-Evangelium als Apokryphen ausklammert.

DAS andere Herangehen bedeutet, der (die) Beobachtende verändert und beeinflusst den Gegenstand seiner (ihrer) Beobachtung. Es bedeutet nach dem Genius Albert Einsteins auch die Einführung der Relativität in das Naturgeschehen und Naturwahrnehmen. Es macht einen Unterschied etwa, ob man sich in oder außerhalb eines Systems befindet, das sich zudem noch bewegt. Man kommt zu anderen Bestimmungen von Raum und Zeit. Je schneller die Bewegung eines Bezugssystems, desto langsamer vergeht für jemanden, der sich darin befindet, die Zeit im Vergleich zu einem äußeren Beobachter.

Durch Geschwindigkeit werden Raum und Zeit verändert, „gekrümmt“, wie die Relativitätstheorie besagt. Wer soll das noch verstehen? Und wozu ist es gut oder schlecht? Wenn wir uns in einem System mit annähernd Lichtgeschwindigkeit (3 x 106 km/sec.), bewegen könnten (wir sind freilich weit davon entfernt, das schnellste kosmische Fluggerät des Menschen, die Voyager-Sonde, bewegt sich jenseits unseres Sonnensystems gerade mal mit ca. 17 km/sec.), desto langsamer vergeht für uns die Zeit, während für alle außerhalb Jahrhunderte vergehen, die wir bei einer Rückkehr von einer Lichtreise nicht mehr antreffen würden. Nur elektromagnetische Gedankenimpulse bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Das ist das Eine.

DAS andere Paradox bescherte der Welt die Quantentheorie des Nobelpreisphysikers Werner Heisenberg, theoretischer Schöpfer der deutschen Atombombe, die nie gebaut wurde. Die Deutschen wären sonst anstelle der Japaner im nuklearen Inferno bei Kriegsende untergegangen. Heisenberg war als Antikommunist, aber auch Anti-Nazi, ein Eulenspiegel und schlauer Fuchs, der sich selbst wie ein Lichtquant verhielt.

Der seine eigene Forschung übersehend diese absichtlich verzögerte, so dass die Nazis eine nukleare Bombe nicht mehr in die Hand bekamen. Heisenberg arbeitete mit Einsteins Gleichung E = mc², die die gewaltige Sprengkraft des Uran-Atomkerns erklärt, wenn man ihn mit Neutronen spaltet. Aber nicht das war sein wesentliches Verdienst. Die von ihm angewandte Quantensystematik förderte zutage, dass sich das Licht mal als Quantum (Teilchen), dann wiederum wie eine Welle verhielt. Unmöglich zu sagen, welche seiner Erscheinungen gerade wirkte, weshalb man beide Modelle analog benutzt.

Unmöglich, den Aufenthaltsort eines Teilchens im Raum durch feste Koordinaten genau zu bestimmen. Die Geburt der Heisenbergschen „Unschärfe“ oder „Unschärferelation“. Auch wenn wir diese Zusammenhänge als normal Sterbliche kaum noch begreifen, bleiben zwei Dinge davon übrig: Relativität und Unbestimmtheit. Sie führen letztlich zu der Annahme, Naturgesetze seien keine ewig gültigen Axiome, sondern veränderbar, indem wir sie als sowas wie „Gewohnheiten“ ansehen.

Die sich verändern können und lassen. Die extremen Atem- und Meditationspraktiken indischer Yogis bestätigen dies (vgl. etwa Paramahansa Yoganandas „Autobiographie eines Yogi“). Das sich daraus ergebende „neue Bewusstsein“ eines „Tao der Physik“ (Fritjof Capra) macht sich dies zunutze und gehört zum Kern der New-Age-Philosophie. Wir können Dinge beeinflussen und verändern, wenn wir diese Gewohnheiten studieren, verstehen und uns ihr transformierendes Potenzial zu eigen machen, statt unentwegt mit Gewalt und Krieg zerstörend auf es einzuwirken.

DAS ist nach sehr verkürztem Exkurs das Paradigma des neuen Quantenbewusstseins, oder auch der „Quantenheilung“, dem auch Dieter Duhm und das ZEGG verpflichtet sind. Die Dinge sind nicht ein für alle Mal feststehend, sondern relativ und unbestimmt, panta rhei, alles bewegt sich fort und nichts bleibt (Flusslehre des Heraklit). Das Universum dehnt sich permanent aus. Veränderung, Revolution (von lat. revolvere = umdrehen) – Nikolaus Kopernikus verwandte den Begriff für sein astronomisches Modell De revolutionibus orbium coelestium (Über die Umschwünge der himmlischen Kreise) – ist auf friedliche Weise möglich.

Relativitätstheorie und Quantenlehre haben im Grunde nichts Neues geschaffen, sondern altes menschliches Erkenntniswissen in die heutige Zeit der Formeln übersetzt, mit denen man zwischen Teil und Ganzem komplex rechnet, abwägt, extra- und interpoliert und misst, Differentiale und Integrale ermittelt, nicht mehr wie die Griechen das Wesenhafte eines Dinges durch Schau ergründet, um es zu verstehen. Die westliche quantifizierende Sicht der Welt wird vor allem materiell bestimmt durch die „Ratio“, die östliche mehr durch „Geist“ und „Weisheit“. Weisheit ist grundsätzlich nicht logisch, sondern „weise“ (wissend, erkennend). Und sie erkannten einander, heißt es in der Bibel. Beides verlangt wieder nach Durchdringung und Verbindung, statt einander auszuschließen in voneinander getrennten Bereichen.

Das „neue Weltbild“ ist holographisch, in jedem Teil ist das Ganze enthalten und sichtbar. Denker, die an der Nahtstelle west-östlicher Erkenntnis nach Verbindungen suchten, waren der gebürtige Pole und dann Wahlschweizer, Schriftsteller, Dichter und Philosoph Jean Gebser (Hauptwerk: „Ursprung und Gegenwart“) und der französische Theologe, Paläontologe und Kosmologe Pierre Teilhard de Chardin (Hauptwerk: „Der Mensch im Kosmos“). Beide gehören zu Duhms wichtigsten Gewährsleuten.

IN einem 45-minütigen Interview von Martin Winiecki mit Dieter Duhm (nachzuverfolgen auf Duhms Homepage oder der des Verlags Meiga) über Duhms neuestes Buch „Terra Nova. Globale Revolution und Heilung der Liebe“ (2017, 5. Aufl.), sagt Duhm einleitend über seinen Erkenntnisgang u. a.: „(…) Seit 40 Jahren arbeite ich an der Frage, gibt es einen Ausweg? Dann habe ich einen Lehrgang durchlaufen, 40 Jahre lang; durch Gemeinschaften, durch menschliche Konflikte, durch Liebesthemen aller Art.

Ich musste überall hin, wo neue Gemeinschaftsprojekte stattfanden und habe das begleitet mit bestimmten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die laufend weitergehen, aus dem Bereich der Psychoanalyse, der Geschichtsforschung, der Kybernetik, die Steuerungssysteme im Universum und im menschlichen Organismus bis hin zu Rupert Sheldrakes Büchern über die morphogenetische Feldbildung – alles, alles das zusammen, Chaosforschung. Es gab eine Inbrunst für die Wahrnehmung, diese Welt ist heilbar.“

Duhm wirkt anfangs im Video müde, fast etwas unkonzentriert, sein sonst rhetorisch geübtes Sprechen ist stellenweise stockend, er scheint krank zu sein, sein Gesicht offenbart schmerzgezeichnete, fast verzerrte Züge, er leide an einer schmerzhaften Neuralgie, heißt es. Es erschreckt etwas, wenn man ihn noch anders von früher kennt. Doch bald fährt er zur bekannten konzentrierten Form des Vortrags auf, ist wieder in seinem monologischen Element, wenn er etwa über Vertrauen und Revolution spricht, einer Revolution des Bewusstseins, des „Umdrehens“ von Kultur bis hinein „in die Ehebetten“.

DER Interviewer ist sehr bedächtig, zurückhaltend, als habe er es bei seinem Gegenüber mit einem „rohen Ei“ zu tun, lässt Duhm lange Passagen vortragen. Schade, man hätte sich mehr Intervention gewünscht, um bestimmte Dinge zuzuspitzen und präziser auf den Punkt zu bringen. Zum Beispiel wäre eine Frage der Art interessant gewesen wie: Was glaubst du, fängt ein durchschnittlicher Mensch mit deinen Gedanken an, was macht das mit Menschen? Duhms zitierte Aussage markiert das Prozesshafte seiner Theorieentwicklung im Grunde in schlüssiger Folge des Nächsten aus dem Vorhergehenden und man muss dies verteidigend ins Feld führen gegen den nicht selten geäußerten Vorhalt, sein Denken sei eine Art willkürliches Sammelsurium aus Synkretismen und Synergismen.

Sein Denkweg weist nach, dass und wie man von Karl Marx‘ Entfremdungstheorie in den Ökonomisch-Philosophischen (Pariser) Manuskripten über das Plädoyer für Rosa Luxemburgs Freiheitssozialismus folgerichtig bis zur Komprimierung und Verdichtung von Duhms Theorie gelangen kann. Niedergelegt in „Die Heilige Matrix. Von der Matrix der Gewalt zur Matrix des Lebens. Grundlagen einer neuen Zivilisation“ (2001). Das Buch bietet zweifellos die vollständigste Essenz seines Denkens und der Bestandteile, aus denen es sich nährt und zusammensetzt. Ein Schlüsselwerk. Schon da fällt die Verwendung von religiös besetzten Wörtern wie „heilig“ auf. Heilig bedeutet im übertragenen Sinn hervorgehoben, unantastbar, jenseitig, erhaben, ehrwürdig, mit göttlichem Hauch beseelt, kosmisch eingebettet und rückgekoppelt – soll das zu betonen damit beabsichtigt sein? Der gläubige Interviewer stellt Duhm eine solche Frage aber nicht.

GRUNDLEGUNGEN für das Matrix-Buch waren Duhms Studie „Synthese der Wissenschaft (1979) und das programmatische Manifest „Aufbruch zur Neuen Kultur. Von der Verweigerung zur Neugestaltung. Umrisse einer ökologischen und menschlichen Alternative“ des Jahres 1982 sowie Duhms „Sex- und Liebe-Buch“ „Der unerlöste Eros“ (1991).

Wir wollen deshalb tatsächlich Duhms geistiges Werk und die Literatur, in welcher es sich bis heute niederschlägt, als weltanschaulich-ideologisches und nicht systematisch-wissenschaftliches bezeichnen und behandeln. Der Unterschied ist nicht unwichtig. Eine Beweisführung gegen ihn kann so unterbleiben. Bei dem es weniger um logische Gedankenführung, wohl aber um sehr Einleuchtendes und Plausibles geht. Man muss den augenfälligen Klimakollaps niemandem noch erklären und beweisen, vielleicht am ehesten noch einem wie dem Ex-Präsidenten Donald Trump.

Duhms Denken stellt eine Plattform dar von seinen weiträumigen geistigen Einsichten und erworbenen Erkenntnissen und den praktischen Erfahrungen damit. Oft pointiert ausgedrückt in sowas wie A-Priori-Sätzen (Wir müssen Vertrauen entwickeln…), Behauptungen und Feststellungen. Amen, so sei es! Man kann sie teilen oder auch nicht. Man kann auch anderer Meinung sein.

DUHM verbrachte viele Jahre in teils eremitenhafter Zurückgezogenheit an verschiedenen Orten, wie auf der Sisi-Insel Korfu im Ionischen Meer, im Küstenstädtchen Sidari an der Nordspitze. Wo er meditierte, dichtete, malte, Nietzsche studierte (O Mensch gib acht…), in sich ging, Dinge verarbeitete und klärte, die in ihm rumorten und bohrten – an freilich schönem, reizvollem Ort (siehe dazu illustrierend „Das Buch Sidari“). Ende der 70er Jahre firmiert er auch mit Postfachadresse Neusiedl/See im Burgenland, in der Nähe der Kommune Friedrichshof.

Dann findet man den rastlosen Pilger wieder im Odenwald oder in der Main-Kinzig-Region im waldreichen, siedlungsarmen Spessart. Und Anfang der 90er Jahre im Aussteiger-Ambiente der Kanareninsel Lanzarote, wo die Winde (wie die Menschen) nicht ruhen und es als Ableger die erste Liebes-Schule des ZEGG gab. Liebe und Extase als befreiendes Curriculum zwischen weißen Bungalows, südlichen Palmen, Westafrikaflair und heißer dunkler Lavaerde. Eine Exklusivität. Der rege Flugverkehr von gut zahlenden Gästen und ZEGG-Aktiven dorthin, war von der Öko-Bilanz her nicht gerade vorbildlich und glaubwürdig.

Das Projekt ZEGG-Segler im Mittelmeer, verknüpft mit Wal- und Delphin-Watching, war es schon eher, aber nicht weniger exklusiv. Das Unternehmen mit einer extra im türkischen Bodrum gebauten Holzyacht und Musik-Echolot-Sendeanlage wurde bald wieder eingestellt, weil zu kostspielig und aufwändig. Das ZEGG hat sich unter seiner damaligen Leitung damit schlicht übernommen und drohte ins pure alternative Touristenfahrwasser abzudriften. Realisiert wurden hingegen gemeinsame Wüsten-Gänge als Kollektiverfahrung, aber das Vorhaben, Ähnliches in der Arktis durchzuziehen, gab man der Unwirtlichkeit der Umwelt und ihren harten Anforderungen wegen wieder auf.

Hier soll vor allem von jener „Mitte“ weiter gesprochen werden, in welcher Duhms Gedanken entstanden, reiften und materielle Realität wurden und nach wie vor werden: den Gemeinschaften Bauhütte und ZEGG. Dies auch deshalb, weil der Verfasser zur Beurteilung aus einem eigenen Wahrnehmungs- und Beobachtungsfundus schöpfen kann. Durch einen Besuch in der Bauhütte im Winter 1982 und Teilnahme am Gemeinschaftsleben des ZEGG, an Ausbildungskursen, Seminaren, Camps und Festen von 1993-95. (Tamera gehört natürlich genauso dazu, bleibt aber ausgespart, weil ich dazu über keine persönlichen Eindrücke verfüge und mich nur auf Literatur dazu stützen könnte).

IST es vermessen, heute, angesichts der Tatsache, dass es bei der Umwelt- und Klimakatastrophe schon zehn nach Zwölf statt fünf davor ist, noch von „Heilung“ des Planeten Erde zu sprechen? Wie von einem todkranken Wesen? Heilung – das ist ein schillernder Begriff, zudem religiös besetzt. Jesus gilt als Heiler (und daneben für den kritischen Theologen Gerd Lüdemann als Exorzist).

Die Medizin spricht von Heilung bei der Genesung von einer Krankheit. Bekannte Ärzte waren früher meist auch zugleich Heilkundige und Apotheker, siehe die Geschichte „Der Medicus“. Die häufig ihre Arzneien noch selbst herstellten, oft ganz individuell zugeschnitten auf den jeweiligen Patienten.

Der Görlitzer Erforscher und Entdecker des heilpraktischen Ähnlichkeitsprinzips „simila similibus curentur“ (Ähnliches heilt Ähnliches), Samuel Hahnemann, war so ein Arzt und Alchemist. Brauchen wir heute, wie Duhm es vielleicht nennen würde, eine solche „Alchemie“ der Heilung, die auch den heilbedürftigen Zustand der „Liebe“ miteinbezieht? Wer heilen will, bewegt sich mitunter auf einem schmalen Grat zwischen Medicus und Scharlatan. Macht sich verdächtig, vielleicht der „Verführung“ durch eine Theorie oder Lehre.

Die Pestärzte waren experimentelle Alchemisten mit teils spektakulären Erfolgen (siehe Nostradamus), was blieb ihnen übrig, ihre Schulkunst mit Aderlass, Blutegeln und Wasserkuren versagte eklatant angesichts von todbringenden Epi- und Pandemien durch Mikroben, Bakterien und Viren, von denen man noch nichts wusste, nur etwas in der Art erahnte. Dieter Duhm scheint jemand zwischen modernem Sozial-Medicus und spirituellem Rektor einer Agenda gegen die Zerstörung der Erde zu sein.

HIER soll Dieter Duhm, der Geistes-Wissenschaftler und Ökopolitiker, der Maler und Lebenskünstler, der „polymorph perverse“ (ein Wort, das ihm meist nie ohne selbstironisches Lachen über die Lippen ging) Propagandist der Freien Liebe, aber nicht unter dem Aspekt von Alchemie beleuchtet und interpretiert werden, der nur schwer zu greifen ist.

Wohl aber unter dem von Spiritualität und Religion. Der seine Vorträge nicht selten wie eine Art Andacht gehalten hat. Wenn man seine Redeauftritte aus den 1990er Jahren, die er häufig als Gast im Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung (ZEGG) „zelebriert“ hat, mitverfolgte, bekam man schon den Eindruck, als wohne man einer Art Predigt in sowas wie einem weltlichen Gottesdienst bei.

Bedächtig und frei gesprochene druckreife Worte ohne Ähs oder Unterbrecher mit oft verschmitzter Miene vorgetragen und in einen magischen Bann ziehend mit seiner weichen, etwas näselnden Stimme. Die Leute hingen an seinen Lippen. Beifall brandete am Ende der so bestrittenen sonntagvormittäglichen Matineen auf. Duhms weit ausholendes „Wort zum Sonntag“ für die Gemeinschaft und ihre Gäste, Charisma versprühend und einfordernd.

Noch heute werden Duhms Reden fast feierlich elegisch von den Vorredner*innen, meist sind es Frauen, eingeleitet. Was oft etwas gespreizt und befremdlich anmutet. Es gab nie Diskussionen unmittelbar nach solchen Vorträgen, mitunter Nachfragen; sie waren Impulsbeiträge und „Worte für den Tag“, durch den sie tragen sollten und darüber hinaus. Duhm unterschied so gesehen nicht viel von einem Chandra Mohan Shree Rajneesh, auch Bhagwan oder Osho genannt und dessen Ansprachen, den sog. Lectures. Ob ihm dieser kritische Vergleich ge- oder eher missfiele?

EINEM kritischen, anticharismatisch eingestellten Menschen wie mir missfielen solche kultischen Auftritte eher. Nach dem Duhm-Forum, meist in der großen Aula der ZEGG-Universität (es sprachen natürlich auch noch andere ZEGGler oder geladene Gäste) abgehalten, zerstreuten sich die Leute nach einer Zigarettenpause (im ZEGG wurde viel geraucht und Alkohol als „Spannungslöser“ eingesetzt) in ihre Zeltgruppen und Arbeitskreise.

Dort wurde über Duhms Gedanken-Impulse und anderes dann lebhaft gesprochen und diskutiert – konstruktiv. „Destruktiv“, d. h. kritisch hinterfragend, war eher unerwünscht und irritierte die „ZEGG-Gläubigen“. Man hatte schnell ein persönliches Problem, wenn man zu viel „meckerte“. Man behielt die Dinge gerne unter „Kontrolle“, hatte es damals für mich den Anschein. D. h. grundsätzliche Kritik wurde nur spärlich geäußert. Man war schließlich zu Gast in einer weltanschaulichen Gemeinschaft, deren Praxis und Ziele man teilte, nicht verwarf oder gar ablehnte.

Duhm eine Art „Rattenfänger“, polymorph-perverser „Verführer“? Nein, das bei aller Redlichkeit gewiss nicht! Und es wäre auch keine sinnvolle Auseinandersetzungsebene gewesen. Eine so ähnliche pflegte eine „kritische Linke“ gegenüber dem ZEGG in oft unsachlicher Weise zur Genüge. Ich wollte dagegen ein Studierender des und im ZEGG und seiner Prinzipien sein, auch wenn mich das eine oder andere störte und einer „Totalidentifikation“ im Weg stand….

POSITIV gewendet heißt das: Der legitime Gedanke ist Sammlung und Konzentration der humanen Kräfte und gemeinsame bzw. gemeinschaftliche Anstrengung, nicht Divergenz und Auf- und Zerteilung, was zumeist die reale, gesellschaftliche und politische Erfahrung individualisierender Zersplitterung ist. Durch teilen lässt sich leichter be-herrschen: Divide et impera. Duhm und das ZEGG greifen, wenn man so will, den alten Solidaritätsbegriff der Arbeiterbewegung wieder neu auf, füllen ihn aber auch mit neuen, anderen Inhalten und Zielen.

Es geht nicht mehr um proletarische, sondern jetzt um eine notwendige planetarische Revolution. Da sind Duhm und ZEGG nicht allein. Da gibt es z. B. die christlich orientierte Erd-Charta, das kirchliche Kairos-Bestreben, die ökumenische Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, gibt es das Küngsche Projekt Weltethos – gibt es inzwischen die Fridays-for-Future-Bewegung einer global aufstehenden Jugend um Gestalten wie Greta Thunberg, Luisa Neubauer und andere.

Es gibt schließlich zahlreiche Pläne und Vorschläge, wie das Ruder des Kurses ins Verderben von enteisender Überflutung und Austrocknung des Globus -, von Kriegen und Vertreibung von Menschen -, von Zerstörung der Ressourcen und ökologischen Basis durch Wachstum zum Tode -, von zivilisatorischer Überentwicklung u.v.a. noch herumgeworfen werden kann. Wie, O-Ton Duhm, „Heilung möglich werden kann und Frieden entstehen könnte“. Das ist aber auch der Unterschied im Ansatz zur Politik wirkungs- und folgenloser Welt-Konferenzen wie G7- und G20-Treffen, Weltwirtschaftsforum in Davos, Weltklimakonsultationen der UNO oder Münchner Sicherheitskonferenz, um nur einige zu nennen.

Natürlich haben solche Treffen ihren informellen Nutzen für die beteiligten Nationen, der in der Folge Pro oder Contra ausfallen kann. Nationen wie die USA kehren solchen Foren inzwischen vermehrt den Rücken. In der Corona-Krise stand die Weltgesundheits-Organisation unter massivem US-amerikanischem Beschuss. Ex-US-Präsident Trump entfachte statt Massenhygiene ideologisch einen neuen Corona- krieg gegen das „China-Virus“ usw.

WENN Staaten und ihre Regierungen ihre eigenen verhandelten Ziele nicht einhalten, ihnen zuwiderhandeln und versagen, dann wird es Zeit, nicht mehr nur protestierend und demonstrierend auf die Straßen zu gehen, was das ZEGG gelegentlich auch tut, wenn es Sinn macht. Dann müssen Menschen eigenständig zu handeln beginnen und ihre eigenen Strukturen aufbauen, Foren schaffen, Betätigungsfelder einrichten, Vernetzungen bilden – kurz, es muss eine Revolution von unten stattfinden, die primär nicht mehr nur die etablierten Entscheidungsebenen meint und zu beeinflussen sucht.

Macht wirkt multipel und weit verzweigt und natürlich ebenso rückkoppelnd. Anders als es noch der deutsche Sozialphilosoph Theodor W. Adorno meinte, es gäbe nichts Richtiges im Falschen, muss im falschen Bestehenden eine richtige Alternative entstehen und sich ausbilden und ausbreiten wie ein Gewächs, sich mannigfach verzweigend wie ein Graswurzelwerk, aus dem neues keimen und wachsen kann, heilsames menschliches und gemeinschaftliches „Kraut“ und „Rhizom“. Das ist die eigentliche Grundidee von vernetzten „Heilungsbiotopen“.

KEIN geringerer als Wilhelm Reich hat dies schon erkannt, indem er von dem, was im Menschen selbst an sexualenergetischem Potenzial angelegt ist, ausging und nicht (mehr) von äußerlich auferlegter Ideologie. Das Grundsymbol seiner ergonomischen Wissenschaft drückt genau das aus: der Pfeil, der von einem energetischen Ursprungspunkt ausgeht und sich dann in zwei Pfeile teilt, die gegeneinanderstehen, was die Spaltung der menschlichen Identität meint und sich im Widerspruch von Natur und Kultur/Zivilisation ausdrückt.

Politisch noch in marxistischer Agitationssprache veranschaulicht in der Kleinschrift „Was ist Klassenbewusstsein?“ (1934) und danach in den zusätzlichen Abschnitten zur „Arbeitsdemokratie“ im Buch „Massenpsychologie des Faschismus“ (revid. englische Fassung). Einem der wichtigsten sozialpsychologischen Werke des 20. Jahrhunderts.

BEZOGEN auf Duhms holographisches Denken und soziales Projektieren heißt das Gemeinschaftsbildung und Vernetzung durch „morphische Resonanz“ und „morphische Feldbildung“. Abgeleitet vom Begriff Morphologie, die in der Natur die Kräfte der Form- und Strukturbildung bezeichnet und das in Resonanz (Rückwirkung) und als Feld (Aufladung).

Die Theorie setzt auf rückgekoppelte und (energetisch) aufgeladene Akteure und Akteurinnen, die sich dessen auch bewusst sind. Wo immer Pflanzen und Bäume mit Liebe (Zuwendung, Hingabe) behandelt und gepflegt, wo überall Tiere nicht mehr gehalten werden, um geschlachtet und gegessen zu werden, fangen diese Mechanismen an zu greifen und sich zu vervielfältigen.

Liebe und Sexualität sind dabei eine zentrale Quelle und Kraft, aus ihnen schöpfen die Vernetzer und Vernetzerinnen ihre Kreativität und Phantasie, ihre Kraft und Energie. Darum muss hier Klarheit bestehen über ihre Potenziale und Wirkungen. Über die Nutzung und den Einsatz dieser Quellen. Es ist wie mit einer Maschine, der der Dampf ausgeht und fehlt oder ein Generator ohne Strom. Der sittliche sexuelle Akt zwischen Menschen und Geschlechtern erschöpft sich nicht in der Entladung (Befriedigung), dann läuft etwas falsch, sondern lädt sich immer mehr auf, das Potenzial wird höher, kann sich noch stärker entladen.

Das rein monogame Geschlechtsleben, so die Duhm-These, nutzt hingegen nur einen geringen Teil des kreativen Potenzials menschlicher Libido. Und bindet andere Teile nutzlos in ehelichen Treuegelübden, Bis dass der Tod sie scheidet – welch eine paradiesische Überforderung! In diesem Kontext stehen Sexualität, Liebe und Veränderung. Alle drei sind virulente Felder der Hingabe, die sich wiederum aus der Resonanz darauf speisen. Eine Wechselwirkung und Feldbildung als Folge.

DER Krebs als organische Erkrankung ist nach der Auffassung seines vielleicht bedeutendsten frühen medizinischen Erforschers Wilhelm Reich letzten Endes eine „biopathische Erstarrung“ der Lebendigkeit des davon betroffenen Menschen und eben keine mikrobenbasierte Infektion. Von „Krebserreger“ zu sprechen, ist daher Unsinn, man müsste sich dann infizieren können. Ebenso wie im damit verwandten Fall von AIDS, der Immunschwäche. Es gibt auch in dem Sinn keinen „AIDS-Erreger“, es gibt Menschen, die aufgrund von Immunschwäche an bestimmten Krankheiten besonders leiden, die sich bei ihnen leichter manifestieren.

Es ist vielmehr eine tief in die menschliche conditio humana eingreifende zelluläre und genetische Feldstörung. Die mangelnde Energieversorgung eines Menschen, d. h. seiner Organe (durch Charakterpanzer und Körperblockaden), bedingt deren Funktionseinschränkung und im chronischen Fall ihren langfristigen Ausfall und Degeneration bis zum Tod. Je nach Lebens- und Krankengeschichte eines Menschen und organischer Konstitution „befällt“ der Krebs den einen da, den anderen dort und einen dritten gar nicht. Immer ist aber ungelebtes und verdrängtes Leben primär mit im Spiel.

Erst sekundär kommt es dann zu einer inneren Vergiftung und Störung von Funktionen wie auch zu unkontrolliertem Organwachstum (Wucherung) mit Sekundärwirkung durch den Zellzerfall in sog. T-Bazillen (Todes-Bazillen), die vermeintlichen „Erreger“, die man dann mikroskopisch diagnostizieren kann (siehe Wilhelm Reich: „Die Entdeckung des Orgons, Teil II: Der Krebs“ und der Roman von Fritz Zorn: „Mars“). Den einen trifft es mit Tumoren an den Augen, den anderen im Gehirn, den nächsten an inneren Organen wie Leber, Schilddrüse, Lunge, Magen, Verdauung, Unterleib; die nächsten im Blut, an Haut und Knochen usw. Die Biopathie ist in ihrem Auftreten komplex psycho-somatisch bedingt.

Und ein ganzheitlicher Ansatz einer Energie-Medizin kann sie auch nur bekämpfen. Wobei Chemo- und Strahlentherapie langfristig meist kontraproduktiv sind, die das energetische System des Menschen noch zusätzlich schwächen und außer Kraft setzen. Manchen gelingt der erfolgreiche Kampf gegen Krebs allein mit Licht + Ernährung. Immer zwingt der Krebs einen betroffenen Menschen dazu, seine Lebensweise und Lebenseinstellung zu überprüfen und zu revidieren, oft ist es dazu dann zu spät. Der Klimakollaps ist makro-medizinisch gesehen und verstanden eine Krebserkrankung des Organismus Erde, dessen Selbstheilungskräfte extrem geschwächt am Boden liegen.

DAS ZEGG, seine Vorläuferin, die Bauhütte e. V., ja Duhm selbst, waren wie schon angesprochen unter Linken und Feministinnen teils heftig umstritten. Das hatte auch mit einer Stelle aus seinem Buch „Angst im Kapitalismus“ zu tun, wo man ihm ankreidete, unter Bezug auf die Psychoanalytikerin und Freud-Schülerin Helene Deutsch von einer unbewussten „masochistischen Lust der Frau“ am sexuellen Gewaltakt (sprich Vergewaltigung) zu sprechen. Die diese obendrein noch selbst durch Verführung und Lockung (Kokettieren) provoziere. Das Klischee des verlockenden Eva-Apfels. Der Mann muss sich ja dennoch nicht wie ein „Vergewaltiger“ aufführen.

Das zu übernehmen war natürlich der Hammer. Schnell war man bei der Hand mit der Gleichsetzung ZEGG sei dasselbe wie AAO und die Kommune Friedrichshof (AAO = Aktionsanalytische Organisation). Der Name war Programm: Analyse + Aktion, AAO war eine von dem Wiener Aktionskünstler Otto Mühl (1925-2013) und seinen Anhänger*innen gegründeter Verein, zur psychologischen Austreibung von spießigem Kleingeist und verklemmter sexueller Kleinbürgermentalität in Hirnen, Herzen und Seelen der Menschen.

Einem „Exorzismus“ nicht unähnlich. (Mühl-Slogan: „Wer den Krieg abschaffen will, muss zuerst die Kleinfamilie beseitigen.“) Damit hat er bis auf die Härte des Imperativs nicht ganz Unrecht. Die AAO-Ideologie war ein eigenartiges Gebräu aus Rousseaus Zurück-zur-Natur-Theorie, Marx‘ Auffassung vom entfremdeten Menschen als verdinglichter Ware, Reichs charakter-analytischer Körpertherapie und Arthur Janovs Urschrei-Therapie mit rigoroser Zielrichtung. Ein von einem negativen Menschen- und positiven Erlösungsbild geprägtes Parabel-Konzept, darin sektenähnlich, das auch graphisch verdeutlicht vorstellbar wurde.

Der seelisch gestörte und kleinbürgerlich konditionierte Mensch muss auf dem einen absteigenden Parabelast erst bis unten fallen in den tiefsten unterbewussten, lüsternen Sumpf, um gemeinschaftlich geläutert auf dem aufsteigenden Ast zu wahrer Identität mit sich selbst (und der AAO!) zu gelangen. Sozusagen ein psychisches Brainwashing unter massiv ausgeübtem Druck, vor allem für Neulinge. Sich in niedersten Niederungen durch die Reihen „frei ficken“ sozusagen. Wobei der Päderast Mühl sich bei jungen minderjährigen Mädchen der Kommune „das Recht der ersten Nacht“ ausbedungen hatte. Eine Art Colonia dignidad auf sexuologisch.

Der Poona-Ashram von Bhagwan handhabte das ähnlich in seinen Encounter-Sex-Workshops, deren prominentes Opfer die Schauspielerin Eva Renzi wurde. Jürgen Fischer, Experte für Wilhelm Reich und Orgonenergie-Ingenieur, hat als selbst AAO-Geschädigter in seinem Buch „AAO = Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ das Nötige hierzu authentisch (und selbstredend „rachebedürftig“) geschrieben. Und die Lektüre erschüttert einen immer wieder. In Bremen lernte ich eine solche AAO-Stadtkommune kennen und machte die Bekanntschaft mit einem jungen AAO-Aussteiger.

DIE AAO mündete in den Friedrichshof, einer Gemeinschaftssiedlung in der Parndorfer Heide nahe Wien und dem Neusiedler See im äußersten Nordosten des Burgenlands. Eine schöne, gediegene Naturlandschaft. Dort existierte das Zwangsreich des Otto Mühl & Co. weiter. Zeitweilig wohl auch Europas größte Psycho-Kommune mit 600 Bewohner*innen. Wenn in einer Stadt eine AAO-Kommune öffentlich auftrat und das gab’s nicht selten, dann war immer Aggression mit im Spiel bis zu ordinärer Pöbelei, mitunter sogar Handgreiflichkeit.

AAOler*innen hatten im Einheitslook fast kahl geschorene Köpfe und trugen alle Latzhosen, denn Gürtel schnürten den Unterleib am solar plexus energetisch ein und muteten antibürgerlich an. Wie Mühl auch selbst auftrat, dessen Gesichtsausdruck für mich immer etwas Schmieriges, Ordinäres hatte. Wenn Duhm „polymorph pervers“ war, war Mühl, sein freundschaftlicher Lehrer und Anreger hyperpolymorphperversversaut. Was auf einer Bühne geboten wurde, war expressive „Selbstdarstellung“ (SD) und „Aktionsanalyse“, eine Form von extremem Psychospiel und verschärftem Psychodrama, das befreien, aber auch provozieren sollte.

Das der RAF nahestehende Sozialistische Patientenkollektiv SPK in Heidelberg, einer Rekrutierungsmaschine für „kaputte Typen“ für den RAF-Terrorismus, nannte dies „aus der Krankheit eine Waffe machen“. 1977 machte im „Deutschen Herbst“ die inhaftierte erste RAF-Generation (Ulrike Meinhof war da schon suizidiert tot) im Stammheim-Hochsicherheitsgefängnis aus ihren staatlich geduldeten und hingenommenen „Selbst-morden“ zum letzten Mal eine Waffe. Der ehemalige RAF-Anwalt Christian Ströbele zweifelt heute noch daran. Aktionsanalyse war nicht Psycho-Therapie, sondern eine Art Psycho-Terror als reinigender Jungbrunnen, aus dem man – irgendwann – geläutert entstieg. Wie bei der Massentaufe von Sekten. Psycho-„Entjungferung“.

Erst nach diesem Ritual, immer und immer wieder praktiziert, gehörte man irgendwann dazu, wenn Mühl und seine engsten Getreuen zustimmten. AAO und Friedrichshof existieren heute nicht mehr, Mühl ist inzwischen verstorben, nachdem er zuvor nach einem Prozess 1991 wegen Unzucht mit und Missbrauchs von Minderjährigen in mehreren Fällen und noch anderer strafbarer Delikte eine mehrjährige Gefängnisstrafe verbüßte und 1997 wieder freikam. Danach lebte er mit vertrauten Anhängern aus alten Zeiten in Portugal. Duhm sprach über sein enges freundschaftliches Verhältnis zu Mühl, dass er diesem viel verdanke. Von daher haftet ihm, nicht dem ZEGG, das Menetekel falscher „Gefolgschaft“ an.

BAUHÜTTE und ZEGG haben Elemente und Impulse der SD/Aktionsanalyse als Forums-Idee für Psycho-Spiele und gespieltes Psycho-Drama zunächst übernommen. Nicht wenige AAOler wechselten zur Bauhütte und zum ZEGG. Die Latzhosen und Kahlköpfe verrieten sie. Wer Therapie brauchte, war aber im ZEGG an der falschen Adresse. Das ZEGG entkleidete freilich sein eigenes entwickeltes FORUM von dem fatalen und faschistoid zu nennenden SD-Ritual- und Einweihungscharakter von AAO und Friedrichshof.

Dem ZEGG ging und geht es um eine Theorie und Praxis für eine gewaltfreie Erde und dazu bereite freie Menschen. Das war mit mittelalterlicher Mühl-Patriarchalität und Psycho-Sekten-Mentalität völlig unvereinbar. Das muss ganz klar betont werden und Duhm ist an dieser Absetzung maßgeblich beteiligt gewesen, kein wie auch immer gerechtfertigter Sex mit Kindern zum Beispiel. In jeder Forums-Präsentation eines Menschen steckt etwas Psychoprozesshaftes. Hier muss „Forum“ einmal näher beschrieben werden; im Jahresprogramm 2020, gleichzeitig auch eine Kurzeinführung ins ZEGG, steht dazu auf Seite 41: „(…) Gemeinschaft ist für uns im ZEGG ein Bewusstseinsweg, in dem wir mehr und mehr erkennen, wer wir sind – jenseits von Rollen, Gewohnheiten oder Masken.

Je näher wir unserem eigenen Wesen sind, umso mehr gewinnen wir Vertrauen in andere Menschen und ins Lebendige. Forum ist ein Werkzeug, in dem Menschen sich in diesem Bewusstseinsweg unterstützen und herausfordern, Dadurch entsteht Gemeinschaft und es wachsen die Fähigkeit zur Selbstverantwortung, Anteilnahme, das Wissen um den eigenen Beitrag und das Gefühl für Sinnhaftigkeit“.

DAMIT korrespondierend ist zum Stichwort Gemeinschaft & Organisation im Programm zu lesen: „Zukunftsfähige Methoden des Miteinanders für Wirtschaft und Zivilgesellschaft (??, d. Verfasser) setzen auf Kompetenz und Kooperation. Unsere Erfahrung zeigt: Ein soziales System ist dann lebendig, wenn es von einer gemeinsamen Absicht getragen wird, wenn es Individualität mit Bewusstsein für das Ganze verbindet“ (S. 16).

Das klingt stellenweise sehr nach Management-Ideologie und könnte ein modernes Unternehmen, das auf Mittun seiner Belegschaft setzt, nicht viel anders formulieren; statt an der Stelle, wo es „lebendig“ heißt, würde lediglich dann das Wort „effektiv“ stehen.

Und etwas weiter unten ist wieder in ZEGG-spezifischer Diktion zu lesen: „Gemeinschaft heißt für uns, offen zu kommunizieren und in Selbstverantwortung und Kontakt zu sein. Du lernst, wie das in bereichernder Art geschehen kann und machst deine ganz eigene Gemeinschaftserfahrung. Diese Erfahrung nimmst du mit – sei es in dein Team von Kollegen, in die Projekte, in denen du dich engagierst oder in deinen Prozess der Gemeinschaftsgründung.“ (ebd.)

EIN zentrales Element ist dabei heute die Gewaltfreie Kommunikation, die in Kursen angeboten und eingeübt wird. Ein viel praktiziertes Gruppenspiel (war es jedenfalls zu meiner Zeit) ist das Wer-bist-du, was-willst-du-Spiel, auch Buddha-Spiel genannt. Dabei sitzt man einander auf dem Boden in Reihe gegenüber und reihum stellt zunächst die eine Seite die Frage an das jeweilige Gegenüber Wer bist du, was willst du?

Der/die Gegenübersitzende hat dann fünf Minuten Zeit, sich gestisch und/oder verbal zu äußern oder auch zu schweigen. Die fragende Seite muss sich dabei reglos wie ein zuhörender Buddha verhalten, darf nicht agieren, lachen, das Gesicht verziehen, missbilligend werten oder kommentieren, was ihr da präsentiert wird. Pokerface wie Buster Keaton bei voller Aufmerksamkeit.

Einzige Auflage ist nicht zu lügen und einander dabei anzusehen. Nach fünf Minuten wird der Part gewechselt und eins weiter gerückt. Jetzt darf der/diejenige, die gerade gesprochen hat, einer neuen anderen Person, dieselbe Frage stellen und muss nun selbst stiller „Buddha“ sein. Das Spiel verlangt einiges an Disziplin und Ausdauer und lädt einen mit der Zeit psychisch mit Energie regelrecht auf. Wenn man zehn Leuten dieselbe Antwort auf die Wer-bist-du-Frage gibt, wird bald klar, was daran hohles Gerede oder echt gemeint ist.

Man verändert die Antworten und präzisiert und konzentriert sie. Eine Variante ist die, dass ein Paar nacheinander dem gleichen Partner antwortet und erst dann weiterrückt. Wir schafften beim Sommercamp 1993 im Restaurant einmal ein solches Buddha-Spiel über mehr als drei Stunden durchzuhalten. Das war für alle Beteiligten ein unglaubliches Erlebnis und eine bewusstseinserweiternde Selbsterfahrung. Man erfährt durch solche Orthopraxie viel über andere und sich selbst. Gemeinschaft bedeutet im ZEGG Öffentlichkeit. Das Private wird dadurch politisch, eine alte APO-Parole.

NEBEN dem nicht bei allen beliebten Buddha-Spiel ist das Forum im ZEGG eine interne öffentliche Bühne, auf der sich ein Mensch unter Anleitung in die Mitte eines präsenten Kreises anderer Menschen begibt, um etwas von sich zu berichten, zu zeigen, darzustellen, daher auch das Verständnis von „Selbstdarstellung“. Das Thema, die inhaltliche Dringlichkeit, bestimmt man selbst, oder ein/e Moderator/in macht einen Vorschlag. Die persönliche „Exhibition“ ist freiwillig, obwohl noch etwas ganz anderes, als sich in klugen Redebeiträgen intellektuell zu präsentieren, in denen sich nur der halbe Mensch und zudem ideologisch oft verstellt zeigt.

DIE Selbst-Darstellung kann Sprechen, Singen, Schweigen, Mimen, Agieren oder symbolisches Handeln sein. Konflikte in einer Gruppe oder zwischen Einzelnen können so z. B. leichter dargestellt, „thematisiert“ werden. Ebenso persönliche Schwierigkeiten – wenn der/die Betreffende das will. Die Darstellung sollte für die entsprechende Person etwas Vorwärtsweisendes haben, also kein Heulen oder Bemitleiden, persönliches Suhlen, kein passives Hängen.

Es gibt forumsgeübte Moderator*innen, die beobachten und begleiten (es wird dazu auch ausgebildet in Kursen), gegebenenfalls helfen und unterstützend eingreifen, eine festgefahrene Forums-„SD“ auch mal beenden. Forum ist die Bühne, über die man öffentlich in die Gemeinschaft eintritt und sich einbringt, zusätzlich zum alltäglichen Verhalten. Das geschieht alles im ZEGG in der Regel sehr behutsam und überlegt.

Es geht also in gewisser Hinsicht um Symbolik und Symbolismus, um „Rollenspiel“ in präsenter interaktiver Umgebung. Denn auch Intervention von außen, den Beobachtenden, ist möglich, wenn sie weiterführt oder als Stichwortgabe für die-/denjenigen in der Mitte, sollte aber möglichst zurückhaltend geschehen. Wobei man natürlich auch mit in die Mitte gehen kann, eine gesteigerte Form von Forum im Wechselspiel von dynamisch Agierenden. Ich habe selbst im ZEGG viele solcher Foren miterlebt. Für die Moderierenden gehört ein geübtes Auge, eine gewisse Erfahrung und psychologische Beobachtungsgabe sowie Empathiefähigkeit dazu. Ein zentrales Stichwort im ZEGG ist „Transparenz“ von Vorgängen, Entscheidungen und Verhaltensweisen, kein Verstellen, kein Verstecken. Lerne dich und andere kennen.

Offenheit und Aufrichtigkeit, authentisch sein, auch mit den eigenen Macken und Fehlern. Zu sich stehen, nicht täuschend so tun, als sei man wer anderes. Man kann in Konkurrenzsituationen eigene Bedrohungen anderer ablegen und muss sich durch andere nicht mehr bedroht fühlen. Kritiker meinen allerdings, darin läge auch eine Art Geständnis- und Offenbarungszwang, der für unsere heutige Welt so kennzeichnend ist. „Big Brother is watching you“ – Orwells düstere 1984-Vision. Ohne Zweifel wird der/die Einzelne für die ZEGG-Gemeinschaft zum „gläsernen“ Menschen und sollte natürlich genauso die Gemeinschaft für den einzelnen zu einer „gläsernen“ werden.

WARUM wird hier dieser ausführliche psychologische Exkurs und theoretische Vorspann gemacht? Weil man Duhms Theorie und Einstellung in der Praxis sonst nicht versteht oder vielleicht falsch versteht. Festgehalten in den beiden Teilen I (Die Theorie im Umriss) und II (Die Theorie im Detail) des 5. Kapitels „Hauptteil: Theorie der globalen Heilung“ des Duhm-Buches „Zukunft ohne Krieg“ (S. 49-78). Denn mit der Umweltkrise befinden wir uns auch in einer tiefen Seelenkrise als ihre sie abbildlich Verursachenden.

Es geht nicht nur um die Konzerne und Monopole, das auch! – es geht auch um uns selbst dabei, unsere eigene Rolle, unseren eigenen Anteil am Verkehrten und Falschen. Das ist der Ansatz wie auch die Chance der Tiefenökologie, die Duhms Denken maßgeblich begründet und leitet. Tiefenökologie ist zugleich Tiefenpsychologie, spirituelle Ökologie ist auch spirituelle Psychologie. So versteht es James Lovelock, verstehen es Dolores LaChapelle, Joanna Macy, Arne Naess oder auch der nicht unumstrittene Vertreter der Transpersonalen Psychologie, Ken Wilber. Alles Vertreter und Vertreterinnen des NEW-AGE-Denkens. Auch Duhm ist ein NEW-AGE-Denker, was seine Bedeutung keineswegs schmälert.

1978 gründete Duhm mit Freunden wie dem Physiker und Musiker Charly Rainer Ehrenpreis und seiner damaligen Partnerin Heide „Sarah“ Vollmer zusammen die Bauhütte e. V., zunächst als Idee, dann auch als kommunitäre Gemeinschaft südöstlich von Heilbronn auf einem Bauernhof im Hohenlohischen nahe Jagsthausen, die eine bestimmte Gemeinschaftsidee mit freier Sexualität und freier Liebe verfolgte. Das Buch „Aufbruch zur neuen Kultur“ war als eine (selbst)befreiende Manifestation für Aussteiger so bedeutend vielleicht wie Luthers antirömische These im frühen 16. Jahrhundert von der „Freiheit eines Christenmenschen“.

Das Buch wurde für viele wie auch mich zur Plattform, um in einen völlig neuen Gedanken- und Argumentationsraum vorzustoßen. Das war das kollektive Wagnis, die letzte Entdeckung auf einer Reise ins humanwissenschaftliche Innenland. Da war Duhms Denken schon über sein Buch „Der Mensch ist anders“ hinaus, d. h., es wurde mit dem Anderssein konkreter. Am Marxismus kritisierte Duhm vor allem dessen metaphysische Blindheit, Dogmatismus und Theorie-Schwindel.

SCHON „Synthese der Wissenschaft“ mit dem Entwurf einer „biokosmischen Resonanztheorie“ war eine Zusammenschau von wissenschaftlichen, philosophischen und religiösen Ansätzen, die sein Denken beeinflussten und hinfort leiteten. Östliche Lehren, mittelalterliche Mystiker, Wilhelm Reich, Aktions-Kunst, um einiges besonders hervorzuheben. 1992 erschien „Politische Texte.

Für eine gewaltfreie Erde“, eine Sammlung von Impulsen und Thesen für das ZEGG, aus dem Auszüge in AGs eifrig gelesen und besprochen wurden. Neben dem großen runden Campus mitten auf dem ZEGG-Gelände steht eine Tafel mit Zwölf Punkten (Thesen) für eine „gewaltfreie Gesamtkultur“. Sie enthalten Aussagen zu Heimat für Kinder, Liebe und Vertrauen, Sexualität, Partnerschaft, Gemeinschaft, Freiheit und Autonomie des Individuums, Denken, Religion, Natur, Tiere, Biotope der Heilung, Netzwerk des Menschen.

„Die Heilige Matrix“ deutete an und gab vor, wohin die Reise ging. Hin zu einer ökospirituellen Ganzheitsauffassung, Gaia-Theorie (James Lovelock), morphogenetische Felder (Rupert Sheldrake), Tiefenökologie, (Arne. Naess), geomantische Landschafts-Akupunktur (Marko Pogacnik) u. v. m. Es könne auf der Erde keinen Frieden geben, wenn unter den Geschlechtern Krieg herrsche, ist eine von Duhms griffigen zentralen Thesen.

IMMER wieder scheitern Gemeinschaften und Kommunen an den (sexuellen) Spannungen zwischen den Geschlechtern, an lähmendem Konkurrenzverhalten deswegen unter Männern wie unter Frauen (Zickenkrieg), an belastenden Autoritätskonflikten, an fehlender Transparenz in Konflikten und daran, dass es dafür keinen offenen Austragungsort mit bestimmten Regeln gibt, wofür das Forum da ist und natürlich die Gemeinschaft als großes offenes Forum.

Und das Konzept der offenen, promisken Beziehungen zu mehreren Partnern gleichzeitig (wer das will). Es ist kein allgemeines Muss oder Credo. Man kann Sexualität und Liebe auch geistig „transzendieren“. Offene Beziehung mit freier Liebe und freier Sexualität. Denn in einer größeren Gemeinschaft ist es nicht zu vermeiden, dass erotisch-sexuelle Attraktionen einzelner zu mehreren anderen Menschen auftreten, wie auch in der normalen Gesellschaft.

Nur kann im ZEGG überlegt und entschieden werden, das auszuprobieren und zu leben. Mit dem Unterschied freilich, dass in der Gesellschaft das Spiel nicht offen abläuft, sondern sich hinter Lügen und unter Verdrängungen abspielt. Oft zum Leidwesen auch von Kindern von Eltern-Paaren, die sich auf sexuelle „Abwege“ begeben. Frauen im und um das ZEGG hatten das Buch „Rettet den Sex“ geschrieben. In den dargestellten Lebensgeschichten von Frauen geht es um diese Themen.

WENN eine Gemeinschaft von solchen inneren Störungen und Dissonanzen durchzogen ist, bleibt meist das politische Gemeinschaftsziel auf der Strecke. Informelle Cliquen bilden sich aus, die einander bekämpfen, autoritäre Strukturen entstehen, durch die einzelne (meist Männer) die Führung an sich reißen und allein bestimmen wollen, was wiederum Palastrevolten provoziert und so weiter. Eine Gemeinschaft kann so ihre gesamte Energie nach innen verzetteln und verschleudern.

Freie Liebe und Sexualität sind kein Allheilmittel, verlangen viel Aufmerksam- und Achtsamkeit und Sensibilität, viel Geduld und Verständnis füreinander, aber sie sind eine Antwort, ein ernsthafter Versuch, Wege aus Sackgassen zu finden und das „Liebesniveau“ und den „Respektlevel“ einer Gemeinschaft deutlich anzuheben, wenn mehr Mitglieder untereinander sich auch intim kennen, achten und mögen. Wenn daraus sowas wie natürliche Solidarität und Empathie entsteht.

„Männerarbeit“ und „Frauenarbeit“ gab und gibt es deshalb im ZEGG, Arbeit an Rollenklischees, Tabus, eingefahrenen Verhaltensmustern, verkehrten Liebesbildern usw. Sexualität und Erotik sollen normal ins Gemeinschaftsleben reintegriert werden, ohne alles zu beherrschen unter Freisetzung freier humaner und kreativer Energie. Wer das einmal am eigenen Leib verspürt, begreift die Dinge „zellulär“, wie Duhm es nennen würde. Das neue geistige Paradigma wird sozusagen zellulär im genetischen Code gespeichert. Es ist in groben Linien dargestellt im Grunde das Humankonzept des ZEGG. In religiösen Kommunen scheint dieser Punkt kein Thema, nun, sie umschiffen ihn schlicht durch die Konzentration auf das transzendente Glaubensziel Gott und Christus.

Die zusammenhaltende Wirkung charismatischer Personen ist dort deshalb auch viel stärker ausgeprägt. Man sublimiert und verdrängt, solange das eben gut geht. Aber die menschliche Natur fordert ihren Tribut und kann nicht auf Dauer unterdrückt und ignoriert werden. Freie Liebe und Sexualität gelingen natürlich in einer dafür sensiblen Gruppe und Gemeinschaft besser, als wenn man sie als Einzelne in einer bürgerlichen Realität zu leben versucht, weil viele nötige Parameter dafür fehlen. Hier könnten vielleicht Netzwerke helfen.

ES ist schon erstaunlich, aber auch bezeichnend, wie kritische Linke heute über das Thema „offene Beziehung“ unter den Prämissen „Liebe, Sex, Vernunft und Glück“ reden und dazu noch deren Loblied singen. Anschaulich demonstriert in dem kleinen Büchlein „Lob der offenen Beziehung“ (2015) des Jungle World-Autors Oliver Schott (*1982). Eine der wenigen aktuellen Denkanstrengungen dazu überhaupt.

Mit dem Ziel, den Umgang mit Liebe und Sexualität neu zu überdenken. Zuzustimmen ist dem Autor in seiner Absicht zu zeigen, dass sich dabei Gefühl, Verstand, Verbindlichkeit und Freiheit nicht entgegenstehen müssen, was fast schon einer Binsenweisheit gleichkommt. Es werden zwar einschlägige Autor*innen u. a. wie Barbara Eder, Philippe Ariès. Herrad Schenk, Volkmar Sigusch und sogar der vornehme libertäre Abendland-Denker Sir Bertrand Russell herangezogen oder zitiert.

Aber Namen wie Wilhelm Reich („Die sexuelle Revolution“; „Die Entdeckung des Orgons, Bd. I: Die Funktion des Orgasmus“; „Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral“), Alex Comfort („Joy of Sex“/“More Joy of Sex“; „New Joy of Sex“; „Der aufgeklärte Eros“; „Natur und menschliche Natur“), Dolores LaChapelle („Heilige Erde, Heiliger Sex“), Michel Foucault („Sexualität und Wahrheit“) oder eben auch Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels fehlen völlig, werden weder einbezogen noch als Literaturhinweis genannt.

Das muss man dem Autor, ohne ihn deswegen anzugreifen, als Manko und Versäumnis auslegen. Gerade Alex Comforts Joy-of-Sex-Bücher (er war auch Anarchist, Gesellschaftskritiker und Altersforscher), werden oftmals um ihre soziale Dimension reduziert auf „Sex-Ratgeber“, was sie definitiv nicht nur sind.

DER Verdacht kommt auf, als hätte Schott da einen „blinden Fleck“ und stecke Kalkül hinter dem Ausblenden. Es findet leider auch keine genauere Auseinandersetzung mit der wichtigen politischen Frage nach geeigneten Formen des Zusammenlebens für „offene Beziehungen“ statt wie etwa WG, Kommune, Gemeinschaft, Ökodorf, Experiment, Heilungsbiotop u. a.

So greifen Schotts Reflexionen letztlich zu kurz und bleiben die hedonistische Privatsache Einzelner, die ihr Leben gegen die Monogamie einrichten wollen und allein häufig daran scheitern werden. Der Umgang mit Liebe und Sexualität und ihre Organisation im täglichen Leben stellt eine gesellschaftliche Frage ersten Ranges dar, die eng mit der individuellen Sozialisation jedes und jeder Einzelnen verknüpft ist und nach emanzipativen, befreienden Antworten verlangt.

Leider wird dies heute noch immer sträflich vernachlässigt und bleibt unthematisiert. Wie sollen etwa Menschen unterschiedlichen Geschlechts auf einem Forschungsschiff oder in einer arktischen Forschungsstation oder auf der Internationalen Raumstation ISS mit ihren sexuellen Bedürfnissen umgehen und klarkommen? Bisher gibt es noch keinen Report über Sex im Weltraum.

DAS ZEGG hat sich über vereinzelte Netzwerke hinaus nie nennenswert zusätzlich in Stadtgruppen etabliert und ausgeweitet, obwohl daran auch gedacht war. Das ist bestimmt ein Manko, überforderte aber häufig einzelne bestehende Stadtgruppen schnell. Aber die Interessierten kommen lieber zum Original und nehmen dessen Kurs- und Seminarangebote als Bildungs- und Begegnungsstätte wahr mit ZEGG-Universität (anfänglich), Tagungshaus, Wohnbungalows auf dem Gelände, Übernachtungshaus und großer Mensa mit vegetarisch/veganer Großküche und Außenveranda zum Garten hin.

Es wird versucht, möglichst autonom zu leben, sich zu organisieren und vegetarisch/vegan zu versorgen, mit von Kohle auf Holzschnitzel umgerüstetem eigenem Heizwerk, eigener Sumpfpflanzen-Kläranlage (die hart gegen die Stadt Belzig erkämpft wurde), eigenem Bio- und Permakulturgarten. Für ZEGG-Kinder gibt es wie in einem Kibbuz ein eigenes Kinderhaus mit Anschluss an einen kleinen Tiergarten, Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen, Enten, Ziegen, um die sie sich kümmern dürfen.

Hunde und Katzen laufen sowieso frei herum und nachts im Sommer hört man draußen Nachtigallen in den Ästen singen und wenn man Glück hat in den angrenzenden Wäldern des Hohen Fläming einen Wolf heulen. Im Winter gibt es nach dem großen Silvestertreffen mit visionärem Ausblick-Charakter eine Seminar- und Besucherpause, ein „Winter-Retreat“. Man betreibt Reflexion, Reinigung (Schwitzhütten), fastet vielleicht, trifft sich zu gemeinsamem Essen, bastelt an neuen Themen usw. Gemeinschaft atmet und pulsiert, die beiden Grundlebensprinzipien.

BIS wieder zum Ostertreffen und folgenden Pfingstfestival und später dem großen mehrwöchigen Sommercamp mit mehreren hundert Teilnehmenden und interessanten Referenten von außen. Ich erlebte u. a. Barbara Rütting und den Psychoanalytiker Ernest Bornemann (beide inzwischen verstorben). Dann ist permanente Feststimmung auf dem Gelände.

Nirgendwo in einer Kommune wird so viel zusammen gesungen (Come-Together-Songs), Lieder und Gesänge aus Afrika, von Balkan und Roma, alte und neue deutsche Lieder, jiddische Lieder, Mantras, „Canto general“ von Neruda/Theodorakis und lustvoll musiziert mit eigener Band und Chor; nirgendwo wird öffentlich so miteinander geschwoft und ausgelassen paarweise getanzt (gemeint ist fließendes beschwingtes Tanzen, keine zuckenden abgebrochenen Körperverrenkungen zu Beatschlägen) auf dem Tanzboden im San Diego Café mit Cocktailbar und Bühne, dem Ort, wo man sich am Samstagabend trifft, sich dazu in Schale wirft, verabredet und einander für die Nacht „einlädt“, wie das im ZEGG dezent heißt.

Nirgendwo wird so viel gemalt und freie Körper-Kunst gemacht, Bodypainting und Tanz. Trance & Tanz, Rhythmus – Trommel – Klang; Mantras & Stille; Love & Dance Festival. Das ZEGG feiert Körper, Seele, Geist und alles, was diese in Bewegung bringt. Heilung und soziale Veränderung schafft, das „Glück“ fördert, wenn man das hier vermessen sagen kann. Mensch darf glücklich sein im ZEGG. Liebe sozusagen als „soziales Kunstwerk“.

ES gibt (oder gab) auf dem weitverzweigten Gelände einen Bücherladen, dazu als publizistische Institution den Verlag Meiga, und eine gemütliche Kneipe am Dorfplatz und dahinter zwischen Kiefern und Birken ein Waldschwimmbad mit Pflanzenklärung, das deshalb immer etwas grünlich trüb ist, dafür aber nicht nach Chlor stinkt. Programm und Konzept werden in einem jährlichen Gesamtprospekt aufgeführt und vorgestellt.

Leider hat man schon vor langem sowohl den ZEGG-Rundbrief (Nachfolger des San-Diego-Magazins) als auch jährlichen ZEGG-Reader eingestellt. Es „rechnete“ sich nicht, wie es hieß, wenn man es freilich nur rein monetär betrachtet und man folgte dem online-Wahn. Dafür sollte es Themenbroschüren geben, was aber nach meinem Eindruck nicht umgesetzt wird. Wer möchte, kann sich regelmäßig den ZEGG-newsletter zumailen lassen.

DIETER Duhm ist zwar ZEGG-Initiator, nicht zuletzt mit seiner Broschüre von 1978 und Anstoßgeber für die Gemeinschaft, sein Lebensort ist heute TAMERA oder auch Heilungsbiotop 1, das sich offiziell Zentrum für Friedensforschung und -ausbildung nennt. Einer in schönem hügeligem Gelände mit kleinem See gelegenen Öko-Siedlung am Monte Cerro, wo etwa ständig bis zu 150 Menschen leben.

Der Ort versteht sich als Teil eines globalen Eco Village Net. Duhm meinte einmal, in Ländern wie Portugal seien die Bedingungen staatlicherseits für Alternativprojekte besser und unkomplizierter als in Deutschland. Duhm fand in der Theologin, Feministin und Tamera-Mitgründerin Sabine Lichtenfels (früher Kleinhammes, *1954), eine kongeniale Partnerin und Mitarbeiterin, die mit ihm zusammen für die Heilungsbiotop-Ziele eintritt und wirkt.

Zwei ihrer Bücher dazu tragen die Titel „GRACE. Pilgerschaft für eine Zukunft ohne Krieg“ (2006) und „Tempel der Liebe. Reise in das Zeitalter der sinnlichen Erfüllung“ (2009). Grundlage ihrer politischen Arbeit ist laut Buchklappentext die Versöhnung der Geschlechter und ein neues Frauenbewusstsein. Damit bilden Yin und Yang, weibliches und männliches Prinzip, in Tamera ein starkes liebendes Feld.
© Elmar Klink, D-Bremen, 21.Mai 2020/26. Mai 2021.

Ergänzende Literatur: Birger Bumb & Beate Möller (Hg.): Sommercamp im Wilden Westen. Vorzeichen eines neuen Lebensmodells. Radolfzell a. Bodensee 1990 – David Boadella: Wilhelm Reich. Pionier des neuen Denkens. Eine Biografie. Darmstadt 2008 – Das Buch Sidari. Über Schöpfung, Kunst und sinnliche Liebe. Mit Gedanken und Gemälden von Dieter Duhm. Radolfzell 1988 – Die Erfindung der Liebe. Berühmte Zeugnisse aus drei Jahrtausenden, vorgestellt von Claudia Schmölders. München 1996 – Leila Dregger: Tamera – Ein Modell für die Zukunft (Fotobildband). Belzig 2010 – Dieter Duhm: ZEGG. Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Konzept eines ökologischen Dorfes als Forschungs- und Bildungszentrum. Lampertheim 1978 – Ludwig Ebersberger: Der Mensch und seine Zukunft. Natur- und Humanwissenschaften nähern sich dem Weltverständnis von Teilhard de Chardin. Olten (CH) 1990 – Achim Ecker: Nachhaltigkeit und Ökologie im ZEGG. Belzig o. J. Jürgen Fischer: Sexuelle Liebe im Jetzt. Tantra und die zweite sexuelle Revolution. Saarbrücken 2015 (3. überarb. Aufl.) – Paul Hawken: Der Zauber von Findhorn. Ein Bericht. Reinbek b. Hamburg 1987 – Franziska Heinisch et al: Ihr habt keinen Plan. Darum machen wir einen. 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft. (Der Jugendrat der Generationen Stiftung). München 2019 (4. Aufl.) – Elmar Klink: Wir kommen alle ins Wilhelmreich. 60 Jahre nach Wilhelm Reich. Ein Rückblick; in: Bukumatula, Zeitschrift des Wilhelm Reich Instituts (Wien); Heft 1/2018, S. 4-31 – Ders.: Die Seele ist eine Funktion des Lebendigen. Wilhelm Reich – Person und Werk. Kontext, Wirkung und Deutung. Bremen 2019 (unveröffentl. Manuskript; 23 S.) – Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Biographie 1861-1925. Stuttgart 2011 – Marco Pogacnik: Erdwandlung als persönliche Herausforderung. München 2003 – Ola Raknes: Wilhelm Reich und die Orgonomie (Nach wie vor eine der besten Einführungen ins Werk). Frankfurt/M. 1973 – Wilhelm Reich: Kinder der Zukunft. Zur Prävention sexueller Pathologien. Hrsg. von Mary Higgins und Chester M. Raphael. Gießen 2018 – Dolores Richter: Die Liebe als soziales Kunstwerk. Bad Belzig 2011 (2. Aufl.) – Christoph Rosenthal: Über die Anthropologische Kunst. Eine Auseinandersetzung mit dem Bezug zwischen Natur und Kultur. o. O. 1998 – Ders.: OMEGAerden. Ein utopischer Entwurf als Beitrag zu Utopistik und Teleologie. Witten 1998 – Alfred Schmidt: Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx. Hamburg 1993 (4. überarb. und verb. Aufl.)- Oliver Schott: Lob der offenen Beziehung. Über Liebe, Sex, Vernunft und Glück“. Berlin 2015 (8. Aufl,) – Rupert Sheldrake: Das schöpferische Universum. Die Theorie der morphogenetischen Felder. (Kompl. überarb. NA). München 2008 – So könnte Frieden entstehen. Vorträge und Texte von Dieter Duhm. Studienreihe Tamera, Band 2. Verlag Meiga 2004 – Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung. Bad Liebenzell 2013 Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Gemeinnütziges Bildungszentrum, Ökodorf, Gemeinschaft. (Einführung). Belzig o. J. (2016).

Zum Verfasser: *1953, freier Autor, i.R., Ausbildung zum Sozialarbeiter und Sozialwissenschaftler; beruflich tätig gewesen in Beratung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit; zahlreiche Aufsätze, Kurzessays, Porträts, Buch- und Filmbesprechungen.
Kontakt: Elmar.Klink@gmx.de

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    Bukumatula 1/2021

    Will Davis: „Funktionale Analyse“

    Grundlagen und Anwendungen in der Körperpsychotherapie
    Buchrezension von
    Matthias Wenke:

    Will Davis ist Psychologe und Körperpsychotherapeut und hat seit den 1980er Jahren ausgehend vom Werk Wilhelm Reichs, der Gestalttherapie, Rogers klientenzentrierter Psychotherapie sowie deren Nachfolger eine ganz eigene Methodik und später auch Methodologie entwickelt, die er selbst als Funktionale Analyse bezeichnet und deren integraler Bestandteil eine spezielle Art der unmittelbaren Berührung des Bindegewebes ist.

    Das Werk hat fünf große Hauptkapitel; die ersten drei behandeln wesentliche theoretische Grundlagen von Instroke, Charakterpanzer und Endoselbst, die letzten zwei befassen sich mit therapeutischen, praxeologischen und methodologischen Fragen.

    Die Einzelartikel beruhen auf bereits publizierten Texten oder Vorträgen unterschiedlichen Datums, sind folgerichtig angeordnet und ergeben insgesamt einen flüssigen Leseeindruck. Es ist die Zusammenführung eines Lebenswerkes vieler Jahrzehnte. Gelegentliche Redundanzen über verschiedene Kapitel sind eher das Verständnis unterstützend als störend.

    Davis´ Ansatz der Funktionalen Analyse ist weder Körperpsychotherapie im Sinne einer Psyche, die auch einen Körper hat, noch psychosomatische Arbeit an der Wechselwirkung zwischen psychischen und somatischen Symptomen. Der Terminus funktional zielt auf eine tiefere organische Ebene, auf die Ebene der primären vegetativen Energie, dort wo (nach dem Modell von Reich) Psyche und Soma entspringen. Davis geht wie Reich und Adler vom somatopsychischen Wesen des Menschen als einer unteilbaren Ganzheit aus.

    Davis berichtet aus seiner praktischen Erfahrung, dass sich die funktionale Körperarbeit am Bindegewebe vor allem auf früh traumatisierte Charaktere günstig auswirken kann, die sonst kaum therapeutisch ansprechbar sind, etwa schizoide, narzisstische, orale oder Borderline-Strukturen.

    Er nimmt an, dass hier noch keine muskuläre Abwehr vorhanden war, so dass es zu einer chronischen Gesamtkontraktion des frühen Bindegewebes, einer plasmatischen Abwehr – wie bei einer Amöbe – gekommen ist.

    Davis Methode hilft den Klienten in einen ruhigen, empfänglichen Zustand der tiefen Sammlung zu gelangen, wo sie sich trotz ihrer traumatischen Kontraktion der einströmenden Phase der Lebensenergie hingeben können, dem sogenannten Instroke. „Der Instroke ist eine konzentrierende, organisierende Kraft, die den Organismus reguliert“ (S. 198).

    Derartige Zustände absichtsloser Ruhe scheinen mit einer erhöhten Aktivität des sogenannten Default Mode Network (DFN) im Gehirn zu korrelieren, welche wiederum mit einer Reorganisation bestimmter psychischer Erfahrungen einher geht.

    Ein zentrales Merkmal funktionaler Arbeit ist die Betonung intrapsychischer Prozesse der Selbstbeziehung anstelle interpersoneller Beziehungsarbeit. Denn „…während des prä- und perinatalen Stadiums kennt das Kind nur sich selbst. Alle Ereignisse und Erfahrungen werden als Selbst-Erfahrungen erlebt.“. (S. 80) Davis nimmt an, dass die Selbstbeziehung allen späteren Objektbeziehungen vorausgeht und ihnen zugrunde liegt.

    Im Kern findet er ein unverletztes Selbst, welches er als Endoselbst bezeichnet, ein unversehrter und unveränderlicher Bewusstseinsraum vor jeder Fremderfahrung, eine primordiale Bewusstseinsschicht. Winnicott (1988) beschreibt sie als incommunicado core und Eigen (2008) als predependent aloneness.

    Hier erkennt man das Verständnis von Bewusstsein und Unbewusstem der Funktionalen Analyse. Das Unbewusste ist das tiefe körperliche Selbsterleben, das auftaucht, wenn Kognitionen und Emotionen zur Ruhe kommen. Davis sieht die Freud’sche Metapher vom Eisberg mit winzigem bewussten Ich über Wasser und riesigem Unbewussten unter Wasser, geradezu auf den Kopf gestellt.

    Er macht darauf aufmerksam, dass die jüngere Arbeit der Neuropsychologen Solms & Panksett (2012) – mit dem aufschlussreichen Titel The Id knows more than the Ego admits – plausibel zeigt, dass das subjektive Selbstgewahrsein unabhängig von der Großhirnrinde ist und mit den Primärprozessen des Hirnstammes korreliert, die sich auch bei Tieren finden.

    Nach Auffassung der Funktionalen Analyse sucht das Kind nicht ein Objekt, sondern eine bestimmte Selbsterfahrung mit dem Objekt, nicht einen Vater, sondern sich bevatert zu fühlen. Diese inneren Objektbeziehungen reorganisieren die Klienten ganz für sich allein. So wird es unter anderem bei der Arbeit am Bindegewebe mittels Points & Positions beobachtet.

    Die Klienten erfahren sich selbst auf ein neue Art und Weise und finden manchmal unmittelbar Zugang zu Selbstgewahrsein und implizitem Wissen. Schlüssel für alles ist in der Funktionalen Analyse die Ermöglichung einer sicheren Verbindung mit dem „Kern“, in dem alles Potential zu Reorganisation und Selbstheilung bereits vorliegt.

    Es hatte sich nämlich in Davis´ früheren Therapiesitzungen – zunächst ungeplant und unverstanden, immer wieder gezeigt, dass es über die Anregung des Instrokes möglich ist, auch solche Charakterstrukturen positiv anzusprechen, die unzugänglich für kathartische, konfrontative Arbeit sind, weil es ihre Abwehr mobilisiert. Nun hatte Davis einen Zugang „unterhalb“ der Abwehr gefunden, der effektive energetische Veränderungen erlaubte, jedoch ohne die Grenzen – intensives Erleben, oft aber nicht nachhaltig – und Gefahren – Dekompensation, Psychose – von kathartischen Entladungsmethoden.

    Stattdessen wird in der Funktionalen Analyse auf kathartische, expressive Arbeit ganz verzichtet, ebenso wie auf das gezielte Durcharbeiten der Vergangenheit oder von Problemen.

    Es geht in der Funktionalen Analyse bei der unmittelbaren Begegnung zweier Organismen in der Gegenwart eher um Resonanz, spontane Mitbewegung (Heisterkamp 1993) und unmittelbare Einfühlung in den Körperzustand des Klienten, als um das Verstehen einer Erzählung; um Emotion, Energie und Intention. „Don´t get lost in the content”, sagt Davis.

    Und obwohl der Fokus auf intrapsychische Prozesse gelegt wird, widmet er ein ganzes Kapitel den Fragen von Übertragung und Gegenübertragung, um die förderliche aufrichtige echte, von falscher positiver oder negativer Übertragung unterscheiden zu lernen. Auch in der Funktionalen Analyse benötigt man eine tiefe Vertrauensbeziehung zweier gleichwertiger Menschen als Fundament der Arbeit.

    Die Tatsache, dass Klienten innere Objekte ohne dialogischen Austausch tief reorganisieren – etwa die Beziehung zu den Eltern – oder spontan neue Grenzen setzen, mag dem einen oder anderen relational geprägten Leser fast unwahrscheinlich vorkommen.

    Hier mag man sich an Adlers Feststellung erinnern, dass die Änderung allein das Werk des Patienten sein kann. Davis zitiert immer wieder konkrete Aussagen seiner Patienten, in einem Fall zeigt er Fotografien von Körperhaltung und Ausdruck eines Patienten bei Beginn und nach einigen Monaten Funktionaler Analyse.

    Wegen der Identität von Psyche und Soma führt die unmittelbare Arbeit am Bindegewebe zu starken Veränderungen im psychischen Raum der Klienten. Diese reproduzierbare Erfahrung fasst Davis so zusammen: „Die Arbeit auf der plasmatischen Ebene ist die unmittelbare Arbeit am Leben selbst“ (S. 112). Er skizziert detailliert ein biologisches Modell, welches diese Veränderungen schlüssig erklärt.

    Form folgt Funktion sagt die Biologie und Davis erklärt: „Es ist schwer, sich eine Kuh vorzustellen, die sich wie eine Katze verhält und umgekehrt. Das energetische Funktionieren des jeweiligen Tieres bestimmt seine Körper- und Bewusstseinsform, die sich dann im Verhalten zeigt. Dasselbe gilt für uns Menschen.“ (S. 120). Und „Form“ ist Bindegewebe.

    Verschiedenste Arten von Bindegewebe (connective tissue, CT) umhüllen und formen menschliche und tierische Körper, es gibt ihm sein äußeres Erscheinungsbild. Ebenso schafft es alle Formen und Räume im Inneren, so dass jedes Organ, buchstäblich jede Zelle, ihren Platz hat. Zusätzlich verbindet, verkapselt und trennt das Bindegewebe verschiedene Teile und Organe des Körpers. Auch das Nervensystem besteht zu einem großen Teil aus Bindegewebe. Damit ergibt sich ein dreidimensionales, alles durchdringendes und alles verbindendes Bindegewebenetz im menschlichen und tierischen Organismus – und über das Cytoskelett bis hinein in jeden Zellkern.

    Ein wichtiger Punkt ist die schützende Reaktion des Bindegewebes auf physische und psychische Verletzungen und Belastungen und seine bedarfsabhängige Plastizität. So wie es aufgebaut werden kann, kann es sich auch abbauen, also unter bestimmten Bedingungen in seinen ursprünglich gesunden Zustand vor der Belastung zurückkehren (Thixotropie). Die Points & Positions-Berührungstechnik der Funktionalen Analyse wurde genau dazu entwickelt, diese Plastizität zu nutzen sowie die ursprüngliche bioenergetische Koordination des Organismus wiederherzustellen.

    Davis zeigt sehr überzeugend, dass Reichs ursprüngliches Konzept des Charakterpanzers nicht als Muskelapparat zu denken ist, sondern als historische Struktur des plastischen Bindegewebes, welche Adler als geronnene Bewegung erkannt hatte (Adler 1932 h). Unter normalen Bedingungen entspannen sich die Muskeln nach Ende einer Belastung und kehren in den Zustand vor dem Ereignis zurück. Falls die Anspannung aber nicht gelöst wird oder immer wieder erfolgt, kommt das Bindegewebe der gestressten Muskulatur zu Hilfe.

    Es bilden sich Bindegewebsfasern in der belasteten Region und bauen ein Stützungssystem für die Muskeln auf. Bindegewebe ist also eher historisch. Viele neurotische Mechanismen, der Charakterpanzer oder ein auf Dauer gestellter Alarmzustand des Nervensystems, sind somit chronische vegetative Bereitschaften, muskuläre und vor allem fasziale Haltemuster aus der präverbalen Zeit.

    Davis weist zusätzlich auf die Halbleiterqualität aller Arten von Bindegewebe dieser lebendigen Matrix hin, durch die ein stetiger Gleichstrom fließt und jeden beliebigen Punkt mit jedem beliebigen anderen instantan verbindet. Zusätzlich dazu besteht auch der größte Teil des Zentralnervensystems aus Bindegewebe.

    Auch das Gehirn und die Neuronen sind gefüllt mit grauer Substanz bzw. umhüllt von Myelinscheiden, die ein eigenes Netzwerk bilden, das Perineurium, welches ohne Nervenzellen auch elektrische Impulse aus Gleichstrom übermittelt. So stellt der plasmatische Körper etwa fest, ob und wo er verletzt wurde, ganz ohne Gehirn. Ein Verletzungsstrom hin zur Wunde ist messbar.

    Somit ergibt sich neben dem neuronalen, ein, den gesamten Körper durchdringendes plasmatisches Kommunikationssystem. Davis erkennt hier ein duales Nervensystem und zitiert einschlägige Untersuchungen verschiedener Biologen, die sich seit den 1990er Jahren zu diesem Modell ergänzt haben. Das plasmatische System wird von allen Lebewesen ohne Gehirn und Nervensystem genutzt (z.B. Amöben, Oktopusse).

    Außerdem spielt der Gleichstrom eine Rolle bei der Gesamtregulation von Bewusstsein, Schmerzempfinden und Schlaf. Davis vermutet hier einen Zusammenhang zum hypnagogischen oder tranceähnlichen Zustand (Instroke), den viele Menschen erleben, die mit der Points & Positions-Berührungstechnik behandelt werden.

    Zusammenfassend kann man sagen, dass in diesem Werk viele Fäden aus Psychologie, Tiefenpsychologie, Körperpsychotherapie, Energietheorie, Neurowissenschaft und Biologie schlüssig zu einem ganzheitlichen Ansatz zusammengeführt werden, der auch bislang unverstandene Phänomene von Selbstheilung und Interaktion erklären kann.

    Davis hat mit seiner Forschung über die Zusammenhänge von Charakterstruktur und Strukturen des Bindegewebes einen wichtigen Beitrag zu Adlers großer Aufgabe geleistet, den Organdialekt verstehen zu lernen.- Das Werk kann ohne Übertreibung als ein Meilenstein der Humanistischen Psychologie bezeichnet werden.
    _______________________________________

    Will Davis „Funktionale Analyse – Grundlagen und Anwendungen in der Körperpsychotherapie“ (Wissenschaft vom Lebendigen). € 39,90.
    Psychosozial-Verlag, Gießen, 2020. ISBN 978-3837929706

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  • Buk 2/21 Ein Brief an Reich

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    Bukumatula 2/2021

    Ein Brief an Reich

    von
    Peter Bolen:

    Lieber Wilhelm Reich!

    Zu Deiner Zeit hätte ich sicher Dr. Reich zu Dir sagen müssen – ich verwende gerne das alte, nicht mehr gebräuchliche große „D“ am Anfang des Du. Aber wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert und ein toter Guru ist ein guter Guru, weil er nicht mehr widersprechen kann. Apropos Wilhelm, ich habe sogar meinen Lieblingshund Willi nach Dir benannt. Aber beginnen wir mit dem Anfang, wie ich auf Dein Werk gekommen bin.

    Der erste Kontakt mit Dir war das Lesen eines Deiner Bücher, ich kann mich nicht mehr erinnern, welches es war. Es hat mich als achtundzwanzigjährigen, ehrgeizigen und damals sehr konservativen Assistenten an der psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik Wien fasziniert. Ich ging zu meinem damaligen Mentor, dem stationsführenden Dozenten Gustav Hoffmann und fragte ihn nach seiner Einschätzung von Reich.„Ach, der war ja verrückt!“ meinte Hofmann. Als autoritätsgläubiger junger Psychiater zu der Zeit der „heroischen Psychiatrie“, wie ich sie heute nenne, legte ich das Buch zu Seite.

    Damals, 1977, existierte an der Klinik die Psychotherapie irgendwo geheimnisvoll in der Peripherie, etwa wie das ungenaue Wissen über die Freimaurer oder über die Kabbala.

    Ein Oberarzt war Psychoanalytiker, ein gewisser Dozent Solms-Rödelheim. Die Psychoanalyse wurde vom Klinikleiter Hans Hoff geduldet. Sozusagen als Schutzschild gegen eine Kritik am Fortschritt durfte Solms ein Psychotherapieseminar für Klinikärzte (in dieser Gruppe gab es keine Frau) halten. Einmal die Woche, eine Stunde lang. Es war Magermilch, die ich schlürfte.- Wohin sollte ich mich wenden?

    Es gab damals in Wien, zum Ende der 60er Jahre nur zwei Psychotherapieformen. Die Psychoanalyse nach Freud und die Individualpsychologie nach Adler. Die eine wurde neben dem theoretischen Wissen durch eine hochfrequente Eigenanalyse – vier Stunden pro Woche – erlernt und dauerte viele Jahre. Die Individualpsychologische Analyse erforderte lediglich eine Sitzung pro Woche. Beides konnte ich mir damals nicht leisten.

    Ich hatte schon als Werkstudent geheiratet und wir hatten noch während meines Studiums zwei Kinder. Die Arbeit als Fremdenführer während meiner Studentenzeit war einträglicher gewesen als die Arbeit an der Klinik. Außerdem wusste ich damals zu wenig über die Unterschiede zwischen diesen psychotherapeutischen Verfahren. Sehr viel später, mit 50 Jahren, nachdem ich bereits zwei psychotherapeutische Ausbildungen absolviert hatte und dabei war, eine körperpsychotherapeutische Schule zu gründen, machte ich aus Neugierde eine klassische Psychoanalyse.

    Es gab an der Klinik einen einzigen Adlerianer, das war Erwin Ringel. Ich hatte das Vergnügen, während meiner Zeit an der Station für Schädel-Hirn Rehabilitation nur ein Zimmer von Ringel entfernt zu arbeiten. In der Früh nahmen wir gemeinsam das Frühstück in einer kleinen, dazwischen liegenden Teeküche ein. Für mich war es eine sehr bereichernde Begegnung, da ich so viele Anekdoten aus erster Hand erfuhr, die er später als Arzt der österreichischen Seele publiziert hat. Eine möchte ich hier bringen….

    Ringel erzählte mir über die Begegnung mit einem Schweizer Psychiater namens Blum. Der hatte noch seine Analyse direkt bei Freud gemacht. Ringel fragte Blum neugierig: Erzählen sie doch, wie war Freud persönlich in der Analyse? Blum antwortete: Freud ist erregt während der Stunde auf und ab gegangen, hat an seiner Zigarre gezogen und hat doziert. Ich bin kaum zu Wort gekommen.

    Das war für mich eine herrliche Geschichte, hat aber mein Wissen über die Psychoanalyse nicht vermehrt. Ein einziger Arzt an der Klinik, Otto Presslich, ein EEG-Fachmann, hat damals eine Psychoanalyse gemacht. Ein oder zwei Jahre später las ich ein Buch von einem gewissen George Bach aus den USA, der die sogenannte Aggressionstherapie entwickelt hatte. Ich lud ihn, damals schrieb man noch Briefe, zu einem Workshop nach Wien ein.

    Am Flughafen, wo ich ihn gemeinsam mit meiner damaligen Frau Inge abholte, schockierte er mich zweifach. Auf dem Foto, welches ich von ihm besaß, trug er keine Brille. In natura trug er eine starke Starbrille, so dick wie wir sie im Wienerischen Glas-Aschenbecher nennen. Und zur Begrüßung griff er vor meinen Augen mit beiden Händen an die Brust meiner Frau.

    Ich war zu schockiert, um zu reagieren. Im Workshop lernten wir mit Batakaschlägern auf uns einzuhauen, um unsere Aggressionen abzureagieren. Auch der Wiener Bioenergetiker Waldefried Pechtl war damals von Bach fasziniert. Der etwaige Wert dieser Therapie war schnell verblasst. Bach war wohl ein finanzielles Genie. Er hat sich in den USA einige ausrangierte Schlafwagenwagons gekauft, um dort die Teilnehmer seiner Workshops unterzubringen.

    Das nächste Hineinspüren in die Welt der Psychotherapie war der Auftrag von Hoff an mich, eine Schizophrenie-Gruppe einzurichten. Ich hatte zur damaligen Zeit zwar einige Erfahrung mit schizophrenen Patienten, aber keine Ahnung von Gruppenarbeit. So bin ich zuletzt mit dem Oberarzt Bruck in den Schizophrenie-Gruppen gesessen und jedes Mal fast eingeschlafen. Chronisch Schizophrene haben eine Antriebsstörung und äußern sich daher spärlich.

    Ich habe diese Idee der Therapie aufgegeben. Typisch für die damalige Zeit war der nächste Auftrag von Hoff, ich möge eine Psychodramagruppe an der Klink einführen. Eine Burgtheaterschauspielerin, eine Patientin von Hoff, sollte mir dabei helfen. Ich hatte keine Ahnung von Psychodrama und nach zwei Gruppensitzungen beendeten wir das Experiment.

    Dann kam Raoul Schindler vom Steinhof und bot ausschließlich für Psychiater die Teilnahme an einer Gruppentherapie an. Die Sensation war, dass es gratis war, da Schindler noch experimentierte.

    Die Gruppe lief ein Jahr und war in meinen Augen ein Fehlschlag. Schindler war sehr passiv-analytisch, später hat er allerdings gute Interventionen für Gruppen erarbeitet. Die damals teilnehmenden Ärzte waren, so wie ich, sehr zurückhaltend und keiner wollte etwas von sich preisgeben. Wir wollten vor allem andern zuhören.

    Meine erste wirkliche Ausbildung in der Psychotherapie begann in den gruppendynamischen Seminaren von Alpbach, wo Schindler die einmal jährlich stattfindenden Wochenseminare initiiert hat. So kam ich zu meiner ersten Graduierung als dynamischer Gruppenpsychotherapeut.

    In Alpbach erlebte ich unter der Leitung von Richard Picker meine erste Gestaltgruppe. Picker war in Deutschland von Hilarion Petzold, der ebenso wie Picker früher Priester war, ausgebildet worden. Kurz darauf begann in Österreich die erste Gestalt Ausbildungsgruppe, die vom IGW-Würzburg angeboten wurde. Der Begründer dieses Institutes, Hans Jürgen Walter, hatte sich im Streit mit Petzold von ihm abgespalten.

    Ein klassisches Thema in der Psychotherapiegeschichte. Dort sind Schulen entweder Biografien oder Autobiografien. Die stärksten Schüler spalten sich im ödipalen Streit von ihrem Lehrer ab und gründen eine eigene Schule. So war es auch bei Freud. Er hat sowohl

    • Wilhelm Reich (seine Arbeiten über Sexualität und den Marxismus)
    • Alfred Adler (nicht der Ödipus Konflikt steht im Zentrum des Menschen, sondern der Wille zur Macht)
    • Fritz Perls (der Begründer der Gestalttherapie, die viel dynamischer als die Analyse verlief) und letztlich
    • Otto Rank (das wichtigste Trauma des Menschen ist die Geburt) durch Zurückweisung vergrault.

    Natürlich bin ich heute froh, Dich, lieber Wilhelm Reich, nicht persönlich gekannt zu haben. Wir hätten uns bald zerstritten, weil Du, so wie auch Freud, ein patriarchalischer, autoritärer Lehrer gewesen bist – Kinder eurer Zeit – und zweitens, weil ich bis heute ein ewiger Rebell geblieben bin.

    An der Gestalt-Ausbildung wollte ich unbedingt teilnehmen. Mich faszinierte Fritz Perls, und mir schien sein Ansatz sehr interessant zu sein. In diese Gruppe hineinzukommen, die bereits ein Ausbildungswochenende hinter sich hatte, war jedoch für mich nicht so einfach. Um das zu verstehen, muss ich die Vorgeschichte erzählen….

    Ich war mittlerweile von der Klink weggegangen und leitender Chefarzt der Wiener Gebietskrankenkasse geworden. Zu meiner Verantwortung gehörten neben anderen Aufgaben die Leitung aller Ambulatorien der Kasse in Wien. Dazu gehörten vier Großambulatorien und einige kleine, wie das von Strotzka ursprünglich als Ambulanz in der Strohgasse gegründete psychotherapeutische Ambulatorium in der Myrthengasse.

    Dort waren Kämpfe gegen den neu nominierten Primarius Till Tesarek ausgebrochen.- Shaked, ein dort arbeitender Gruppenanalytiker hatte sich auch für diesen Posten beworben – und die Wahl von Tesarek war für ihn ein Affront. Tesarek war Psychiater und Neurologe, aber wie fast alle Psychiater damals, hatte er keine psychotherapeutische Ausbildung. Eine von Shaked geleitete Gruppe solidarisierte sich mit ihm und begann über die Presse ihrem Protest gegen die Fehlbesetzung Ausdruck zu geben.

    Der damalige Obmann der WGKK, der „Metaller“ Sekanina, der später als Bautenminister gehen musste, sagte zu mir: Peter, was sollen wir machen? Was ist in dem Ambulatorium los? Ist das ein Debattierklub? Wir sind ja als Kasse nicht gezwungen, so ein Ambulatorium überhaupt zu betreiben. Schließen wir es einfach.

    Das war meine Chance: Karl, lass mich das machen. Ich bin Psychiater und Psychotherapeut und ich würde neben meiner rein administrativen Tätigkeit auch gerne direkt mit Patienten arbeiten. Mach mich dort zum Primarius.- Und so kam es auch.

    Tesarek bekam zum Trost das Primariat im Jugendambulatorium und ich im Psychotherapie-Ambulatorium. Für die Kasse ein Gewinn, da ich beide Funktionen mit dem gleichen Monatsbezug erfüllte.

    Neben meinen persönlichen Ambitionen habe ich natürlich daran gedacht, dass es damals keine Psychotherapie auf Krankenschein gab und diese Einrichtung der Kasse zumindest der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein war.

    Tatsächlich gab es damals für Psychiater und Neurologen mit einem Kassenvertrag eine Abrechnungsposition für Psychotherapie, ohne dass diese Fachärzte irgendeine Ausbildung in Psychotherapie gehabt hätten. Psychologen oder andere Berufe wie Pädagogen oder Sozialarbeiter, die eine Psychotherapieausbildung vorweisen konnten, hatten keine Chance, mit der Kasse abrechnen zu dürfen.

    Die Aufgabe, um die ich mich so gerissen hatte, war aber eine gigantische. Es stellte sich heraus, dass von den angestellten Psychiatern außer Shaked, niemand eine Psychotherapieausbildung besaß. Dem Zeitgeist entsprechend nahm man an, dass die Psychiater die Fähigkeit zum psychotherapeutischen Handeln quasi mit der Muttermilch eingesogen hätten und keine Ausbildung dafür benötigten.

    So versetze ich eine Psychiaterin in ein anderes Ambulatorium und schickte eine Testpsychologin in Pension. Eine andere Psychiaterin wechselte in das psychiatrische Krankenhaus am Steinhof. Shaked ging gekränkt von selbst, wobei ich ihn persönlich gerne als Fachmann behalten hätte.- Ich wollte mit einem neuen Team beginnen.

    Das Ambulatorium in der Myrthengasse war viel zu klein, und ich suchte größere Räume. Es gelang mir das ganze oberste Stockwerk des Großambulatoriums in der Mariahilfer Straße 86 als Räumlichkeit zu bekommen. Aber ich hatte noch nicht das geeignete Personal.

    Nachdem ich die Stellen ausgeschrieben hatte, meldete sich ein junger Mann aus Salzburg, der Psychologie studiert hatte. Er kam in einem grünen Lodenmantel und stellte sich vor: Mein Name ist Dr. Pritz und ich bin Spezialist für die Therapie mit alten Menschen.

    Meine Antwort war: Lieber Alfred, ich kenne dich von Alpbach her. Du bist herzlich willkommen. Mein Plan war zunächst einen geeigneten Kandidaten zu finden und dann gemeinsam mit diesem die nächsten Kandidaten auszuwählen. Damit wollte ich eine homogene Gruppe schaffen, die gut miteinander auskommen würde.

    Das zweite Ziel war, möglichst viele Vertreter von Psychotherapieschulen in meinem Ambulatorium zu haben, da ich der Meinung war und bin, dass sich für verschiedene Patienten, verschiedene Psychotherapieansätze eignen. Die zweite Angestellte war folgerichtig die Verhaltenstherapeutin Maderthaner. Wir haben dann gemeinsam auch Vertreter der Psychoanalyse, des Psychodramas, der Gestalttherapie und zuletzt noch einen Körperpsychotherapeuten, einen ehemaligen Schüler von mir, Wolfram Ratz, angestellt. Bei meiner Pensionierung hatte das Ambulatorium sechzehn Mitarbeiter. Soweit die Vorgeschichte.

    Nun bestand die Gestalt-Ausbildungsgruppe vorwiegend aus Mitgliedern der ehemaligen Gruppe von Shaked, die dafür gekämpft hatten, dass er das Primariat bekommen sollte. Ich war sozusagen der etablierte Konservative und der politisch gut vernetzte Klassenfeind. Etwa zwanzig Jahre älter als die meisten Teilnehmer. Noch dazu war auch Alfred Pritz mit in der Ausbildung. Es war eine wahre Schlacht in der Gruppe. Ich habe es letztendlich geschafft, aufgenommen zu werden.

    Lieber Wilhelm Reich, jetzt kommen wir zu der zweiten Begegnung mit Deiner Arbeit. In der Gestaltausbildung hatten wir verschiedene Trainer. Einer, der für mich eine besondere Bedeutung bekommen sollte, war Michael, Mike Smith. Das Seminar begann mit einem Schock für die Teilnehmer. Ein Gruppenmitglied, später ein Analytiker namens Martin Hoffmann, meldete sich als erster Kandidat für die Demonstration.

    Mike sagte: Zieh dich aus! Ich spürte die Aufregung unter den Gruppenmitgliedern. We are all brothers and sisters sagte Mike. Er forderte Martin auf, sich auf die Matte zu legen und begann mit seiner Körperarbeit. Ich war fasziniert. Durch die Körperarbeit einen Zugang zu seelischem Traumen zu bekommen, war für mich sehr eindrucksvoll.

    Am Ende der Demonstration gab es einen Aufruhr in der Gruppe. Etwa die Hälfte fand den therapeutischen Ansatz von Mike als zu autoritär und Grenzen überschreitend. Die halbe Gruppe reiste unter Protest ab. Ich selbst blieb und bin seither dem Körperansatz treu geblieben. Ich folgte Mike nach Kalifornien.

    Bei einem von mehreren Aufenthalten an der Lomi School in der Bay Area von San Franzisco, wo ich Körperarbeit lernte, begann Mike einen Workshop mit den pathetischen Worten: Was ich euch jetzt zeige, ist nicht irgendeine Körperarbeit, sondern Reichianische Arbeit!

    Mike hatte von dem Pianisten und späteren Begründer des streaming theater, Al Bauman, Reich´sche Körperansätze in der Therapie gelernt. Nun war Al Bauman keineswegs ein Reich-Schüler, sondern ein ehemaliger Klient von Simeon Tropp, der seinerseits Schüler Wilhelm Reichs war. Dennoch war es für mich spannend und wohltuend wieder mit Dir, lieber Wilhelm Reich, über große Umwege in Kontakt zu kommen.

    Ich habe viele Seminare für Mike in Österreich organisiert und von ihm gelernt. Natürlich auch, wie man manches nicht machen sollte. Mike war weder Psychologe noch Psychotherapeut, hatte aber Charisma und eine glühende, aus meiner Sicht auch unkritische Verehrung für Reich.

    Doch die Begeisterung kommt als Erstes, später die Infragestellung. Nicht nur ein ödipaler Konflikt, sondern eine Verarbeitung und eine Durchleuchtung des Gelernten durch den Verstand und die eigene Erfahrung.
    Ich habe alle Deine Werke, die politischen, die vegetotherapeutischen und die orgonomischen gelesen und das Wilhelm Reich Institut in Wien gegründet.

    Die Kritik an Dir, lieber Wilhelm Reich, kam leise, aber konsequent. In den 70er Jahren nannte wir uns absichtlich Körpertherapeuten und nicht Körperpsychotherapeuten. Wir stellten uns bewusst gegen Freud und gegen die Psychoanalyse. Gegen das verstaube Alte, das Überholte. Gegen bürgerliche Zwangsmoral, die im Faschismus mündete. Wir waren für eine revolutionäre, dynamische Therapie. Dann kam es in den meisten Schulen, nicht in allen, zu einem Paradigmenwechsel.

    Als langjähriger Präsident der europäischen Vereinigung der Körperpsychotherapeuten (EABP), die in den 80er Jahren bereits sechsunddreißig Schulen umfasste, hatte ich eine gute Übersicht über die Entwicklung der Methode.

    Gerda Boyesen in England, David Boadella in der Schweiz und ich in Österreich suchten sensiblere Ansätze in der Körperarbeit. Der Patient sollte nicht in Stresssituationen gebracht werden, um zu entladen. Neuere Erkenntnisse über Charaktere, z.B. über die Borderlinestruktur zeigten, dass die Anwendung der Reich´schen Vegetotherapie aus den 40er Jahren nicht bei allen Patienten angewendet werden konnte, ohne sie zu schädigen.

    Ich habe meinen Ansatz „Emotionale Reintegration – der sanfte Weg“ genannt. Neu war die Gelenksarbeit und der Instroke, ein Begriff, der von Will Davis geprägt wurde. Es geht je nach Befinden des Patienten nicht um das Ausagieren (Outstroke), sondern es gilt ihn zu unterstützen, wenn er sich sammelt und das Bedürfnis hat nach Innen zu gehen.

    Lieber Wilhelm Reich, was wurde nicht alles unter Deinem Namen verbrochen. Du wurdest aus dem Zusammenhang zitiert, falsch ausgelegt und Deine Methoden von unqualifizierten Verkäufern vermarktet.

    Ich persönlich konnte Dir bei Deinen orgonomischen Forschungen nicht folgen. Meiner kritischen Sicht hielten Deine Forschungsergebnisse nicht stand. Ja, ich weiß, dass die wissenschaftlichen Standards Deiner und auch meiner Hochschulzeit mit der heutigen Forschung nicht mehr mithalten können. Das trifft nicht nur auf Dich, sondern auch auf Freud zu. Die erste Publikation Freuds über die Hysterie umfasste gerade 16 (!) Fälle. Auch ich habe in meinen ersten wissenschaftlichen Publikationen eine geringe Fallzahl für auseichend gehalten.

    Aber wie Freud, hast auch Du ein Gespür dafür gehabt, was „Kern der Sache“ ist. Zur Wiederkehr Deines einhundertsten Geburtstags habe ich in Wien einen Kongress veranstaltet, zu dem ich eine Rede im Rahmen der sogenannten Wiener Vorlesungen im Rathaus gehalten habe. Dort kam aus dem Publikum wieder einmal die rhetorische Keule: Er war ja verrückt!

    Dieses Verrücktsein bezieht sich historisch auf Deine paranoiden Vorstellungen am Ende Deines Lebens. Wessen Bücher zweimal verbrannt worden sind – in Deutschland und in den USA, wer von den Nazis und von McCarthy verfolgt wurde, einmal als Jude, das andere Mal als Marxist, obwohl Du Dich vom Stalinismus als roten Faschismus distanziert hast – der darf ein wenig paranoid sein.

    Natürlich kann man Shakespeare als Trunkenbold bezeichnen. Dies tut jedoch der Genialität seines Werkes nichts an. Tragisch Dein Tod im Gefängnis, wohin man Dich wegen Missachtung des Gerichtes eingesperrt hatte. Du hast Dich geweigert, Dich mit einem Richter in eine wissenschaftliche Diskussion einzulassen.

    Lieber Wilhelm Reich! Tieferes Wissen über Mathematik, welches auch ich nicht besitze, hätte Dein Lebenswerk auf festere Füße gestellt. Ilya Prigogine hat für seine Forschungen über Selbstorganisation und dissipative Strukturen zwanzig Jahre nach Deinem Tod den Nobelpreis erhalten. Eine Ironie des Schicksals. Du bist im Gefängnis gestorben.

    In diesem Sinne, weiterhin sehr begeistert,
    Dein
    Peter Bolen

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  • Buk 2/21 Erinnerungen an Dr. Alexander Lowen

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    Bukumatula 2/2021

    Meine liebsten Erinnerungen an Dr. Alexander Lowen

    von
    Stefanie Estermann-Lagally:

    Im Oktober 1997 (Dr. Lowen war damals 87) geriet ich während meines Management- und Sprachstudiums an der Pace University, NY, aufgrund des faszinierenden kulturellen Überangebots in Manhattan in eine kleine Geldnot und machte mich auf die Suche nach einem Job. Mein damaliger Freund Felipe De Campus D’Utra Vaz, der inzwischen selbst Therapeut ist, riet mir: „My teacher Dr. Lowen is looking for a cleaning woman….“, und schon hatte ich seine Adresse, Telefonnummer und kurz darauf einen Termin.

    Ich wusste, dass mein Freund bei ihm Bioenergetik studierte, wusste über Freud und Reich Bescheid, hatte aber keinen blassen Schimmer von Körperpsychotherapie, und schon gar nicht war mir klar, dass Dr. Lowen direkt von Wilhelm Reich gelernt hatte, um anschließend seine eigene therapeutische Richtung, die Bioenergetische Analyse, zu entwickeln.

    Das Vorstellungsgespräch verlief offen, unkompliziert und freundlich und so bekam ich die Stelle, sein Büro und den Therapieraum im IBA (Institute for Bioenergetic Analysis) zu putzen. Ich tat dies meist außerhalb seiner Praxiszeiten, sodass ich in Ruhe die Bücher bewundern konnte, die im Regal zu finden waren: Joy, Love and orgasm, Fear of life, Narcissism – denial of the true self, The Language of the body….. neugierig fing ich an zu schmökern.

    Einmal erwischte er mich beim Lesen, wo ich doch hätte putzen sollen – ich erschrak und er lachte sich kaputt über meine „body reaction“, signierte das Buch und erlaubte mir von jedem Titel eine deutsche und eine englische Kopie mit nach Hause zu nehmen, die ich natürlich heute noch alle in Ehren halte. Berührt von seiner Großzügigkeit und seinem Humor traute ich mich, ihm Fragen zu stellen, wenn er in der Praxis war und so kamen wir ins Gespräch. Er bemerkte meinen Wunsch nach Weiterentwicklung und schickte mich zu einem berühmten „shrink“ in Manhattan, zu Dr. Len Hochman (1934-2009), der mir anhand von Provokationstherapie wie man auf österreichisch so schön sagt „die Wadln viri richtete“.

    Eines Tages erkrankte Lowens Sekretärin für längere Zeit und er bat mich einzuspringen. Als bereits fertig ausgebildete Europa-Sekretärin fiel mir dies leicht und so durfte ich bald seine Seminare organisieren, ihn zu diesen auch begleiten, seinen Terminkalender führen und in seinem Büro die Anrufe vieler verzweifelter Menschen auf der Suche nach Wohlbefinden entgegennehmen. Neben meinem Schreibtisch saß auf einer Stange ein Papagei, der den ganzen Tag und wohl über Jahre die lauteren Sätze der PatientInnen mit anhörte.

    Da sich gewisse Aussagen doch wiederholten und Dr. Lowen seine Klienten oft bat, ihre Wut zum Ausdruck zu bringen, indem sie auf ein Kissen schlagen und dabei rufen sollten „I hate you!“ und „Leave me alone!“, waren diese beiden Rufe diejenigen, die der Papagei am besten von sich geben konnte. Es war manchmal nicht leicht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, da ich so viel lachen musste, wenn der Papagei neben mir schrie: „I hate you! I hate you! Leave me aloooooone!!!!“ und dabei seinen Kopf ruckartig vor und zurück bewegte.

    Einmal war ein Patient bereits am Gehen und Dr. Lowen begleitete ihn noch zur Tür. Der Mann drehte sich dort noch einmal um und flüsterte mit einem schuldbewussten und leicht verzweifelten Ausdruck: „You know, my new girlfriend and me…. ehem…. we do crazy stuff…. I mean we really explore each other’s bodies!?!?” Dr. Lowen riss seine Arme in die Luft, breitete sie aus als wolle er gen Himmel beten, ließ den Kopf nach hinten fallen und rief: „But that’s wonderful!! Just keep going!!“ Der Patient kam nie wieder.

    Dr. Lowen hatte ein unglaubliches Einfühlungsvermögen – allein was er in den Augen der PatientInnen sehen und lesen konnte, faszinierte mich. Ich wünsche mir eines Tages als Körpertherapeutin, die ich inzwischen geworden bin, so viel WAHRzunehmen wie er es tat.

    Ich durfte Dr. Lowen bis zum Ende meines Visums im April 1998 assistieren und denke nach wie vor mit wohliger, warmer Freude an diesen humorvollen, interessierten, neugierigen, herzensoffenen, freundlichen und großzügigen Mann.
    ___________________
    Kontakt: Stefanie Estermann-Lagally, M.A.; www.neueschritte.at

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  • Buk 2/21 Nachruf auf Wolf Büntig

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    Bukumatula 2/2021

    Wolf Büntig (1937-2021)

    Erinnerungen an eine eindrucksvolle Begegnung
    von
    Günter Reissert:

    Was ist wichtiger oder höher einzuschätzen: Das Sein oder die Unversehrtheit? Diese Frage stellte Wolf Büntig einer Gruppenteilnehmerin, nachdem diese mehrfach ihre Erbschafts- und Familienprobleme in der Gruppe thematisiert hatte. Die Familienbeziehungen behinderten jeden Versuch, ihre Position zu ändern und die dahinterliegenden schmerzlichen Erfahrungen und verdrängten Sichtweisen neu zu ordnen; sie führten immer wieder zur selben Thematik.

    Es schien, als wäre ein gordischer Knoten in ihrer Seele, der mit keiner noch so geschickten Analyse, emotionaler Aktivierung und Fokussierung auf Ressourcen im „Hier und Jetzt“ zu lösen wäre.- Büntig blieb letztendlich nur mehr der Griff in die Kiste seiner eigenen Lebenserfahrung und die Konfrontation mit dem augenscheinlich nicht Vermeidbaren: der Akzeptanz einer nach wie vor schmerzhaften Situation.

    Büntig hat in den letzten Jahren seiner psychotherapeutischen Tätigkeit aus einer großen Methodenvielfalt geschöpft. Ich hatte den Eindruck, dass er alle Schulen nützte, die ihm und seiner Sichtweise vom Menschen und dem Leben sinnvoll erschienen. Seine psychotherapeutische Fachrichtung ist die in Deutschland anerkannte Tiefenpsychologie. In der Gruppenarbeit verschmolz er sie mit gestalttherapeutischen, körpertherapeutischen, systemischen und Psychodrama-Elementen.

    Ich habe im ZIST an einer dreijährigen Gruppe „Autonomie – Treue zum Wesen und Entfaltung von Eigenart“ von 2010-2012 teilgenommen und durfte ebenfalls einiges an „Konfrontation mit dem augenscheinlich nicht Vermeidbaren“ mitnehmen. In meiner Erinnerung nicht unbedingt mild, aber wirksam…. Ich glaube es war 2009, als ich im Radiokulturhaus-Programm las, dass Wolf Büntig dort den Fragen von Johannes Kaup Rede und Antwort stehen würde.

    Sofort lebte in mir eine frühe Erinnerung als „Schwarzhörer“ an der obersten Hörsaaltüre im Wiener AKH auf. Ich war im Jahr 1983 Zivildiener beim Roten Kreuz, hatte eben einen Patienten im Wiener AKH abgesetzt und durch einen Plakataushang wahrgenommen, dass in einem Hörsaal über Psychosomatik referiert werden würde. Im obersten Rang des Saales reinzuschlüpfen war mit Rotkreuzuniform leicht.

    Ich gelangte genau zu Büntings Vortrag. Es beeindruckte mich, wie er über seine Behandlungsmethoden, die nicht zuletzt auch körpertherapeutisch ausgerichtet waren, sprach. Er berichtete über Behandlungen seiner Krebspatienten und wie wichtig es sei, dem Hoffnungsaspekt und jedem Funken von Lebensbejahung nachzugehen.

    Büntigs damalige Vermutung, dass es eine Abstufung von Patientensichtweisen und -einstellungen zu ihrem Leben im jeweiligen aktuellen Kontext gibt (bspw. Aufgaben, die noch zu bewältigen wären, oder eine kämpferische Einstellung gegenüber der Krankheit oder eben die Selbstaufgabe), die eine direkte Korrelation zur Überlebenschance haben sollen, ist heute in vielen Studien falsifiziert. Dennoch entbehrt sie nicht einer gewissen Plausibilität….

    Offensichtlich hat Büntig diese Sicht mit dem Umgang des „Prinzips Hoffnung“ – immer fokussiert auf das „Hier und Jetzt“ in der Eigenleiblichkeit, dabei stets auf der Suche nach den Möglichkeiten, bis zuletzt interessiert. Ich erinnere mich an das o.e. Interview mit Johannes Kaup, der in seiner Profession gut vorbereitet, einige Fragen in Manier einer „allgemein verständlichen Psychologie“, stellte. Büntig hatte sich dabei vor dogmatischen Antworten gehütet, vielleicht sogar gedrückt, beharrlich gedrückt.

    Er erzählte über den Umgang mit Aggression und dass ein ihm bekannter Tischler einem Mann, der mehrfach übergriffig in seiner Werkstatt agierte, nach der dritten Verwarnung tätlich entgegentrat („Wer nicht hören will ….“?). Sein Verständnis lag eindeutig auf Seiten des Tischlers…. Büntigs Sichtweise war sehr von der Einfachheit klarer Regeln und des sittlichen Umgangs in gegenseitigem Respekt geprägt. Da war nichts Beschönigendes und wenig Nachsicht mit schlechtem Benehmen.

    Aber darüber hinaus war es Büntig besonders wichtig, auf die Fähigkeiten und Potentiale, die in jedem Menschen stecken – und dass sich auch die Suche danach auszahlt, hinzuweisen. Mit Kaups vorbereitetem Fragenkatalog haben Büntigs Antworten nicht immer zusammengepasst.

    Als Kaup wieder eine Frage nach der Depression als Volkskrankheit und möglichen Ursachen zurückführen wollte, antwortete Büntig: Ja, das ist ernstzunehmend mit der Depression, da gibt es doch einige Vermutungen dazu, …. aber mich interessieren vielmehr die Potentiale der Menschen – lassen Sie uns über die Potentiale reden. Ich hätte ihn küssen können! Das war der Moment, wo ich beschloss, ihn nach dem Vortrag über seine Arbeit und Angebote im ZIST – seinem Zentrum für Selbsterfahrung und Fortbildung, zu fragen. Er bot mir die o.e. Dreijahresgruppe an.

    Und es wurde eine dichte Zeit. Büntig eröffnete die Gruppe mit der Vorstellung seiner Person: Ich bin Wolf Büntig, ich bin Arzt und Unternehmer. Das hat mich anfänglich ein wenig befremdet – in Kombination mit seiner sachlich distanzierten Art, sogar sehr befremdet. Den Gruppenablauf hat er so beschrieben: Am Vormittag mischt Euch meine Frau mit ihren Impulsen auf, ich übernehme den Nachmittag und räume zusammen. Die Gruppe hatte eine deutliche Dynamik; Grüppchenbildungen und „Seilschaften“ wechselten rasch.

    Fünfundzwanzig Personen, davon zwei Drittel Frauen, der Rest Männer. Zwei Männer hatten gleich nach der ersten Woche wieder die Segel gestrichen, eine Frau ist nach einem Jahr dazu gekommen. Wir unterschrieben jedoch alle eine „Verpflichtungserklärung“, an allen drei Jahren – jeweils zwei Wochen geblockt pro Jahr, lückenlos teilzunehmen. In der Praxis ging‘s dann nicht mehr ganz so streng zu, aber immerhin: eben auch ein Unternehmer.

    Ich erinnere mich noch deutlich an diese Atmosphäre von klarer, fast aufdringlicher Struktur und gleichzeitig selbstverständlichem Respekt vor der eigenen, individuellen Entscheidung. Büntig goutierte ein verspätetes Erscheinen in der Gruppe nicht, er versagte sogar die Teilnahme an der Morgenmeditation, dem „Stillsitzen“, wenn jemand zu spät eintraf (nur manchen Frauen gegenüber schien er eine größere Toleranz zu haben…).

    Aber dennoch: eine Gruppensession oder einen Tag auszulassen, am gemeinsamen Essen nicht teilzunehmen (es war mein erstes, rein vegetarisches Essen, das abwechslungsreich und köstlich war!), tat der Gruppenmitgliedschaft keinen Abbruch. Die Freizeit war ohnehin selbstbestimmt und der Abend durchaus immer wieder mit gemeinsamen Alkoholkonsum getränkt.

    Büntig hatte in seinen jungen Therapeuten-Jahren intensiv körpertherapeutisch und soviel ich weiß, auch auf der Matte gearbeitet. Er beschäftigte sich ausgiebig mit Wilhelm Reich und deutete an, vieles von ihm gelesen zu haben. Er rezitierte (ich erinnere mich nicht mehr an den Zusammenhang) einmal die Kernaussage der Massenpsychologie: Jedes System schafft sich seine Charaktere, die es zu seiner Erhaltung benötigt.

    In der Gruppe verschmolz er systemische Techniken mit „sanftem Embodyment“. Er führte immer wieder zurück zu den Phänomenen, zu dem offensichtlich Hör,- Fühl- und Sichtbaren der Teilnehmer*innen. Aus der aktuellen Position ließ er Gesten und Körperhaltungen überspitzen, aber auch darstellend zum Ausdruck bringen, um sie in der Eigenwahrnehmung wieder rückzukoppeln.

    Er setzte seine Analysen – aus der tiefenpsychologischen Profession kommend hatte er sie jederzeit parat – hauptsächlich dafür ein, andere Perspektiven und Positionen in unsere individuellen Lebensgeschichten hereinzunehmen. Es war ihm wichtig, Zusammenhänge, die erst aus der Synthese des aktuellen mit dem historischen Lebensumfeld verständlich werden, transparent zu machen.

    Deutungen verwendete er ausschließlich, um seine Vermutungen zu verifizieren, behielt sie aber zumeist für sich. Ich werde nie vergessen, wie er sich einmal so outete: Ich treffe ja den Kern eines Problems gar nicht so genau. Ich schieße immer eine Menge Pfeile ab, und einer wird dann schon treffen…! und schmunzelte dabei sichtlich belustigt.

    Auf der Suche nach individuellen Wegen zur Erweiterung des Selbstverständnisses und einer dichteren Integration der persönlichen Lebensgeschichte verwendete er intensiv die szenische Darstellung alternativer Positionen. Er lud immer wieder ein, körperlich die Position zu ändern und bot dabei jedem/r von uns immer wieder sein „bleib dabei – ich bleib auch dabei“ an.

    In seiner Routine klang dies manchmal ein wenig inflationär. Der Spruch veranlasste mich auch außerhalb der Gruppensitzungen bei den abendlichen Plaudereien mit vollem Glas in der Hand zu sagen: „Bleib dabei – ich bleib auch dabei“. Dem „Alten“ gegenüber zwar ein wenig rotzig, aber das darf auch manchmal sein! Dennoch, in der Rückschau betrachtet, ist dies ein guter Spruch, ein feines Angebot, welches er auch immer wahrgemacht hat.- Aus Sicht der modernen integrativen Therapie („IT“) würde ich Büntigs Arbeit heute als Arbeit des „Menschen als Körper-Seele-Geist-Subjekt im Kontext und Kontinuum“ bezeichnen. Büntigs Arbeit war hochintegriert.

    Büntig hat mehrere Bücher und eine Reihe von Artikeln verfasst; im Eigenverlag hat er auch Bücher zur Einführung in die Bioenergetik herausgegeben. Bereits 1992 wurden Workshops von ihm in Bukumatula angekündigt und 2012 stimmte er auch der Veröffentlichung eines seiner Artikel darin zu. Im jährlichen Programmheft des ZIST veröffentlichte er regelmäßig Aufsätze und Reflektionen zu aktuellen Themen psycho-physischer Belange im gesellschaftlichen Kontext.

    Er hat – wie viele erfahrene Therapeut*innen (und vielleicht auch analog zur Wirkungsgeschichte Wilhelm Reichs?), den Menschen immer vor dem eigenen Erfahrungshintergrund im aktuellen gesellschaftlichen Kontext gesehen. Es war ihm sehr bewusst, dass manche Änderungen persönlicher Geschichten erst durch Änderungen im gesamtgesellschaftlichen Kontext möglich werden.

    Nicht zuletzt zu den aktuellen Entwicklungen der Psychotherapie, die seit einigen Jahren sehr gerne als „psychotherapeutische Wissenschaften“ bezeichnet werden, hat er Stellung bezogen. Im ZIST-Programmheft 2019 setzt er sich in einem Aufsatz zum Thema „Wissenschaft als Glaube“ auseinander. Die Gedanken dazu fasst er komprimiert folgendermaßen zusammen: Wenn Ihr Euch durch Wissenschaftlichkeit gegen die Unsicherheit des Lebens versichern und Euch dem unsicheren Leben nicht hingeben wollt, werdet bitte keine Therapeuten!

    Ich konnte es mit ihm leider nie austauschen, aber aus manchen Sätzen vermeinte ich zu entnehmen, dass er in seinen Begleitungsangeboten innerlich stets eine spirituelle Dimension hinzunahm. Er begab sich jedenfalls noch im fortgeschrittenen Alter auf den Weg von „Diamond Approach“, einer Gemeinschaft zur Förderung der persönlichen Entwicklung, jenseits aller Dogmen und festgefahrenen Halbwahrheiten.

    In mir erweckte dies den Eindruck, dass er sich nicht mit seiner Lebens- und Berufserfahrung begnügte, dass er sich vielmehr in jene Reihe von Menschen eingliedern wollte, die sich dazu bekennen, die Erfüllung des Lebens in der immerwährenden Suche zu finden. Eine lohnenswerte Richtung. Möglicherweise habe ich die Begegnung mit ihm auch deshalb gesucht…. Ich werde ich ihn trotz verbliebenen respektvoller Distanz immer als einen meiner ganz wichtigen Orientierungsgeber in Erinnerung behalten.

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  • Buk 2/21 Corona – Der Impfzwang

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    Bukumatula 2/2021

    Corona – Der Impfzwang

    von
    Peter Bolen:

    Auf die Impfverweigerer, die den Volkszorn der Geimpften auf sich ziehen, möchte ich als Psychiater und Psychotherapeut differenziert eingehen. Gegen die Gurtenpflicht und das Handyverbot während des Autofahrens hat niemand etwas. Bis 1983 gab es die allgemein akzeptierte Impfpflicht gegen Pocken, obwohl diese Impfung mit einem Lebendimpfstoff starke Nebenwirkungen hatte. Wie kommt es dann, dass doch ein kleiner, aber lautstarker Teil der Bevölkerung so vehement auf die Impfpflicht reagiert?

    Sie als Idioten abzuqualifizieren, trifft nur zum Teil zu. Obwohl das Zitat von Ödön von Horvath „Nichts gibt einem so sehr das Gefühl der Unendlichkeit, wie die Dummheit der Menschen“ wohl immer noch Gültigkeit hat. Auf Fake News und haarsträubende Verschwörungstheorien fallen nicht nur bildungsferne Menschen hinein. Es ist zunächst überraschend, dass rationale Argumente nichts nützen. Die Wutbürger reagieren darauf mit dem Abwehrmechanismus der Deflexion – wie an einem Schild prallt die Vernunft ab.

    Die Beschreibung eines dieser Charaktere in dieser Sammelbewegung gegen Corona-Maßnahmen, ist die unreife Persönlichkeit. Aufgrund von übermächtigen Elternteilen, gegen die man nicht aufkommen konnte, hat sich keine eigene differenzierte Meinung ausbilden können. Bildlich gesprochen besitzen diese Menschen so etwas wie ein Vakuum in ihrer Mitte, es fehlt ihnen etwas. Und diese Leere drängt danach, gefüllt zu werden. Lebenskrisen befeuern dieses Bedürfnis.

    Da der dominante Elternteil als steuerndes Element im Unterbewussten weiterbesteht ohne durch einen Introspektionsprozess verarbeitet worden zu sein, fühlen sich diese Menschen magisch von starken Persönlichkeiten angezogen, die geeignete Ideen als Stoff zum Füllen des mangelhaft ausgebildeten Selbst anbieten. Der Selbstbegriff wird von mir im gestalttheoretischen Sinne verwendet. Das Selbst wird als Zentrum der Persönlichkeit angesehen.

    Dort findet sich die Summe aller Erfahrungs- und Wissensinhalte, die vom Ich, welches den Kontakt zur Umwelt herstellt, gesammelt und ins Zentrum gebracht wird. Und je bunter, je dramatischer dieser Stoff ist, desto anziehender wirkt er; endlich ist das Leben nicht mehr so langweilig und uninteressant. Der Aktionismus belebt, die Idee beseelt einen und man gehört zu einer Gemeinschaft.

    Neben dem Charakter der unreifen Persönlichkeit finden wir in der Protestsammelbewegung auch den faschistischen Typ. Dieser wird als schwacher Durchschnittsmensch vom todesmutigen Heldencharakter angezogen, der gegen einen übermächtigen Feind kämpft. Siegfried kämpft gegen den Drachen, die Gutinformierten gegen die Mächtigen, die uns manipulieren. Gegen eine Weltelite – Juden, Freimaurer, Bill Gates – die uns als Menschheit dezimieren und lenken wollen. Je größer der Feind, desto stärker der Held.

    Der Faschist ist aus seinem sinn- und glanzlosen Leben zu einem Ritter in prachtvoller Rüstung geworden, der mutig für die gute Sache kämpft und gar bereit ist, dafür zu sterben
    Nicht übersehen sollten wir aber die Menschen, die einfach Angst haben. Die internationale Klassifikation von psychischen Erkrankungen ICD 10 kennt vor allem zwei Diagnosen, die hier zu nennen sind. Es sind die Angststörung F41 und die Phobie F40, die häufig auftreten.

    Einen kleinen Prozentsatz an eigentlichen Wahnerkrankungen, also der schweren psychiatrischen Störungen, gibt es natürlich auch. Besonders erwähnenswert an dieser Stelle ist auch das Michael Kohlhaas-Syndrom.- Es handelt sich dabei um eine Person, die tatsächliches oder vermeintliches Unrecht unverhältnismäßig, nämlich mit maximalen Mitteln durchsetzen will, sogar um den Preis der eigenen Vernichtung. Das hat die historische Figur tatsächlich getan. Dieses Krankheitsbild bewegt sich fließend zwischen einer Belastungsstörung und einer Psychose.

    Ängste und Vermeidungsverhalten kommen im Alltag hingegen häufig vor. Es handelt sich um eine Bandbreite von Symptomen, die von der harmlosen Schrulle bis zu schweren psychischen Verhaltungsstörungen reicht. Jemand hat Angst vor Schmetterlingen, ein anderer hat Flugangst. Diese Ängste sind irrational und daher nicht durch sachliche Argumente auflösbar. Damit lässt es sich mehr oder weniger gut leben.

    Wenn die Ängste aber so weit gehen, dass diese Personen nicht mehr auf die Straße gehen können, oder die Angst zu dick zu sein, zu Essstörungen führt, besteht bereits eine massive Einschränkung der Lebensqualität. Häufig hat die Angst keinen Inhalt; sie ist frei flottierend. Dann sucht sie sich ein Thema, an dem sie andocken kann.

    Die Impfpflicht ist mit einer Bestrafung verbunden. Folge ich nicht der Aufforderung mich impfen zu lassen, muss ich Strafe zahlen oder ersatzweise ins Gefängnis gehen. Diese Maßnahmen haben aber bei Menschen mit Ängsten keine Wirkung. Eine Patientin, nach einem Unfall ans Bett gefesselt, sagte zu mir: „Ich möchte lieber sterben als geimpft werden.“ Solche Menschen sind nicht blöd oder böse, sie leiden und brauchen unsere Unterstützung.

    Ein diffuses Verfolgungsgefühl ohne den Schweregrad einer Geisteskrankheit zu haben entsteht in der heutigen Gesellschaft aus dem Gefühl heraus, überwacht zu werden. Dieses Gefühl hat aber keinen konkreten Inhalt.- Tatsächlich werden wir aber als Internetuser ständig überwacht und gelenkt. Wir hinterlassen auf Plattformen wie Google und Co unseren Abdruck mit allen Daten, die Verkaufsportale brauchen.

    Treffend hat das Soshanna Zuboff in ihrem Buch „Das Zeitalter des Überwachungs-kapitalismus“ beschrieben. Wir liefern den großen Konzernen „ich hab´ ja nichts zu verstecken“ freiwillig durch den Klick auf „I agree“ bei den Nutzungsbedingungen alle unsere Daten. Das führt dazu, dass die Konzerne uns nicht nur kennen, sondern uns auch lenken.- Alle diese Vorgänge sind dem Durchschnittsbürger nicht so bekannt.- Aber er fühlt es. Und wenn er auf eine Verschwörungstheorie stößt, passt diese oft genau zu seinem Gefühl.

    Es gibt einen weiteren Aspekt, wieso diese Gruppe von Menschen wie Lemminge einem Führer in den Abgrund folgen: Es sind verinnerlichte Narrative, Kerne von über Generationen unreflektiert weitergegebenen Geschichten, die uns lenken. Gut beschrieben haben dieses Thema Samira El Quassil und Friedemann Karig in ihrem Buch „Erzählende Affen“. Am Beginn unserer Kultur hat diejenige Gruppe besser überlebt, die gute Narrative hatte. Sie förderten den Altruismus, und dadurch bekam die Gemeinschaft Vorrang vor dem einzelnen Individuum. Es ist notwendig sich unserer Narrative bewusst zu werden, um nicht unbewusst durch sie gelenkt zu werden.

    Da ich kein Politiker bin, habe ich keine Lösung für das Problem der Impfpflicht. Der schwedische Weg? Was machen wir, wenn ein benötigtes Intensivbett nicht frei ist? Für ein Kind, welches auf eine Herzoperation wartet und keine Luft mehr bekommt und für den Tumorpatienten, dessen Leben von einer raschen Operation abhängt?
    Mit einer Grenzlinienziehung einerseits und einem Verständnis andererseits – und sicher auch durch die Schöpfung neuer Narrative, könnten wir es doch schaffen, mit dieser Situation fertig zu werden.
    ____________________________________

    Die Zeit ist viel zu groß, so groß ist sie.
    Sie wächst zu rasch. Es wird ihr schlecht bekommen.
    Man nimmt ihr täglich Maß und denkt beklommen:
    So groß wie heute war die Zeit noch nie.

    Sie wuchs. Sie wächst. Schon geht sie aus den Fugen.
    Was tut der Mensch dagegen? Er ist gut.
    Rings in den Wasserköpfen steigt die Flut.
    Und Ebbe wird es im Gehirn der Klugen.

    Der Optimistfink schlägt im Blätterwald.
    Die guten Leute, die ihm Futter gaben,
    sind glücklich, dass sie einen Vogel haben.
    Der Zukunft werden sacht die Füße kalt.

    Wer warnen will, den straft man mit Verachtung.
    Die Dummheit wurde zur Epidemie.
    So groß wie heute war die Zeit noch nie.
    Ein Volk versinkt in geistiger Umnachtung. (Erich Kästner)

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  • Buk 2/21 Es ist doch nur, ….

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    Bukumatula 2/2021

    Es ist doch nur, weil Sie uns aufgefallen sind….

    (frei nach Hans-Jörg Karrenbrock)
    von
    Günter Hebenstreit:

    Kognitive Dissonanz beschreibt den Prozess im Entscheidungsverhalten, der dazu führt, dass widersprüchliche Wahrnehmungen und Gedanken nach einer Entscheidung viel seltener – und schwieriger – hinterfragt werden als davor. Handlungen und Entscheidungen, einmal getroffen und umgesetzt, werden dann mit Vehemenz verteidigt, auch wenn klar ist, dass diese Entscheidungen ungünstig, schädlich oder falsch waren.

    Der Raucher findet eine Reihe von Argumenten sein Rauchen zu rechtfertigen. Der Süchtige präsentiert Argumente und Gründe, die seine Abhängigkeit von der Substanz kaschieren, mildern, verharmlosen soll. Der Räuber fühlt, denkt, in seiner Kindheit keine Liebe bekommen zu haben; hätte jetzt also das Recht auf seiner Seite, sich stattdessen zu nehmen, was er möchte. Es beklagt der Mörder, dass das Opfer ihn ja auf unmenschliche Art provoziert hätte. Das Ziel ist immer dasselbe: Die Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes, egal welche schädlichen, schädigenden oder asozialen Verhaltensweisen der Mensch zeigt.

    Die in den Mainstreammedien pausenlos vermittelten Nachrichten über Tod, Verderben, Gefahr, Untergang, Gefährdung, sei es nun ein Virus oder das Klima oder seien es meinetwegen Außerirdische, Unwetter, Erdbeben oder religiös motivierte Mörder, ruft in den meisten Menschen eine tiefe, sehr tiefe Angst hervor. Die Angst ist an sich auch etwas Nützliches und hilft uns beim Bewältigen von bedrohlichen Ereignissen.

    Nun, da wir jetzt auf die 500 Tage weltweitem Seuchenbedrohungsszenario mit Dauerangst-Artillerietrommelfeuer zusteuern, mag der eine oder die andere nicht mehr so recht all das glauben, was so über die Bildschirme flimmert oder im Blätterwald raschelt (oder es glaubt eh schon keiner mehr). Um die akute, eigene Angst zu reduzieren, beschlossen die Regierungen viele Schritte der Veränderung, alle mit der Begründung, gegen diese tödliche Bedrohung anzukämpfen.

    Der brave Bürger, die brave Bürgerin hält sich an die gesetzlichen Erlässe, Einschränkungen, Verordnungen und Empfehlungen der immer und immer wieder Angst einhämmernden sogenannten Wissenschaftler, Politiker, Experten und Erklärer. Diesen Weg einmal beschritten, verliert der verängstigte Mensch mehr und mehr die Kontrolle über seine Selbstbestimmung, seine Freiheit im eigenen Leben, sogar seinen freien Willen; alles, ohne es zu bemerken.
    Hier findet sich der Prozess der kognitiven Dissonanz: zu erkennen, dass die Dinge vielleicht doch anders waren als sie dargestellt wurden, als sie einem selbst erschienen.

    Wenn die getroffenen Entscheidungen sich mehr und mehr als falsch und langfristig ungünstig und schädlich herausstellen, führt das zu sehr unangenehmen, das positive Selbstbild destabilisierenden Gefühlen und Gedanken: Einem Irrglauben aufgesessen zu sein? Wie konnte ich nur das alles glauben? Wie konnte ich nur das alles ungefragt mitmachen? Warum konnte ich nicht klar sehen, was da in Wirklichkeit hinter der „Theaterbühne“ – wie dies Reich in „Cosmic Superimposition“ beschreibt – vor sich ging?

    Am folgenden, von mir veränderten Text von Hans-Jörg Karrenbrock möchte ich die schrittweise Wirkungsweise von kognitiver Dissonanz aufzeigen. Sich im Laufe der Zeit einzugestehen, falsch gelegen zu haben, in die Irre gegangen zu sein, gelingt nur mit viel Trauer, Wut, Verzagtheit und viel Scham und Schuldgefühlen.

    „Ich hatte Besuch. Er sagte:
    Hören Sie doch auf mit Ihrem Freiheits-Scheiß! Hören Sie doch auf mit Ihrem Beharren auf den alten Reich und Ihre Freiheit. Je schneller wir die Vorgaben der Regierung, der WHO und der Gesundheitsbehörden erfüllen, desto schneller sind wir raus aus der Sache. Machen wir‘s so, wie die das sagen.

    3G, Tests, Impfung, Pass, alles fein, aber fix, jetzt muss es sein. Dann können wir auf Urlaub fahren, einkaufen gehen, unsere Arbeit behalten und haben unsere Ruhe. Dann wird schon irgendwann die alte Normalität wieder kommen und wir bekommen unsere Rechte zurück. Hören Sie doch auf mit ihrem Misstrauen und ihren kruden Theorien.

    Es ist ja nur eine Maske.
    Es sind doch nur drei Wochen.
    Es ist ja nur, bis der R-Wert unter eins geht.
    Es ist ja nur wegen der Krankenhäuser.
    Es ist ja nur kurz zu … und dann macht alles wieder auf.
    Es sind ja nur die nächsten zwei Monate.
    Es ist ja nur ein Test.
    Es ist ja nur, weil die Kinder ihre Großeltern und alle Erwachsenen gefährden.
    Es ist ja nur eine App.
    Es ist ja nur eine vorübergehende Überwachung.
    Es ist ja nur, weil sonst alle Angst bekommen.
    Es ist ja nur, weil Sie sonst andere gefährden.
    Es ist doch nur, dass wir wissen, mit wem Sie Kontakt hatten.
    Es ist ja nur um nachzuverfolgen, wo sie wann waren, und wen Sie getroffen haben.
    Es ist doch nur wegen der hohen Inzidenzen.
    Es ist doch nur sich einmal noch die kommenden beiden Monate am Riemen zu reißen.
    Es ist doch nur bis wir eine Impfung haben.
    Es sind doch nur ein paar Reiseunterlagen mehr.
    Es ist doch nur eine digitale Akte mit all ihren medizinischen Informationen.
    Es ist doch nur, weil wir uns nicht sicher sind, ob Sie eine Gefahr für die anderen sind.
    Es sind doch nur ein paar Monate mehr.
    Es ist doch nur bis alle geimpft sind.
    Es ist doch nur bis zum nächsten Sommer.
    Es sind doch nur ganz zufällige Nebenwirkungen und es überwiegt das Positive für die Gemeinschaft.
    Es ist doch nur ein grüner Pass.
    Es ist doch nur, bis Sie die dritte Spritze bekommen.
    Es ist doch nur, weil sich nicht alle impfen lassen.
    Es ist doch nur ein Armband für die, die sich querstellen.
    Es ist doch nur fürs Reisen.
    Es ist doch nur für die Arbeit.
    Es ist doch nur, weil Sie sich so anstellen.
    Es ist doch nur für den Einkauf.
    Es ist doch nur, weil wir uns sonst von ihnen trennen müssen.
    Es ist doch nur, bis Sie die vierte Spritze bekommen.
    Es ist doch nur, weil wir Sie sonst von den anderen isolieren müssen.
    Es ist doch nur ein Chip, der Ihnen weitere Spritzen erspart.
    Es ist doch nur, weil Sie uns aufgefallen sind.
    Es ist doch nur, weil Sie so unkooperativ sind.
    Es ist doch nur für eine Befragung.
    Es ist doch nur, weil uns gewisse Erkenntnisse über Sie vorliegen.
    Es ist doch nur ein Heim, das Beste für ihre Kinder.
    Es ist doch nur, weil Sie bei ihnen nicht mehr sicher sind.
    Es ist doch nur, bis Sie zur Einsicht kommen.
    Es ist doch nur, weil Sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.
    Es ist doch nur ein Lager, wo man ihresgleichen schützen will.
    Es ist doch nur für ein paar Jahre.
    Es ist doch nur, weil das Gesetz es jetzt so vorschreibt.
    Es ist doch nur, bis sich die Klappe unter ihren Füßen öffnet.
    Es wird schon nicht weh tun.“

    Am Ende war es keiner. Niemand hat Bescheid gewusst. Jeder hat nur seine Pflicht getan, das was er eben tun musste. Jeder schiebt die Schuld auf andere – auf Politiker, Kapitalisten …. zur Reduktion der kognitiven Dissonanz.
    Können nicht unsere Eltern und Großeltern davon ein Lied singen? Alle wollen sie in ihr normales Leben zurück, zurück zu ihrer Ruhe. Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten, harmlosen kleinen Schritten, kleinen – freiwilligen – Entscheidungen. Es geht in kleinen, kleinen Schritten. Willkommen in der Hölle, pardon: In der neuen Normalität.

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  • Buk 2/21 Wovor habt ihr Angst?

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    Bukumatula 2/2021

    Wovor habt ihr Angst?

    von
    Gudrun Heininger:

    Es scheint in den letzten knapp zwei Jahren unmöglich geworden zu sein, das Thema Covid-19/Pandemie in der Öffentlichkeit auch nur anzudeuten und dabei einigermaßen wohlwollend zu bleiben. Den Boden des Rationalen haben wir schon lange verlassen. Die Emotionen kochen über. Es ist sofort Krieg.

    Was mich am meisten verblüfft: Unter jenen Gruppen, die der ganzen Corona-Erzählung und den weltweiten Maßnahmen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, finden sich kaum Gemeinsamkeiten. Und unter Menschen, von denen man verwandte Lebensanschauungen, Haltungen annehmen könnte (liberal, libertär, nonkonform, aber auch unter den Konservativen), sind die gegensätzlichsten Positionen vertreten.

    Sicher ist nur: es ist nicht so einfach, so eindimensional, wie uns die Regierungen weismachen wollen: Virus-Gefahr-Maske-Impfung-Rettung-Allesgut. Ich vermute niemand, wirklich niemand, kennt die ganze Wahrheit und weiß genau, was vor sich geht. Kein einziger der echten oder selbsternannten Experten arbeitet unvoreingenommen und strikt wissenschaftlich, geschweige denn im Rahmen einer Wissenschaft, die sich knapp an der Grenze des Altvertrauten, hundertmal Wiederholten bewegt. Einige sind darunter mit einer sehr differenzierten Denk- und Herangehensweise, aber insgesamt ist es wohl eine kleine Minderheit.

    Auf der anderen Seite die Gegenstimmen auf den unzähligen Channels und Websites, die bezüglich Qualität die gesamte Bandbreite abdecken. Von absurden, reißerischen Behauptungen ohne jede Substanz über Videobeiträge, die zwar gut gemeint, aber so ungenau und schlampig gearbeitet sind, dass sie sich selbst disqualifizieren, bis zu ernstzunehmenden Artikeln, die eine Fülle von konkreten nachprüfbaren Informationen, allesamt mit Quellenangaben versehen, systematisch aufarbeiten.

    Erstere werden natürlich genüsslich verbreitet, um die Dummheit aller Kritiker pauschal zu belegen. Dazu ein Meer an bewusster Falschinformation von allen möglichen Seiten, meist eine genau kalkulierte Mischung aus Lüge und Wahrheit. Sich hier durchzuarbeiten ist ein Vollzeitjob.

    Bleibt die Überlegung: Wem vertraue ich, wer ist für mich glaubwürdig. Regierungsverlautbarungen, TV, Gratiszeitung, Standard, Süddeutsche, Zürcher, Herr Drosten? Ein national-ländlicher Coronarebell? Ein Corona Untersuchungsausschuss? Die Anwälte für Aufklärung? Amerikanische Verschwörungstheoretiker?

    Eine wilde, zufällige und sehr unvollständige Auswahl. Genauso gut könnte ich würfeln. Alles ist beliebig geworden. Eh wurscht. Alles eine Frage des mittlerweile schon ziemlich fanatischen Glaubens. Ein religiöser Kult auf beiden Seiten.

    Ich habe gelernt, allen Regierungen, Organisationen, Institutionen, Medien ab einer bestimmten Position in der gesellschaftlichen Hierarchie und mit einem deutlichen Autoritätsanspruch zu misstrauen. MISSTRAUEN in Versalien. Es wäre naiv anzunehmen, irgendeine Regierung hätte je das Wohl der Bevölkerung im Sinn gehabt. Und wenn es doch vorkam, hat sie sich nicht lange an der Macht gehalten.

    Ich war immer misstrauisch, wenn mir jemand etwas mit Nachdruck verkaufen wollte. Warum sollte das jetzt anders sein? Kluge, wache Leute übernehmen irgendwelche Behauptungen, ohne zu prüfen. Selbst wenn sie ihre Zweifel haben, entscheiden sie sich zur Sicherheit doch, mit der Mehrheit zu gehen.

    Was bringt gerade die traditionelle Linke dazu, den Autoritäten nicht nur widerspruchslos zu folgen, sondern sie auch noch links und rechts mit Karacho zu überholen? Wer glaubt noch, dass die Gesetzgeber – einmal – tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen handeln, dass Studien – einmal – tatsächlich nicht manipuliert werden, dass die Ohn/Mächtigen in Wirtschaft, Industrie, Politik tatsächlich – einmal – empathisch agieren könnten? Wen von ihnen hätte es je gekümmert, ob Hunderttausende sterben.

    An Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Drogen, Malaria, Alkohol am Steuer, an verseuchtem Wasser, Hunger, Krieg, durch Gewalt und Selbstmord. Plötzlich müssen kleine afrikanische und pazifische Staaten die Grenzen dichtmachen, aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung?

    In den 1930er Jahren bewirkte eine Liebe, Sex und Körperlichkeit massiv unterdrückende Gesellschaft und die existenzgefährdenden Folgen der Weltwirtschaftskrise, dass sich die Leute einem Führer in die Arme warfen. Jetzt ist es eine voyeuristische, pornographische Gesellschaft und die galoppierende Globalisierung, Machtzentralisierung und Überwachung, die Menschen in eine innere Panik treibt, in der das Denken aussetzt. Sie halten eine autoritäre und korrupte Bürokratie für Demokratie und verwechseln das blinde Gehorchen mit Solidarität.

    Was würde Reich tun? Was hat er getan? In ein anderes Land gehen, neu anfangen, alles wiederaufbauen. Sich auf seine Aufgaben konzentrieren. Jeden Augenblick das tun, was man als richtig erkannt hat. Er konnte damals nicht wissen, dass es mittelfristig keinen Unterschied machen würde. Dass die Nazis auch in der FDA sitzen.

    In der Tiefe sitzen die Dämonen. Angst beherrscht mittlerweile alle und alles. Es war wohl nie anders, zumindest nicht, seit Geschichte aufgezeichnet wird. Man kann sich nicht schützen vor dem Leben. Man komme mir in diesem aktuellen Zusammenhang nicht mit einem Vergleich mit Pocken und Pest.

    Wenn ich die Ursachen für all das im Reich‘schen Sinn zu Ende denke, beginnt sich alles zu drehen, mir schwindelt und der Boden gibt nach. Was für ein Potential! Das lustvolle Schwingen, Vibrieren, Pulsieren. Allein das Wort ‚lustvoll‘ ist ja verboten. Verboten oder in seiner Bedeutung pervertiert. Was für ein Druck liegt auf der Welt. Jede echte Regung, jeder klare Gedanke wird diffamiert und in sein Gegenteil verkehrt. Es gibt von allem zwei Versionen, eine ursprüngliche, natürliche, wahre Version und eine falsche, synthetische, eine Imitation: natürliche, lebendige Schönheit versus Beauty-Industrie / echte Liebe versus Pseudo-Liebe, die an Bedingungen geknüpft ist / echte Kommun(ikat)ion versus leeres Gerede, Slogans / Ausdruck des Lebens in Kunst und Musik versus dunkle Ästhetik / Heilkunst versus Pharmaindustrie / Indoktrination versus freie Erziehung / lebendige Nahrung versus zu Tode verarbeiteter Müll / natürliche versus synthetische Vitamine / Naturreligion/Spiritualität versus organisierte Kirchen, Kulte / authentischer sprachlicher Ausdruck versus Neusprech etc.

    Auch in der Auseinandersetzung mit der Covid-19/Pandemie-Erzählung sind zwei Versionen verfügbar. Ich scheue mich nicht zu sagen: Eine dunkle und eine helle. Man könnte beginnen zu unterscheiden und zu sortieren. Man könnte einen Schritt hinter die täglichen Streitpunkte tun wie: gibt es überhaupt eine Pandemie, ein Virus, was ist ein Virus, wirkt eine Impfung, ist sie gefährlich, stimmen die Statistiken, muss ich meine alten Eltern schützen, sind die Maßnahmen richtig, woher kommt das Geld dafür, wie wird es überhaupt verteilt . . . endlos. Man könnte versuchen, die Fragen zu finden, die sich auf der Metaebene stellen. Schwer.

    Ein Lebensbild, in dem das Bewusstsein die Materie, die Realität erschafft, und zwar bis ins kleinste tägliche Detail, gibt einen vollkommen anderen Rahmen vor als zum Beispiel eine Weltanschauung, die auf neurologische, chemische, mikrobiologische Prozesse fokussiert und in der das Gegenspiel, der oft kriegerische Gegensatz zwischen Innen und Außen zentral ist. Dann ist ein Virus der Feind, der bekämpft werden muss, um jeden Preis.

    Es haben beide Welten und alle Spielarten dazwischen ihre Berechtigung und zwar innerhalb ihrer selbstgezogenen Grenzen. Jede Seite hat (sofern nicht böswillig und bewusst gelogen wird) nachvollziehbare Argumente. Jeder muss wählen und mit den Konsequenzen seiner Wahl leben. Wer Angst hat, muss sich zwangsläufig schützen. Ich bin mehr als bereit, das ernst zu nehmen und mich in der Begegnung entsprechend zu verhalten.

    Ich weigere mich aber, mir von einem anonymen, technokratischen Moloch und seiner Mitläuferarmee, deren Mitglieder niemals für ihre Taten geradestehen müssen, die Souveränität über meinen Körper, meine körperliche Unversehrtheit nehmen zu lassen. Niemand hat das Recht, einen anderen wozu auch immer zu zwingen. Das ist gegen jedes Lebensprinzip. Ich wünschte, das wäre in allem, was wir tun, immer eine unhintergehbare Prämisse.

    Die Welten trennen sich. Hier wird nichts mehr gut. Etwas Fundamentales geschieht gerade, das weit über den Streit um Abstandsregeln und Impfstoffe hinausgeht. Die Zukunftsmöglichkeiten spalten sich auf. Es müssen aber Wege zwischen ihnen offenbleiben und seien es nur Schleichpfade.

    Diese letzten knapp zwei Jahre haben mich geschwächt wie kaum etwas bisher. Die offene Manipulation und die Lügen, die subtile Dauerdrohung, die ständige Aufforderung zum blinden Gehorchen. Verhöhnen und Verächtlichmachen bei Widerspruch, vereinzelt schon brutale Machtdemonstrationen.

    Aber mehr als das ist es die um sich greifende, sich rasant ausbreitende, überall zu beobachtende Hoffnungslosigkeit und Apathie, die an der inneren Substanz frisst. Das tägliche panikschürende Bombardement in allen Medien, auf jedem Quadratzentimeter öffentlicher Fläche verfehlt seine erschreckende Wirkung nicht. Ich will weg hier. Mit jedem Monat, den ich die Abreise hinausschiebe, wird der Aufbruch schwerer.

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    Bukumatula 2/21

    Manifest der Geimpften

    ein Beitrag zur Solidarität
    „Im Web veröffentlicht unter:
    https://keinzustand.at/beatrix-teichmann-wirth/manifest-der-geimpften/


    Wir sind geimpft.

    Wir haben dies aus den unterschiedlichsten Gründen getan: Weil wir uns durch eine Impfung vor der Erkrankung schützen wollen, oder weil wir uns erhoffen, bei einer Infektion einen schweren Verlauf zu verhindern. Wir haben uns impfen lassen, um am Arbeitsplatz nicht der/die einzig Ungeimpfte zu sein, kenntlich durch eine FFP2 Maske, die wir 8 Stunden am Tag zu tragen haben, oder weil wir uns das Leben einfacher gestalten, die Mühe des Testens nicht in Kauf nehmen, verreisen oder spontan ein Kaffeehaus besuchen wollen.

    Wir haben die Entscheidung bewusst und letztlich auch frei-willig getroffen. In letzter Zeit nehmen wir mit Besorgnis wahr, dass der Druck auf Ungeimpfte steigt und die Frei-Willigkeit einer Impfung zunehmend schwindet. Deshalb ist es uns ein Anliegen, Folgendes zu betonen:

    1. Es ist für uns unzulässig, jemanden durch steigenden Druck und zunehmende Einschränkungen faktisch zu einer Impfung zu verpflichten.
    2. Der Ausschluss von Ungeimpften aus Bereichen des Lebens und darüber hinaus ein von der österreichischen Regierung angedachter Lockdown ist ein schwerer Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte des Menschen, weshalb wir diesen (angedachten) Maßnahmen aufgrund unserer demokratischen Gesinnung dezidiert entgegentreten.
    3. Wir respektieren das grundsätzliche Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und achten die zutiefst persönliche Wahl des Einzelnen in Bezug auf medizinische Eingriffe jedweder Art. Vielmehr bemühen wir uns um ein Verständnis für die Bedenken im Hinblick auf die zur Anwendung gelangenden neuen Technologien, deren bedingte Zulassung und mangelhaften evidenzbasierten unabhängigen Studien der mRNA und Vektorimpfstoffen.
    4. In diesem Sinne treten wir, die Geimpften, gegen jegliche Diskriminierung von Ungeimpften und für eine Rückkehr zu demokratischen Grundrechten ein.
    5. Wir wissen, dass nur ein Vorgehen, das von Respekt vor der Eigenverantwortung und einem Vertrauen auf die Vernunft von Menschen getragen ist, eine nachhaltige Wirkung im Hinblick auf die Bewältigung einer derartigen Krise ermöglicht.
    6. Wir befürchten, dass der Druck letztendlich auch vor uns nicht Halt machen wird und wollen unsere Entscheidungsfreiheit in Bezug auf weitere Schritte (z.B. eine 3. Impfung) bewahrt wissen.
    7. Wir treten für einen offenen wissenschaftlichen Diskurs ein und für eine Berichterstattung, die die Vielfalt der wissenschaftlichen Expertisen abbildet.
    8. Wir sind gegen jegliche Diskreditierung von Menschen, die sich in Bezug auf die Vorgangsweisen und Maßnahmen kritisch äußern.
    9. Wir widerstehen den Spaltungsversuchen und lassen uns nicht gegen unsere Mitmenschen aufhetzen.
      Wir werden Menschen mit einer anderen Meinung nicht verurteilen. Vielmehr interessieren wir uns für deren Motive, weil sie auch unser Wissen bereichern können.

      Weil wir über die Macht von Begriffen wissen, schließen wir abschätzige Begriffe wie Impfverweigerer, Coronaleugner, Covidioten… aus unserem Wortschatz aus und bemühen uns, respektvolle, besänftigende und friedensstiftende Worte zu wählen.

    10. Zuletzt und am allerwichtigsten ist es uns zu betonen, dass Freiheit unteilbar ist und ein wahrhaft gutes Leben nur auf der Basis der Freiheit aller Menschen möglich ist.

    _____________________________

    (Quelle: https://keinzustand.at)

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  • Buk 2/21 Darüber reden wir nicht!

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    Bukumatula 2/2021

    Darüber reden wir nicht!

    von
    Susanne Doppler:

    Darüber reden wir nicht!

    Die Welt ist nicht mehr das, wofür wir sie gehalten haben. Ich bin in Sorge und melde mich mit persönlichen Gedanken zu Wort. Mit großem Unbehagen beobachte ich die rasante und massive Entwicklung hin zur manipulativen Steuerung der Gesellschaft, mit dem Ziel der totalen Kontrolle des Individuums, des Ausmerzens des Lebendigen bis hin zum Transhumanismus.

    Aus Rede an den kleinen Mann
    Du willst Sicherheit, ehe Du Wahrheit willst.

    Die jahrhundertelange Indoktrination zusammen mit persönlichen, sozialen und Karriererücksichten machen einen umfassenden Blick fast unmöglich. Dazu Gewohnheit und Bequemlichkeit, die Bereitwilligkeit angebotene Feindbilder widerspruchslos zu übernehmen, die zwischenmenschliche Verrohung zu akzeptieren . . . die emotionale Pest par excellence!- Eigentlich läuft das Ganze ja auf das Verhältnis des Einzelnen zu Sicherheit und Autorität hinaus.

    Auf die Angst, alleine zu stehen und die Konsequenzen für die eigenen Entscheidungen zu tragen? Die Angst vor der Freiheit? Die Angst, sichtbar zu werden, eventuell falsch zu liegen, zu irren, zu FALLEN? Diese Fragen sind im Kontext schon anderweitig gestellt worden, doch diesmal geht es wahrlich um unsere Freiheit, unsere Lebendigkeit. Gilt es im Hinblick dieser Tatsachen nicht auch nachzuspüren, wieviel an gelebter Reich‘scher Weltsicht wir in uns noch finden können, wollen, dürfen?

    Aus Rede an den kleinen Mann
    Ich wiegle nicht das Volk auf, sondern dein Selbstbewusstsein, deine Menschlichkeit – und das verträgst du nicht.

    Immer wieder einen Schritt beiseitetreten, innehalten, auf die mahnende Stimme in sich hören, sich selbst schonungslos reflektieren und mit Liebe und Hingabe der Dynamik des Lebens vertrauen.- Ich möchte allen Danke sagen, die in der Wissensbewahrung und Verbreitung der Arbeit Wilhelm Reichs ihr Herzblut geben und wünsche uns allen alles Gute und viel Mut und Kraft für das, was noch kommen mag.

    Susanne Doppler, WRI-Obfrau

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