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Bukumatula 3/2006

HANDBUCH DER KÖRPERPSYCHOTHERAPIE

Buchbesprechung
Dario Lindes:

Autoren: Gustl Marlock, Halko Weiss
Verlag: Schattauer; 1. Auflage (Mai 2006)
gebundene Ausgabe: 972 Seiten, EUR 99.-
ISBN: 379452473X

Dieses gerade brandneu erschienene Buch hat keinen geringeren Anspruch als einen umfassenden Aufriss und eine Gesamtschau über die körperorientierte Psychotherapie von ihren Anfängen bis heute zu liefern – und erfüllt ihn auch vorzüglich. Dabei trägt es seinen Titel „Handbuch“ zu Unrecht, ist es doch nicht handlich: ein fetter Wälzer von fast 1000(!) Seiten – mit diesem Ausmaß reiht es sich locker in die Dimension vieler medizinischer Fachbücher ein. Ich meine, man prophezeit nicht zu falsch, wenn man sagt, dass dieses Buch wohl zu einem Standardwerk der körperpsychotherapeutischen Literatur werden wird.

Aus dem PR-Text des Verlags: „Das Handbuch der Körperpsychotherapie bietet erstmals eine Gesamtübersicht über das weite Spektrum dieser Disziplin, die immer mehr Beachtung und Anhänger findet. Über 60 international renommierte Vertreter und führende Lehrer der verschiedenen Grundrichtungen stellen zentrale Gesichtspunkte körperpsychotherapeutischer Behandlung vor.

Alle wichtigen Bereiche – von der Geschichte, über Theorie, Methodik und die praktisch-klinischen Aspekte bis hin zur Praxeologie – werden hierbei umfassend und aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet dargestellt. Den Autoren gelingt so eine schulenübergreifende Synopsis, die das breite Spektrum dieses Therapiekonzepts veranschaulicht, dabei aber schulenbetonte Ideologien vermeidet.

Das Werk macht deutlich, dass die Körperpsychotherapie als Ganzes – auch wenn sie zunächst sehr bunt und heterogen erscheinen mag – durch ihren langen und gefestigten Erfahrungshintergrund sowie vielfältige therapeutische Ansätze substanzielle Beiträge zur Psychotherapie leistet und aus dieser nicht mehr wegzudenken ist …

Diese erläuternden Worte gibt der Verlag seinem Buch mit auf den Weg – und für wahr, sie versprechen nicht zu viel.
Interessant für uns Reichianer ist vor allem, dass unsere Reichianische Ecke auch nicht zu kurz kommt und durchaus prominent vertreten ist: gleich im Anfangsteil, dem historischen Abriss über die Geschichte der Körperpsychotherapie, räumen die Herausgeber dem Werk und der Bedeutung Wilhelm Reichs ein eigenes Kapitel ein (geschrieben von Wolf E. Büntig).

Alsdann folgen Beiträge der bekanntesten Vertreter unserer Reich’schen Körperszene:

  • David Boadella„Soma-Semantik, Bedeutungen des Körpers“
  • Alexander Lowen„Die neurotische Charakterstruktur und das bewusste Ich“
  • Stanley Keleman„Die Reifung des somatischen Selbst“
  • Ron Kurtz„Körperausdruck und Erleben in der körperorientierten Psychotherapie“
  • Peter Geißler„Regression in der Körperpsychotherapie“
  • Ebba Boyesen (und Peter Freudl) „Die Entfaltung libidinöser Kräfte in der neoreichianischen Körperpsychotherapie“
  • Jack Lee Rosenberg„Segmentale Haltemuster im Körper-Geist-System“

… und als Höhepunkte:

  • Eva Reich(mit Judyth O. Weaver) „Emotionale Erste Hilfe“
  • Heike Buhl„Orgonmedizin“

Der Rest der Autorenreihe – es sind an die 60 – liest sich wie ein Who-is-Who der Körpertherapie, darunter Hilarion Petzold, Tilmann Moser, Jack Painter (bei dem ich meine Ausbildung gemacht habe), Courtenay Young, Guy Tonella, Günter Heisterkampu.v.a.

Die beiden Herausgeber – Gustl Marlock, Pädagoge und psychologischer Psychotherapeut (spez. f. Kinder- und Jugendlichentherapie), Leiter von Weiterbildungen in unitiver integrativer Körperpsychotherapie, Dozent und Supervisor für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie – und Halko Weiss, Psychologe und psychologischer Psychotherapeut, Mitbegründer des Hakomi-Instituts in Boulder, Colorado, und Direktor des europäischen Hakomi Institutes, sind zur Zeit mit dem Aufbau eines Europäischen Kollegs für Körperpsychotherapie („European College for Somatic Psychotherapy“ ECSP) beschäftigt, das eine qualifizierte, schulenübergreifende Weiterbildung in Körperpsychotherapie ermöglichen soll. (www.somaticpsychology.org)

Das Buch ist ein Kompendium aller therapeutischen Richtungen, Schulen und Gedankenimpulse. Es gliedert sich in 13 Hauptteile mit insgesamt 99 Unterkapiteln und behandelt auch „Klinische Aspekte“ (Hauptteil VII), „Behandlung spezifischer Störungen“ (IX), „Erweiterte Anwendungsgebiete“ (X), „Fallstudien“ (XI) und „Schnittstellen mit anderen Formen der Psychotherapie“ (XII).

Sicher keine leicht lesbare Bettlektüre, vielmehr ein fundamentales Nachschlagewerk für die therapeutische Alltagspraxis; und so wird (und soll) es auch den öffentlichen Diskurs um die Anerkennung von körpertherapeutischen Formen für die Psychotherapie fördern. Eine Pflichtlektüre für jeden Körpertherapeuten!

Abschließend noch 3 Kommentare von Fachleuten, die es in ihren Worten besser auf den Punkt gebracht haben als ich es je könnte:

Courtenay Young, Präsident der European Association of Body-Psychotherapy (EABP): „Dies wird eines der definitivsten Bücher zur Körperpsychotherapie werden, die je verlegt wurden. Endlich haben wir ein Werk, das fast alle wichtigen Themen und Fragen unseres Feldes einschliesst, sowie beinahe alle seine herausragenden Vertreter. Die EABP und der Rest der Körperpsychotherapiewelt hat lange auf dieses Buch gewartet, und es wird zweifellos zu dem Prozess beitragen, die Körperpsychotherapie als eine grosse und bedeutsame Strömung in Psychologie und Psychotherapie zu etablieren.“

Dirk Revenstorf, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Tübingen, Vorstand der Milton-Erickson-Gesellschaft: „Der Reichtum und die Komplexität der Konzepte der KPT ist von den anerkannten Richtungen der Psychotherapie lange Zeit übersehen worden. Diese Buch zeigt erstmals das breite Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten der Körperpsychotherapie und leistet zur Vertiefung der Praxis und Theorie der Psychotherapie im Allgemeinen einen wichtigen Beitrag im richtigen Moment.“

Gerald Hüther, Prof. für Neurobiologie an der Universität Göttingen: „Dieses Handbuch führt endlich zusammen, was zusammengehört. Gehirn und Körper sind untrennbar miteinander verbunden, nicht nur anatomisch, sondern auch durch ihre gemeinsame Entwicklungsgeschichte. Und weil die im Lauf des Lebens gemachten Erfahrungen immer auf beiden Ebenen, im Gehirn und im Körper, strukturell verankert sind, bleibt jede psychotherapeutische Intervention, die den Körper nicht mit einbezieht, nur eine Teilbehandlung.“

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