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Bukumatula 2/2010

Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?

…und der Günter Hebenstreit sitzt im Orgon-Kastl…
von
Beatrix Teichmann-Wirth:

Rezensionen zu Antonin Svobodas Dokumentarfilm über Wilhelm Reich, der am 13. Oktober 2009 in ORF 2 gesendet wurde.

Also ich hab’ keine Angst vor dem Wilhelm Reich, der hier in dem Film von Antonin vorgestellt wird. Das ist ein wissenschaftlich korrekter Mann, der alles ordentlich untersucht hat und mit seinen Forschungen auch viel Gutes, auch Ungewöhnliches in das Leben der Menschen gebracht hat. Nein Angst braucht man vor so jemanden nicht zu haben und dennoch, gleich zu Beginn, hört man, dass sich die Atomenergiebehörde nach der Verurteilung Reichs für die gelungene Zusammenarbeit bedankte und betonte, wie wichtig es war, Reich aus dem Verkehr zu ziehen.

Auch die American Psychoanalytic Association dankte der FDA für ihr „effektives Vorgehen gegen Reich“. Inhaltlich folgt dann vieles, warum Wilhelm Reich sehr wohl Anlass gegeben hat, um Angst vor ihm zu haben, vor allem jedoch vor dem, was er in uns berührt hat: „Ich habe Unrecht getan“, sagt er da am Anfang in einem der über die Bilder gelegten Originalzitate am Beginn des Films „indem ich die grundlegende Naturkraft entdeckt und praktisch verfügbar gemacht habe, die jahrtausendelang in vielen Sprachen `Gott´ genannt worden ist“. Es ist wohl sehr ängstigend, Gott nicht mehr wie über Jahrtausende traditionell in uns verankert als etwas außerhalb von uns zu sehen, sondern „… als etwas Irdisches, Berührbares und Verstehbares innerhalb des menschlichen Herzens und des Geistes“.

Diese Angst vor dem Lebendigen in uns wird angesprochen von den Vielen, die hier zu Interviews eingeladen waren; gleich zu Beginn von Annelie Keil, Heike Buhl und Björn Blumenthal, dem schönen, weißhaarigen „Althasen“ der Orgontherapie. Reich hat also die Grundfesten unseres Verständnisses vom Sein berührt, und das hat ihm letztlich das Leben gekostet. Der Film beginnt mit dem Ersten Weltkrieg, da, wo Reich als 17-Jähriger an der Front von Isonzo mit Gewalt und Obszönität konfrontiert war und einer der wenigen Überlebenden war.

Der Film beginnt nicht beim Jugendlichen, der seine Mutter an den Vater verriet, welche sich dann nach konflikthaften, eifersüchtigen Auseinandersetzungen mit diesem das Leben nahm. Er beginnt auch nicht da, wo der Elfjährige erste sexuelle Erfahrungen mit Bediensteten machte. All das kommt im Film nicht vor. Vielleicht ja, weil so viel von diesen Tatsachen und biographischen Gegebenheiten oftmals dazu missbraucht wurden, um Reichs bahnbrechende Erkenntnisse, auf das Werk eines schwer traumatisierten Verrückten zu reduzieren, wie dies (leider nicht zuletzt) z.B. im Buch „Das sexuelle Bollwerk“ von Harry Mulisch in für mich dummdreister Art gemacht wurde.

Da sucht der Filmemacher offenbar einen Abstand. Meiner Empfindung nach ist diese Distanz ein bisschen zu groß. So empfinde ich es für Reichs Kampf um die Freiheit in der Liebe wesentlich, dass die monogame Ehe seiner Eltern und das damit verbundene Gebot zur ehelichen Treue die Grundlage für die Verzweiflung seiner Mutter und damit für all das Leid der ganzen Familie war. All das wird nicht einmal erwähnt, auch nicht die Beziehung Reichs zu (seinen) Frauen, über die er sich selbst sehr offen äußert (vor allem in dem Buch „Jenseits der Psychologie“).

Die enge Verschränkung und gegenseitige Bedingtheit von Forschungsergebnis und der „Ausstattung“ des Forschers wird außer Acht gelassen. Man könnte sagen, dass Wilhelm Reich wahrhaftig das gelebt hat, was er dann in der Forschung untersucht hat. Da interessiert natürlich auch die Person. Der Film beginnt also mit der Konfrontation von Gräueltaten im Ersten Weltkrieg, welche Reich nicht als moralisch verdammenswerte Handlungen sieht, sondern als „die latente Grausamkeit des Einzelnen“ als Ausdruck einer krankhaften Entwicklung, weshalb es der Heilung und mehr noch der Vorsorge bedarf.

Ich war erneut berührt, wie Reich über seine erste Begegnung mit Freud sprach: „Freud war anders, er sprach mit mir wie ein ganz gewöhnlicher Mensch und hatte brennend kluge Augen. Sie durchdrangen nicht die Augen des andern in seherischer Pose sondern schauten bloß echt und wahrhaft in die Welt.“ Das war der Beginn einer intensiven Beziehung, die mit einer großen Enttäuschung endete, als Reich Freuds Geund Befangenheit erkennen musste (siehe Interview mit Kurt Eissler: „Reich speaks of Freud; aufgenommen 1952).

Auch das Ende dieser Beziehung kommt in dieser Brisanz im Film nicht zur Geltung. Lore Reich spricht zwar über die Unterschiede zwischen Reichs und Freuds Neurosenauffassung, darüber, dass Reich an der Libidotheorie festhielt und sie fortführte, während Freud sich vermehrt der Erkundung von Ich-Instanzen und der Beschreibung der Abwehrmechanismen zuwandte. Lore Reich führt den letztendlichen Ausschluss aus der psychoanalytischen Gesellschaft auf Reichs Einbezug des Körpers in die Psychoanalyse und seine kommunistischen Auffassungen zurück und sehr wesentlich auch darauf, dass Anna Freud sehr persönliche Motive hatte (sie selbst war Jungfrau und dürfte sich durch die Theorie Reichs zur `Genitalität´ angegriffen gefühlt haben), weshalb sie seinen Ausschluss vorantrieb.

Reich sagt dazu im Eissler Interview: „Von da an lautete die große Frage: ‚Woher kommt dieses Elend?’ Und da begannen die Auseinandersetzungen. Und während Freud seine Todestriebtheorie entwickelte, die besagte `das Elend kommt von innen´, ging ich nach draußen, nach draußen, wo das Volk war Hier kam Freuds Enttäuschung auf Ich hatte die gesellschaftlichen Konsequenzen aus der Libidotheorie gezogen. Für Freud war das das Schlimmste, was ich tun konnte.“

Die enge Verflechtung zwischen Privatem und Persönlichem drückte sich in Reichs Arbeit in Sexualberatungsstellen in Wien und dann in Berlin aus. Er wollte mit politischen Maßnahmen u.a. zur Behebung der Wohnungsnot Bedingungen schaffen, die den Ausdruck von Sexualität z.B. durch ein eigenes Schlafzimmer für die Eltern ermöglichen. Er sah in einer erfüllten Sexualität die Basis für ein gewaltfreies Aufwachsen der Kinder, eine Möglichkeit, dass sich keine Panzerung entwickeln muss. Auch die Autoritätshörigkeit, wie sie sich in der Unterwerfung unter Hitler zeigte, führte er ganz grundsätzlich auf eben jene Trennung des Kindes von seiner (wahren) Natur zurück.

Beeindruckt war ich vom Interviewausschnitt von Willi Brandt aus „Viva Kleiner Mann“, der von einer tiefen Kenntnis des Reich´schen Ansatzes zeugte. Der Film ist sehr gut gemacht; das Zeigen von Bildern und Filmausschnitten aus der Zeit von 1920-1960 wird teilweise überlagert von Originaltexten aus Reichs Werken, wovon ich viele schon kannte, jedoch über den Wahrheitsgehalt und das Essentielle erneut beeindruckt war. So werden zum Thema `Panzerung´ im Hintergrund Filmausschnitte mit militärischem Turnunterricht gezeigt; zur `genitalen Impotenz´ sind Ausschnitte von Tanzveranstaltungen mit vordergründig lustigen Menschen zu sehen darüber folgendes Originalzitat: „Je genauer die Kranken ihren Geschlechtsakt beschrieben, desto fester umriss ich die klinische Überzeugung, dass ausnahmslos alle schwer gestört sind.“

Alle relevanten Forschungsthemen werden angesprochen und von den interviewten Experten sehr kompetent ausgeführt die Veränderung des analytischen Ansatzes zur Vegetotherapie, die Rolle der Genitalität für die Gesundheit, die Bedeutung der Säuglingsforschung, die Forschungen zur Orgonenergie, die Arbeit mit dem Orgon-Akkumulator bei Krebs, die Massenpsychologie des Faschismus ebenso wie das Regenmachen mit dem Cloud Buster immer wieder schön, das Video von Kate Bush zu sehen.

Das mir bereits Bekannte konnte ich noch einmal aus einem neuen, gründlichen Blickwinkel sehen und einiges neu erfahren, wie z.B. dass es die Krebsklinik `Humlegarden´ in Dänemark gibt, in der Patienten mit Orgonakkumulatoren behandelt werden und es neben der Anhebung der Lebensenergie Ziel ist, an der Lebensqualität der Krebskranken zu arbeiten, sodass das Leben erneut bejaht werden kann. Ich war gerührt, wie hoffnungsvoll Reich in Amerika mit dem letzten Schiff aus Norwegen ankam, wie viel Freiheit er sich versprach nach all den Schmähungen und Verfolgungen am europäischen Kontinent.

Amerika, wo im Zuge einer Hetzkampagne er als Scharlatan und `Sexdoktor´ diffamiert wurde, wo seine Bücher ein zweites Mal verbrannt wurden und wo er letztlich im Gefängnis starb. Ich konnte die drückende, düstere Atmosphäre nach dem Oranur-Experiment förmlich spüren; und ich war neuerlich erschüttert über Reichs `Allein-sein´ danach. Und ich war berührt, die Gewalt der Atombombe zu sehen.

Ich fand es interessant, einige mir nicht bekannte Menschen zu sehen und zu hören: Den Internisten und Onkologen Christian Rudolph, den Politologen und Körperpsychotherapeuten Marc Rackelmann, den Verleger Uli Leutner, den Chirurgen und Körperpsychotherapeuten Klaus Stinshof, den Chefarzt der Krebsklinik Humlegarden, Finn Andersen, und den Hamburger Autor und Regisseur Roland Klick.

Es beruhigt, dass auch Menschen aus der potentiellen „Counter Truth“-Welt sich mit der Reich´schen Forschung auseinandersetzen und Brücken bauen. Ich freute mich über das Wiedersehen mit so vielen lieben Menschen, welche ich auch persönlich kennen lernen durfte: Myron Sharaf, Lore Reich, Eva Reich, Johanna Sengschmid, Heiko Lassek, Heike Buhl, Tina Lindemann, Günter Hebenstreit, Thomas Harms.

Alle sprechen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung da gibt es einen enormen Wissensschatz.Aber: Warum seid ihr alle so ernst, so gefasst, soo seriös wäre da nicht Günter Hebenstreit, der im `Orgon-Kastl´ sitzend darüber spricht, dass er noch keine Orgasmen im Kastl hatte; und wüsste ich nicht, dass Heiko ein sehr lebendiges, pulsierendes, unkonventionelles Leben lebt, würde ich nicht annehmen, dass dieser seriöse Mann mit dem professoralen Gehabe die Botschaften Reichs nicht nur gelesen und so wie wir wissen auch wissenschaftlich und therapeutisch weitergeführt hat, sondern sie ihn auch geprägt oder vielmehr `gelöst´ haben, sodass er diese pulsierende Lebendigkeit auch ist.

Und würde ich Tina nicht kennen, wie springlebendig sie ist, so würde ich zwar dennoch sofort nach dem Therapieausschnitt zu ihr in `OrgonTherapie´ gehen, weil die Wirkung sehr eindrucksvoll erkennbar ist und auch wie Halt gebend und kompetent sie ist. Dennoch: Ich konnte nicht wahrnehmen, dass die tiefe Beschäftigung mit Wilhelm Reich am eigenen Leib Befreiung bewirkt; und ich konnte den Aufruf zur Radikalität im wahrsten Sinne des Wortes nicht wahrnehmen.

War dies etwa die „Vorgabe“ für den Film dass die Seriosität das Wichtigste ist, um ja nicht der Abwertung Vorschub zu leisten (das sind ja alles sehr befremdliche, verrückte, nicht ernstzunehmende Menschen, diese Reichianer!)? Fürchten wir uns etwa selbst vor dem Reich in uns? Davor, welche Konsequenzen das für unser Leben hat? Das frag’ ich mich.

„Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?“ ist für mich ein wissenschaftlicher Dokumentarfilm und daher sehr interessant. Ich danke Antonin und allen, die einen Beitrag für die Seriosität und das Bemühen leisteten, Reich und seinem Werk gerecht zu werden. Das ist gelungen. Wenn Menschen, welche sich schon mit Reich auseinandergesetzt haben die Adressatengruppe sind, an die sich dieser Film wendet, so ist die gründliche, komplexe filmische Werkschau ein tolles Dokument des Reich´schen Werkes.

Der Film hat mich zu allererst intellektuell erreicht. Unmittelbar berührte er mich selten dann als Thomas Harms mit der Mutter und dem Schreibaby arbeitet und er seine Hand kontaktvoll über die Hand der Mutter legt, dann als Myron Sharaf noch ganz vital in einem Garten sitzend über Reich und die Engstirnigkeit der Menschen spricht, dann, als Auszüge aus Reichs Briefwechsel mit A.S. Neill gelesen werden, man die beiden Männer bildlich sieht und spürt, wie innig die Freundschaft zwischen ihnen trotz der weiten Distanz und der seltenen Treffen war. Es erschütterte mich zu hören, was beide über den bevorstehenden Gefängnisaufenthalt sagten.

Neill: „Reich, ich liebe Dich. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass Du mit einer irrsinnigen Gefängnisstrafe bestraft wirst. Du würdest es nicht aushalten, und Du weißt das. Tatsache ist, dass Du im Grunde deshalb gekreuzigt wirst, weil Du seit Jahrhunderten der erste Mann bist, der Lebensbejahung predigt und weil Du der einzige Mann bist, der sich für das volle Recht der Jugendlichen auf Liebe einsetzt. Deine Verteidigung vor jedem Gericht sollte lauten: Ich bin für das Leben und die Liebe.“

Und Reich, der nicht wirklich mit der Notwendigkeit eines Strafantritts rechnete, schreibt in einem Brief an seine Frau Ilse Ollendorf-Reich: „Ich könnte das Gefängnis nicht gut ertragen und werde wahrscheinlich dort umgebracht werden. “Das hat mich berührt, ebenso der Originalton-Ausschnitt aus „Alone“, welcher Reich nach dem „Scheitern“ des Oranurexperimentes aufzeichnete. Und dann, ganz zum Schluss, wenn zur Musik von Melanie Safka Roland Klick einen aufrüttelnden Satz sagt: „Der Schritt zum Menschen hin muss ohne Ideologie auskommen.

Der Mensch selbst ist der Wert, um den es geht; da wohnt die ganze Lebendigkeit Gottes drin.“ Und da komme ich auf Wilhelm Reich und den `Christusmord´: „Dem Menschen wohnt das ganzheitliche Sein der Schöpfung inne, und wenn wir ihn entfalten, dann entfalten wir die Welt.“ Da war ich in meiner Sehnsucht berührt; in jener Sehnsucht, die mich 1985 auf den Reich´schen (Ausbildungs-)Weg gebracht hat, zu Peter Bolen ins GKK-Ambulatorium am Wienerberg mit aufgeregtem Herzen.

„…von der Psychoanalyse zur Vegetotherapie…?“

von Alfred Zopf

Lange angekündigt war der Film. Und Heiko erzählte uns in der „Simmeringer Reich-Küche“ über den großen Aufwand und die vielen Schwierigkeiten in den USA, diesen Film überhaupt drehen zu können. Und so war ich in freudiger Erwartung, als, natürlich zu später Stunde (die besten Fernsehsendungen werden im ORF fast immer nach 23 Uhr gesendet damit „höhere Bildung“ nur von einigen „Eingeweihten“ gesehen werden kann) endlich der lang ersehnte Film über Wilhelm Reich gesendet wurde.

Bei der Darstellung der verschiedenen Phasen von Reichs Biografie ist mir aufgefallen, dass der Übergang von der Psychoanalyse zur Vegetotherapie, wie ich es sehe, leider überhaupt nicht thematisiert wurde, obwohl diese Phase therapeutisch die wichtigste ist, weil Reich hier erstmals und sehr bewusst Neuland betreten, und sich damit konsequent als Psychoanalytiker von der Psychoanalyse abgegrenzt hat.

Aus meiner Sicht ist Reichs therapeutische Entwicklung von der Charakteranalyse zur Vegetotherapie die spannendste und wird bis heute von vielen, die sich als Therapie-ExpertInnen verstehen verleugnet bzw. ignoriert. Wer die Literatur der Körperpsychotherapie studiert findet darin Reichs Werk „Die Charakteranalyse“ nicht, das eigentlich die Grundlage der westlichen Körperpsychotherapie sein sollte. Schade, dass der Film dieses Thema nicht aufgegriffen hat es bleibt so weiterhin unter den „therapeutischen Teppich“ gekehrt.

Die dargestellten `Orgonsitzungen´ passen nicht wirklich zum Film über Wilhelm Reich, sondern zu einem Film über Heiko Lassek. Ich hoffe meine Kritik wird wohlwollend aufgenommen, insbesondere, da natürlich Antonin Svoboda und Heiko Lassek ohne Einschränkung zu danken ist, dieses Filmprojekt überhaupt in die Wege geleitet und ermöglicht zu haben.

Mail an Heiko Lassek und Antonin Svoboda

von Hanspeter Seiler

Lieber Antonin, lieber Heiko!

Vielen Dank für die Zusendung Eures Films, der am letzten Wochenende schlussendlich doch noch bei mir eingetroffen ist.Vom Filmischen her habe ich aus meiner Sicht nur Lob zu spenden, er ist von Anfang bis Schluss spannend konzipiert und es gibt kaum Nichts sagende oder langatmige Passagen. Ganz hervorragend finde ich auch die Integration der besten Szenen aus den früheren Reich-Kurzfilmen; diese Sequenzen waren meiner Erinnerung nach auch die besten.

Vom Grundkonzept her aber hätte ich gut 50 Jahre nach Reichs Tod den biografischen Teil zugunsten des post-reichianischen Teils deutlich kürzer gehalten. Der biografische Teil ist zwar sehr schön und einfühlsam gestaltet, bringt aber erwartungsgemäß kaum Neues, weshalb ich lieber etwas weniger Szenen aus dem 1. Weltkrieg und dem historischen Wien und dafür einiges mehr über die moderne Reich-Aufarbeitung nach 1968 gesehen hätte.

Dass ihr in dem knappen postreichianischen Teil des Films vor allem den therapeutischen Aspekt mit den Arbeiten von Eva Reich, Heiko, Tina und Heike berücksichtigt habt, finde ich sachlich völlig gerechtfertigt. Immerhin war ja die bioenergetisch-psychosomatische Medizin Reichs Stammdomäne und Ausgangspunkt seiner darüber hinaus führenden Arbeiten. Andererseits aber und dies ist nun natürlich meine persönliche Sicht -, wären die neueren Forschungen zum soziokulturellen und physikalischen Aspekt des Reichschen Werkes zumindest kurz erwähnenswert gewesen.

Gerade punkto Physik liegt der Film dann ja auch schon in der historischen Ausgangslage schlecht. Was Günter Hebenstreit bezüglich der sehr ausführlich dargestellten „Einstein-Affäre“ von sich gibt, ist nach meiner Beurteilung sehr oberflächlich und schönfärberisch und aus heutiger Sicht wissenschaftlich nicht mehr verantwortbar. Er kolportiert einfach das schon von Reich verbreitete und im Film ja ebenfalls zitierte alte Klischee, dass Einstein Reichs experimentelle Arbeit mit wissenschaftlich sehr vagen Argumenten und damit vor allem aus emotionalen Gründen abgelehnt habe. Dies ist zumindest im überprüfbaren experimentellen Aspekt schlicht und einfach falsch.

Ich habe das Thema der Orak-Temperatur-Differenz ja schon in den frühen 80er-Jahren über ein Jahr lang im Winter und Sommer sowie Tag und Nacht experimentell überprüft; das bisher völlig unwidersprochen gebliebene Resultat dieser Untersuchungen ist auch in „Emotion“ Nr. 4 ausführlich publiziert worden. Daraus folgt, dass es von Reich tatsächlich naiv war, einen Orgon-Akkumulator von relativ großen Abmessungen einfach in einem Zimmer auf einen Tisch zu stellen, daneben ein Thermometer aufzuhängen und dann nach ein paar sehr mager dokumentierten Ablesungen dies als wissenschaftlichen Beweis für eine durch den Orak bewirkte Temperatur-Differenz und damit auch für die Widerlegung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik zu erklären.

Der Nachvollzug des Experimentes in Einsteins Keller hat ja dann den durch meine Nachuntersuchungen bestätigten Befund ergeben, dass in einem geschlossenen Raum unabhängig vom Orgon-Akkumulator erhebliche lokale Temperatur-Differenzen vorhanden sein können (und in Einsteins Keller offenbar auch ohne Orak nachweisbar waren), und dies muss man selbstverständlich berücksichtigen. Natürlich kann man Einstein vorwerfen, dass er auf Reichs nachträglichen Korrekturvorschlag (Messungen im Freien) nicht mehr eingegangen ist; aber Reich hatte mit seinem Einstein vorgelegten Versuchsansatz die auch an einen Laien mit immerhin akademisch-naturwissenschaftlicher Grundausbildung zu stellenden Anforderungen an experimentelle Sorgfalt eindeutig nicht erfüllt.

Dies gilt, wie zwischenzeitliche Nachuntersuchungen mit großer Sicherheit gezeigt haben, leider auch für einige andere physikalische Experimente und Postulate, wobei zu betonen ist, dass Reich dessen ungeachtet mit seiner genialen Intuition wohl meist auf der richtigen Spur war! Im Film folgt dann als Abschluss der Einstein-Affäre die ausführliche Darstellung einer Atombomben-Explosion, welche dem Zuschauer das ebenfalls reichlich ausgeleierte Klischee suggeriert, dass Einstein sich mehr für den tödlichen DOR-Aspekt der kosmischen Lebensenergie als für deren Orgon-Liebesaspekt interessiert habe.

Wir wissen ja heute mit Sicherheit, dass Einstein seine zögerliche Unterstützung des ManhattanProjektes zur Entwicklung der Bombe keinesfalls leicht gefallen ist. Auf der experimentellen Ebene habe ich dann ja, entsprechend Reichs Vorschlag, die Temperaturdifferenz-Experimente im Freien mit ganz kleinen, nur eine geringe Wärmekapazität aufweisenden Oraks weitergeführt und konnte so unter sämtlichen Bedingungen tatsächlich eine permanente Differenz nachweisen. Allerdings sind auch nach dieser Arbeit einige Fragen offen geblieben, welche ganz klar zu beantworten ich mir nicht zugetraut habe, was für das interessante Thema bis heute gilt und mich dann auch auf meine eigenen Forschungswege geführt hat.

Diese post-reichianische Klärung der Einstein-Affäre hätte der Film im hierfür gewählten breiten Zeitrahmen zumindest erwähnen müssen. Auch auf anderen Gebieten wäre bei aller Anerkennung von Reichs epochaler Leistung eine etwas differenziertere, kritische Haltung angebracht gewesen. Reichs teilweise egozentrisch-monomane Haltung machte ihn zwar enorm stark, aber auch fehleranfällig, das müssen wir heute wohl einfach zugeben.Mit dieser befreienden Grundhaltung hätte es der Film auch wagen dürfen, auf die post-reichianische Aufarbeitung des wissenschaftlich noch schwieriger zu erfassenden Themas der Reichschen Wetterarbeit mehr als nur andeutungsweise einzugehen. Bernd Senf und James De Meo haben hier ja ebenfalls jahrelange und sehr bemerkenswerte Arbeit geleistet.

Natürlich hätte der Film dann mit noch viel mehr offenen Fragen geendet, was ihm aber m.E. keineswegs geschadet hätte, ganz im Gegenteil. Für mich gilt nach wie vor die zentrale Frage: Welche Aspekte des gewaltigen Potentials der feinstofflich-bioenergetischen Wechselwirkung von Mensch zu Mensch und vom Menschen zum Kosmos werden „nur“ vom Bewusstsein gesteuert, und welche können oder sollen auf welche Art und Weise apparativ unterstützt oder gar produziert werden? Wo beginnt hier die Gefahr mechano-mystischen Denkens in der Reich-Szene selbst?

Zum Schluss aber möchte ich aber nochmals betonen, dass der Film auch für mich trotz der genannten kritischen Aspekte eine echte Bereicherung darstellt, worüber ich mich gefreut habe. Insbesondere das schöne Interview mit dem mir bisher unbekannten Roland Klick war für mich ein Leckerbissen!

Mit herzlichen Grüssen Hanspeter

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