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Bukumatula 4/2006

Dafür und für den Regenbogen: Danke

Nachruf auf Wolfgang Karner
von
Beatrix Teichmann-Wirth:

Wolfgang Karner ist am Mittwoch, dem 16. August 2006 verstorben. Er hat mit seiner Persönlichkeit und mit seinem Einsatz einen prägenden Einfluss auf die Körperpsychotherapieszene in Österreich ausgeübt.- Beatrix Teichmann-Wirth hat für einen Nachruf einige ihm nahestehnde Personen gebeten, Erinnerungen an Wolfgang Karner festzuhalten.- Im Anschluß daran finden Sie ein Interview, das Christian Bartuska mit Wolfgang Karner im Jahr 1998 aufgezeichnet hat.

Lieber Wolfgang,

Erst jetzt, anlässlich deines Todes, habe ich mir überlegt, was du für mich wirklich warst: Freund aus alter Zeit, alter Kollege ….

Eigentlich warst du für mich zumindest ein bisschen so was wie ein großer Bruder oder Cousin, älter, erfahrener, mir immer ein wenig voraus, du hast mich aber immer mitgenommen auf deinen Weg, mir gezeigt, wo es weiter gehen könnte.

Und mir ist bewusst geworden, dass möglicherweise oder wahrscheinlich mein Leben anders verlaufen wäre, wenn wir uns nicht begegnet wären. Und ich bin sicher, dass du mit deiner Person und auch mit dem, was du organisiert hast, Einfluss genommen hast auf das Leben vieler Menschen. Und du hast ganz sicher entscheidende Impulse für die KörperPsychotherapie in Österreich gesetzt.

Unsere ersten Begegnungen haben im Rahmen der Kritischen Medizin stattgefunden, wo du natürlich auch organisiert hast: Tagungen, Vorträge, Arbeitskreise – und für mich als linke Medizinstudentin war das klarerweise Pflicht. Meine Haltung in der Medizin ist bis heute von dieser medizin-kritischen Haltung beeinflusst, und ich kenne etliche KollegInnen, bei denen das so ähnlich ist.

Einmal hast du mich dann mitgenommen zu einer Bioenergetik-Gruppe, in der Parkvilla in Purkersdorf, mit Peter Eedy, die wahrscheinlich auch wieder du organisiert hast.- Die Selbsterfahrungsgruppen haben mir eine neue Welt eröffnet – lebendig, alternativ und befreiend. Wir haben in der Folge viele Gruppen mit verschiedenen Trainern gemeinsam erlebt und sind damit durch das östliche Österreich gezogen, vom Waldviertel bis Vorau, von der Cselley-Mühle bis zum Nexenhof, und mit der Zeit habe ich auch mitorganisiert. Die tiefen Begegnungen, das sich Zeigen mit den alten, verborgenen Wunden und Verletzungen, das Erlauben der Sehnsüchte haben eine Verbundenheit geschaffen, die bestehen bleibt. Und ich war auch in der Gruppe, in der du Kitty kennen gelernt hast.

Dann haben wir, nach langen und heftigen Diskussionen darüber, ob wir uns dem eigenen Innenleben, der eigenen Entwicklung zuwenden dürfen oder alle Energie in die politischen Arbeit stecken müssen, unter deiner Initiative und Anleitung die AIKE gegründet, den „Arbeitskreis für individuelle und Kollektive Emanzipation“. Du warst viele Jahre Vorsitzender, wir haben Workshops organisiert, das AIKE-Info herausgegeben, ein AIKE-Lokal gesucht, gefunden und hergerichtet; und du hast dir dabei immer viel an Arbeit aufgeladen.

Später wurde dann das AIK gegründet, in dessen Rahmen du die erste Biodynamik-Ausbildung in Wien 1978 bis 1981 organisiert hast, danach meine (1980) und die nächste 1981. Und Jahre später dann gemeinsam mit Felix Hohenau, Franz Nest und Gerhard Lang die „W91“, eine Biodynamik-Ausbildung, die zu gleichen Teilen von den in Wien ansässigen und den Londoner TrainerInnen geleitet wurde.

Du hast 1982 die Wilhelm Reich Tage organisiert, bei denen durch drei Wochen an der Universität, im Amerlinghaus und in der VHS Stöbergasse Vorträge, Diskussionen und Workshops stattgefunden haben. Du hast mitgewirkt bei den Bestrebungen des AIK, die Anerkennung der Körperpsychotherapie in Österreich zu erreichen.Du hast als Psychotherapeut und als Supervisor gearbeitet und später, gemeinsam mit deiner Frau Kitty, Aufstellungs-Arbeiten zum Thema „Täter-Opferfamilien“ im `Dritten Reich´ gemacht.

Und all das zusätzlich zu deinem Vollzeit-Beruf im Bundeskanzleramt, wo du als Abteilungsleiter in der Regional- und Technologie-Politik entscheidende Impulse in der Regionalentwicklung gesetzt und die Errichtung zahlreicher Innovations- und Technologiezentren initiiert hast.

Ich habe mich sehr gefreut, als du im vorigen Jahr der AABP beigetreten bist und bereit warst, mir in Gesprächen deine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Kurz darauf habe ich erfahren, dass du schwer erkrankt bist.

Weiterleben nach dem Tod – das war für mich früher die Erinnerung an einen Menschen, das, was im Gedächtnis der Menschen bleibt. Aber es ist viel mehr: Du lebst im Herzen deiner Frau und deiner Familie weiter, du lebst in deinen Kindern weiter. Du lebst weiter in unserer Erinnerung und Verbundenheit und in dem, was du in uns und in der Gesellschaft bewirkt hast – und viel von deiner Arbeit wirkt durch uns auch auf andere Menschen weiter ….

Lieber Wolfgang, ich danke dir.

Elfriede Kastenberger

Frühjahr, Sommer 1982, ein kleiner Büroraum im Dachgeschoss in der Annagasse, ein Schreibtisch voll mit Aktenstößen, auch sonst überall Türme von Akten, eine Thermoskanne, viel Kaffee und mitten drinnen: Wolfgang. Ein- bis zweimal pro Woche war ich bei ihm in seinem Refugium. Dann schob er ein paar Stöße zur Seite und wir arbeiteten an der Organisation der 1. Wiener Wilhelm-Reich-Tage.

Wolfgang produzierte an so einem Nachmittag mehr Ideen als ich und einige weitere im Organisationskomitee in einer Woche bis zum nächsten Treffen umsetzen konnten. Das Problem war nicht, dass wir gute Ideen für interessante Veranstaltungen suchen mussten, unsere Aufgabe war viel mehr Wolfgang einzubremsen. Das gelang uns nur sehr zum Teil, denn das Ergebnis waren schließlich tägliche Veranstaltungen über einen Zeitraum von 3 Wochen: Unter der Woche gab es „Werkstattseminare“ im Amerlinghaus und im Schmida, am Wochenende Vorträge und Podiumsdiskussionen an der Uni und in der Urania.

Wenn wir eine kurze Kaffeepause einschoben, machte sich Wolfgang sorgenvolle Gedanken, dass sich Kreisky nur noch mit Ja-Sagern umgab und dass die „Blauen“ bereits alle Vorkehrungen für eine Regierungsbeteiligung trafen. Diese Zusammenarbeit mit Wolfgang war eine anstrengende, aber unglaublich dichte und schöne Zeit für mich.

Gerhard Lang

Wolfgang Karner ist letzte Woche gestorben und erst mit seinem Tod, ist mir bewußt geworden, welche Bedeutung er für mich hatte. Wolfgang lernte ich kennen, als er schon den Grundstein zur AIKE gelegt hatte. Ein Mann der ersten Stunde, unermüdlich in seinem Streben, um die Anerkennung der Körperpsychotherapie kämpfend.

Für mich war Wolfgang mehr als das: ein Humanist, ein Symbol für die Visionen unserer Jugend, ein Kämpfer für Werte, die heute vielleicht in den Hintergrund gerückt sind. Der Mann, der uns allen Boden gegeben hat und in uns weiter leben wird. Eine große Seele ist von uns gegangen. Der große Regenbogen, der am Tag seiner Beerdigung aufgegangen ist, ist ein Zeichen, dass Gott, wie immer es ihn geben mag, Wolfgang willkommen geheissen hat.

Mercedes Köhler-Bourgeot

Und plötzlich war er da, ein riesiger, den Himmel umspannender, in leuchtenden Farben strahlender Regenbogen – wie ein letztes Geschenk. Das Grab war schon mit Erde bedeckt, die Blumen liebevoll von Freunden und Nächsten darauf gelegt und der heftige Regen, der von Anbeginn des letzten Weges immer wieder auf uns nieder floß zu Ende gekommen – da tat er sich auf und ließ uns die Köpfe vom Erdboden zum Himmel heben.

Vieles war gewürdigt worden von Menschen, welche neben die Urne traten und sich nochmal an Wolfgang wandten. Sein Engagement und seine Tatkraft ebenso wie sein Durchsetzungswille, seine Streitbarkeit und seine starke Liebeskraft – und immer wieder sein tiefes Interesse für den anderen – und seine Wärme.

So wird er auch mir in Erinnerung bleiben, mit dieser großen Herzenswärme, welche jeden der wenigen Kontakte, welche ich mit ihm hatte, erfüllte. Dafür und für den Regenbogen: Danke.

Betraix Teichmann-Wirth

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