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Bukumatula 4/2006

Der widerspenstige Entdecker der Lebensenergie

Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Birgit Johler über eine Wilhelm Reich-Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien im Herbst 2006
Wolfram Ratz:


Wolfram Ratz: Du warst Ende Juli dieses Jahres in den USA. Was war der Zweck Deiner Reise?

Birgit Johler: Ich war drei Wochen dort. Zuerst war ich in Washington und habe mir in der Library of Congress angeschaut, was es zum Thema Reich gibt; und dort gibt es Dokumente, die Reich damals den Freud-Archivs übergeben hat. Ich bin dann mit einem Mietwagen nach Maine gefahren.

Oder fangen wir anders an: Ausschlaggebend für meine Reise war eine geplante Ausstellung über Wilhelm Reich, die nächstes Jahr im Herbst im Jüdischen Museum in Wien gezeigt werden wird. Ich habe schon vor einiger Zeit mit dem Wilhelm Reich-Museum in Orgonon Kontakt aufgenommen, wissend, dass es dort Objekte für die Ausstellung gibt, die ich gerne haben würde. Ich bin dann von den Leuten dort eingeladen worden, um das Ausstellungsprojekt vorzustellen.

Das habe ich sehr gut mit Recherchen vor Ort verknüpfen können. Das heißt, ich habe an einer Konferenz teilgenommen, habe mein Projekt vorgestellt und das Museum nach Ausstellungsstücken durchforstet. Ich war eine Woche lang dort und habe anschließend Eva Reich und ihre Tochter Renata in Hancock besucht. Und danach Peter Reich in Boston.

W: Du organisierst die Ausstellung über Reich. Bist Du selbst auf die Idee dazu gekommen oder ist da jemand an Dich herangetreten?

B: Das war meine eigene Idee. Ich bin Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin und Ausstellungsmacherin. Ich habe z.B. im Freud Museum bei zwei Ausstellungen mitgearbeitet: bei der diesjährigen Jubiläumsausstellung zu Sigmund Freud und bei „Freuds verschwundene Nachbarn“; ich arbeite aber selbständig.

Ich hatte schon vor zwei Jahren die Idee – anläßlich der Wiederkehr des 50. Todestages Wilhelm Reichs und der Öffnung des Reich-Archivs im nächsten Jahr – eine Ausstellung zu machen, auch als Antwort auf Sigmund Freud. Ich bin an das Jüdische Museum herangetreten und nicht an das Freud-Museum, weil ich einfach nicht nur eine psychoanalytische Ausstellung machen wollte, sondern mehr Aspekte zu Reichs Arbeiten zeigen will. Ich war sehr glücklich, dass sich die Verantwortlichen entschlossen haben die Ausstellung zu machen.

W: Was hat Dich auf Deiner Reise durch die USA beeindruckt?

B: Was mich sehr beeindruckt hat war „Orgonon“, wo sich Reich niedergelassen hat und dessen Umgebung. Das Observatorium, das früher auch sein Arbeitsraum war, das ist ein ganz starker Ort; da ist man schon beeinflußt, positiv beeinflußt. Er hat sich ein sehr schönes Stück Land ausgesucht und hat schon gewußt, warum er dorthin geht und damit weit weg von allem war, von dem er nichts mehr hören wollte.

Ich denke, er ist so weit in den Norden gezogen, damit die Leute aus New York nicht dorthin kommen. Beeindruckt war ich auch von Eva Reich die eine ganz entzückende Frau ist und die mir sehr aufmerksam zugehört hat, was wir in Wien vorhaben. Auch Peter Reich habe ich als tolle Persönlichkeit erlebt; die Begegnung mit ihm war für mich sehr bereichernd.- In Orgonon habe ich Dinge gefunden, die für Reich stehen und die ich für die Ausstellung nach Wien kommen lassen will. Das schaut ganz gut aus; es gibt eine gute Basis für eine Zusammenarbeit.

W: Was wird man in der Ausstellung sehen können?

B: Das muß erst ausverhandelt werden. Es gibt Objekte wie den „Medical Dor-Buster“, den Reich gebaut und verwendet hat, oder kleine Prototypen von „Cloudbustern“ die Tom Ross gebaut hat. Natürlich auch Fotos und Filme. Genaueres werde ich in den nächsten Monaten wissen.

W: Mein Freund Douglas, der anläßlich eines USA-Besuchs vor drei Jahren beim Vorbeifahren zufällig auf das Museum aufmerksam geworden ist, hat „Orgonon“ ein wenig provinziell, ein wenig heruntergekommen dargestellt.

B: Man darf nicht vergessen, dass das Museum von nur 700 Leuten im Jahr besucht wird. Es verfügt über wenig Geldmittel und bekommt kaum Förderungen – und dafür finde ich es schon o.k.- Man kann sich darüber unterhalten, ob es gut ist einen Raum so zu belassen, wie Reich ihn verlassen hat, oder ihn zu verändern.

Aber es ist schon ein sehr starker Ort. Wenn man oben im Observatorium steht, die Fenster geöffnet sind und man die schöne Landschaft sieht – und man spürt, dass die Proportionen der Räume angenehm sind, dann ist das schon beeindruckend. Es hat alles seinen Platz. Es ist – wie bei solchen Orten üblich – eine Art Gedenkstätte. Ich war noch nicht im Freud-Museum in London, aber da zeigen sie Ähnliches. Ich habe mitgeteilt bekommen, dass man noch die Delle im Kissen sieht, auf dem Freud bei seinem Ableben mit dem Kopf gelegen hat.- Es ist eigentlich eine Art Wallfahrtsstätte – aber das hat mich in Orgonon nicht so bedrückt.

W: `Wallfahrtsstätte´ klingt irgendwie nach geschehenen Wundern.

B: Die Leute kommen – so wie in das Sigmund Freud-Museum in Wien oder in London, weil sie irgendetwas von der Person `erspüren´ wollen, die sie verehren.- Nach Orgonon kommen Leute aus unterschiedlichsten Motiven, z.B. weil sie Reichs Arbeit sensationell finden. Das haben manche im Hinterkopf und kommen dorthin, wenn sie in der Gegend sind. Aber es kommen auch Leute dorthin, die Reich nicht kennen oder schätzen, einfach ausNeugierde.

W: Du hast dann Eva Reich in Maine besucht.

B: Ja, einen Nachmittag lang. Sie ist mehr oder weniger bettlägerig und vergesslich. Ich weiß nicht ob das Alzheimer ist oder Altersvergesslichkeit. Aber sonst war sie sehr wach und hat mit Aufmerksamkeit meinen Erzählungen zugehört. Sie hat von ihrer Zeit in Orgonon erzählt, aber nicht sehr viel. Das Gespräch hat sie sehr angestrengt. Ich habe mich vorwiegend mit ihrer Tochter Renata unterhalten.

Wir haben mehrere Fotoalben durchgesehen, von denen ich einige Bilder auch in der Ausstellung zeigen möchte. Eva Reich war recht munter, schien aber nach einer halben Stunde überanstrengt zu sein.- Erinnerungen an Wien oder Deutschland waren keine mehr da. Auch nicht an dramatische Erlebnisse wie die FDA-Kampagne gegen ihren Vater. Da haben wir einfach nicht mehr weiter darüber gesprochen.

W: Wie bist Du eigentlich auf Wilhelm Reich gestoßen?

B: Für mich spannend ist die `Person´ Reich, die so widerspenstig ist. Es gibt einfach ein Interesse an Personen, die so waren wie er, die sich z.B. für die Arbeiter eingesetzt haben, sozialistisch aktiv waren, auch kommunistisch aktiv waren. Ich möchte den Bogen weiter spannen bis zu seiner Zeit in Orgonon – was eine große Herausforderung ist -, ihm andererseits aber gebührt.

Eine Ausstellung über seine Zeit und sein Leben in Wien zu machen wäre einfacher, aber nur eine halbe Sache. Was ich in der Ausstellung zeigen möchte ist, dass er etwas gefunden hat – nämlich die `Lebensenergie´ -, die ja etwas Positives ist und er damit in seinem Suchen nicht allein dasteht. Es gab vor ihm und auch nach ihm Modelle der Lebensenergie und auch andere Modelle, z.B. der Wetterbeeinflussung; also er ist nicht der einzige, der sich damit beschäftigt hat. Das heißt, ich möchte ihn mit meiner Ausstellung auch ein bißchen `herunterholen´.

In meiner Ausstellung möchte ich auch nicht alte Geschichten erzählen, wie z.B. seinen Ausschluß aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, sondern möchte einen neuen Blick auf seine Person werfen. Was ich vorweg verraten möchte ist, dass es zentral um das Thema `Energie´ gehen wird. Das ist für mich ein roter Faden, der sich durch die Ausstellung ziehen wird. Das ist mein Zugang.

W: Hast Du nicht die Befürchtung, dass unter Umständen, allein wenn der Name Reich auftaucht, von vornherein Kritiker auf den Plan gerufen werden, dass es eine massive Ablehnung gibt?

B:Natürlich wird es die geben – und ich bin schon gespannt in welcher Intensität. Andererseits finde ich es toll, dass das Museum diese Ausstellung machen will. Es soll ja nicht so sein, dass ich Reich bewerte. Die Kritiker, die dann kommen und sagen „Was fällt Euch ein“ haben vorgefasste Meinungen und kennen die neuralgischen Punkte. Die werden wohl auch in der einen oder anderen Form zur Sprache kommen.

Aber es geht für mich darum, den Kern seiner Arbeit zu treffen. Und das ist für mich beispielsweise auch seine Arbeit in Wien zur Neurosenprophylaxe, sein Bemühen nicht nur einigen wenigen gut situierten Leuten zu einem besseren Befinden zu verhelfen, sondern großflächig zu helfen – und da hat Reich einiges geleistet, was wir auch zeigen werden.

W: Und auch zum `späten´ Reich, wo dann z.B. UFOs auftauchen?

B: Das ist ein Aspekt, den ich eher weglassen werde, weil das für mich ein relativ marginaler Punkt in seiner Arbeit ist. Aber wenn sich da jemand festbeißt, dann sage ich: ja, viele andere Leute haben damals auch UFOs gesehen, Reich war da nicht der Einzige. UFOs waren in jener Zeit eine hoch angesetzte politische Angelegenheit. Ihm wird das halt angekreidet.

Ich kann jetzt auch kein Krankheitsbild von ihm erstellen, wie das vielleicht manche haben wollen, da sollen sich die Leute selber eine Meinung bilden. Mir geht es darum zu zeigen, dass er jemand war, der versucht hat zu helfen, zu heilen, und er hat einen Weg eingeschlagen, der für viele fragwürdig war, für viele aber auch versuchenswert war – und er hat die Körpertherapie beeinflußt …

W: … er war sozusagen der `Vater´ der Körpertherapie …

B: … genau, er war wesentlich dafür verantwortlich. Das sind die Dinge, die ich zeigen möchte und nicht andere Sachen, auf denen immer herumgeritten wird; ich will keine Verschwörungstheorien o.ä. hineinlassen. Das ist wahrscheinlich für mich von Vorteil als jemand, der ein bisschen von außen kommt und vielleicht auch jünger ist und sich mit diesen Dingen nicht beschäftigen will.

W: Noch eine Frage zu Deiner Person. Du bist gebürtige Vorarlbergerin und bist aus der Ortschaft Alberschwende nach Wien gekommen.

B: Ich bin 1992 nach Wien gekommen und habe Europäische Ethnologie studiert. Ich habe dann bei verschiedenen Projekten mitgearbeitet; habe eine Ausstellungen im Volkskundemuseum über `Übergangsrituale´ gemacht, habe beim ORF verschiedene Sachen gemacht, habe die zwei Ausstellungen im Freud Museum wesentlich mitkuratiert und leite jetzt nebenher ein Forschungsprojekt zu `Jüdische Nachbarschaft´ im 9. Bezirk und habe unlängst auch bei einem Dokumentarfilm mitgewirkt der im Fernsehen gelaufen ist und demnächst ins Kino kommt.. Das war auch eine Geschichte über Freud und seine Mitbewohner im Haus. So bin ich langsam in die Geschichte der Psychoanalyse hineingewachsen, eigentlich hineingelaufen.

W: Und Du bist gerne in Wien?

B: Ich bin sehr gerne in Wien. Ich habe mich nach meinem USA-Aufenthalt wieder sehr nach Wien gesehnt. Ich habe hier viele Freunde und Bekannte und finde es als Kulturschaffende hier sehr anregend; das würde in Vorarlberg recht schwierig sein.

W: Schön. Danke Birgit für das Gespräch.

B: Das war´s schon?

W: Vielleicht kannst Du noch sagen von wann bis wann die Ausstellung in Wien zu sehen sein wird.

B: Die Ausstellung in Wien wird am 10. Oktober 2007 eröffnet und läuft bis 31. Jänner 2008. Sie ist als Wanderausstellung geplant. Für mich war das von vornherein klar, weil Reich an vielen Orten gelebt und gearbeitet hat. Ich würde sie gerne nach Berlin bringen, nach Skandinavien und ich würde sie natürlich sehr gerne nach Amerika bringen, was – wie ich jetzt gemerkt habe – nicht so einfach ist, weil es dort Ressentiments Reich gegenüber gibt.

Es dürfte in Europa mehr Interesse an seiner Person geben, aber wenn wir es schaffen hier in Europa Erfolg zu haben, dann ist es auch leichter, den Sprung nach Übersee zu schaffen. Psychoanalytische Kreise in Paris haben auch Interesse an der Ausstellung bekundet – wir sind da bereits im Austausch, vielleicht könnte das nach Wien die erste Destination sein. Die Ausstellung könnte idealerweise den Orten, an denen Reich gewirkt hat, folgen.

W: Man könnte sie ja auch in Czernowitz zeigen.

B: Natürlich. Dort würde ich selbst sehr gerne einmal hin, das wäre ganz toll.- Die Ausstellung werde ich aber mit Reichs Ankunft in Wien beginnen lassen – mit Reichs Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg. Reich war ja einer von wenigen späteren Psychoanalytikern, die am Krieg teilgenommen haben und der an einer der härtesten Fronten, der italienischen, mitgekämpft hat – und dann nach Wien gekommen ist, um zu studieren; zunächst Jus und dann Medizin.

Das ist der Einstieg in diese Ausstellung. Inwieweit Reichs Kindheit und Jugend hineinkommt, weiß ich noch nicht. Die Ausstellung wird drei Monate laufen. Wir möchten auch ein Rahmenprogramm anbieten, das vermutlich auch für Leute, die eure Zeitschrift lesen, interessant sein wird. Das ist das was ich im Moment sagen kann und sagen möchte.

W: Einiges bleibt noch geheim?

B: Ja, genau, man darf nicht zu viel verraten.
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„Mit großer Mühe hat das britische Verteidigungsministerium jahrelang lästige Wissenschaftler abgewimmelt. Irgendeine Abteilung, ahnten die neugierigen Frager, beschäftigt sich mit UFOs. Doch das Ministerium leugnete hartnäckig. Jetzt musste man zugeben: Über 30 Jahre lang erforschte die Geheimabteilung D155 „Unidentifizierte Flugobjekte“. Und weil man fürchtete, die Bevölkerung würde dies nicht schätzen, versuchte man noch schnell, die Unterlagen verschwinden zu lassen.“ (KURIER-Artikel vom 27.9.06 über „Heimliche Forschungen“)

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