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Bukumatula 1/2002

Mein Wilhelm Reich

Eine Liebesgeschichte
Beatrix Teichmann-Wirth:

Diesmal mach ich´s anders: keine gründliche Lektüre, kein mich ausweisen müssen über profunde Kenntnis. Diesmal mach ich`s anders. Ich beginne, wo es begann und lasse mich unseren gemeinsamen Weg beschreiben – den von Wilhelm Reich und mir. Eigentlich bin ich gegangen mit ihm, so wie das die Jugendlichen zu meiner Zeit und auch jetzt noch immer sagen – „willst du mit mir gehen?“ – eigentlich schön, ein Stück gehen zusammen. Das will ich beschreiben – unseren gemeinsamen Weg, den von Wilhelm Reich und mir.

Mein Wilhelm Reich.

Es begann wie jede Liebesgeschichte – zumindest für mich. Ich verliebte mich und das auf den ersten Blick, damals als ich für ein Projekt Reich studierte und die „Funktion des Orgasmus“ las und hell entflammt war von der Radikalität, dem Umfassenden und Ganzen und dem Wissen, das sich darin offenbarte – und ich las und las und wollte das auch lernen. Und so begann ich das, was man eine Ausbildung nennt; und es war eine große Herausforderung von Anbeginn an, schon am ersten Wochenende im Waldviertel unter der Leitung von Peter Bolen. Es waren auch einige aus vorhergehenden Ausbildungsgruppen da, welche sich sogleich sexuell mit einigen aus der Gruppe vergnügten.

„So ist das hier“, dachte ich und war erschrocken und beschämt – auch über meine Moral – „das kann man doch nicht“. Noch erschrockener war ich über das „Body-Reading“, welches am zweiten Tag stattfand, und wo ich mich wie alle anderen – einschließlich Peter und der „tapferen“ Ingeborg Scheer – vollständig zu entkleiden hatte. Und ich – schizoider Charakterzug sei Dank – mich dort sogleich „abstellte“ und mich innerlich ins letzte Eck verzog – was ich noch öfter tat im Zuge meines Lehrweges, meine Scham nicht respektierend.

Es hatte ja auch Reich schon geschrieben, sein Ansatz wende sich gegen die Schamhaftigkeit in der Welt. Ob er wohl auch schamhaft war, so ganz im Grunde? Fast denke ich, daß es so gewesen sein mag, etwas was ich natürlich nicht begründen kann und an dieser Stelle auch nicht will. Die Feuertaufe war überstanden und viele andere darauffolgende auch – das Ausziehen vor jeder Körperarbeit vor der ganzen Gruppe und das mich mit kalten, schwitzenden Händen und roten Flecken zeigen.

Das war im Jahre 1985, im Jahre 1986 traf ich dann Michel, Michael Smith, und immer noch schmerzt mein Herz, wenn ich an ihn denk´; und dankbar bin ich ihm, denn durch ihn habe ich erlebt, was es heißt liebend und mit ganzem Herzen anwesend zu sein. Und auch wenn es sich hier um die Liebesgeschichte mit Wilhelm Reich handelt, möchte ich dennoch dieses erste Begegnen mit Michel beschreiben; ich hab es hundertmal erzählt und will es nochmal tun. Es war an einem Freitag im Jahre 1986, das Wetter war strahlend, es mag wohl ein Frühlingstag gewesen sein, und wir waren natürlich rechtzeitig im Buddhistischen Zentrum in Scheibbs. Franz Ritter wohnte dort und andere auch noch.

Die Schlafräume waren groß und nicht besonders einladend und für mich, die „Alleinschlafgewohnte“, sowieso schrecklich. Wir nützten die Zeit für einen Spaziergang. Der liebe, „verrückte“ Helmut Jelem und ich, hatten uns selbstverständlich von der Arbeit freigenommen, um von Beginn an hier zu sein. Doch da war niemand, mit dem zu beginnen war, kein Michel. Meine Empörung wuchs – heute mit Fortschritten in ayurvedischem Wissen würde ich sagen, „mein Pitta“ stieg, und ich war bald soweit abzureisen.

Dann plötzlich hieß es, er sei da und erwarte uns im Gruppenraum – „na dem werd ich´s sagen“. Und dann saß er da, in der Mitte des Raumes, und ich dachte, was willst du da mit deiner Empörung?- Und das ist auch eine Liebesgeschichte, die damals begann, die ich jetzt nicht weiter ausführen will, nur den unsäglichen Schmerz erwähnen, als er dann im Jahre 89 von der Welt ging und ich das erste mal Verlust empfand und weinte und weinte. Und Michel lehrte mich auch, daß das nicht so ganz streng zugeht mit den Reich´schen Gesetzen – er war Alkoholiker und hatte Krebs im fortgeschrittenen Stadium – und das versetzte viele in Erstaunen, und manche sprachen ihm sein Heilpotential empört ab. Lieber Michel, danke!

Und jetzt heute morgen – dem Göttlichen in Schuberts Musik lauschend – vermag ich zu sagen, da war was zutiefst Christliches in Michel, er stellte sich ganz „in den Dienst“, erkannte mich und andere in ihrer Schönheit und Einzigartigkeit und das war heilsam.

Begierig und atemlos aufgeregt lernte ich. Ich lernte, daß Angst Energie ist, gebundene Energie, und so gesehen verfügte ich über ein ungeheures Ausmaß an Energie; ich erfuhr am eigenen Leib wieviel Terror in einem Körper stecken kann und wie sich diese Ladung zwar kurzzeitig abführen läßt, dauerhafte Entspannung sich jedoch nicht einstellt. Jetzt mit meiner Kenntnis über Trauma-Heilung weiß ich auch, dass es hier anderer Bedingungen braucht: absolutes Fehlen einer Bedrohung, ein Aufsuchen der Ressourcen und nicht so sehr der Abgründe, ein Festigen und nicht Auflösen, eine Deeskalierung und nicht noch mehr Aufladung, letztendlich ein bedingungsloses Vertrauen in den Organismus, was auch bedeutet, dass mehr dem Prozess zu folgen ist als ihn zu forcieren.

Und doch bin ich dankbar, über das gute Handwerkszeug, das ich vermittelt bekam, vor allem durch den wandelbaren und stets erneuerungsfähigen Peter Bolen. Lange habe ich mich ans klassische Setting „brav“ und auch überzeugt gehalten, habe die KlientInnen oder wie Reich, der Arzt, sie nannte „PatientInnen“, nackt ausziehen lassen, wohl erst nach geraumer Zeit, begründet durch die bessere Erreichbarkeit der Hautebene in diesem Zustand. Oft – denke ich – waren nicht nur die KlientInnen überfordert sondern auch ich.

Das strikte Gebot der Nacktheit, im Buch von Loil Neidhöfer noch befestigt, mag bei Wilhelm Reichs PatientInnen vielleicht ein nicht so großer Tabubruch gewesen sein. Sich einem Arzt gegenüber auszuziehen ist mehr im Sinne der Konvention als dies einer Psychotherapeutin gegenüber zu tun, wo Gefühle und vor allem die Beziehung im Vordergrund stehen. Auch hat Reich – man braucht dazu nur seine minutiös geführten Fallbeschreibungen in der „Charakteranalyse“ zu lesen oder die Aufzeichnungen darüber im Buch „Der Traumvater“ seines Sohnes Peter Reich – behandelt. Da ging es in wunderbarer Weise um eine wissenschaftlich begründete Arbeit an der Abtragung von Panzerschichten, was dem Ganzen einen eher formalen Behandlungs-Rahmen gab.

Vergegenwärtige ich mir meinen Arbeitsstil von damals, so war da mehr direkte, bisweilen wahrscheinlich invasiv anmutende Berührung; es ging heftiger und lauter zu als nun, und das ist wohl auch bei anderen KörperpsychotherapeutInnen der Fall, falls überhaupt noch Berührung oder die körperliche Ebene ansprechende Interventionen stattfinden. Eigentlich mag ich den Begriff „Körperpsychotherapie“ nicht, geht er doch hinter die Überwindung der Dichotomie zurück, welche Reich in der Vegetotherapie fand. Und es geht letztendlich ja nicht um den Körper, der auf die Psyche wirkt und auch nicht umgekehrt, um den Einfluß der Psyche auf den Körper im Reich´schen Ansatz, sondern um die Berührung der tieferen, zugrundeliegenden Ebene, der Orgon-Energie.

Diese ist über beides, über Interventionen, welche die Psyche betreffen ebenso möglich wie über körperliche Berührungen oder Übungen, wiewohl ich die körperliche Ebene nach wie vor für geeigneter finde, um hinter die festgefahrenen Erlebensmuster durch Denk-Konzepte zu kommen. Wie schon Reich sagte: „Die Menschen kommen voller Nöte …“

Dies will wiederum nicht heißen, dass für mich die Gleichung Denken-Wort = Starre, Strukturgebundenheit, Panzerung und auf der anderen Seite Körper = Lebendigkeit, Authentizität, Ursprünglichkeit in jedem Fall gilt. Zu oft habe ich erlebt, wie selbst starkem Ausdruck von Gefühlen in Form von Schlagen, Schreien oder anderen heftigen Körperäußerungen etwas Gemachtes, seinerseits (in therapeutischen Erfahrungen) Gelerntes anhaftet.

Dies zu unterscheiden erlaubt mir die wunderbare Fähigkeit der „vegetativen Identifikation“. Sie ist das, was über all das Wissen und Handwerkszeug hinausgehend der größte Schatz all meiner Erfahrungen in meinen Reich´schen Ausbildungen – hier vor allem bei Loil Neidhöfer und Petra Matthes – ist. Sie ist die Grundlage für mein therapeutisches Sein. Die Fähigkeit, durch meine Körperempfindungen mit dem anderen in Resonanz zu sein, erlaubt mir zu unterscheiden, ob etwas aus dem lebendigen Kern kommt oder aus der Panzerung. Es zeigt mir in der Regel, ob ich am Pfad bleiben soll, damit es sich ganz entfalten kann oder nicht.

Meistens zeigt es sich mir in einer Art Aufregung, in einer Wachheit, welche sagen will: Hej, da ist was wesentlich, etwas was noch unentdeckt sich äußern will, wenn auch nur kleinlaut.

Mit diesem Instrument der „vegetativen Identifikation“, ich habe es einmal auch organismische Resonanzfähigkeit genannt, weil ich den ganzheitlichen Charakter dieser Wahrnehmungsfähigkeit unterstreichen wollte -, ist das Wort dem Körperausdruck in der therapeutischen Realität gleichgültig gegenübergestellt. Ich habe lange gebraucht, um mir das in diesem Sinne zu gestatten und weiß nicht, ob dieses Dogma, daß die einzig richtige und wirksame Arbeit am und durch den Körper erfolgt, im Sinne eines therapeutischen Imperativs, schon ganz aus mir verschwunden ist. Bisweilen fühle ich mich jedoch frei, im Sinne des personenzentrierten Ansatzes nach Carl Rogers, den ich mehr und mehr zu schätzen und zu würdigen begann, das Risiko einzugehen, hier diese Person zu beantworten. Ich-Wir-Hier in diesem Moment, wie auch immer.

Betrachte ich dieses „Wie auch immer“ in der empirischen Realität meines TherapeutInnen-Alltags, so ist das Setting nicht mehr so starr festgelegt; oftmals beginnt die Stunde auf der Matte schräg gegenübersitzend und endet im Liegen. Es erweist sich auch nicht mehr als unbedingt notwendig, mit starkem Aufladen zu beginnen, oft ist schon so viel energetische Ladung im Raum, dass der Ausdruck von Gefühlen wie von selbst geschieht. Dies geschieht auch in größerer innerer Verbundenheit – die Klientin bleibt immer auch da, hat ein Gefühl, drückt es aus und bewahrt dennoch eine Art Zeugenschaft. Das kathartische Ausdrücken von Gefühlen, wo kein oder nur wenig „Ich“ wahrnehmbar ist, welches bezeugt, wurde im Laufe der Jahre weniger.

Das Geschehen ist unspektakulärer, einfacher, in einer Art normaler, was immer das heißen mag. Schon sehe ich ihn wieder – den erhobenen Zeigefinger der VertreterInnen der Reich´schen reinen Lehre, schon höre ich sie, die Mahnung. gipfelnd in der Anklage der Verwässerung. Ich merke mein Kopfeinziehen und will es diesmal nicht tun, sondern hinsehen und „es“ vertreten.

Nein, ich lasse die Klientinnen nicht mehr ausziehen, ich lasse sie nicht mehr auf die Matte legen, weil ich immer mehr realisierte, dass diese Vorgabe zu einer massiven Kontraktion führt, zu einem Starr- und Stummwerden und besonders bei traumatisierten, missbrauchten oder schizoiden Menschen ein Wegtreten, ein aus dem Körper gehen, auslöst. Das Liegen auf der Matte ist zwar energetisch betrachtet hingabefördernd, und der von Reich beschriebene Orgasmusreflex kann sich so optimal entfalten. Auf der anderen Seite wird dies aber als eine Geste der Unterwerfung und Auslieferung erlebt, was den Energiefluss sofort bremst.

Zuletzt machte ich diese Erfahrung bei einer Klientin, welche mit Symptomen von starker Überladung zu mir kam, die sich in Unruhe, Rastlosigkeit, Gedankenkreisen und Angst ausdrückte. Ich hielt in diesem Fall Reich´sche Therapie für indiziert und freute mich, wieder einmal „klassisch reichianisch“ arbeiten zu können. Auch sie fühlte sich sofort von dem, was ich ihr darüber erzählte angesprochen, und schon in der ersten Stunde schlug ich ihr vor – nachdem sie bereits mit starken Gefühlen „kämpfte“, sich hinzulegen.

Doch siehe da – wie ein Käfer lag sie auf dem Rücken, und es war augenblicklich nicht einmal die kleinste Bewegung zu erkennen. Früher hätte ich nun begonnen, diese Tatsache leugnend, die Atmung wieder anzuregen und wahrscheinlich hätte sie auch „brav“ mitgemacht. Die Emotionen wären, weil nicht mehr haltbar, zum Ausdruck gekommen, oder besser „durchgebrochen“, was sie zumindest für den Moment entlastet hätte; und auch ich hätte mich besser gefühlt, hab ich doch meine Kompetenz mehr oder weniger spektakulär unter Beweis gestellt.

Ich will das, was ich damals in meiner Hochzeit als Reichianerin tat, nicht abwerten. Ich denke es war zu seiner Zeit gültig und auch wirksam, weil ich mich ganz mit dieser Methode identifiziert habe. Und dies ist wahrscheinlich der wesentliche Unterschied zu jetzt. Ich bin nicht mehr mit einer Methode identifiziert, schon gar nicht mehr eine Vertreterin von ihr. Indem ich das schreibe empfinde ich eine leise Wehmut, war es doch auch schön, so ganz in etwas aufzugehen, ganz im Dienste einer Sache zu stehen und ihr auch ganz anzugehören.

Ich denke, das spricht fundamentale menschliche Bedürfnisse an – an etwas Großem mitzuwirken, einer Berufung oder vielleicht mehr noch einem Ruf zu folgen, einer Gemeinschaft anzugehören. Jetzt bin ich allein.

Jedenfalls: Die Kontraktion der oben beschriebenen Klientin verursachte keine Kontraktion mehr in mir. Wenn dies der Fall ist, nehme ich es wahr und greife nicht sogleich zur Methode als Heilmittel. Im gegebenen Fall habe ich es auch angesprochen und die Klientin ermuntert für sich zu schauen, was ihr wieder Sicherheit geben würde, so daß Ausdehnung und Ausdruck stattfinden können. Da sich diese junge Frau in einem hohen Maß ihrer selbst gewahr sein konnte, war das leicht: sie setzte sich auf und experimentierte mit Haltungen, bis es „richtig“ war.

Die von mir zuvor prospektiv angenommene Richtung des starken Ausdrucks von Gefühlen wie Trauer, Ärger, etc. fand nicht statt. Vielmehr sammelten sie sich in ihr zu einer stark empfundenen Kraft, das Leben anzugehen und der Überzeugung, dass sie es schafft. Jetzt, beim Schreiben, merke ich, wie schwer es ist, über die Beschreibung dieser Erfahrung hinausgehend allgemeingültige und dennoch spezifizierte und konkrete Aussagen zur therapeutischen Vorgangsweise zu machen.

Da gibt es für mich nach wie vor einen Anspruch nach einer Wissenschaftlichkeit, die für ein weiteres Vorgehen eine Grundlage und auch eine Richtlinie gibt. Und gleichzeitig vollzog und vollziehe ich noch immer einen Abschied von der unumstößlichen Allgemeingültigkeit von einmal durch eine Person gefundenen Wahrheiten – auch wenn diese Person so groß und „weit“ war wie Wilhelm Reich.

Doch wenn ich wieder zurückgehe zum Herz-Stück des Reichschen Therapiewerks, zur „vegetativen Identifikation“ und dies ganz ernst nehme, so ist keine Übertragung von einer Erfahrung auf eine andere in dem Sinne möglich, dass ich weiß, welcher Verlauf wodurch gefördert wird.

Und dennoch findet sich in der Tiefe meines urpersönlichen Vorgehens eine Gemeinsamkeit mit anderen TherapeutInnen, so wie Carl Rogers sagt „das Persönlichste ist das Allgemeinste“, oder Reich folgend: wenn man über die verschiedenartigen Formen und Ausprägungen an der Oberfläche in die Tiefe gelangt, so finden sich allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten des Lebens.

So will ich nun zum Schluss versuchen, jene Grundsätze zu formulieren, welche nach 20-jähriger Erfahrung mein therapeutisches Verständnis begründen. Dies kann auch im Sinne eines persönlichen Credos verstanden werden.

  • Ich bin das (therapeutische) Instrument. Das will heißen, dass mein Körper ein Resonanzraum ist, wo sich das von der Klientin Geäußerte abbildet – und nicht nur das. Durch die höhere Schwingungsfrequenz meines Körpers lade ich ein – oder, um es mit Reich´schen Worten auszudrücken: Ladung mit niedrigerer Frequenz wird von solcher mit höherer Frequenz angezogen. Das bedeutet, dass ich auf die Reinheit und Gestimmtheit dieses meines Arbeitsinstruments zu achten habe, in dem, was ich zu mir nehme, in dem, womit ich mich umgebe und auch in dem, was ich denke und welchen Emotionen ich unreflektiert Platz in mir gewähre. Mit größerer Klarheit und Reinheit dieses Instruments wirke ich schon allein durch mein Sein. Dies so zu schreiben mag verwegen und im Reich´schen Sinne mystifizierend klingen, aber es entspricht meiner Erfahrung, dass dann nichts mehr zu tun ist und Prozesse wie von selbst ablaufen.
  • Ich habe nichts zu tun und alles wird getan. Ich habe erfahren, daß „der Organismus des Menschen vertrauenswürdig“ ist, um es mit Carl Rogers zu sagen. Ich brauche mich nicht mehr soviel mit der Abtragung von Panzerschichten zu befassen. In Verbindung mit dem oben Gesagten über die höhere Schwingungsfrequenz des Therapeuten bahnt sich aus dem Kern des Menschen das Gesunde, das Lebenwollende, die Ausdrucksbewegung seinen Weg. So hat sich mein Fokus von der Betrachtung des Hinderlichen auf das kräftig Pulsierende verschoben. Und da folge ich in erster Linie mehr als ich führe. Und wieder ist es die Fähigkeit der vegetativen Identifikation, oder der von mir so benannten organismischen Resonanz, die mir erlaubt eine Weiterentwicklung oder auch Verlängerung dieser Ausdrucksbewegung zu erkennen und zu fördern.Ich erlebe immer wieder staunend das Wunder, dass, wenn ich etwas ganz bejahe, wenn ich also „anerkenne was ist“, dass dann Wandlung geschieht. Ja das ist wunderbar und auch unbegreiflich, meint es doch ein Annehmen in einem ganz existentiellen Sinn:
  • Das was ist, ist.Ich brauche dem nichts hinzuzufügen, ich brauche es nicht zu erläutern, ja bisweilen verstellt sogar der Versuch des Verstehens den Weg zu dieser im wörtlichen Sinn gemeinten radikalen Annahme. Für mich als Therapeutin bedeutet das auch, dass ich mich in meiner Menschlichkeit anerkenne, in meiner Verwundbarkeit und genauso die Ebenbürtigkeit der Klientin.Ich habe erlebt, wie heilsam es ist, wenn sich Momente der Begegnung mit KlientInnen ereignen, wenn nichts mehr trennt.
  • Wir beide hier in diesem Raum.Das setzt voraus, dass ich jenseits aller Formen und Methoden gegenwärtig bin, rückhaltlos kenntlich.

Letztlich bin ich dankbar, wenn ich den Anschluss an den von Michel Smith zu mir gesprochenen Satz „Life is bigger than you“ finde, wenn ich die Qualität der Demut vor dem Größeren in Anerkennung meiner Größe wahrnehmen darf.

Schon höre ich ihn, meinen lieben Wilhelm Reich, wie er poltert – Mystizismus, Unwissenschaftlichkeit, Ungenauigkeit… Aber vielleicht ist dem ja auch nicht so.

Jetzt, am Ende dieses Beitrags angelangt, kommt es mir vor, als ob aus der Beschreibung dieser, meiner Liebesgeschichte mit Wilhelm Reich, auch eine Anerkennung meines Wissens über Therapie geworden ist.
Nach der anfänglichen, vollkommenen Hingabe an diesen wunderbaren Ansatz und meinem Ringen um Autonomie und Selbstbestimmung erscheint es mir, als hätte ich dem Männlichen im Reich´schen Ansatz das Weibliche angefügt. – In Liebe.

P.S.: Viel gäbe es noch zu sagen: wie das so ist mit der Wissenschaftlichkeit zwischen relativierendem Subjektivismus und verallgemeinernder Linearität, über das Potential von Erkrankungen, über die Sexualität jenseits des Orgasmusreflexes und Liebes-Beziehungen jenseits vegetativen Prickelns, über das Göttliche im Menschen und die Spiritualität… Damit würde ich auch meinem Anspruch nach Vollständigkeit und Geschlossenheit gehorchen,
aber diesmal mach ich´s ja anders…

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