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Bukumatula 4/2006

Ein Besuch in Orgonon

Notizen eines Gesprächs mit Veronika und Douglas Deitemyer in der WRI-Küche.
Wolfram Ratz

An einem warmen Sommertag im Juli 2002, auf der Fahrt vom Norden Maines nach Maryland, sahen wir plötzlich ein Schild mit dem Hinweis „Wilhelm Reich Museum“. Mir war Reich insofern vertraut, als ich früher mit Wolfram Zimmer und Küche teilte und Gäste wie Myron Sharaf, David Boadella, Al Bauman, Emily Derr, etc. auch persönlich kennengelernt habe. Für ein T-Shirt und ein Reich-Häferl wollten wir dort einkehren – als Souvenir für unsere Freunde in Wien.

In Rangeley bogen wir in eine Nebenstraße ein, die dann in einen Waldweg überging. Nach etwa 5 Kilometern stand – nach dem Passieren eines Empfangsgebäudes – plötzlich auf einem grünen Hügel ein großes Steinhaus vor uns. Wir kamen zur Mittagszeit hin. Sie sperrten gerade auf und boten uns beiden eine Führung an, was wir gerne annahmen. Das Haus, das Reich von einem New Yorker Architekten erbauen ließ, wirkt sehr monumental, aber irgendwie auch erdrückend.- Es sieht jedenfalls ganz anders aus als die typischen Häuser in der Umgebung. Vielleicht hat er sich bei der Planung an die Häuser der österreichischen Alpen angelehnt.

Zu Beginn der Führung wurde uns zunächst ein zwanzigminütiges Video vorgeführt. Es waren zum Teil alte Aufnahmen aus Wien und Beiträge über das Leben und Wirken Wilhelm Reichs. Dann wurden wir in die Arbeitsräume Reichs hinaufgeführt. In das Untersuchungszimmer, in mehrere Räume mit Geräten und Bildern von ihm; wir wurden durch alle Räume geführt, alles war gut beschriftet. Ganz oben war ein Balkon, von dem man einen schönen Ausblick hatte. In einem Raum wurde auch dokumentiert, wie es zu seiner Verhaftung und Verurteilung kam.

Danach gingen wir ein Stück durch den Wald zu Reichs Grabstelle. Die ist so ähnlich gebaut wie das Haus, also aus den gleichen Materialien. Sie liegt düster im Wald, ein bißchen mystisch. Daneben steht ein Modell eines Cloudbusters.
Das Empfangsgebäude war voll von Flohmarktsachen, was offenbar zum Erhalt des Museums beizutragen hilft – wir haben die Auktion gerade um einen Tag versäumt.

Interessant war die einseitige Berichterstattung: Wilhelm Reich wurde immer wieder als Opfer, als zu unrecht Beschuldigter dargestellt. In vieler Hinsicht war er ein Vorreiter, und in vielen Dingen ist er auch falsch gelegen. Das ist meine Ansicht.

Ich hatte beim Besuch des Museums das Gefühl, dass wir eine Kultstätte besuchten. Das wurde auch im Video so gebracht: Reich war das mißverstandene Genie, das schlußendlich im Gefängnis gestorben ist. In mir entstand das Gefühl einer unkritischen Verehrung. Wahrscheinlich charakterisiert das auch seine Persönlichkeit, weil er zu seiner Zeit nichts bzw. niemanden gelten hat lassen, der nicht seiner Meinung war.

Unsere Führerin hat z.B. gesagt, dass Dr. Reich die Existenz der Orgonenergie bewiesen hat. Ich habe daraufhin gefragt, wie er das bewiesen hat. Und sie hat gesagt mit diesem Gerät, und dann war in diesem Film auch eine Aufnahme eines Akkumulators zu sehen, und sie meinte: „Das sieht man hier, das mißt die Orgonenergie“. Das war für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

In dem Raum, wo auch die Zeitungsausschnitte zu seiner gerichtlichen Verfolgung zu sehen waren, hat jemand mit Handschrift draufgeschrieben: Schmiere!- Reich war strikt dagegen, daß sich jemand in seine Untersuchungen einmischt und hat sich dadurch mit der FDA (Anmerkung des Hrsg.: „Food and Drug Administration“)an-gelegt. Ich kann mir vorstellen, daß die FDA damals schon ein Problem mit ihm gehabt hat. Wenn man Geräte wie den Akkumulator z.B. zur Heilung von krebskranken Menschen einsetzt, ist das auch in keinem anderen Land erlaubt, ohne daß man tonnenweise Studien dazu vorlegt.

Ich habe eine objektive Sichtweise vermißt. Auch was von Reichs Arbeiten objektiv übergeblieben ist, hat mir gefehlt, auch z.B. was die Psychotherapie betrifft. Alle Vorreiter werden angefeindet, aber das Ganze wird unglaubwürdig durch eine einseitige Berichterstattung.

Wenn man Reich jetzt noch verteidigen muß für seine Leistungen, dann erniedrigt ihn das, weil keiner mehr glauben kann, daß er wirklich etwas geleistet hat, was für die Nachwelt wertvoll ist. Das finde ich schade.

Die mystische Stimmung, die ganze Atmosphäre, hat mich sehr an die Rudolf Steiner Kultstätten erinnert. Ich habe dort die gleiche Enge gespürt. Ich habe auch nachgefragt, ob Reich den Steiner gekannt hat; das konnte mir aber niemand beantworten, niemand wußte, wer Rudolf Steiner war. Mich würde das jetzt noch interessieren, weil mich auch die Bilder, die Reich gemalt hat an die Steiner-Bilder erinnert haben, viel Orange, weiche Linien, typische Waldorf-Bilder eben. Es gibt dort auch einen Souvenirshop mit einem Buchladen.

Ich habe mich darin umgesehen und dann gefragt, ob sie die Reich-Biografie von Myron Sharaf haben, und die Dame hat gesagt „Ach so, das gibt´s? Die kenne ich gar nicht.“ Die Biografie Sharafs ist ja nicht unkritisch, vielleicht war es nur ein Zufall, aber ich habe mir gedacht, das ist irgendwie bezeichnend, daß sie das nicht haben.

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