18 Aug.
Bukumatula 4/2008
von
Robert Federhofer:
Alexander Lowen stammt aus New York-Harlem, wo er als Kind russischer Einwanderer jüdischer Abstammung geboren wurde und aufwuchs. Er besuchte das City College of N.Y. und machte den Abschluss als ‚Bachelor of Science and Business’, ‚Bachelor of Law’ und schließlich den ‚Doctor of Sciences of Law’ in Abendkursen.
Während dieser Zeit arbeitete Lowen zuletzt als High-School Lehrer für Buchhaltung und Handelsrecht. In den Sommerferien betätigte er sich zusätzlich als Sportanimateur (‚athletic director’) in Hotels und in Sommer-Lagern für Erwachsene.
In seiner Autobiographie (‚Honoring the Body’, 2004) beschreibt er weiters, dass er bei sich selbst eine depressive Verstimmung mit täglichem konsequenten Körpertraining vertrieben hatte. Der intelligente junge Mann hatte sich mit Interesse dem Körper zugewandt.
Im Alter von 32 Jahren belegte Lowen in der New School for Social Research einen Kurs in Charakteranalyse bei Wilhelm Reich und begann im weiteren im Frühjahr 1942 eine Therapie bei ihm, welche bis 1945 währte. Danach, im Herbst 1945, begann er selbst mit dem ersten Patienten, den ihm Reich geschickt hatte, zu arbeiten.- Von 1947 bis 1951 studierte er schließlich Medizin an der Universität in Genf und legte im Juni 1951 in New York das Staatsexamen ab.
In diesem Zusammenhang bekam Alexander Lowen zu spüren, dass in Amerika die fortschrittlichen sozialen und die grundlegenden naturwissenschaftlichen Positionen Reichs – wie zuvor in Europa -, von der Wissenschaft ignoriert wurden; man begegnete ihnen mit verleumdenden Gerüchten und journalistischem Unrat, was zu deutlich abwertenden Haltungen führte. Der junge Arzt Lowen wurde nach seiner Anmeldung zum Staatsexamen vor das Prüfergremium geladen und über sein Verhältnis zu seinem Lehrtherapeuten befragt.
Das machte Lowen die Möglichkeit von Schwierigkeiten klar, und er zog daraus seine Konsequenzen: „…Weiterhin mit den Reichianern verbunden zu bleiben, würde mich in eine Zwickmühle bringen, falls die Gruppe in Schwierigkeiten geraten sollte. Mir war klar, dass ich meinen eigenen Weg gehen musste.“ (“…Continuing to associate with the Reichians would put me in a situation of double jeopardy if the group got into trouble, and I knew that I had to go my own way.”)
Die Lösung, die Lowen während seiner Praxisgemeinschaftszeit mit John Pierrakos (MD) in den folgenden zwanzig Jahren ab 1954 ausarbeitete, bestand darin, von Wilhelm Reich wesentliche Prinzipien der Körperarbeit der medizinischen Orgonomie zu übernehmen, etwas zu vereinfachen (Körpersegmentschema), andere Elemente, insbesondere die vorangegangenen und weiterführenden fachübergreifenden Forschungen aber zu ignorieren. Die Lebensenergie stellte Lowen als per definitionem auf Physis und Psyche ausgebreitete Fiktion entsprechend Freuds Libido dar, benannte sie um in ‚bioenergy’ und verwendete als theoretischen Überbau Freuds ‚Ich-Analyse’, inklusive der ‚Charakteranalyse’ Reichs.
Sein ‚grounding’- Konzept befasste sich darüber hinaus und umfassend mit der praktischen und metaphorischen Verwurzelung in den verschiedenen Bereichen der Umwelt (physisch, biologisch, sexuell, sozial) und führte den Patienten aus der zuvor vorwiegend liegenden Körperposition, wie sie vom psychoanalytischen Setting übernommen worden war. Auf diese Weise gelangte Lowen zu einer Zusammenstellung akzeptierter theoretischer Elemente, die er seiner Praxis der Veränderung und teilweisen Auflösung der körperlichen Panzerung beifügte.
Ausgehend von seiner ersten Publikation (`The Language of the Body´, 1958), gelangte die ‚Bioenergetik’ über regelmäßige Kurse in Esalen zu nationaler und in Folge auch zu internationaler Verbreitung. Mit Fleiß, Begeisterung und 13 weiteren populären Schriften konsolidierte Lowen sein Werk und sorgte auch durch die von ihm gegründete Organisation International Institut for Bioenergetic Analysis(IIBA) für dessen inhaltliche Geschlossenheit.
Mit Alexander Lowen haben wir einen unermüdlichen Fürsprecher für Körperwahrnehmung und Körperausdruck als Qualitätskriterien und Werkzeugen zur Wiederverbindung von Körper und Psyche verloren. Indem er wichtige Prinzipien der Orgonomie in seinem Theoriekonglomerat und seiner Therapiepraxis weiterverwendete, wurde er zum bedeutendsten Propagandisten der Körpertherapie. Wir ehren ihn anlässlich seines Todes, sagen Dank und betrauern das Ende seines engagierten Lebens.