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Bukumatula 2/1998

Bukumatula – Das Ledigenhaus

Zitiert nach Bronislaw Malinowski und Wilhelm Reich
Beatrix Teichmann-Wirth

Brauch und Sitte dieses Stammes kommen diesem Bedürfnis (nach Sexualbejahung in der Jugend, Anmerkung von B.W.) entgegen und bieten Unterkunft und Abgeschlossenheit in Gestalt des bukumatula, des bereits erwähnten Ledigenhauses. Hier wohnen eine beschränkte Anzahl von Paaren, zwei, drei oder vier, auf längere oder kürzere Zeit in vorübergehender Gemeinschaft. Gelegentlich bietet das bukumatula auch jüngeren Paaren Obdach, wenn sie sich auf ein paar Stunden ungestört dem Liebensgenuss hingeben wollen…

Augenblicklich gibt es fünf Junggesellenheime in Omarakana und vier im Nachbardorf Kasana`i. Ihre Zahl hat sich infolge des Einflusses der Missionare stark verringert. Aus Angst, der Missionar könne ihn durch Aussonderung bloßstellen, ihn verwarnen oder gegen ihn predigen, errichtet mancher Eigentümer eines bukumatula dieses jetzt im äußeren Ring, wo es weniger auffällig ist. Meine Gewährsleute haben mir erzählt, dass es noch vor zehn Jahren fünfzehn Ledigenhäuser in beiden Dörfern gab, und meine ältesten Bekannten erinnern sich der Zeit, da es etwa dreißig waren.

Dieser Rückgang ist natürlich zum Teil in der ungeheuren Bevölkerungsabnahme begründet, und nur zum andern Teil in der Tatsache, dass heutzutage manche Junggesellen bei ihren Eltern wohnen, manche in Witwenhäusern und noch andere in Missionsstationen. Doch was auch der Grund sei – es braucht kaum gesagt zu werden, dass dieser Stand der Dinge wahre Geschlechtsmoral nicht fördert… Es ist mir erzählt worden dass zuweilen ein Mann für seine Tochter ein Haus als bukumatula gebaut habe, und dass in alten Zeiten auch Mädchen Ledigenhäuser zu besitzen und zu bewohnen pflegten; jedoch ist mir kein tatsächliches Beispiel dieser Art bekannt geworden.“ (Malinowski, zit. nach Reich, 1995)

Die hier zusammengestellten Informationen beziehen sich auf die von Malinowski zwischen 1920-1930 bei den Trobriandern gemachten Forschungen. Dass der Rückgang weiter zunimmt ist zu befürchten, obwohl sie, wie Susanne Wittmann es in der letzten BUKUMATULA-Ausgabe beschrieben hat, weiterhin existieren.

Das Bukumatula steht jenen Jugendlichen zur Verfügung, die nach einer Zeit der heimlicheren und weniger bindenden Zusammenkünfte regelmäßig als Paar zusammenkommen und „das Lager Nacht für Nacht teilen“. Diese dienen, wie Reich es trefflich nennt, der „Befürsorgung für die sexuellen Umarmung“, welche bei den Trobriandern über das bloße Gewährenlassen hinausgeht.

„Im bukumatula haben wir es mit einer Anzahl von Paaren zu tun, die in einem gemeinsamen Hause schlafen, doch jedes Paar streng für sich – nicht mit jungen Leuten, die alle unterschiedslos miteinander leben; nie werden die Partner ausgetauscht, und `wildern´ oder `gefälligsein´ kommt nicht vor. Im Gegenteil, innerhalb des bukumatula wird ein besonderer Ehrenkodex beobachtet, der jedem Bewohner auferlegt, geschlechtliche Rechte innerhalb des Hauses viel sorgsamer zu achten als außerhalb.

Falls jemand gegen diesen Ehrenkodex verstieße, würde man von ihm das Wort kaylasi gebrauchen, was soviel heißt wie `sich geschlechtlich vergehen´. Im bukumatula (Junggesellenhaus) herrscht strenge Zucht. Nie geben sich die Bewohner orgiastischen Vergnügungen hin, und es gilt für höchst ungehörig, ein anderes Paar bei seinem Liebesspiel zu beobachten. Meine jungen Freunde erzählten mir, dass man entweder warte, bis die anderen alle eingeschlafen seien, oder dass alle Paare eines Hauses übereinkämen, die andern nicht zu beachten.

Ich habe bei dem durchschnittlichen jungen Mann auch nicht die leiseste Spur eines Voyeurinteresses gefunden und auch keinerlei Neigung zu Exhibitionismus. Im Gegenteil, wenn ich die verschiedenen Stellungen und die Technik des Geschlechtsaktes erörterte, wurde mir ganz von selbst mitgeteilt, dass es besonders unauffällige Arten der Ausführung gäbe, `damit man die anderen Leute im bukumatula nicht aufweckt´.“ (Malinowski nach Reich 1995)

„Das jugendliche Paar ist durch keinerlei Gesetz oder Sitte aneinander gebunden; sie werden nur durch die persönliche Zuneigung und die geschlechtliche Leidenschaft zusammengehalten und können sich nach Belieben trennen. Wir hörten auch, dass dieses Verhältnis keinerlei Besitzanspruch in sich schließt, jedem steht die Umarmung mit anderen Partnern, insbesondere anlässlich der Ernte- und Mondfeste frei.

Es kommt zwar zu Äußerungen von Eifersucht, aber bei gewissen Gelegenheiten ist sogar dies `unsittlich´, so etwa, wenn die jungen Mädchen anlässlich eines Trauerfalles die trauernden Männer durch Geschlechtsumarmung trösten. Trotz alledem, oder vom Standpunkt der sexuellen Ökonomie gerade deshalb, sind die Beziehungen auch häufig (ohne äußeren oder inneren Zwang) dauernder, inniger und befriedigender als diejenigen, die unsere sexuell verkrüppelte Jugend zustande bringt.

Die Interessengemeinschaft der jungen Paare bezieht sich nur auf das Geschlechtliche. Niemals nehmen sie gemeinsam Mahlzeiten ein, die, wie wir später hören werden, geradezu zum Symbol der richtigen Ehe werden.“ (Reich, 1995)

Literatur:
Reich, Wilhelm: Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral. Kiepenheuer & Witsch 1995 (Orig. 1932)
Malinowki, Bronislaw: Das Sexualleben der Wilden

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